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2 Juristische Begriffsannäherung zu „Praxis der Sortierung und Verwertung“

2.4 Rechtliche Auslegung des Begriffs „Praxis der Sortierung und Verwertung“ als

2.4.2 Auslegung des Begriffs (grammatikalisch, teleologisch, systematisch)

2.4.2.3 Praxis der „Sortierung und Verwertung“

Während der Begriff „Sortierung“ im VerpackG und im KrwG nicht definiert wird,148 ist

„Verwertung“ in § 3 Abs. 23 KrWG (wortgleich mit der Definition in Art. 3 Nr. 15 AbfRRL) legal definiert als:

„jedes Verfahren, als dessen Hauptergebnis die Abfälle innerhalb der Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie entweder andere Materialien ersetzen, die sonst zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder indem die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese

145 Vgl. die Internetseite des Duden:

https://www.duden.de/suchen/dudenonline/ber%C3%BCcksichtigen.

146 Gemeint ist hier z. B. schwarzer Kunststoff, der aufgrund der Verwendung von rußbasierten Farbstoffen nicht erkannt wird.

147 Vgl. die Begründung zu § 21 Abs. 1 VerpackG-E, S. 23.

148 Die Sortierung wird nur in Zusammenhang mit der Abfallsammlung als Vorstufe zur Beförderung zu einer Abfallbehandlungsanlage gebraucht (siehe § 3 Abs. 15 KrWG). Auch in der

EU-Verpackungsrichtlinie wird der Begriff „Sortierung“ nicht definiert.

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Funktion erfüllen. Anlage 2 enthält eine nicht abschließende Liste von Verwertungsverfahren.“149

Der „Verwertungsbegriff“ nach dem KrWG umfasst verschiedene Verwertungsformen, so auch die „sonstige Verwertung“, wozu die energetische Verwertung und die Verfüllung zählen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 KrWG). Für die Ermittlung der Praxis der Sortierung und Verwertung ist deshalb festzulegen, welche Anlagen umfasst sind. Untersucht wird deshalb, ob vom Begriff der Praxis der Sortierung und Verwertung nur bestimmte Sortier- und Verwertungsanlagen erfasst werden, z. B. nur solche, die eine hochwertige stoffliche Verwertung ermöglichen oder eine bestimmte Recyclingrate erzielen.

Bei der „Verwertung“ werden nach dem KrWG drei Stufen unterschieden: 1. Die Vorbereitung zur Wiederverwendung, 2. das Recycling und 3. die sonstige Verwertung. Zur sonstigen Verwertung zählen auch die energetische Verwertung und die Verfüllung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 KrWG). Für alle drei Stufen gilt, dass sie möglichst hochwertig zu erfolgen haben, indem das im Abfall enthaltene Ressourcenpotential möglichst optimal genutzt wird (§ 8 Abs. 1 S. 3 KrWG).150 Das Hochwertigkeitsgebot ist eine echte Rechtspflicht, die gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 KrWG durch Rechtsverordnungen weiter konkretisiert werden kann. Soweit verordnungsrechtliche

Vorgaben nicht bestehen, verlangt das Gesetz von den Erzeugern und Besitzern im Einzelfall keine strikte Durchführung der hochwertigsten Verwertungsoption, sondern eine Optimierung der Verwertung. Dabei besteht ein Vorrang derjenigen Maßnahme, die den Schutz von Mensch und Umwelt unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips am besten gewährleistet. Offensichtlich „niederwertige“ Verwertungen sind danach unzulässig.151 Da das KrWG die Hochwertigkeit nicht näher konkretisiert hat, steht der Wortlaut des KrWG einer Auslegung, wonach das VerpackG in § 21 unter Recycling nur eine hochwertige stoffliche Verwertung versteht, jedenfalls nicht entgegen.

