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6 Diskussion

6.2 Kritik an der existierenden Theorie

6.2.5 Prominenztheorie

Im Zentrum der Prominenztheorie steht die Erklärung von Entscheidungen unter Risiko in Abhängigkeit von numerischer Wahrnehmung. Es wird dabei eine Nutzenfunktion eingeführt deren

95 Skalierung von der Problemstellung abhängt. Genauer hängt die Nutzenskala davon ab, welches der höchste numerische Betrag in der Problemstellung ist. Sobald die Skalierung der Nutzenfunktion festgelegt ist, zeigt diese ähnliche Eigenschaften wie die Kahneman-Tversky-Nutzenfunktion. Diese sind risikoaverse Präferenzen für positive Zahlen und risikofreudige Präferenzen für negative Zahlen mit einer Korrektur für Verlustaversion.

Da auch die Prominenztheorie von unterschiedlichen Risikopräferenzen für Gewinne und Verluste ausgeht, kann sie das Verhalten in den St. Petersburg Lotterien ebenfalls nicht erklären. Zwar ändert sich die Skalierung der Nutzentheorie und die Feinste Empfundene Vollstufe steigt mit steigender Anzahl der Münzwürfe, jedoch ändert dies nichts an der grundsätzlichen Risikopräferenz. Damit würde ein Entscheider in den St. Petersburg Lotterien mit Wartezeiten als Konsequenz jede Lotterie mit einem Erwartungswert von Null spielen wollen. Das sowohl für risikoaverse wie für risikofreudige Präferenzen in den St. Petersburg Lotterien das gleiche Verhalten beobachtet wird, kann auch mit einer Nutzenfunktion der Prominenztheorie nicht erklärt werden.

Aufgrund der Abhängigkeit der Skalierung der Nutzenfunktion vom höchsten Betrag der im Entscheidungsproblem vorkommt, entsteht die Möglichkeit des Einflusses von nicht gewählten Alternativen zu erklären. Betrachtet man also das Sicherheitsäquivalent der Lotterie , so hängt das Sicherheitsäquivalent davon ab, wie die Skalierung der Nutzenfunktion ist. Ist 1.000 Euro dabei der höchste Betrag, so beträgt die Feinste Empfundene Vollstufe 200 Euro und es ergibt ein Sicherheitsäquivalent von 350 Euro. Dies ist relativ nah an dem Wert, der für das Sicherheitsäquivalent der Lotterie erhoben wurde wenn nur eine Lotterie angeboten wurde. Wird die Lotterie zum Entscheidungsproblem hinzugefügt, ändert sich die Feinste Empfundene Vollstufe und beträgt 1.000 Euro. Damit erhält man für die Lotterie ein Sicherheitsäquivalent von 500 Euro, was ebenfalls nah an den Ergebnissen aus den Experimenten in Abschnitt 5.6 ist. Damit bietet die Prominenztheorie eine Möglichkeit den Einfluss einer Lotterie auf das Sicherheitsäquivalent zu erklären, wenn die nicht gewählte Lotterie einen höheren Betrag mit kleinerer Wahrscheinlichkeit bietet.

Die Erhöhung des Sicherheitsäquivalents der Lotterie, die mit einem sicheren Betrag verglichen wird steigt jedoch auch dann, wenn die irrelevante Alternative die Skalierung der Nutzenfunktion nicht verändert. Für den Fall der streng dominierten Alternative bleibt die Auszahlung von 1.000 Euro der höchste Betrag innerhalb des Entscheidungsproblems. Der Prominenztheorie folgend verändert sich daher die Feinste Empfundene Vollstufe nicht und es ergibt sich somit kein Einfluss der zusätzlichen irrelevanten Alternative. Den Einfluss der streng dominierten Alternative auf das Entscheidungsverhalten ließe sich nur dann erklären, wenn die Feinste Empfundene Vollstufe auch durch vergleichsweise kleine Beträge im Entscheidungsproblem verändert werden kann. Somit kann die Prominenztheorie in der bestehenden Form den in dieser Arbeit dargestellten Effekt im speziellen Fall der streng dominierten Alternative nicht erklären. Wird jedoch eine Möglichkeit gefunden das

96 Festlegen der Feinsten Empfundenen Vollstufe anzupassen, gibt die Prominenztheorie die Möglichkeit den Effekt zu erklären.

