Teil II: Diskursanalyse
7. Argumentationsanalyse
7.3. PRO Taraškevica
7.3.1. Qualitative Argumente
Die qualitativen Argumente charakterisieren die Taraškevica aus positiver Sicht mit dem Ziel, beim Gegenüber eine positive Einstellung zu bewirken und so dessen Wahlverhalten zu beeinflussen. Die meisten ästhetischen Argumente beziehen sich auf den Wohlklang der Taraškevica und können somit dem ‘Wohlklang-Topos’ zugeordnet werden. So wird die Taraškevica als ‘wohlklingend’ (milahučny / мілагучны, melodičnyj / мелодичный),278
‘gesangartig’ (pjavučy / пявучы),279 ‘weich’ (mjahki / мягкі, mjagkij / мягкий),280 ‘schön’
(pryhožy / прыгожы),281 ‘saftvoll’ (sakavity / сакавіты),282 charakterisiert. Manchmal wird die Taraškevica direkt mit der Narkamaŭka verglichen und aufgrund der betreffenden Qualitäten bzw. aufgrund einer deutlicheren Ausprägung der betreffenden Qualitäten präferiert.
(7.74) Але тарашкевіца больш мілагучная і мяккая, чымсьці наркамаўка, таму я на баку тарашкевіцы.283 (21.05.2013)
‘Aber die Taraškevica ist wohlklingender und weicher als die Narkamaŭka. Deswegen stehe ich an der Seite der Taraškevica.’
277 Аб'яднаньне з д'ябалам https://m.nn.by/articles/104892/comments/page/2/ (02.02.2019).
278 sahonych http://news.tut.by/culture/331086.html (02.02.2013), Аноним http://news.tut.by/158730.html (11.12.2014).
279 Oksana NN http://s13.ru/archives/15678 (11.02.2019).
280 Oksana NN http://s13.ru/archives/15678 (11.02.2019), Ліцьвін https://m.nn.by/articles/109911/comments/page/6/ (12.02.2019).
281 Ліцьвін https://m.nn.by/articles/109911/comments/page/6/ (12.02.2019).
282 Аноним http://news.tut.by/158730.html (11.12.2011).
283 Ф Кепскі https://m.nn.by/articles/109911/comments/page/4/ (13.02.2019).
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Es wird dabei deutlich, dass trotz der für die Taraškevica gängigen Bezeichnung ‘Orthographie’
(s. Unterkapitel 5.1) die meisten ästhetischen Qualitäten deren Klangbild charakterisieren.
Dabei sind solche Charakteristika oft betont emphatisch, was durch Metaphorik, Vergleiche, Ausrufezeichen und Schriftgröße zum Ausdruck gebracht wird:
(7.75) Пры ўсім дзівацтве тарашкевіцы, яна ГУЧЫЦЬ! Калі пасля класічнага чытання пераходзіш на г.з. наркамаўку, адчуваеш, што ручай мовы падсыхае. Чагосьці адразу не хапае. Не хапае мяккасці і звону, не хапае нейкай гульні гукаў. Мова прытупляецца ў сваім спрашчэнні і ператвараецца ў нешта прэснае.284 (05.12.2008)
‘Bei all ihrer Merkwürdigkeit KLINGT die Taraškevica! Wenn man nach einer klassischen Lektüre [Taraškevica-Lektüre] zu der so genannten Narkamaŭka übergeht, dann spürt man, dass der Bach der Sprache austrocknet. Irgendetwas fehlt. Es fehlt die Weichheit und der Klang, es fehlt irgendein Klangspiel. Die Sprache wird stumpf, vereinfacht und fade.’
(7.76) У школе я амаль ніколі не чытаў расейскую літаратуру, але ж беларускую чытаў заўсёды. Тым ня менш у мяне неяк і думкі не было, што па-беларуску можна размаўляць, бо ў мяне заўсёды існавала нейкае падсьвядомае адмаўленьне гучаньня беларускай мовы. Клясычны правапіс наўпрост перагарнуў усё з галавы на ногі. Я наўпрост зразумеў, што на беларускай мове можна і трэба размаўляць, бо гэта насамрэч песьня!285 (28.07.2008)
‘In der Schule habe ich fast nie die russische Literatur gelesen, aber die belarussische habe ich immer gelesen. Dennoch dachte ich nicht, dass man Belarussisch auch sprechen kann, weil ich immer eine unbewusste Abneigung gegenüber dem Klang der belarussischen Sprache empfand. Die klassische Rechtschreibung hat alles auf den Kopf gestellt. Ich habe verstanden, dass man Belarussisch sprechen kann und muss, denn das ist in Wirklichkeit ein Lied!’