Die Novellierung der EU-Verpackungsrichtlinie 2018152 verfolgt das Ziel, das Verpackungsdesign zur Wiederverwendung und für ein hochwertiges Recycling von Verpackungen zu fördern, so der 21. Erwägungsgrund der Richtlinie:

„Um Verpackungsabfälle verstärkt zu vermeiden, ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern und das Recycling von hochwertigen Stoffen zu fördern und gleichzeitig das Funktionieren des Binnenmarkts sicherzustellen und Handelshemmnisse und

Wettbewerbsverzerrungen und -beschränkungen in der Union zu verhindern, sollten die grundlegenden Anforderungen der Richtlinie 94/62/EG und ihres Anhangs II überprüft und nötigenfalls geändert werden, um die Anforderungen zu verschärfen und somit die

Gestaltung zur Wiederverwendung und ein hochwertiges Recycling von Verpackungen zu fördern.“

Als besondere Form der Verwertung geht das „Recycling“ der sonstigen Verwertung vor (siehe

§ 6 Abs. 1 Nr. 3 KrWG). Seit der Novellierung des Abfallrechts 2012 hat dabei der Begriff

„Recycling“ den Begriff „stoffliche Verwertung“ in der Abfallrahmenrichtlinie und dem KrWG

149 Die zur Konkretisierung der Verwertungsverfahren in Anlage 2 nicht abschließend aufgeführten Verwertungsverfahren enthalten keine anlagenspezifischen Beschreibungen – wie dies für Beseitigungsverfahren in Anlage 1 geschieht – sondern es handelt sich um finale

Verfahrensbeschreibungen für stoffliche Verwertungsverfahren. Hervorhebung durch die Autoren.

150 Versmann, in: Jarass/Petersen (2014), Einführung in das KrWG Rn. 9.

151 Beckmann, in: Landmann/Rohmer (2019): Umweltrecht, § 8 Abs. 1, S. 3 KrWG Rn. 13-18.

152 Richtlinie (EU) 2018/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle, ABl. EU L 150 vom 14.6.2018, S. 141.

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ersetzt.153 Nach § 3 Abs. 25 KrWG (bzw. wortgleich in Art. 3 Nr. 17 AbfallRRL, auf den auch Art. 3 Nr. 2c EU-Verpackungsrichtlinie verweist) ist Recycling definiert als:

„jedes Verwertungsverfahren, durch das Abfälle zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen entweder für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke aufbereitet werden; es schließt die Aufbereitung organischer Materialien ein, nicht aber die

energetische Verwertung und die Aufbereitung zu Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff oder zur Verfüllung bestimmt sind.“154

Danach schließt der Begriff „Recycling“ nach dem KrWG und dem VerpackG die energetische Verwertung der Erzeugnisse, Materialien oder Stoffe sowie deren Nutzung als

Verfüllungsmaterial aus. Erfasst wird vom Recyclingbegriff die hochwertige Verwertung (als Verwendung „für den ursprünglichen Zweck“) ohne diese aber von der Verwendung „für andere Zwecke“ abzugrenzen.

Ob das VerpackG unter werkstofflicher Verwertung nur die hochwertige stoffliche Verwertung versteht, soll nun betrachtet werden.155 Die vollständige Bezeichnung des Verpackungsgesetzes deutet auf das Ziel einer hochwertigen Verwertung hin.156 In § 8 KrWG wird auf die

Hochwertigkeit bei der Wahl der Verwertungsmaßnahmen innerhalb der Abfallhierarchie hingewiesen bzw. in § 14 KrWG auf die Bedeutung der getrennten Sammlung von Papier-, Metall-, Kunststoff- und Glasabfällen für das hochwertige Recycling dieser Materialien. Weder das KrWG noch das VerpackG definieren aber, was unter Hochwertigkeit zu verstehen ist.157 Das in § 1 KrWG genannte Ziel „Schonung der natürlichen Ressourcen“ wird durch ein möglichst hochwertiges Recycling befördert. Dazu ist eine Verschlechterung der Stoffqualität zu vermeiden, damit die aus den Abfällen gewonnen Sekundärrohstoffe in neuen Produkten Primärrohstoffe ersetzen können.158 Ferner soll ein Merkmal für die Hochwertigkeit sein, dass die Stoffe im Abfall möglichst weitgehend entsprechend ihrer ursprünglichen Zwecksetzung wieder eingesetzt werden.159 Ob darüber hinaus auch das weitere Ziel des § 1 KrWG – der Schutz der menschlichen Gesundheit und Umwelt – durch ein hochwertiges Recycling erreicht werden soll, ist umstritten.160

