5.1 Lautliche Besonderheiten der Umgangssprache von Halle in der Literatur
5.1.3 Konsonanten
5.1.3.1 Plosive
Im Gegensatz zu den in der Standardaussprache aspirierten Fortes [p], [t], [k] und den stimmhaften Lenes [b], [d], [g] werden in der hallischen Umgangssprache diese Lautgruppen nicht voneinander abgegrenzt. Durch die geringe Artikulationsspannung kommt es zum Zusammenfall von [p], [t], [k]
und [b], [d], [g] in einer Mittelform, den entstimmlichten Lenis [b9], [d9], [g(]. Dieser phonetische Vor-gang ist allgemein charakteristisch für den obersächsisch-thüringischen Sprachraum und wird schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts von verschiedenen Autoren beschrieben (vgl. SCHÖNFELD 1964, 597; BREMER 1909, 652; HERLING 1922, 77; BECKER 1969, 143). Ursprünglich galt und gilt noch heute der Zusammenfall von [p], [t], [k] und [b], [d], [g] zu [b9], [d9], [g(] als allgemeines ostmitteldeut-sches Merkmal. BECKER (1969, 143) beschreibt die Übernahme der mundartlichen Lautgebung in Form von Aussprachenormen auf die Umgangssprache. SCHÖNFELD (1964, 597) bestätigt dieses Merkmal für das Hallische in den 1960er Jahren (vgl. LEMMER 1990 b, 6 und 1998, 111).
Die Tendenz zum Reduktionsgeschehen der Fortisplosive ist nicht nur in der ostmitteldeutschen Um-gangssprache zu finden, sondern wird ebenfalls für die überregionale Gesprächslautung bei RUES (1993, 45 ff.) beschrieben. Sie geht vom Aspirationsverlust über die Lenisierung bzw. unterbleibende Auslautfortisierung hin zur Frikatisierung und zur Totalassimilation. Dabei unterscheiden sich bei der Gesprächslautung die einzelnen Fortisexplosive durch den Grad der Reduktion maßgeblich voneinan-der (vgl. ebd., 46).
Für die überregionale Gesprächslautung hält RUES (1993, 57) für die Lenisplosive typische Redukti-onserscheinungen fest, auf der einen Seite die Reduktion der Stimmhaftigkeit und dann die sich an-schließende Bildung von Fortisplosiven, auf der anderen Seite die Bildung frikativer Lenisvarianten, die bis hin zur Totalassimilation führen kann. Die Ursache für die Stimmhaftigkeitsreduktion wird bei
RUES (1993, 57) als Folge des koartikualtorischen Einflusses oder durch die Trägheit der Stimmlip-pen im Anlaut gesehen. Frikatisierungen und Totalassimilationen entstehen nach RUES (1993, 57) durch eine primäre Bindung an Wort- und Silbenformen.
Die Fortisierung von Lenisplosiven, wie sie auch für das Obersächische in bestimmten Lautverbin-dungen (Lenisplosive [b d g] + R-Laut oder + [l]) typisch sind, sind in der überregionalen Gesprächs-lautung nach RUES (1993, 57) selten zu finden. Die Stimmhaftigkeitsreduktion ist in den Untersu-chungen bei RUES (1993, 58) für die Lenisplosive gleich häufig. Bei der Frikatisierung ist [b] am stärksten betroffen, gefolgt von [d] und [g]. Ein Explosionsverlust tritt bei allen Lenisplosiven sehr selten auf.
Der Vorgang der Entstimmlichung der stimmhaften Lenisplosive ist typisch für Ostmitteldeutschland, besonders auch für den thüringisch-obersächsischen Sprachraum (vgl. BECKER 1969, 143;
SCHÖNFELD 1983 b, 438; SPANGENBERG 1998, 116 f.; SCHÖNFELD 1964, 598). Der Zusam-menfall der stimmhaften und stimmlosen Plosive scheint nach Ansicht BREMERS (1909, 652 f.) neueren Datums und in den letzten einhundert Jahren mit der Entwicklung der Umgangssprache weiter vorangegangen zu sein, wenn sich die stimmlosen Lenisplosive „besonders in dem altthüringischen und dem südlichen Teile unseres Gebietes eingebürgert [haben ], während in dem auf niederdeutscher Grundlage beruhenden Unterhärzischen, Mansfeldischen, Sälischen und Anhältischen überwiegend reine Tenuis gesprochen“ werden (ebd.). Das trifft dann auch für das Hallische zu, welches von BREMER (1909, 647-648) zum Sälischen gerechnet wird.