Auch wenn die Taraškevica bloß als Rechtschreibung aufgefasst wird, wird sie als die schriftliche Entsprechung der ‘Melodie’ und der ‘Harmonie’ der mündlichen Sprache dargestellt:
(7.77) Для жывога жыцьця - толькі клясычны правапіс, бо ён адпавядае мэлёдыцы мовы […].286 (14.02.2013)
‘Für das lebendige Leben – nur die klassische Rechtschreibung, denn sie entspricht der Melodie der Sprache…’
(7.78) Паслухайце аўтэнтычную беларускую гаворку […]. У пісьмовым варыянце такая гармонія падтрымліваецца правапісам. Менавіта дзеля гэтага столькі дзідаў апошнім часам зламана ў абарону тарашкевіцы, клясычнага правапісу, таму што наркамаўка не перадае моўнае стыхіі і душы, не стварае на пісьме асобнае моўнае тэрыторыі, яна не суб’ектная.287 (30.04.2000)
‘Hört euch mal die authentische belarussische Rede an… In der Schriftvariante wird solche Harmonie durch die Rechtschreibung unterstützt. Deswegen verteidigt man in der letzten Zeit so hartnäckig die Taraškevica, denn die Narkamaŭka kann die sprachliche Naturgewalt und Seele nicht wiedergeben, sie schafft in der Schrift kein eigenes sprachliches Territorium, sie ist nicht subjekthaftig.’
284 Віталь з Менску https://m.nn.by/articles/22044/comments/page/3/ (02.02.2020).
285 Лёкса https://m.nn.by/articles/18631/comments/page/2/ (28.02.2019).
286 Клясык Forever https://m.nn.by/articles/104892/comments/ (12.02.2019).
287 S. Šupa, S. Paŭloŭski https://nn.by/?c=ar&i=94451 (27.02.2019)
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Das Beispiel (7.78) enthält zugleich ein Argument gegen die Narkamaŭka des Inhalts, dass die Narkamaŭka die Naturgewalt und die Seele der mündlichen Sprache nicht wiedergeben könne.
Sprache wird hier als selbständige, von sozialen Relationen losgelöste Größe dargestellt, die einen eigenen Charakter bzw. eine eigene Seele hat. Hier liegt die ‘romantische’ Auffassung der Sprache vor, die grundlegend für das Sprachlob ist und die Gardt (1999) als Sprachpatriotismus einstuft (s. Abschnitt 1.2.3 und 1.8.1).
Auch einzelne Taraškevica-Lexeme können in Bezug auf ihren Klang positiv charakterisiert werden:
(7.79) Ці вы не адчуваеце як гарманічна гучыць гэтае слова [лёгiка] ў параўнаньні з логікай???? Як лёгка вымаўляецца - і зусім ня трэба сківіцы выварочваць.288 (14.02.2013)
‘Fühlt ihr nicht, wie harmonisch dieses Wort [T: lëhika ‘Logik’] im Vergleich zu lohik [N:
‘Logik’] klingt? Wie einfach das ausgesprochen wird: man muss seinen Kiefer nicht renken.’
Wird im Allgemeinen die Taraškevica mit der Narkamaŭka verglichen, so wird sie als
‘wohlgebauter’, ‘logischer’, ‘organischer’, ‘konsequenter’289 dargestellt:
(7.80) Я не філёляг. Мне асабіста клясычны правапіс падаецца куды больш стройным і лягічным, арганічным для беларускай мовы, чым «наркамаўка».290 (29.08.2007)
‘Ich bin kein Philologe. Aber ich persönlich finde die Taraškevica viel wohlgebauter, logischer, organischer für die belarussische Sprache als die Narkamaŭka.’
Im Vergleich zu der ‘bäuerlichen’ Narkamaŭka wird sie des weiteren als ‘vollkommene Variante einer schönen weichen Sprache’ präsentiert:
(7.81) Увогуле, я за Тарашкевіцу - гэта дасканалы варыянт прыгожай мяккай мовы, не мужыцкі, а шляхотны варыянт.291 (25.05.2013)
‘Also ich bin für die Taraškevica: das ist die vollkommene Variante einer schönen weichen Sprache; keine bäuerliche [Variante], sondern eine adelige.’
