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Auch wenn ein direkter empirischer Beweis aussteht, ist davon auszugehen, dass sich Nutzer von interaktiven Systemen ein inneres Modell der Anwendung bilden, sich einen Begriff von der Funktionsweise des Systems machen. Dieses Modell sollte mit ihrem Modell, das sie von ihrer Arbeitsweise selbst haben, übereinstimmen. Es ist davon auszugehen, dass dieses Modell an sprachliche Äußerungen gebunden ist. Nutzer benennen die Objekte ihrer Arbeitsumwelt und das, was sie mit diesen Gegenständen oder Sachverhalten tun können mit ihrem eigenen Wortschatz. In den Benennungen im User Interface suchen sie dafür Entsprechungen.

Zu Benennungen für lokale User Interfaces gibt es zahlreiche normative Empfehlungen. Zu Be-nennungen in Web-Interfaces existieren ebenfalls normative Empfehlungen, aber auch zahlreiche Studien. Normative Empfehlungen sind jedoch naturgemäß sehr allgemein gehalten, bieten lediglich Hinweise zur grammatikalischen Formulierung von Benennungen, Substantiv-Verb-Kombinationen u.ä. Studien über Benennungen in Web-Interfaces beziehen sich überwiegend auf kommerzielle Web-Applikationen. Hier kann die Verwendung bestimmter Benennungen kalkulierter Effekt sein, um Nutzer auf einen bestimmten Artikel aufmerksam zu machen, Nutzer auf eine bestimmte Fährte zu locken. Gegenstand dieser Arbeit sind jedoch arbeitsorientierte Applikationen, in denen solche Effekte nicht unbedingt sinnvoll sind. Für kommerzielle Websites gilt es, die informationelle Inhalte so zu organisieren, dass sowohl gezieltes Suchen (einer Ware oder Dienstleistung) als auch zufälliges Browsen (finden auch von nicht gesuchten Waren oder Dienstleistungen) unterstützt wird. Es ist zwischen Content (Inhalt) und Labeling (Präsentation) zu unterscheiden. Auch in lokalen arbeits-orientierten Anwendungen existieren die eigentlichen Inhalte, also zentrale (Geschäfts-)Objekte und Funktionen mit ihren jeweiligen Bezeichnungen (die sprachlichen oder/und ikonischen Darstellun-gen). Darüber hinaus ist hinsichtlich der Navigation in primäre und sekundäre Navigation zu differenzieren. Die primäre Navigation führt über einen Verzeichnisbaum oder eine Menüstruktur hin

zur eigentlichen Aufgabenbearbeitung. Die sekundäre Navigation führt dann den Nutzer innerhalb von Teilaufgaben zwischen Karteireitern oder modalen Fenstern. All diese Navigationsschritte sind mit Benennungen versehen.

Laine’s Untersuchungen (Laine 2002) zeigen, dass die Deutlichkeit der Informationen dieser „i-texte“

von deren linguistischer Struktur abhängt. So wird das Auslösen von interaktionalen Prozessen besser durch ein Verb erkannt als durch ein Substantiv, eine Erkenntnis die bereits in DIN EN ISO 9241-14, 2000 beschrieben ist.

Die Web-Technologien haben zu neuen Impulsen für die User-Interface-Gestaltung geführt. Für Browser Interfaces zeigt sich, dass die bisherigen Regeln zu ergonomischer Informationsdarstellung und Dialogverhalten allein nicht ausreichen, um die dahinterliegenden komplexen Anwendungen und Hypertextstrukturen nutzungsgerecht zu konzipieren. Norman spricht bereits in den 1990ern hin-sichtlich der Anordnung von Optionen in Menüstrukturen vom semantischen Raum (vgl. Norman 1991). Auf Websites finden Menüstrukturen ihre Entsprechung in der oft oben auf der Seite hori-zontal positionierten Globalnavigation und der links vertikal angeordneten Lokalnavigation. Neben Software als Dialogsystem erhält der Informationsraum eine zunehmende Bedeutung, von Informa-tionsarchitektur ist die Rede. Weitgehend unbearbeitet sind dabei konzeptionelle Überlegungen hin-sichtlich der Frage, was in welcher Abfolge bei der Gestaltung von User Interfaces zu tun ist.