In der letzten Experimentalserie, die hier berichtet wird, wird der Einfluss einer zusätzlichen irrelevanten Alternative bei konvexen Präferenzen und Lotterien mit Konsequenzen in unterschiedlichen Dimensionen untersucht. Dabei ergibt sich, dass die zusätzliche irrelevante Alternative jeweils die Alternative attraktiver erscheinen lässt, die Konsequenzen in der gleichen Dimension wie die irrelevante Alternative bietet. Die Ergebnisse aus der Tabelle 21 zeigen, dass der Nutzen aus einer Wartezeit von 10 Minuten nicht dem Nutzen eines Verlustes von 10 Euro entspricht. Daher ist davon auszugehen, dass in den unterschiedlichen Dimensionen die Zahlenwerte unterschiedlichen Nutzenwerten zugeordnet werden. Daher wird in der folgenden Betrachtung davon ausgegangen, dass ein Hinzufügen einer zusätzlichen irrelevanten Alternative nur die Nutzenbewertung der Dimension beeinflusst, in der die Konsequenzen der hinzugefügten Alternative liegen.

Die experimentellen Ergebnisse zeigen, dass folgende Aussagen wahr sind:

Dabei bezeichnet die Nutzenfunktion für Geld und die Nutzenfunktion für Zeit, jeweils für den Fall, dass die zusätzliche irrelevante Alternative nicht zur Auswahl steht. Weiterhin bezeichnen und die jeweilige Nutzenfunktion, wenn die irrelevante Alternative hinzugefügt wird. Aus diesen Aussagen lassen sich durch Umformung zwei weitere Aussagen anhand der experimentellen Ergebnisse machen. Zunächst lässt sich die Ungleichung

aufstellen. Daraus folgt für die Nutzenfunktionen über Geld

und somit, dass der Nutzen der monetären Lotterie sinkt, wenn die irrelevante Alternative hinzugefügt wird. Diese Aussage ist in Übereinstimmung mit der Prognose der Prominenztheorie. Der Nutzen der Lotterie kann auch in Form des Sicherheitsäquivalentes ausgedrückt werden. Die theoretische Vorhersage der Prominenztheorie liefert dabei

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für das Sicherheitsäquivalent der Lotterie ohne irrelevante Alternative mit einer feinsten empfundenen Vollstufe von -2 und

für das Sicherheitsäquivalent der gleichen Lotterie mit irrelevanter Alternative und einer daraus resultieren feinsten empfundenen Vollstufe von -20. Daran ist zu erkennen, dass nach Vorhersage der Prominenztheorie die Lotterie nach Hinzufügen der zusätzlichen irrelevanten Alternative schlechter bewertet wird. Damit stimmt die Vorhersage mit den experimentell gewonnenen Ergebnissen überein.

Auf die gleiche Weise lässt sich ebenfalls das Ergebnis für das Hinzufügen der zusätzlichen irrelevanten Alternative mit Wartezeit mit der theoretischen Vorhersage der Prominenztheorie vergleichen. Auch für die Lotterie mit Wartezeit lässt sich folgende Ungleichung aus den experimentellen Ergebnissen aufstellen:

Die Bewertung der Lotterie mit Wartezeit als Konsequenz wird also schlechter, wenn die irrelevante Alternative mit einer hohen möglichen Wartezeit hinzugefügt wird.

Nach der Prominenztheorie ergibt sich für das Sicherheitsäquivalent der Lotterie mit Wartezeiten wie folgt: Für den Fall, dass nur zwei Lotterien zur Auswahl stehen ergibt sich

mit einer feinsten empfundenen Vollstufe von -20. Für den Fall mit irrelevanter Alternative, wobei die irrelevante Alternative eine sehr hohe Wartezeit als Konsequenz haben kann, ergibt sich

für das Sicherheitsäquivalent. Damit stimmt auch in diesem Fall die Vorhersage der Prominenztheorie mit den experimentell erhobenen Präferenzen überein.

98 Die Prominenztheorie hat den Vorteil, dass sie ähnlich wie die Regret Theorie alle zur Verfügung stehenden Alternativen berücksichtigt. Im Gegensatz zu den klassischen Modellierungsansätzen gibt es keine Bewertung von Alternativen unabhängig von der Auswahl. Damit bietet diese Theorie die Möglichkeit den Einfluss der zusätzlichen irrelevanten Alternative zu erklären. Bezüglich des Effektes kann die Prominenztheorie die experimentellen Ergebnisse weitgehend erklären. Die Ausnahme bildet dabei der Einfluss einer streng dominierten Alternative, da hier laut Prominenztheorie keine Veränderung der Bewertung stattfindet.