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5 Über das Für und Wider des Großen Befähigungsnachweises

5.5 Qualität von Handwerksleistungen

5.5.3 Qualität durch Qualifizierung?

nur dann möglich, wenn die dazu beitragenden Faktoren kontinuierlich überwacht werden.

Qualität bedarf mithin der Pflege.

auf einen nur ausreichend qualifizierten Handwerksmeister, ist nicht gewährleistet, dass dieser Auszubildende sich ein umfassendes Know-how aneignet. Die Güte der Qualifikation bestimmt demzufolge nicht unerheblich über die Qualität handwerklicher Leistungen. Aber auch dem Ausbildungssystem kommt eine wichtige Funktion zu. In dem für Deutschland spezifischen Dualen System der Ausbildung sind Theorie und Praxis kombiniert. Gerade aufgrund dieser Kombination gilt die Ausbildung, trotz mancher Kritik, als (weitgehend) effektiv und qualitativ hochwertig (vgl. Rauner 2005: 32).123

Die in der Ausbildung geschaffene Grundlage für Qualität wird durch Erfahrung sowie Fort- und Weiterbildungen ausgebaut. Der Umfang an Fortbildungen liegt den Befragungs-ergebnissen von Schmidt/ Kraus zufolge bei im Durchschnitt drei bereits absolvierten Kursen sowie mindestens einem für die Zukunft geplanten (vgl. Schmidt/ Kraus 2001: 202).

Inwieweit eine Kontinuität hinsichtlich der Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnah-men besteht, geht aus der Studie nicht hervor. Die Meisterqualifikation ist als Teil des Fort- und Weiterbildungsprogramms zu verstehen. Kritiker des Großen Befähigungsnachweises befürchten, dass Handwerksmeister die notwendige Weiterbildung auf die Meisterpflicht beschränken. Diese Befürchtung ist nicht unberechtigt, denn tatsächlich ist ein Verständnis für

„lebenslanges Lernen“ zu vermissen. Das trifft auf weite Teile der deutschen Wirtschaft zu, wovon das Handwerk nicht ausgeschlossen ist (vgl. Niejahr 2006: 23). „Lebenslanges Lernen“ ist aber, neben einer guten Grundbildung, insbesondere bei den technischen Gewerken unerlässlich. In diesen Gewerken vollzieht sich eine solch rasante Entwicklung, dass Ausbildungsinhalte schon nach kurzer Zeit (drei bis fünf Jahre) ergänzt werden müssen.

Handwerker, die sich dieser Entwicklung verschließen, können nicht nur an den Anforde-rungen an Qualität scheitern, sondern werden darüber hinaus die Tätigkeit aufgrund mangelnder Sachkenntnis nur noch eingeschränkt ausüben können.124 An Fortbildungen nehmen vor allem selbständige Handwerker (Meister) teil. Gesellen sind bei Fortbildungen dagegen unterrepräsentiert. Das hängt damit zusammen, dass Gesellen in der Mehrheit abhängig beschäftigt sind und für die überwiegend kleinen Handwerksbetriebe die Freistellung ihrer Mitarbeiter zu teuer ist. Die in Weiterbildungen erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten werden durch Handwerksmeister bzw. Betriebsleiter an ihre Mitarbeiter

123 Angesichts seiner Effektivität sollte das Duale System der Ausbildung in Japan und den USA eingeführt werden. Doch die Versuche scheiterten am Widerstand innerer Kräfte. Das Durchsetzen fremder Modelle in gewachsene Strukturen hatte sich als nicht praktikabel erwiesen (vgl. Münch 2003: 167). Jedenfalls sind deutsche Fachkräfte im Ausland sehr geschätzt (vgl. Gehrmann 2004: 19).