Für die Beurteilung der einzelnen Verwertungsmaßnahmen untereinander (im Sinne einer technischen Ausgestaltung der einzelnen Verwertungsoptionen) schreibt § 8 Abs. 1 S. 3 KrWG ein Optimierungsziel161 vor.162 Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut „anzustreben“. Danach

153 Flanderka/Stroetmann (2015), § 1 VerpackV Rn. 19.

154 Hervorhebung durch den Autor.

155 Siehe auch die Ausführungen zur „Hochwertigkeit“ nach dem KrWG und VerpackG in: Rhein et al.

(2018), S. 62 ff.

156 Siehe den Gesetzesnamen: „Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen (Verpackungsgesetz - VerpackG)“.

157 Beckmann, in: Landmann/Rohmer (2019), § 8 Abs. 1, S. 3 KrWG Rn 14.

158 Beckmann, in: Landmann/Rohmer (2019), § 8 Abs. 1, S. 3 KrWG Rn 14.

159 Frenz, in: Fluck/Frenz/Fischer/Franßen, KrWG, § 8 Rn. 54.

160 In diesem Sinne Frenz, in: Fluck/Frenz/Fischer/Franßen, KrWG, § 8 Rn. 60. Danach beurteilt sich die Hochwertigkeit auch nach Umweltkriterien, wie z. B. den Umfang des Ausstoßes von

Schadstoffemissionen. Anderer Auffassung Beckmann in: Landmann/Rohmer (2019), § 8 Abs. 1, S. 3 KrWG Rn 14, der darin keinen Bestandteil der Hochwertigkeit sieht mit dem Argument, dass Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt bereits Gegenstand des zweiten bei der Ausgestaltung der Verwertungsmaßnahmen nach § 8 Abs. 1 S. 3 anzustrebenden Ziels ist.

161 Nach anderer Auffassung normiert die Vorschrift eine echte Rechtspflicht, also ein „Optimierungs-gebot“, so: BT-Drs. 17/6052, S. 79, und Petersen; Doumet; Stöhr, NVwZ 2012, S. 521 (524).

162 Schomerus, in: Versteyl/Mann/Schomerus (2019), § 8 KrWG Rn. 14. In diesem Sinn auch Beckmann, AbfallR 2010, S. 54 (58); Beckmann, in: Landmann/Rohmer (2019) § 8 KrWG Rn. 19.

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ist die Verwertungsmaßnahme anzustreben, welche den Schutz von Mensch und Umwelt am besten gewährleistet. Verhindert werden soll ein „Downcycling“, bei dem im Laufe des Verwertungskreislaufs eine fortschreitende Verschlechterung der Verwertungsprodukte erfolgt.163 Das KrWG strebt nach der Optimierungsklausel eine hochwertige Verwertung indes nur an; eine verpflichtende Zielsetzung zur hochwertigen Verwertung ist darin nicht zu sehen.

Die Definition des Begriffs „werkstoffliche Verwertung“ in § 3 Abs. 19 VerpackG164 gibt ebenfalls kein klares Bild. Denn sie umfasst sowohl die hochwertige Verwertung („stoffgleiches Neumaterial ersetzt wird“) als auch andere stoffliche Verwertung („weitere stoffliche

Nutzung“)165:

„die Verwertung durch Verfahren, bei denen stoffgleiches Neumaterial ersetzt wird oder das Material für eine weitere stoffliche Nutzung verfügbar bleibt.“166

Nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 VerpackG dient die Anreizbildung durch die Beteiligungsentgelte dazu, solche Materialien zu fördern, die zu einem „möglichst hohen Prozentsatz recycelt“ werden können. Geht man davon aus, dass unter „recyclen“ seit 2012 eine von mehreren Formen der

„stofflichen Verwertung“ zu verstehen ist (siehe die Ausführungen oben), so lässt sich mit dieser Regelung alleine nicht begründen, dass das VerpackG in Bezug auf § 21 nur ein hochwertiges Recycling umfasst.

Im Ergebnis erlaubt der Wortlaut keine Schlussfolgerung, ob bei der Praxis der SuV nur ein hochwertiges werkstoffliches Recycling zu berücksichtigen ist.