[p]
Der standardsprachliche Laut [p] wird schriftsprachlich durch die Grafeme<p, pp, b, bb>angezeigt.
Der Zusammenfall von [p] und [b] zu [b9] wurde in die thüringische Umgangssprache aus den Mund-arten übernommen. Für das Hallische beschreibt SCHÖNFELD (1964, 597) die Lenisierung von [p]
zu [b9] im An- und Inlaut (wobei nicht erwähnt wird, ob hier das Wort oder die Silbe gemeint sind) (z. B. in <Peitsche>["b9aE8d9S´], <Paar> [b9OÜå2], <Pastor> ["b9asd9å2], <Pech> [b9Eç], <Pinsel> ["b9Inzl`],
<Puppe> ["b9Ub9´], <Treppe> ["d9ÂEb9´], <Raupe> ["ÂaO8b9´], <Schnaps> [Snab9s]). Die Verbindung <-mp> wird als [mb9] realisiert (z. B. in <Klumpen> ["g(lUmb9m`], <humpeln> ["hUmb9l`n], <Krampe>
["gÂamb9´], <Lampe> ["lamb9´], <schlampig> ["Slamb9Iç]). Für <sp> steht anlautend [Sb9] (z. B. in
<Spiegel> ["Sb9iÜçl`], <Spitze> ["Sb9Id9s´], <Spritze> ["Sb9ÂId9s´]), inlautend [sb9] (z. B. in <Knospe>
["g(nOsb9´],<Wespe>["vEsb9´]). Die stimmlose Lenis [b9] ist nach SCHÖNFELD (1964, 597) desöfteren leicht behaucht.
Die bereits genannten Phänomene (Aspirationsverlust, Lenisierung, Frikatisierung und Totalassimila-tion) treten in der überregionalen Gesprächslautung für das [p] – aber mit unterschiedlicher Häufigkeit – auf (vgl. RUES 1993, 55 ff.). So kommt die behauchte Variante [pÓ] nur sehr selten vor. Die unbe-hauchte Variante [p] ist insbesondere typisch für den Wort- und Silbenanlaut. Der In- und Auslaut zeigt nach RUES (1993, 56) über den Aspirationsverlust hinausgehende reduzierte Formen, z. B.[b9].
Im Silbenanlaut betreffen lenisierte oder stärker reduzierte Varianten von [p] die Silben <-pe>
und <-pen>. Weiterhin tritt Explosionsverlust, Frikatisierung und Totalassimilation auf, wobei die beiden letzten nur selten zu finden waren.
[b]
Der standardsprachliche Laut [b] wird schriftsprachlich durch die Grafeme<b, bb> angegeben. Für das Hallische ist die Entstimmlichung von [b] zu [b9] insbesondere im An- und Auslaut typisch (z. B. in
<Bett> [b9Ed9], <Blüte> ["b9liÜd9´], <Bohne> ["b9oÜn´], <Bratwurst> ["b9ÂOÜd9vOÂSd9], <ab> [³ab9]) (vgl.
SCHÖNFELD 1964, 597). Auch SPANGENBERG (1998, 114) beschränkt die Entstimmlichung von [b] zu [b9] in der thüringischen Umgangssprache auf den Wortan- und Wortauslaut. Inlautend wird das [b] zwischen Vokalen und nach R und [l] zu [B] frikatisiert (z. B. in <Taube> ["d9aO8B´], <Garbe>
["g(A∑ÂB´], <Scherbe> ["SEÂB´], <Weiber> ["vaE8Bå2]). Nach einem Vokal wird die Endung <-ben> zu [m] (z. B. in <Trauben>[d9aO8m], <treiben>[d9ÂaE8m],<oben> [³oÜm],<Rüben> [ÂiÜm], <schieben>
[SiÜm]) (vgl. SCHÖNFELD 1964, 597; SPANGENBERG 1998, 115). Die Frikatisierung von [b] zu [v]
sieht SPANGENBERG (1998, 115) als obligatorisches Merkmal der mundartnahen Umgangssprache und verweist darauf, dass es aber auch in ungezwungener, standardnaher Rede desöfteren vorkommt.
