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Standsicherheit der abgebundenen Wand

3.6 S TANDSICHERHEITSNACHWEISE FÜR S CHLITZWÄNDE

3.6.2 Standsicherheit der abgebundenen Wand

Abb. 3.25 Eindringung der Suspension beim Anschneiden einer grobkörnigen Bodenschicht Bei dem erwarteten Anschnitt von Hohlräumen oder Kies- und Steinlagen ist es sinnvoll, den Leitwandgraben unmittelbar neben dem in Arbeit befindlichen Schlitz als zusätzliches Flüs-sigkeitsreservoir zu nutzen. Dadurch wirken sich plötzliche Flüssigkeitsverluste auf einen größeren Suspensionsvorrat aus, so daß der Spiegel in diesem Fall entsprechend weniger stark absinkt.

Auch nach Abschluß der Aushubarbeiten kann es noch zu Penetrations- und Filtrationsvor-gängen (Abschnitte 2.3.4.3 und 2.3.4.4) kommen. Die daraus resultierenden Absenkungen des Suspensionsspiegels können ein erhebliches Ausmaß annehmen, so daß unter Umständen auch noch an der fertiggestellten Lamelle eine ständige Kontrolle und ein Ausgleich von Sus-pensionsverlusten bis zum Abbinden der Dichtmasse erforderlich werden können.

Die genannten Fälle können eine Dichtwand sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung in einem Maße belasten, das weit über die übliche Beanspruchung von reinen Dichtwänden hinausgeht.

Abb. 3.26 Dichtwände unter Zusatzbelastungen

Die Ermittlung der Dichtwandbeanspruchung infolge der genannten Belastungsfälle ist wegen der wechselseitigen Beeinflussung von Spannungs- und Verformungszuständen allgemein vergleichsweise komplex und weder durch genormte Nachweise noch durch unmittelbar an-wendbare Berechnungsverfahren erfaßt. Deshalb wird in dem folgenden Abschnitt im Sinne einer exemplarischen Darstellung näher auf den Fall einer großflächig überschütteten Dicht-wand eingegangen. Mit dazu vergleichbaren Überlegungen und mit den bekannten Gleichun-gen zur Spannungsausbreitung im elastisch-isotropem Halbraum können auch die anderen Belastungsfälle auf der Grundlage von bodenmechanisch-erdstatischen Berechnungsansätzen theoretisch behandelt werden. Generell kommt auch der Einsatz von numerischen Berech-nungsverfahren nach der Finite-Element-Methode (FEM) in Frage. Unabhängig von dem ge-wählten Berechnungsverfahren geben die Berechnungsergebnisse jedoch wegen der naturge-mäß erforderlichen statischen und bodenmechanischen Vereinfachungen allgemein nur die Tendenz der Vorgänge richtig wieder und sind - wie auch im Zusammenhang mit anderen vergleichbaren grundbautechnischen Problemstellungen - letztlich hinsichtlich einer Gesamt-beurteilung der untersuchten Situation kritisch zu bewerten.

Weitergehende Nachweise zur Tragfähigkeit einer Dichtwand, die mit Zusatzlasten beauf-schlagt wird, sind generell zu führen, es sei denn, daß aufgrund von Erfahrungen aus ver-gleichbaren Projekten eine nachteilige Auswirkung auf die Dichtwandintegrität ausgeschlos-sen werden kann. In Sonderfällen mit einer erwartungsgemäß hohen, bis in die Nähe der Trag-fähigkeit reichenden Dichtwandbeanspruchung können die Berechnungsergebnisse auch durch begleitende Felduntersuchungen, z. B. mit Druckmeßdosen, sogenannten Erddruckmeßgebern, kontrolliert werden.

3.6.2.2 Dichtwandbeanspruchung durch Geländeauflasten

Als ein Element einer Einkapselungsmaßnahme wird die Dichtwand nach ihrer Fertigstellung allgemein zumindest durch die Oberflächenabdeckung belastet. Im Vergleich dazu können in Einzelfällen jedoch erheblich größeren Geländeauflasten auftreten, wenn z. B. bereits gesi-cherte Deponien weiterbetrieben oder erweitert werden (Abb. 3.27).

