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Im südlichen Elsass entsteht ein neues

Raumentwicklungs-modell

Christelle Barlier christelle.barlier@aurm.org Jennifer Keith

jennifer.keith@aurm.org

Der Anteil der alleinstehenden Einfamilienhäuser in den Dörfern der Agglomeration von Mülhausen sank von 80 Prozent der Neubauten in den Neunzigerjahren auf heute 60 Prozent. Der Anteil der Reiheneinfamilienhäuser erhöhte sich demgegenüber in der gleichen Vergleichsperiode von 4 auf

erung beitragen: Umnutzung von Kasernen, Lofts oder Bauten, die aus der Struktur von ehemaligen Gewächshäusern hervorgegan-gen sind. Die Modularität ist bei der Woh-nungssuche zu einem ebenso wichtigen Kriterium geworden wie die Nähe zu Dienst-leistungen und öffentlichen Verkehrsmitteln.

Mit Bodenpreisen von rund 30 000 Euro pro Are ist die Gegend um Saint-Louis, das in der Nähe von Mülhausen und nur gerade 20 Zug-minuten von Basel entfernt liegt, besonders attraktiv. Neue Wohnungen werden hier zu einem Quadratmeterpreis von 2000 bis 2500 Euro verkauft.

Deutlich erhöhte Verdichtung

Seit Ende der Siebzigerjahre sind Gesetze gegen die Zersiedelung und zum Schutz der Landwirtschaftsfl ächen in Kraft. Sie fördern dichtere Bauten, die weniger Boden brauchen und besser an den öffentlichen Verkehr an-geschlossen sind. Die mittlere Dichte der Siedlungserweiterungen in den Dörfern rund um Mülhausen hat von 10 auf fast 20 Woh-nungen pro Hektare zugenommen. Der Preis-anstieg und das knappe Bauland trugen eben-falls zu dieser Verdichtung bei. Die Städte, insbesondere Mülhausen, fördern die Sanie-rung und planen auf ehemaligen Industrie-brachen oder in heruntergekommenen Quar-tieren komplett neue Stadtteile. Mülhausen

ist mit 5000 Einwohnerinnen und Einwoh-nern pro Quadratkilometer übrigens die am dichtesten besiedelte Stadt im südlichen El-sass. Zum Vergleich: Im gesamten Departe-ment Haut-Rhin liegt die Durchschnittsdich-te bei 220 Personen pro QuadratkilomeDurchschnittsdich-ter.

Ausgehend von den mehr oder weniger ge-lungenen Erfahrungen mit der Verdichtung sucht man heute nach besseren Lösungen, die weder die Lebensqualität noch den Le-bensraum beeinträchtigen. So wird etwa Wert auf Erholungsräume wie Parks oder Obstgärten gelegt, die dem Charakter der Dörfer entsprechen.

Eine verstärkte ökologische und landschaft-liche Qualität geht zudem Hand in Hand mit dem Schutz der Biodiversität, der Boden-durchlässigkeit sowie der Luftqualität und er-möglicht es, Hitzeinseln zu verhindern.

Werden die Bauten umsichtig in die Land-schaft eingebettet – wodurch sie weniger massiv wirken – und wird das architektoni-sche Erbe in der Umgebung ebenso berück-sichtigt wie eine harmonische Gestaltung, so fördert dies die Akzeptanz der Verdichtung.

Zudem schätzt die Bevölkerung ein gut er-schlossenes Quartier, in dem man sich zu Fuss, per Velo oder mit öffentlichen Verkehrs-mitteln sicher bewegen kann. Ein anderer

Um-gang mit dem Thema Auto ermöglicht ökolo-gischere und humanere Eingriffe in die Sied-lungsstruktur. Letztlich stösst eine verdichte-te Bauweise eher auf Zustimmung, wenn es gelingt, die Intimität der Wohnungen zu be-wahren und eine zu enge Nähe der Bewohner zu vermeiden.

Anspruchsvolle städtebauliche Vorgaben

In Frankreich sind bei Fragen zu Wohnsied-lungen vier Pläne massgebend, die den ver-schiedenen territorialen Ebenen entspre-chen: SRADDET (Region), SCoT (mehrere Ge-meindeverbände), PLH oder PLUI (Gemeinde-verband) und PLU (Gemeinde).

Mit den SCoT soll die Entwicklung von Wohn-siedlungen wieder auf die Gemeinden konzen-triert werden, da diese am besten mit der Si-tuation vor Ort vertraut sind und die Möglich-keiten der Erschliessung durch den öffent-lichen Verkehr kennen. Das Gesetz verlangt nunmehr die Festlegung von klaren Zielvor-gaben für einen sparsamen Umgang mit land-wirtschaftlichen und Freifl ächen. So will etwa Umgestaltung der ehemaligen Kaserne Lefebvre in Mülhausen mit 108 neuen Wohnungen

der SCoT der Region Mülhausen den Flächen-verbrauch für Wohnzwecke um fast 60 Pro-zent vermindern. Im SCoT ebenso wie im PLU werden Mindestziele bezüglich der Dichte der Wohnbauten defi niert, die vom An-schluss an den öffentlichen Verkehr abhängig sind. Zudem enthalten die SCoT und die PLH Vorgaben zur angestrebten Diversifi zierung der Wohnformen (Anteil von

zusammenge-bauten Einfamilienhäusern, Mehrfamilien-häusern und Sozialwohnungen).