Schulkinder benutzten nach seinen Untersuchungen fast durchgängig die gewohnte Leselautung von
<-b->. Einige ältere Leute hängen an auslautende Nasale [b] an (z. B. in <kam> [g(O:mb9], <nahm>
[nO:mb9], <nimm> [nImb9]) (SCHÖNFELD 1964, 597). Ob diese lautliche Erscheinung auch heute noch in der Umgangssprache zu hören ist, ist an entsprechenden Beispielen zu prüfen.
In der überregionalen Gesprächslautung treten nach RUES (1993, 64 f.) für den Lenisplosiv [b] vor allem die Erscheinungen der Stimmhaftigkeitsreduktion, der Frikatisierung, der Totalassimilation und der Fortisierung auf. Stimmlose Varianten von [b] zu[b9] entstehen u. a. durch progressive Stimmlo-sigkeitsassimilation (wenn ein stimmhaftes [b] einem stimmlosen Laut folgt und stimmlos wird), durch die Elision des Suffixes <-e> der 1. P. Sg. (wenn [b] dadurch in den Wortauslaut kommt und durch Auslautverhärtung zu [b9] wird) und nach Pausen im Wortanlaut. Frikatisierungen von [b] erscheinen vor allem in schwachen Wort- und Silbenformen mit den Varianten <aber>, <über>, <eben>,
<abends>, <Arbeit>, <selb->, <-be>, <-ber>, <-ben>. Frikatisierungen von [b] betreffen auch die Nachbarschaft zu vorangehenden Vokalen sowie zu den Lauten [l] und R. Totalassimilation macht RUES (1993, 65) ausschließlich an schwachen Wort- und Silbenformen fest (z. B. in <eben>, <aber>,
<abends>, <haben>). Fortisvarianten von [b] treten äußerst selten auf und kommen vor allem als Aus-lautverhärtung nach Vokalelision vor.
[t]
Der standardsprachliche Laut [t] wird schriftsprachlich durch die Grafeme<t, tt, dt, d>vertreten. Das [t] fällt in der hallischen Umgangssprache mit [d] zur stimmlosen Lenis [d9] vor allem im Anlaut und Inlaut zusammen (z. B. in <Teil> [d9eÜl], <tief> [d9iÜf], <Tuch> [d9uÜx], <betteln> ["b9Ed9l`n], <bitter>
["b9Id9å2],<bluten> ["b9luÜd9n`], <Futter> ["fUd9å2], <kaufte>["g(oÜfd9´],<hüten> ["hiÜd9n`],<Leute> ["laEd9´],
<Mitte>["mId9´], <Stock>[Sd9Og(], <Wetter> ["vEd9å2], <Winter> ["vInd9å2]). SCHÖNFELD (1964, 598) kennzeichnet das auslautende [t] in der Variante von [d9] als häufig gering behaucht (z. B. in <Blatt>
[b9lad9Ó], <breit> [b9ÂaE8d9Ó], <Brust> [b9ÂUsd9Ó], <bunt> [b9Und9Ó], <Hut> [huÜd9Ó], <Glut> [çluÜd9Ó],
<Licht>[lIçd9Ó],<rot> [ÂoÜd9Ó]). SPANGENBERG (1998, 110) bezeichnet die Lenisierung von [t] zu [d9] in allen Wortpositionen als „unauffälliges, aber konstitutives Merkmal“ der thüringischen Um-gangssprache, das ebenfalls für den obersächsischen Sprachraum gilt (vgl. BECKER 1969, 143). Die Verbindungen <nt,nd> (z. B. in <hinten> ["hInd9n`],<unten> ["³Und9n`]) erscheinen meist als [nd9] (ins-besondere bei Kindern) (vgl. SCHÖNFELD 1964, 598). Das ehemals mundartlich verbreitete [N] für
<nt, nd> wird in den 1960er Jahren nach den Angaben SCHÖNFELDS (1964, 598) nur noch selten von älteren Leuten gebraucht. Auch bei Kindern fand es sich noch bei SCHÖNFELD (1964, 598). Für das heutige Hallisch ist diese Lautveränderung meiner Meinung nicht mehr nachzuweisen (vgl. u. a.
