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5. Fazit

5.2 Schlussfolgerungen

Auf der Suche nach der Beantwortung der Frage, wie trans* Eltern normative Vorstellungen von Familie und Geschlecht verhandeln, hat sich gezeigt, dass die Ergebnisse sehr ambivalent sind. Ein bedeutender Einfluss ergab sich aus der Begrenzung meiner Zielgruppe auf Eltern, die erst nach der Geburt ihrer Kinder ihr trans* Coming Out hatten. Hier bestätigte sich meine anfangs aufgestellte Hypothese, dass die Herausforderung, mit den bereits erfolgten zugeteilten Rollenbildern 'Mama' bzw. 'Papa' zu brechen, besonders groß sind. Dies zeigte sich auf verschiedenen Ebenen.

Auf einer körperlichen Ebene gab es Auseinandersetzungen mit der Frage, inwiefern die Fähigkeit des Schwangerwerden- bzw. des Gebären-Könnens mit Weiblichkeit zu verknüpfen

sei. Diese Verknüpfung kommt nicht von ungefähr. Wie in Kapitel 2 ausführlich dargelegt, sind hetero- und repronormative Strukturen fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Selbst in queer-feministischen Diskursen wird kaum Abstand von der Annahme genommen, dass Schwangerschaft und Weiblichkeit unweigerlich miteinander zusammenhängen. Die Erkenntnis, dass das trans* Sein derjenigen Befragten, die selbst schwanger waren, durch ebenjene Schwangerschaft in Frage gestellt wurde, belegt die Theorie des „queer und trans*

als Freizeitspaß“ (Grantel 2012), also dass trans* Personen nur so lange ernst genommen werden, bis sie Eltern werden. Alle Befragten waren durch ihre aktivistische Tätigkeit auf Twitter mit verschiedenen queer-feministischen Diskursen vertraut. Da sie sich nicht einmal dort repräsentiert sehen, ist es kaum verwunderlich, dass es auch für die Befragten bis zur Entkopplung von Schwangerschaft und Weiblichkeit noch ein weiter Weg ist. Eine zusätzliche Schwierigkeit ergab sich für meine Interview-Partner_innen auch aus der Tatsache, dass sie erst nach der Geburt ihrer Kinder ihr trans* Coming Out hatten. Somit überschnitt sich die zugeschriebene und die eigene Identität vorübergehend (zumindest für kurze Zeit und zum Teil auch nur außen sichtbar, denn beispielsweise Nicole war sich ja durchaus bewusst, trans* zu sein, war aber zum Zeitpunkt der Schwangerschaften der Partnerin noch nicht geoutet) und sie erhielten alle eine Rollenzuschreibung, welche nachträglich loszuwerden enorm schwer war. Meine Vermutung ist, dass trans* Eltern, die sich bereits vor der Geburt ihrer Kinder ihrer trans* Identität bewusst sind, mehr Möglichkeiten haben, von vornherein alternative (oder wie auch immer für sich passende) Begriffe zu etablieren. Da ich aber keine 'Vergleichsgruppe' habe, lässt sich das an dieser Stelle nicht beweisen, und müsste in einer weiteren Forschung untersucht werden. Zudem ist, wie in Kapitel 2.6.1 erläutert, die rechtliche Situation für alle trans* Eltern gleichermaßen unbefriedigend.

Dass die Verknüpfung von Schwangerschaft und Weiblichkeit bzw. Frau-Sein für die Befragten äußerst relevant war, zeigte sich auch daran, dass in den Interviews ein großer Fokus auf der Frage lag, was Mutterschaft eigentlich bedeute. Vaterschaft spielte insgesamt eine eher untergeordnete Rolle. Selbst die Person, die sich selbst als „die Papa“ bezeichnet, widmet sich vorrangig der Frage nach Mutterschaft (wenn auch meist aus einer defizitären Perspektive). Von den Personen, die selbst schwanger waren, möchte sich keine als 'Mutter' bezeichnen lassen82, aber der Begriff 'Papa' oder 'Vater' wird dennoch ebenso wenig gewollt.