Die oben angeführten Beispiele können als verschiedene Ausprägungen des ‘Topos der Vollkommenheit’ charakterisiert werden, den man wie folgt formulieren kann: ‘Weil die Sprachvarietät X vollkommen ist, sollte man sie wählen’.
Die Qualität der ‘Natürlichkeit’ wird der Taraškevica ebenfalls zugeschrieben. Wird sie als Rechtschreibung aufgefasst, wird ihr Vorteil in der Möglichkeit gesehen, den natürlichen Klang der Sprache auf dem Papier wiederzugeben (s. auch Bsp. (7.83)):
(7.82) Трымаюся тарашкевіцы. Лічу гэты правапіс натуральным гучаньнем мовы на паперы.292 (18.06.2013)
‘Ich richte mich nach der Taraškevica. Für mich stellt diese Rechtschreibung den natürlichen Klang der Sprache auf dem Papier dar.’
Solche Beispiele können als Ausprägungen des ‘Natürlichkeitstopos’, der bereits im Abschnitt 7.1.1 erläutert wurde, angesehen werden.
288 лёгіка https://m.nn.by/articles/104892/comments/page/2/ (13.02.2019).
289 Алесь Чайчыц https://nn.by/?c=ar&i=111306 (13.02.2019).
290 V. Taras https://m.nn.by/articles/11136/ (13.02.2019).
291 Ліцьвін https://m.nn.by/articles/109911/comments/page/6/ (13.02.2019).
292 Ulad https://m.nn.by/articles/111306/comments/page/2/ (13.02.2019).
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Eine Reihe von Charakteristika betont die Eigenartigkeit der Taraškevica. So wird im Beispiel (7.83) behauptet, dass B. Taraškevič in seiner Grammatik den ‘natürlichen’ und ‘eigenartigen’
Klang der belarussischen Sprache festgehalten habe. Im Beispiel (7.84) wird der Verzicht auf die Taraškevica zugunsten der Narkamaŭka mit einem Verzicht auf das ‘eigenartige Belarussische’ gleichgesetzt.
(7.83) Мы, як і кожны народ, маем свае сьвятыні. І першая сярод іх – мова, натуральнае і самабытнае гучаньне якой адлюстраваў у сваім правапісе вялікі беларус і вялікі пакутнік Браніслаў Тарашкевіч.293 (11.12.2008)
‘Wir, wie jedes Volk, haben eigene Heiligtümer. Und das wichtigste unter ihnen ist die Sprache, deren natürlichen und eigenartigen Klang Branislaŭ Taraškevič – der große Belarusse und Märtyrer – in seiner Rechtschreibung widergespiegelt hat.’
(7.84) У свой час, робячы выбар на карысьць клясычнага правапісу, адмаўляліся ад таго, что было зроблена дзеля набліжэньня беларускай да расейскай, а цяпер, разважыўшы, прапануецца адмовіцца ад самабытнага беларускага. І ад гэтага будзе карысьць беларушчыне, што скасуецца тардыцыя ўжываньня клясычнага правапісу?294 (23.09.2007)
‘Vor einiger Zeit hat man durch die Wahl der Taraškevica darauf verzichtet, was man für die Annäherung des Belarussischen an das Russische gemacht hat; und jetzt nach gewissen Überlegungen schlägt man uns vor, auf das Eigenartige Belarussische zu verzichten. Und diese Eliminierung der Tradition der klassischen Rechtschreibung soll zu Gunsten des Belarussischtums sein?’
Der in den oberen Beispielen (s. auch im Bsp. (7.97) unten) vertretene ‘Topos der Eigenartigkeit’ kann folgenderweise formuliert werden: ‘Weil die Sprachvarietät X eigenartig ist, sollte sie gewählt werden’.
Bemerkenswert ist eine weitere Eigenschaft der Taraškevica, die im Zusammenhang mit dem Wechsel der Naša Niva zur Narkamaŭka zur Sprache kommt und von einigen Diskursteilnehmern auf die Zeitung übertragen wird. So betonen viele Zeitungleser, dass ihr Interesse für die Zeitung und für das ‘Belarussischtum’ durch die Ungewöhnlichkeit, die Unähnlichkeit der Naša Niva mit den anderen Zeitungen, durch ihre Andersheit, die sie der Taraškevica zu verdanken hat, geweckt worden sei:
(7.85) І гэтая нязвыкласць беларускай мовы мяне толькі прывабіла да газеты, бо хацелася нейкага пратэсту.295 (05.12.2008)
‘Und durch diese Ungewöhnlichkeit der belarussischen Sprache hat mich die Zeitung nur angezogen, denn man sehnte sich nach einem Protest.’