LEMMER 1989 a, 6). Weitere Erscheinungen im Hallischen sind der Dentalschwund nach [l] und die Assimilation von [d9] an [l] zu [l] (z. B. in <Alte> ["O:l´], <bald> ["b9O:l´]), die noch in den 1960er Jah-ren nachweisbar war (vgl. SCHÖNFELD 1964, 598; SPANGENBERG 1998, 110 f.). Ebenfalls wird von SCHÖNFELD (1964, 598) das unetymologische [d] im Auslaut beschrieben (vgl. auch LEMMER 1988, 6), welches SPANGENBERG (1998, 111 f.) als Dentalantritt bzw. Dentalergänzung für die thüringische Umgangssprache anführt (z. B. in <eben> ["e:b9m`d9], <anders>["and9åsd9]). Dieses phone-tische Merkmal weist SCHÖNFELD (1983 b, 437) auch für andere großlandschaftliche Umgangs-sprachen aus.
Die Phänomene Aspirationsverlust, Lenisierung, Explosionsverlust und Totalassimilation beschreibt RUES (1993, 47 ff.) für die überregionale Gesprächslautung. Nach Angaben von RUES (1993, 47) wird [t] in der Regel unbehaucht realisiert, behauchte (eher selten auftretende) Varianten verteilen sich auf Wort- und Silbenanlaut vor Vokalen und auf den Auslaut vor Pausen. Unbehauchte Varianten von [t] treten vor allem im Wort- und Silbenanlaut auf, affixhaltige Silben weisen auch Lenisierungen auf.
Wenn im Wortanlaut Lenisierungen auftraten (z. B. <Tochter> ["d9Oxd9å], <Tag> [d9ax]), wurden die von RUES (1993, 48) als eindeutig „nicht standardsprachlich“ klassifiziert. Lenisierte Varianten [d9]
und [d] traten im Zusammenhang mit „suffixhaltigen Silben“ auf (z. B. in<-ten, -tens, -te, -tet, -test, -ter, -tern, -ters, -tig, -tung>). Ebenfalls wird darauf hingewiesen, dass die Lenisierung von [t] in der Nachbarschaft zu Nasalkonsonaten und Vokalen verstärkt wird. Das Auftreten lenisierter [t]-Varianten an der Wortgrenze mit nachfolgendem Vokal im Wortanlaut führen häufig zum Verlust des festen Vokaleinsatzes (z. B. in <und ist> [/UndÅIs], <würde ich> [vYÂdÅIç]). Explosionsverlust der Varianten von [t] trat vor allem bei Explosivlautverbindungen auf, aber auch vor Pausen und den Nasalkonso-nanten [n] und [m]. Weiterhin zeigten sich in den Untersuchungen von RUES (1993, 50) Frikatisie-rungen von [t], die insbesondere in den Lautverbindungen [St]und [st] vorkamen. Totalassimilationen
traten nach RUES (1993, 50 f.) häufig im Wortauslaut der Wörter <und>, <jetzt>, <ist>, <sind> und
<nicht>, in den Lautverbindungen [st] und [St] sowie in den Wörtern <eigentlich> und <irgendwie>
auf.
[d]
Für den standardsprachlichen Laut [d] werden schriftsprachlich die Grafeme <d, dd> angegeben.
SCHÖNFELD (1964, 598) behandelt [d] nicht separat, sondern zusammen mit [t], da es im Hallischen durch die Einstellung der Artikulationsorgane zum Zusammenfall von [t] und [d] zur stimmlosen Le-nis [d9] kommt. Das [d] wird vor allem im Anlaut und Inlaut zur stimmlosen Lenis [d9] (z. B. in <De-cke> ["d9Eg(´], <derb> [d9EÂb9], <Dieb> [d9iÜb9], <Ding> [d9INg(], <Distel> ["d9Isd9l`], <Dreck> [d9ÂEg(],
<Bruder>["b9ÂuÜd9å2],<Fuder>["fuÜd9å2],<müde>["miÜd9´]) (vgl. SCHÖNFELD 1964, 598). Im Auslaut liegt nach SCHÖNFELD (1964, 598) häufiger eine geringe Behauchung vor (z. B. in <blind>[b9lInd9Ó],
<Feld> [fEld9Ó], <Pferd> [pfEÂd9Ó], <Geld> [g(Eld9Ó]).