Abb. 3.27 Beispiel für eine Dichtwand mit zusätzlicher Geländeauflast

Die mögliche Zusatzbelastung, die eine Geländeauflast in einer Dichtwand erzeugen kann, soll prinzipiell am symmetrischen Fall einer großflächig überschütteten Dichtwand erläutert werden. Dazu wird in der folgenden Abb. 3.28 ein Standardfall gewählt: Eine Dichtwand steht in einem Untergrund, der einen kleineren Elastizitätsmodul aufweist, also "weicher" ist als die abgebundene Dichtmasse. Aufgrund der vorhandenen Unterschiede zwischen der Boden- und der Wandsteifigkeit wird sich die Geländeoberfläche neben der Dichtwand stärker setzen als der Dichtwandkopf. Die vertikale Relativbewegung erzeugt an den seitlichen Wandflächen Schubspannungen, die im oberen Wandbereich von oben nach unten gerichtet sind und in der Dichtwand zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Eigengewicht und zu der am Dichtwand-kopf vorhandenen Auflast Druckspannungen verursachen. Die Druckspannungen steigen bis zu einer neutralen Achse an, unterhalb der sich die Dichtwand aufgrund der bis hierhin einge-prägten Zusatzbelastung nunmehr umgekehrt stärker setzt als der umgebende Boden. Infolge dieser Umkehr der Relativbewegung wechselt unterhalb der neutralen Achse auch die Rich-tung der Schubspannungen, die Dichtwand hängt sich nun ihrerseits am Boden auf, und die Dichtwandspannungen gehen bis zum Dichtwandfuß kontinuierlich zurück. In der Fußebene verbleibt im Vergleich zum benachbarten Boden noch ein Spannungsüberschuß (Sohldruck), der am Dichtwandfuß eine größere Setzung als im angrenzenden Baugrund auslöst.

Abb. 3.28 Prinzipskizze zum Spannungszustand an einer überschütteten Dichtwand

Mit den Bezeichnungen der Abb. 3.28 herrscht für die Dichtwand ein vertikales Kräftegleich-gewicht, wenn gilt:

Neben dem in obiger Gleichung erfaßten Kräftegleichgewicht müssen gleichwertig die zuge-hörenden Verformungszustände betrachtet werden, damit die angesetzten Spannungsvertei-lungen letztlich plausibel sind.

Die Spannung in der neutralen Achse

kann ohne weiteres ein Vielfaches der am Dichtwandkopf wirkenden Auflastspannung sigmao

aufweist, kann die Zusatzbelastung in der Dichtwand aufgrund der übertragenen Schubspan-nungen wesentlich größer als die Geländeauflast werden.

Sofern die großflächige Auflast in der abgebundenen Dichtwand die gleichen Vertikalverfor-mungen auslöst wie in dem umgebenden Baugrund, treten in der gesamten Kontaktfläche zwi-schen Wand und Boden keine Relativbewegungen auf. In diesem vergleichsweise einfachen Fall wird die Dichtwand lediglich an ihrem Kopf belastet, und die vertikalen Zusatzspannun-gen wären Zusatzspannun-genau so groß wie die Geländeauflast. Dieser Fall tritt jedoch nur dann ein, wenn die abgebundene Dichtmasse genau den gleichen Elastizitätsmodul aufweist wie der benach-barte Boden; wegen der naturgemäß fast immer vorhandenen Untergrundinhomogenitäten stellt er insofern eher eine theoretische Überlegung dar. Im Gegensatz dazu sind randschub-freie Teilabschnitte jedoch prinzipiell bei jeder überschütteten Dichtwand möglich, wenn die Vertikalspannungen in der Dichtwand und in den benachbarten Bodenpartikeln im gleichen Verhältnis stehen wie die zugehörenden Elastizitätsmoduln und somit die gleichen bezogenen Verformungen zu erwarten sind.

Die dargestellten Spannungs-Verformungs-Zusammenhänge sind prinzipiell auch bereits von solchen Bohr- und Rammpfählen bekannt, bei denen sich der umgebende Boden gegenüber dem Pfahlkopf senkt und sich über die sogenannte negative Mantelreibung an dem Pfahlschaft aufhängt (KOLYMBAS 1989).

Nach Ermittlung der in der Dichtwand maximal zu erwartenden Vertikalspannung ist der Nachweis zu führen, daß die Tragfähigkeit der abgebundenen Dichtmasse nicht überschritten wird. Das Verhältnis zwischen der maximalen vertikalen Druckspannung max sigma und der Bruchspannung, die wegen der seitlichen Stützung der Dichtwand nicht der in Abschnitt 3.4.6.3 beschriebenen einaxialen Druckfestigkeit entsprechen muß, kann als Sicherheit defi-niert werden.

Die erforderliche Sicherheit hängt in starkem Maße von dem gewählten Berechnungsverfah-ren, von den getroffenen geometrischen und bodenmechanischen Vereinfachungen, von den Belastungsansätzen sowie von den allgemein bereits mit Sicherheiten beaufschlagten Re-chenwerten für die maßgeblichen Materialkennwerte des Bodens und der abgebundenen Dichtwandmasse ab und kann deshalb letztendlich nur entsprechend den jeweiligen pro-jektspezifischen Gegebenheiten festgelegt werden.