124 Nobel geht in seiner Reportage darauf ein, dass Handwerker nur dann eine Überlebenschance hätten, wenn sie vielseitig aus- und weitergebildet seien (Nobel 2006: 8).

weitergegeben.125 Mit zunehmender Selbständigkeit von Gesellen müssten diese jedoch verstärkt an Fort- und Weiterbildungen teilnehmen, da sie Handwerksmeistern wirtschaftlich gleichgestellt sind. Dann würde sich zeigen, inwieweit Gesellen bereit sind, in umfangreichem Maße in Fort- und Weiterbildungen zu investieren und ob der Große Befähigungsnachweis neben anderen Weiterbildungslehrgängen relevant bleiben wird.

Die Anforderungen an Handwerker haben in den vergangenen Jahren aber auch über die fachliche Qualität hinaus stark zugenommen: Handwerker müssen zunehmend innovativ sein, effizient die sich entwickelnde Technologie einsetzen, u.a. europarechtliche und umwelt-technische Vorschriften umsetzen sowie sich in Marketing und im Dienstleistungsbereich weiterentwickeln (Nobel 2006: 10). Gerade der Dienstleistungsbereich wird für das Handwerk wichtiger. Kunden verlangen mehr Service und Beratung (vgl. BWHT 2000: 85). Doch was Dienstleistung angeht, haben Handwerker bis jetzt großen Nachholbedarf (vgl. Nobel 2006:

9). Nach Auffassung Kohlers ist Kommunikation nicht die Sache von Handwerkern. Er habe die Erfahrung gemacht, dass Handwerker nicht in der Lage seien, zu erklären, weshalb sich teure Anschaffungen lohnten (Kohler 2001: 19). Auch in Marketing sind Handwerker zurückhaltend. Ein Unternehmer, der regelmäßig mit Handwerkern zusammenarbeitet, konstatiert, dass Marketingstrategien nicht der Mentalität eines Handwerkers entsprächen (vgl. Nobel 2006: 9). Jedenfalls fällt Handwerkern die Einführung technologischer Neuerungen leichter als die Innovation im organisatorischen Bereich (vgl. Heinen 1997: 50).

Über die Anforderungen an Marketing und Dienstleitung hinaus erweitert sich das Leistungs-angebot zunehmend auf das Ausland. Die Bewältigung des gesamten Aufgabenkomplexes ist ohne entsprechende Qualifikation sowie weiterführender Qualifizierung kaum denkbar.126 Durch Fort- und Weiterbildungen kann also der Erhalt eines Betriebes gesichert werden sowie der Qualitätsstandard erhalten bleiben bzw. erhöht werden. Doch hierdurch prinzipiell auf hohe Qualität zu schließen, würde vernachlässigen, dass Qualität nicht zwangsläufig durch Weiterbildungen garantiert werden kann. Diese wird schließlich durch weit mehr Faktoren beeinflusst.

Grundsätzlich kann sowohl durch fortgebildete als auch durch nicht fortgebildete Handwerker hohe Qualität garantiert werden. Der Unterschied zwischen fortgebildeten und nicht

125 In den Interviews wiesen Handwerksmeister darauf hin, dass insbesondere Handwerksmeister an Fortbildungen teilnehmen und ihr hinzugewonnenes Wissen an ihre Mitarbeiter weitergeben.

126 Schon allein eine erfolgreiche Betriebsführung erforderte eine in besonderem Maße begabte Person.

gebildeten Handwerkern liegt im Umfang der Leistungen sowie in der Möglichkeit, neue Verfahrenstechniken umzusetzen und neue Materialien anzuwenden. Sich nicht fortbildende Handwerker werden ihre Erfahrungen durchaus erweitern. Die fachliche Grundlage hierfür bilden insbesondere die Ausbildungsinhalte. Die Vertiefung dieses Fachwissens und das Verständnis deren vielfältiger Anwendungsmöglichkeit können zu qualitativ guten Leistungen führen. Doch sich fortbildende Handwerker können ihr Qualitätsniveau über das von sich nicht fortbildenden Handwerkern hinaus erhöhen, da sie infolge des Wissenszuwachses auf Anforderungen vielfältiger reagieren können.127 Gleichwohl darf nicht erwartet werden, dass durch Weiterbildungen selbstverständlich ein hohes Qualitätsniveau erzielt wird. Dieses kann immer nur dann erreicht werden, wenn Leistungen mit hoher Präzision ausführt werden. Im günstigen Fall bedingen sich beide Faktoren: Weiterbildung bringt den Wissenszuwachs, den Handwerker mit hoher Präzision einsetzen.