Andere Besonderheiten des Hallischen, die von SCHÖNFELD (1964, 598) beschrieben werden, sind der Gebrauch der Verbindung <nt>, <nd> meist als [nd9] oder die Gutturalisierung zu [N] bei älteren Leuten und Kindern (z. B. <finden> ["fIN´n]), öfter ist auch [n] zu hören (z. B. <Kinder>["kInå2]) (vgl.
u. a. SPANGENBERG 1998, 116 f.).
Für die überregionale Gesprächslautung werden bei RUES (1993, 58 ff.) die Erscheinungen der Stimmhaftigkeitsreduktion, der Frikatisierung und der Totalassimilation von [d] dargestellt. Obwohl [d] in diesen Analysen am häufigsten vollständig als [d] realisiert wurde, sind noch weitere typische Tendenzen festzustellen. Stimmlose Varianten von [d] treten vor allem im Anlaut auf und sind unter anderem auf den Einfluss vorangehender stimmloser Laute zurückzuführen. Daneben spielt auch die Wortart eine Rolle, vor allem Artikel, Pronomen und Konjunktionen wie <oder> und <da> und die Silben <-dium>, <-der>, <-den> und <-de>. Frikatisierungen von [d] durch Verminderung der Präzi-sion bei der Zungenbewegung und eine dadurch entstehende Restöffnung werden von RUES (1993, 59) angegeben, die hauptsächlich in intervokalischer Position und in Artikeln, Pronomen und den Wörtern <dann>, <dabei>, <da> und <dazu> vorkommen. Totalassimilation von [d] tritt insbesondere nach dem Laut [n] auf. Ein weiterer Einfluss ist auch die Wort- oder Silbenform, vor allem in Artikeln und Pronomen. In der Stellung von Pronomen nach einer Präposition erscheinen Totalassimilationen bei engen phonetischen Verbindungen.
Unter „sonstigen Varianten von [d]“ nennt RUES (1993, 61) besonders auftretende Fortisierungen, u. a. in der Silbe<-de>, wenn das<-e>ausfällt und einige Fortisierungen in der Grafemverbindung
<dr>(z. B.<drei>,<dritten>,<drin>). Weiterhin wird [d] bei vorangehendem Nasal im Artikulati-onsmodus angepasst (z. B. in <dem der> [de:m nå]).
[k]
Für den standardsprachlichen Laut [k] werden schriftsprachlich die Grafeme <k, ck, g, gg, ch>
verwendet. SPANGENBERG (1998, 112) kennzeichnet die Lenisierung von [k] zu [g(] im prävokali-schen Anlaut als regional typisch für das Nordostthüringische, doch wird[g(]nur in der mundartnahen Umgangssprache gebraucht und alterniert häufig mit [k]. In den Städten Halle, Merseburg, Weißenfels und Naumburg ist nach SPANGENBERG (1998, 113) nur selten [g(] im Anlaut vor Vokal zu hören, meist bei älteren Einwohnern und solchen aus unteren Sozialschichten. SCHÖNFELD (1964, 598) beschreibt dagegen, dass in der hallischen Umgangssprache [g] und [k] gleich ausgesprochen werden und sich in der stimmlosen Lenis [g(] treffen (z. B. in <Kurve> ["g(OÂB´], <Kneipe> ["g(naE8b9´]). Der stimmlose Lenis [g(] weist im Auslaut häufig eine geringe Behauchung auf (z. B. in <Stock>[Sd9Og(],
<Speck>[Sb9Eg(]) (vgl. SCHÖNFELD 1964, 598). Zur Lenisierung von [k] kommt es nach den Anga-ben von SPANGENBERG (1998, 113) in der mundartnahen Umgangssprache besonders in intervoka-lischer Stellung und auch postkonsonantisch in den Lautverbindungen <-nk->, <-lk->, <-rk-> (z. B. in
<dunkel>["d9UNg(l`],<merken>["mEåg(>],<melken>["mElg(>]). Standardsprachliches [k] wird teilweise zu [ç] (z. B. in <Markt>[maÂçd9]), das SPANGENBERG (1998, 114) für das Nordostthüringische be-legt.