Herczeg schlug1994 vor, dass User Interfaces nach dem Konversationsmodell oder dem Weltmodell modelliert werden können (vgl. Herczeg 1994, S.118)28. Ebenso kann die Analyse von User Interfaces aus diesen Perspektiven betrieben. werden. Sprachwissenschaftler gehen wohl eher vom Konversationsmodell aus, da der „Bedienvorgang“, so Wagner 2002 nach dem Vorbild menschlicher Kommunikation konstruiert ist. Seine Feststellung, dass eine Optimierung sprachlicher Elemente nur bis zu einem gewissen Grad Erfolg hat, da Rezeptionsangebote wie semiotische Systeme stets nur Ausgangspunkt für individuelles Verstehen sind, bezieht sich auf völlig unerfahrene Nutzer im Umgang mit einem MS-Office-Produkt. Auf professionelle Nutzer in arbeitsorientierten Kontexten ist dies nicht übertragbar. Hier ist in der Regel von ausgebildeten Personen auszugehen, die über ein fachliches Vokabular verfügen.

Aus Sicht des Usability Engineering ist methodisch interessant folgendes festzuhalten: In Studien zur Usability von kommerziellen Websites wird immer wieder empfohlen, darauf zu hören, was Nutzer sagen, welche Wörter sie benutzen. Ist dies auch für das Labeling von großen Warenangeboten richtig, so ist diese Aussage doch nicht auf komplexe Anforderungsanalysen für arbeitsorientierte Systeme übertragbar. Für diese Systeme liegt die Herausforderung darin herauszufinden, was Nutzer meinen, wenn sie etwas sagen. Nielsen geht sogar so weit, dass er abrät, darauf zu hören, was Nutzer sagen. „To design an easy-to-use-interface, pay attention to what users do, not what they say.

28 Herczeg meinte mit Konversationsmodell die rein textbasierte Sprache als Träger des Dialogs. Im Gegensatz zum Weltmodell, das das Prinzip der direkten Manipulation von Objekten und der Anzeige durchgeführter Änderungen im grafischen User Interface realisiert.

reported claims are unreliable, as are user speculations about future behaviour“ (Nielsen 2001). Er rät, folgende Aspekte bei Befragungen von Nutzern zu berücksichtigen:

ƒ „In answering questions (particularly in a focus group), people bend the truth to be closer to what they think you want to hear or what's socially acceptable.

ƒ In telling you what they do, people are really telling you what they remember doing. Human memory is very fallible, especially regarding the small details that are crucial for interface design. Users cannot remember some details at all, such as interface elements that they didn't see.

ƒ In reporting what they do remember, people rationalize their behavior. Countless times I have heard statements like ‚I would have seen the button if it had been bigger.‘ Maybe. All we know is that the user didn’t see the button.“ (ebd.)

Um herauszufinden was Nutzer meinen, wenn sie etwas sagen, ist es hilfreich zwischen Anfor-derungsentwicklung und Anforderungsermittlung zu unterschieden (siehe Kapitel 7.2.1).

5 Begriff und Benennung in Semiotik und Terminologiewissenschaft

Im User Interface finden sich Benennungen (sprachliche Elemente) aber auch Bezeichnungen (z.B.

Icons). Eine Benennung ist die aus einem oder mehreren Wörtern bestehende Bezeichnung eines Begriffs, eine Bezeichnung wird als Repräsentation eines Begriffs mit sprachlichen oder anderen Mitteln definiert. Das Verhältnis von Begriff und Bezeichnung zu dem Gegenstand bzw. Sachverhalt für die sie stehen ist Gegenstand des semiotischen Dreiecks. Wagner bezeichnet ein User Interface selbst als semiotisches System (vgl. Wagner 2002). Auch die Terminologiewissenschaft ist mit der Zuordnung von Benennungen zu Begriffen befasst. So wird dies für die Erstellung von branchen-spezifischen Terminologiedatenbanken angewandt sowie für die Lokalisierung von Software. Letztere umfasst nicht nur eine Anpassung an Sprachräume, auch die Anpassung an Kulturräume respektive Zeichensysteme ist erforderlich.