Des Weiteren kann das Qualitätsniveau zwischen Altgesellen und Jungmeistern differieren.

So kann ein Altgeselle aufgrund seiner Erfahrungszeit gegebenenfalls höhere Qualität erbringen als ein Jungmeister. Als Jungmeister werden hier solche Meister verstanden, die direkt im Anschluss an die Gesellenprüfung Meisterkurse besuchten. Mit der Handwerks-novelle von 2004 war die Regelung aufgehoben worden, nach der eine dreijährige Gesellenzeit vor Ablegen der Meisterprüfung vorgeschrieben war. Gemäß der alten Regelung mussten die Meister mindestens zwei Jahre in einem (oder mehreren) Betrieb(en) tätig sein, bevor sie die Meisterprüfung ablegen durften. Als drittes Gesellenjahr galt die Zeit, während derer die Meisterkurse besucht wurden. Nach der neuen Regelung können Handwerksgesellen nun sofort im Anschluss an die Gesellenprüfung Meisterkurse belegen. Voraussetzung ist lediglich eine Gesellen- oder Abschlussprüfung (vgl. GründerZeiten Nr. 48: 4). Damit fehlt den Jungmeistern aber die Phase, während derer sie das Erlernte selbständig anwenden und Erfahrungen sammeln128. Da Handwerksberufe durch ein vielseitiges Aufgabengebiet gekenn-zeichnet sind, ist Erfahrung sehr wichtig. Insofern können Altgesellen, die über eine mehrjährige Erfahrungszeit verfügen, Jungmeistern in punkto Qualität überlegen sein. Über Erfahrungen hinaus müssen Altgesellen allerdings auch die erforderlichen individuellen Eigenschaften aufweisen. Jungmeister wiederum profitieren von den durch die Meisterkurse hinzugewonnenen fachlichen Kenntnissen. Gerade bei den Gefahrenhandwerken wird die

127 Unabhängig davon sind Fort- und Weiterbildungen für das berufliche Fortkommen bedeutsam.

128 Ein Auszubildender arbeitet in der Regel eingeschränkt selbständig, da er nur über einen (mehr oder minder) großen Teil des erforderlichen Wissens verfügt.

Erweiterung und Vertiefung des Fachwissens in der Regel einen nicht unerheblichen qualitativen Vorsprung bedeuten.

Ein durch Meisterkurse erworbene Vorsprung ist auf verschiedene Umstände zurückzuführen:

auf das Engagement der Kursteilnehmer sowie der Lehrkräfte, den Leistungsanforderungen in den Meisterschulen wie auch der Aktualität des vermittelten Wissens. In den jeweiligen Meisterschulen sind die Leistungsanforderungen uneinheitlich geregelt. Das Gleiche trifft auf die Handwerkskammern in Bezug auf die Prüfungsanforderungen zu. Unabhängig von Meisterschulen können sich Gesellen aber auch in Eigenregie weiterbilden: indem sie sich im Selbststudium und/oder über verschiedene Bildungsträger Fachwissen anzueignen. Doch für diese Fälle ist zu bedenken, dass vielen Gesellen, aber auch Meistern, die Übung im Lernen fehlt und im Selbststudium teilweise Erläuterungen von Experten erforderlich sind. Lern-ungeübte wissen oft auch nicht, wo Fachliteratur bezogen werden kann und wie sie anzuwenden ist.