Im Auslaut nach hellem Vokal sowie nach [l] und R wird im Hallischen für [k] (<-g>) [ç] verwen-det (z. B. in <Balg> [b9alç],<Berg> [b9EÂç], <Krieg>[g(ÂiÜç], <Steg>[Sd9eÜç], <Weg> [veÜç]). Nach dunklem Vokal findet man [x] (z. B. in <Trog>[d9ÂoÜx], <Pflug>[fluÜx]) (vgl. SCHÖNFELD 1964, 598).
Nach RUES (1993, 53) erscheinen die Phänomene Aspirationsverlust, Lenisierung, Explosionsverlust, Frikatisierung und Totalassimilation in der überregionalen Gesprächslautung auch beim Fortisplosiv [k], aber in anderer Verteilung als bei den Fortisplosiven [p] und [t]. Der erste Unterschied besteht da-rin, dass die aspirierte Variante [kÓ] hier am häufigsten auftritt, vor allem im Wortanlaut und vor Vo-kal, nicht im In- oder Auslaut oder vor Konsonant. Dagegen tritt [k] in allen Wortpositionen auf, am häufigsten aber im Wort- und Silbenanlaut, und erscheint vor Vokalen und Konsonanten gleich häufig.
Lenisierungen von [k] zu [g(] beschreibt RUES (1993, 54) als selten auftretende Erscheinung. Explo-sionsverlust erscheint in den meisten Fällen vor einem anderem Plosiv (meist [t]). Frikatisierungen von [k] kommen in Wörtern wie <Tag>, <sagt> und <kriegt> vor, sind aber nicht mehr als standard-sprachlich zu werten. Totalassimilationen von [k] treten in der überregionalen Gesprächslautung selten auf.
[g]
Für den standardsprachlichen Laut [g] werden schriftsprachlich die Grafeme <g, gg> benutzt. Das standardsprachliche [g] stimmt in seiner Entwicklung zur stimmlosen Lenis in den Mundarten und der Umgangssprache des obersächsisch-thüringischen Raumes überein. Es fällt mit den Fortisplosiven al-lerdings nur in Sonderfällen zusammen. Das [g] hat die größte Lautvariation der Lenisfrikative, ab-hängig von der Sprachregion und der Lautposition im Wort. Die umgangssprachliche Lautrealisation richtet sich meist nach den mundartlichen Bedingungen und zeigt graduelle Unterschiede der Annä-herung an die Standardsprache (vgl. SPANGENBERG 1998, 119 f.). Hinweise zu den im Vergleich zur Standardaussprache beschriebenen lautlichen Veränderungen des [g] in verschiedenen Positionen findet man bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei BREMER (1909, 652 f.). Er ordnet das frikati-sierte [g] des Hallischen dem Einfluss der Stadt Leipzig zu. Das frikatifrikati-sierte [g] im Wortinneren gilt für Gesamtmitteldeutschland, am Wortanfang ist frikatisiertes [g] nur in der Berliner Umgangssprache bzw. in niederdeutsch geprägten Landschaften üblich (BREMER 1909, 650). Auch LEMMER (2000, 200) rechnet das im An- und Inlaut frikatisierte [g] zu den Restformen des Niederdeutschen. Da in Halle bis ins Mittelalter Niederdeutsch gesprochen wurde, findet man hier dementsprechend auch an-dere Relikte und Kennzeichen des Niederdeutschen (vgl. LEMMER 2000, 196).