(7.86) Але з цягам часу менавіта мова "Нашай Нівы" мяне і прывабіла, таму яе і чытаю. Яшчэ раз паўтару сваю думку, што непадобнасць да астатніх газет, на мой погляд, і прывабіць чытача.296 (10.12.2008)
‘Im Laufe der Zeit war das nämlich genau die Sprache der Naša Niva, die mich angelockt hat; deswegen lese ich sie [die Zeitung]. Ich wiederhole nochmal meinen Gedanken: die Unähnlichkeit mit den anderen Zeitungen wird, meiner Meinung nach, den Leser anziehen.’
293 Зьміцер Санько https://www.svaboda.org/a/1357257.html (12.02.2019).
294 Ulryk https://m.nn.by/articles/11574/comments/page/2/ (28.02.2019).
295 Віктар Малышчыц https://m.nn.by/articles/22044/comments/page/3/ (12.02.2019).
296 Віктар Малышчыц https://m.nn.by/articles/22044/comments/page/6/ (12.02.2019).
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(7.87) Мяне ў свой час Беларушчына зацікавіла менавіта празь "іншасьць" (правапіс+зьмест) НН. Дагэтуль некалькі год чытаў Нарволю, але гэтак і не прасякнуўся Беларушчынай..297 (04.12.2008)
‘Mein Interesse am Belarussischtum wurde eben durch die Andersheit (Rechtschreibung + Inhalt) der Naša Niva geweckt. Davor habe ich einige Jahre lang die Narodnaja Volja gelesen, aber ich wurde nicht vom Belarussischtum durchdrungen.’
Daran knüpft das Attribut ‘exotisch’ (ėkzatyčny / экзатычны) an, das in einem Kontext mit dem Attribut ‘nicht-sowjetisch’ (nesavecki / несавецкі) auftritt:
(7.88) У гэтым сэнсе тарашкевіца, нажаль, заставалася адной з апошніх перавагаў НН.
Экзатычнай, несавецкай перавагай.298 (05.12.2008)
‘In dieser Hinsicht war die Taraškevica, leider, einer der letzten Vorteile der Naša Niva. [Und zwar] ein exotischer, nicht-sowjetischer Vorteil.’
In Bezug auf die obigen Beispiele kann man vom ‘Topos der Andersheit’ sprechen, der folgenderweise formuliert werden kann: ‘Andersheit zieht an’ bzw. ‘Weil die Sprachvarietät X anders ist, zieht sie Menschen an’. Der Topos ist in der folgenden konkreten Äußerung enthalten:
(7.89) Мова вабіць сваёй адметнасьцьцю, а не падобнасьцьцю.299 (18.11.2013)
‘Sprache lockt mit ihrer Andersartigkeit und nicht mit ihrer Ähnlichkeit an.’
Da es sich in dem Topos in erster Linie um psychologische, eher unkontrollierbare Prozesse handelt, stellt er im Vergleich zu den zweckorientierten Handlungen, die durch das Schema
‘Grund – Handlung’ beschrieben werden können, eine Ursache-Wirkung-Relation dar. Ein handlungsbezogener Präferenztopos kann folgenderweise formuliert werden: ‘Weil die Sprachvarietät X anders(artig) ist, sollte man sie wählen’. Die positive Bewertung der
‘Andersheit’ wird in diesem Fall dadurch erklärt, dass sie das Interesse an dem betreffenden Objekt weckt.
Auch der ‘Vitalitätstopos’, auf den im Zusammenhang mit den Kontra-Narkamaŭka-Argumenten in Abschnitt 7.2.1 eingegangen wurde, ist in den Pro-Taraškevica-Argumentationen stark vertreten. Dabei wird unter ‘Vitalität’ die Verwendung der Taraškevica im Alltag, insbesondere in ihrer mündlichen Form verstanden (im Gegensatz zur Narkamaŭka, der die Existenz einer mündlichen Form oft abgesprochen wird):
(7.90) Цяперашняя кампанія супроць адраджэньня пачатковай формы сучаснай літаратурнай мовы выкліканая тым, што менавіта дзякуючы модзе на "тарашкевіцу" беларуская літаратурная мова ўпершыню займела жывую (бо вусную) форму. На ёй размаўляюць.