Die PLU, die dank raumplanerischer Strate-gien und einer abgestimmten Programmpla-nung zu einer besseren städtischen Qualität führen sollen, verlangen eine Analyse des Verdichtungspotenzials, um den Umfang der Einzonungen zu verringern. Sie enthalten 168 sanierte Wohnungen im Mülhausener

Öko-quartier Wolf-Wagner mit hochwertiger städte-baulicher Gestaltung: Erschliessung durch Tram, Verbot von Autoverkehr, Parkhaus für Autos, dichte Bauten mit individuellen Eingängen, energiesparende Wohnungen, zahlreiche Grün-räume, Rigolen für das Regenwasser und hochwertige Architektur, die sich baulich an die benachbarte Arbeiterstadt anlehnt.

neben den baulichen Bestimmungen auch raumplanerische Grundsätze und Konzepte zur Erschliessung und Dichte, zu landschaft-lichen Räumen und zur Wasserbewirtschaf-tung, die eingehalten werden müssen.

Ergänzende Instrumente

Zusätzlich zu den obligatorischen Regulie-rungsinstrumenten wenden gewisse Gemein-wesen auch massgeschneiderte Instrumen-te zur Umsetzung ihrer WohnbaustraInstrumen-tegie an.

Beispielsweise kann die Agence d’urbanisme de la région mulhousienne (AURM) hinzuge-zogen werden, um Monitorings durchzufüh-ren, Leitfäden zu entwickeln oder Anlässe und Diskussionen zu organisieren. Solche Mo-nitorings ermöglichen eine vorausschauen-de Planung, weil sich auf diese Weise Trends beobachten sowie politische Strategien und ihre Ergebnisse besser beurteilen lassen. Auf Departementsebene wird auch die Situation bezüglich Mieten oder Brachen beobachtet.

Gemeindeverbände überwachen ausserdem die verfügbaren Bodenreserven, die städ-tische Erneuerung und die Erstellung von Neubauten. Praktische Ratgeber helfen den Gemeinden, die ihnen zur Verfügung stehen-den Instrumente besser zu nutzen (Bostehen-den- (Boden-management, PLH, PLU, Strategien der Raum- und Programmplanung). Die Baulandmobili-sierung und insbesondere die Nutzbarma-chung von grossfl ächigen Brachen ist für klei-nere Gemeinden jedoch oft zu komplex und kostspielig. Hier springen öffentliche Einrich-tungen für Immobilienerwerb (Etablisse-ments publics fonciers, EPF) ein, die sich um den Kauf und die Verwertung solcher Grund-stücke kümmern.

Neben den reglementarischen Vorschriften der Stadtplanung tragen somit auch pädago-gische Ansätze, Sensibilisierung und die all-gemeine Verbreitung sowie die Vermittlung der Zielsetzungen zur Umsetzung der öffent-lichen Politik bei.

(Übersetzung)

CHRISTELLE BARLIER, *1979, und JENNIFER KEITH, *1978, sind Studienbeauftragte im Bereich territoriale Kohärenz der Agence d’urbanisme de la région mulhousienne (Frank-reich). Christelle Barlier ist Architektin und Stadtplanerin.

Sie beschäftigt sich mit der Planung von den Gemeinden und den Gemeindeverbänden der Region Mulhouse.

Jennifer Keith ist Geografi n mit Spezialgebiet Wohnungs-Baulücke oder unzureichend genutztes Grundstück

Wechsel für Wohnungsbau möglich

Sanierung / Wiederaufbau Zu erhaltender Erholungsraum Kurz- und mittelfristiges Potenzial BEISPIEL EINER ANALYSE

DES VERDICHTUNGSPOTEN-ZIALS IN EINEM LOKALEN NUTZUNGSPLAN

SRADDET: Schéma Régional d’Aménagement de Développement Durable et d’Egalité des Territoires; regionaler Plan für Raumordnung, nachhaltige Entwicklung und territoriale Chancengleichheit — SCoT: Schéma de Cohérence Territoriale; Regionaler Richtplan — PLH: Programme Local de l’Habitat; lokales Wohnungsbauprogramm —

PLU: Plan Local d’Urbanisme; lokaler Nutzungsplan GLOSSAR

Quelle: Kataster, m2A 2011; Realisation: AURM, CB, Februar 2012

Stefanie Pfändler s.pfaendler@gmail.com

Der lange Weg