Im Anlaut und zwischenvokalisch erscheint das standardsprachliche [g] in der hallischen Umgangs-sprache als stimmhafter Frikativ [j] oder als stimmloser Frikativ [ç] (z. B. in <Gans> [ans], <ge-brannt>[«"b9åand9],<gehen>[e†n],<gut>[u†d9],<wegen>["ve†n`]). Es kommt zu Variationen der Stimmhaftigkeit des frikatisierten [g] bei ein und demselben Sprecher, obwohl die Entwicklung des Frikativs zur stimmlosen Variante tendiert. Das zeigt sich daran, dass bei Jugendlichen die stimmlose Lautvariante [ç] öfter benutzt wird als bei älteren Einwohnern von Halle (vgl. SCHÖNFELD 1964, 598; SPANGENBERG 1998, 120 und 121, Kt. 20).
SPANGENBERG (1998, 119) unterscheidet drei Typen der Anlautverbindungen für den Wort- und Silbenanlaut: Erstens [g] + [l], [n], R (z. B. in <glatt> [çlad9], <Vergnügen> [få2"çniÜçn`], <groß>
[åo†s]), zweitens [g] + Vokal (z. B. in <Garten>["çaÂd9n`],<gut>[çuÜd9],<gehen>[çeÜn]), drittens [g]
im Präfix <ge-> (z. B. in <gegangen>, <gesungen>) für die thüringische Umgangssprache. Der Wandel von [g(] in <gl->, <gn->, <gr-> zu [ç] kommt nur in der mundartnahen Umgangssprache vor.
Für die Umgangssprache von Halle verweist SPANGENBERG (1998, 119) darauf, dass in seiner Un-tersuchung keine Frikatisierung mehr vorkam, äußert aber, dass daraus keine Schlüsse auf völliges Fehlen dieses Lautmerkmals zu ziehen seien. Für Kinder gibt SPANGENBERG (1998, 119) an, dass sie ausschließlich die stimmlose Lenis [g((] benutzen würden. Die aktuelle Entwicklung soll anhand des vorliegenden Untersuchungsmaterials analysiert werden.
Für die Position von [g] vor Vokal ist die Frikatisierung in den städtischen Umgangssprachen von Naumburg, Apolda, Jena und Rudolstadt nach SPANGENBERG (1998, 119) geschwunden, für Halle aber werden keine Angaben gemacht. Gegensätzlich zu dieser Entwicklung gibt SCHÖNFELD (1964, 598) zum Hallischen den Wandel von [g] vor Vokal zu [j] bzw. [ç] in den 1960er Jahren an, allerdings werden keine Bemerkungen zur Umgangssprache gemacht, so dass angenommen werden muss, dass sich dieses Merkmal in seiner Häufigkeit mit der Ausprägung und Entwicklung des Hallischen zu ei-ner großstädtischen Umgangssprache vermindert hat.
In der Vorsilbe <ge-> wird meist im Hallischen das stimmlose [ç´-] verwendet (vgl. SCHÖNFELD 1964, 598; SPANGENBERG 1998, 120). Im thüringischen Sprachgebiet hat die Frikatisierung von [g]
in dieser Position die weiteste Verbreitung über das gesamte Nordthüringische bis zum Nordrand des
Eichsfeldes und auch den Nordrand des Zentralthüringischen. Es wird in Städten verwendet, wo
<ge-> in allen anderen Wortpositionen restituiert ist und tritt sogar in inlautender unauffälliger Stel-lung in der standardnahen Umgangssprache auf (vgl. SPANGENBERG 1998, 120).