На бел'язе-ж толькі пішуць альбо чытаюць з паперкі (калі ласка, без дэмаґоґіі наконт вуснай мовы ў школе ці на радыё - яна такая-ж жывая, як вусная царкоўнаславянская ў расейскай царкве).300 (26.07.2008)
‘Die heutige Kampagne gegen die Wiedergeburt der ursprünglichen Form der gegenwärtigen Literatursprache wurde dadurch hervorgerufen, dass die belarussische Sprache dank der Mode auf die Taraškevica zum ersten Mal eine lebendige (d.h. mündliche) Form erhalten hat. Sie wird gesprochen. In dem bel’jaz schreibt man nur oder liest vom Blatt ab (bitte hier
297 Рамантык https://m.nn.by/articles/22044/comments/ (12.02.2019).
298 Чытач-пісач https://m.nn.by/articles/22044/comments/page/3/ (13.02.2019).
299 Анонимоаз https://m.nn.by/articles/117758/comments/page/2/ (14.02.2019).
300 Radykal https://nn.by/?c=ar&i=18631#startcomments (01.01.2018).
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keine Demagogie in Bezug auf die mündliche Sprache in der Schule oder im Radio: sie ist genauso lebendig wie das mündliche Altkirchenslavische in der russischen Kirche.’
Unter ‘Lebendigkeit’ der Taraškevica kann neben dem alltäglichen Gebrauch auch ihre
‘Anpassungsfähigkeit an neue Erscheinungen’ verstanden werden:
(7.91) Тарашкевіца жывейшая, яна хутка прыстасоўваецца да новых зьяў.301 (07.01.2005)
‘Die Taraškevica ist lebhafter, sie passt sich schnell an die neuen Erscheinungen an.’
Die Taraškevica ist nicht nur ‘lebendig’, sondern man kann mit ihrer Hilfe auch ‘beleben’. So belebt die Zeitung Naša Niva, indem sie die Taraškevica verwendet, die durch die Narkamaŭka
‘eingeengte’ und ‘vergewaltigte’ Sprache:
(7.92) Захоўваючы клясычны беларускі правапіс, “НН” ажыўляе і разьнявольвае нашую мову, заціснутую, згвалтаваную “наркамаўкай”.302 (11.06.2001)
‘Indem die Naša Niva die klassische belarussische Rechtschreibung bewahrt, belebt und befreit sie unsere Sprache, die durch die Narkamaŭka eingeengt und vergewaltigt wurde.’
So wird die Taraškevica zum Symbol der ‘Wiedergeburt’ und des ‘Lebens’, während die Narkamaŭka für ‘Kolonialismus’ und ‘Tod’ steht:
(7.93) Сымболіка каляніялізму неспалучальная з эстэтыкай адраджэньня. Гэта выбар паміж мёртвым і жывым.303 (S. Dubavec, Arche 3/26, 2003)
‘Die Symbolik des Kolonialismus ist inkompatibel mit der Ästhetik der Wiedergeburt. Das ist eine Wahl zwischen dem Toten und dem Lebenden.’
Von der (Über-)Lebensfähigkeit der Taraškevica hängt auch die des Volkes ab. So ruft der Diskursteilnehmer im Bsp. (7.94) zur Verteidigung des Weichheitszeichens (das symbolisch für die Taraškevica steht) auf, damit die Belarussen nicht stürben (hier wird an die „Äußerungen des nationalen Sprachbewusstseins“ des belarussischen Dichters Francišak Bahušėvič (1849–
1900) angespielt (Gutschmidt 2002, 331; s. Fn. 163):
(7.94) трэба ўсім праявіць цьвердасьць пры абароне мяккага знаку! даеш кампанію ''цЬвёрдасЬцЬ!'' Не адступімся ад мяккага знаку, каб не ўмерлі!304 (12.12.2008)
‘Alle müssen bei der Verteidigung des Weichheitszeichens ihre Härte zeigen! Lasst uns die Kampagne ‘Härte!’ beginnen! Lasst uns das Weichheitszeichen nicht aufgeben, damit wir nicht sterben!’