Dies hängt damit zusammen, dass sich alle Befragten, unabhängig davon ob binär oder nicht-binär trans*, tendenziell von traditionellen Rollenbildern abgrenzen wollten. Wer sich nicht

82 Während 'Mama' zumindest als Bezeichnung durch die jeweiligen Kinder für die Befragten in Ordnung ist, ist 'Mutter' eine Zuschreibung von Außen, welche strikt abgelehnt wurde.

als 'Mutter' bezeichnete, bezeichnete sich deswegen nicht automatisch als 'Vater', und umgekehrt. Das bedeutete in der Konsequenz, dass die trans* Eltern erfinderisch wurden (bzw. werden mussten), um für sich neue, passende Begriffe zu finden. Das Reclaimen oder Neu-Erfinden von Begriffen ist ein durchaus geläufiger Prozess in marginalisierten Gruppen;

und gerade auch im trans*-aktivistischen Kontext ist das Brechen mit zweigeschlechtlichen Sprachnormen sowie Diskussionen um eine trans*-inklusive Sprache (vgl. dazu auch Kapitel 2.1.1) ein markantes Merkmal der politischen Arbeit.

Bei der Analyse hetero- und repronormativer Vorstellungen von Familie und Elternschaft (vgl. dazu Kapitel 4.2) stellte ich fest, dass sich die Ergebnisse mit denen aus Studien zu (cis-)83 homosexuellen Elternpaaren (vgl. dazu Kapitel 2.4) an vielen Stellen überschneiden. Dies ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass trans* Eltern gleichzeitig auch homosexuelle Eltern sein können, wie es beispielsweise bei Nicole und Kristian der Fall war84. Zum anderen spielt hier vor allem die Sichtbarkeit eine große Rolle. Wenn Eltern sichtbar 'normabweichend' waren, gerieten sie unter Verdacht, dass diese Normabweichung schädlich für die Kinder sei. Das Resultat war bei allen das gleiche: Wer von der Norm abwich, machte sich Gedanken um die Sicherheit der Kinder. Selbst wenn nicht die eigene Identität oder Sexualität, sondern (gewaltvolle) gesellschaftliche Strukturen die Ursache für die Ängste waren. In der Folge galt es für die trans* Eltern eine Balance zu finden zwischen aktiver und offener Verweigerung der Anerkennung zweigeschlechtlicher Normen und dem Wunsch das Kind nicht durch die eigene Existenz in Gefahr zu bringen, sowie zwischen dem Versuch dem Kind eine 'Normalität' zu bieten, aber ihnen gleichzeitig nicht zu vermitteln, minderwertig oder 'falsch' zu sein.

Bei den Ergebnissen der Analyse von „Identitäten, Selbstbezeichnungen und vergeschlechtlichen Rollenbildern“ (4.3) zeigte sich meiner Meinung nach das größte subversive Potential in dieser Arbeit. Die Umgangsstrategien, welche, als Resultat von Widersprüchen und Ambivalenzen zwischen zugeschriebenem Rollenbild und eigener Identität, entwickelt wurden, brechen alle mit normativen Vorstellungen von Elternschaft.

Insbesondere der Punkt des 'Reclaimen', welcher zumindest nach 'Außen' erst einmal kaum Veränderungen bringt, verdient meines Erachtens nach erneute Aufmerksamkeit. Die Strategie des 'Reclaimens', also des Wideraneignens von Begriffen, steht in langer Tradition aktivistischer Bewegungsgeschichte (vgl. hierzu auch Kapitel 2.1.2) und könnte nun auch in

83 Ich konnte keine Studie finden, in der explizit trans* Personen in homosexuellen Paarbeziehungen erwähnt wurden. An vielen Stellen spielt es keine Rolle, an anderen wiederum wird die Existenz von trans* Perso-nen ignoriert oder vereinnahmend behandelt (vgl. dazu auch Kapitel 2.2 ).

84 Und Kristian glaubte beispielsweise, sobald er männliches Passing habe, nicht mehr weil er trans*, sondern weil er schwul ist, angefeindet zu werden (vgl. Kapitel 4.2.1).

Bezug auf trans* Elternschaft fortgeführt werden. Während ein Teil meiner Interview-Partner_innen gezielt auf der Suche nach begrifflichen Alternativen außerhalb zweigeschlechtlicher Normen war, gab es auch mindestens eine Person, deren Hauptziel es war, möglichst viel 'Normalität' für ihre Familie herzustellen. Doch auch ihre Strategien im Umgang mit Begriffen um Selbstbezeichnungen brechen mit hetero- und repronormativen Vorstellungen von Elternschaft und können daher ebenfalls als subversiv bezeichnet werden.