Das frikatisierte <-g-> im Inlaut wird allgemein als lautliches Merkmal der obersächsischen Um-gangssprache angesehen, da die Aussprachenormen aus den obersächsischen Mundarten entnommen und auf alle inlautenden <-g-> in der Umgangssprache angewendet werden (vgl. BECKER 1969; 142;
SCHÖNFELD 1983 b, 433). Im Hallischen wird das inlautende [g] nach R, [l] und hellen Vokalen (den E-, I-, Ö- und Ü-Lauten) und Diphthongen[aE8]und[OP8] (z. B. in <Berge>["b9EÂç´],<morgen>
["mOÂçn`], <Felge> ["fElç´], <Ziegel> ["d9siÜçl`], <fliege> ["fliÜç´], <lügen> ["liÜçn`], <Nägel> ["nEÜçl`],
<Säge>["zEÜç´],<Spiegel>["Sb9iÜçl`],<eigen>["/aE8çn`],<Eigentum>["/aE8çn`d9uÜm], <beugen> ["b8OP8çn`]) als [ç] und [j] gesprochen, allerdings überwiegt hier der stimmlose Reibelaut (vgl. SCHÖNFELD 1964, 598). Für inlautendes [g] nach dunklen Vokalen (den A-, O- und U-Lauten) sowie Diphthong [aO8] steht der Engelaut [V], der ständig an seiner Stimmhaftigkeit verliert und als [x] realisiert wird (z. B. in <Plage> ["b9lOÜx´], <geflogen> [ç´"floÜxn`], <Vogel> ["foÜxl`], <Kugel> ["g(uÜxl`], <Auge>
["/oÜx´],<Wage>["vOÜx´]) (vgl. SCHÖNFELD 1964, 598). Vor Dental wird [g] nach hellem Vokal zu [ç](z. B.in<zeigt>[d9saE8çd9],<fliegt>[fliÜçd9]). Nach dunklem Vokal wird [g] vor Dental zu [x] (z. B.
in <Jagd> [çOÜxd9], <Magd> [mOÜxd9]) (vgl. SCHÖNFELD 1964, 598). Manchmal kommt es zum Schwund von zwischenvokalischen <-g->, die neben Formen mit [ç]und [x] existieren (z. B. in <flie-gen>["fliÜçn`], <sagen>[zOÜn], <schlagen>[SlOÜn],<fragen> [fÂOÜn]) (vgl. SCHÖNFELD 1964, 59;
SPANGENBERG (1998, 122). Das inlautende <-ng-> wird wie in der Standardsprache mit [N] ge-sprochen, auslautendes <-ng> erscheint dagegen als [Ng], wobei das [g] gering behaucht ist (SCHÖNFELD 1964, 599).
Die Verwendung der stimmlosen Frikativvarianten [ç] und [x]scheint sich insgesamt schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts (außer bei älteren Einwohnern von Halle) durchgesetzt zu haben (vgl. BREMER 1909, 653), so dass sich die Entwicklung bis in die 1960er Jahre verstärkt hat (vgl. SCHÖNFELD 1964, 598) und für heute keine stimmhaften Varianten des frikatisierten [g] zu erwarten sein dürften.
Auf die Problematik der Entstimmlichung der frikatisierten [g]-Varianten wird in der vorliegenden Arbeit gesondert geachtet.
Für die überregionale Gesprächslautung beschreibt RUES (1993, 62) u. a. die Erscheinungen der Stimmhaftigkeitsreduktion, der Frikatisierung und der Totalassimilation von [g]. Dabei entstehen stimmlose Varianten von [g] wie [g(]und darüber hinausgehende reduzierte Varianten vor allem nach stimmlosen Lauten durch progressive Stimmlosigkeitsassimilation (auch beim Ausfall vorangehender stimmloser Laute), dann aus schwachen Silbenformen und nach Pausen. Frikatisierungen von [g]
(z. B. [V], [V(], [Â9]) erscheinen nach RUES (1993, 62) hauptsächlich im Anlaut schwacher Silben (z. B.<-ge>, <-gen>, <-ger>, <-gel>, <-gung>, <-gent>, <-ges>). Auch die Totalassimilation kommt in den Untersuchungen von RUES (1993, 62) überwiegend im Silbenanlaut schwacher Silben, insbe-sondere des reduktionsbereiten Wortes <eigentlich> vor. Weiterhin führt RUES (1993, 62) unter
„sonstigen Varianten von [g]“ einige Fortisierungen von [g] vor R-Laut zu [k] (z. B. in <größer>) und weitere frikative Formen von [g] zu [j] in schwachen Silben wie <-ge>, <-iger>, <-igen>, <-igung>
und der Vorsilbe <ge-> auf. Alle Varianten werden hier als nicht standardsprachlich, sondern als um-gangssprachlich und territorial gebunden eingestuft, wobei besonders die Frikatisierung von [g] zu [j]
im Anlaut der Silbe <ge-> als regional/umgangssprachlich bewertet wurde.