3. REDUKTIVE PH-REDOX-REAKTIONSWÄNDE
3.2.2 Physikalische und chemische Einflußfaktoren auf die Umsatzraten von aliphatischen LHKW
In den vergangenen zwei Jahren wurden von einer zunehmenden Anzahl von Arbeitsgruppen die Abbauraten von verschiedenen LHKW via Fe0-Oxidation bestimmt. Ein Überblick über die Halbwertszeiten beim Abbau verschiedener aliphatischer LHKW wurde bereits im Ab-schnitt 3.2 in den Tab. 3.2 und 3.3 gegeben. Leider ist die Übertragbarkeit und Vergleichbar-keit in vielen Fällen nicht gegeben, da die Abbauraten stark von physikalischen und chemi-schen Versuchsbedingungen abhängig sind. In Tab. 3.4 ist deshalb qualitativ einmal der Ein-fluß verschiedener Versuchsbedingungen auf die Abbauraten nach dem heutigen Stand der Literatur zusammengestellt, um auch für verschiedene Grundwassertypen Bewertungsskriteri-en betreffBewertungsskriteri-end der Fe0-Reaktivität aufstellen zu können.
Der wichtigste Parameter für die Höhe der Abbauraten ist die spezifische Oberfläche der Fe0 -Partikel, wobei eine direkte Proportionalität zwischen diesen beiden Größen besteht (Abb.
3.7) (MATHESON & TRATNYEK, 1994; SIVAVEC & HORNEY, 1995). Diese Beziehung gilt für die meisten, der von den Autoren getesteten, 25 kommerziell erhältlichen Fe0-Formen, die insgesamt eine Variabilität der spez. Oberfläche um den Faktor 10000 aufwiesen. Ebenso existiert eine einfache lineare Beziehung zwischen der Oberflächenkonzentration, d.h. Fe0 -Oberfläche pro Volumen (m2/L), und der Abbauratenkonstante (SIVAVEC & HORNEY, 1995)(Gl. 3.7):
kbeob. = 0.000127 (Fe0-Oberfläche) + 0.00845 (Gl. 3.7)
Eine Steigerung der Abbauraten insbesondere bei elektrolytisch hergestellten Fe0 konnte wei-terhin durch Anlösung der Fe0-Oberfläche mit Hilfe von Säuren oder Komplexbildnern er-reicht werden. Diese Lösungsprozesse führen wahrscheinlich zu einer Auflösung von FeII/FeIII-Oxidhydraten auf der Oberfläche der Fe0-Partikel und Schaffung einer erhöhten An-zahl reaktiver Plätze. Ein entsprechender Effekt wird auch bei den reaktiven Eisenpartikeln, die einen hohen Anteil von Fremdionen im Kristallgitter aufweisen, vermutet.
Abb. 3.7: Beziehung zwischen spezifischer Fe0-Oberfläche und den Pseudo-1.Ordnung Ra-tenkonstanten (aus SIVAVEC & HORNEY, 1995)
PCE TCE c-DCE t-DCE 1,1-DCE VC CT
spez. Oberfläche +1 +1 +1 +1 +1 +1 n.b.
Temperatur n.b. n.b. n.b. n.b. n.b. n.b. +5
Durchflußge-schwindigkeit
n.b. ?+/-2,11 +12,13
n.b. n.b. n.b. n.b. +8,14
LHKW-Anfangs-Konzentration
n.b. ?+/-7 -15
n.b. n.b. n.b. n.b. ?8
pH n.b. +16/-2 n.b. n.b. n.b. n.b. -5,14
O2 n.b. -2 n.b. n.b. n.b. n.b. -3
NO3- n.b. n.b. n.b. n.b. n.b. n.b. n.b.
SO42- n.b. n.b. n.b. n.b. n.b. n.b. +5,6
HS- +4 +4 n.b. n.b. n.b. n.b. +6
S(-II),s +4 +4,9 n.b. n.b. n.b. n.b. +6
HCO3- n.b. n.b. +5 +5 n.b. n.b. n.b.
Acetat n.b. n.b. +5 +5 n.b. n.b. +5
Zitronensäure n.b. +10 n.b. n.b. n.b. n.b. n.b.
Tab. 3.4: Einfluß physikalischer und chemischer Randbedingungen auf die Abbauraten ver-schiedener LHKW
1SIVAVEC & HORNEY (1995); 2LIANG et al. (1995); 3HELLAND et al. (1995); 4HASSAN et al. (1995); 5MILBURN et al. (1995); 6HARMS et al. (1995); 7ORTH & GILLHAM (1995),
8SCHERER & TRATNYEK (1995), 9HOLSER et al. (1995); 10HAITKO & BAGHEL (1995);
11MACKENZIE et al. (1995a); 12MACKENZIE et al. (1995b); 13THOMAS et al. (1995);
14MATHESON & TRATNYEK (1994), 15CLAUSEN et al. (1995), 16DAHMKE et al. (1997) + positiv korreliert, d.h. steigende Werte führen zu erhöhten Abbauraten
- negativ korreliert, d.h. steigende Werte führen zu niedrigeren Abbauraten +/- kein signifikanter Einfluß bisher festgestellt
? widersprechende Ergebnisse n.b. bisher keine Untersuchungen
In Tab. 3.5 sind die Ergebnisse (aus einer der wenigen Untersuchungen) betreffend des Ein-flusses der Temperatur auf die Kinetik von Dechlorierungsreaktionen durch Fe0-Oxidation (MILBURN et al., 1995) aufgeführt.
Tab. 3.5: Abbau von CT, c-DCE und t-DCE in deionisiertem H2O bei 25° und 55°C; An-fangsratenkonstante k, berechnete Halbwertszeiten (t1/2 ) und Zeit, die für den Ab-bau der ersten 50% der Anfangskonzentration benötigt wird (t50) (aus MILBURN et al., 1995)
Der Vergleich der kinetischen Parameter zeigt, daß der Einfluß der Temperatur zwar signifi-kant, aber nicht so sensitiv ist, um auch bei relativ konstanten Temperaturbedingungen im Grundwasser große Abbauratenveränderungen erwarten zu lassen.
Intensiv diskutiert wird zur Zeit der Einfluß der Durchflußgeschwindigkeit auf die Abbau-raten. Während in einer Reihe von Untersuchungen zur reduktiven Dechlorierung von LHKW mit Fe0 zunächst kein signifikanter Einfluß der gewählten Durchflußraten ( 0.38 m pro Tag bis zu 2.42 m pro Tag) auf die Abbauraten festgestellt wurde (GILLHAM & O´HANNESIN, 1994; LIANG et al., 1995; MACKENZIE et al., 1995a), werden nun zunehmend davon ab-weichende Ergebnisse veröffentlicht (MATHESON & TRATNYEK, 1994; SCHERER &
TRATNYEK, 1995; MACKENZIE et al., 1995b; THOMAS et al., 1995). So ist nach Unter-suchungen von MACKENZIE et al. (1995b) die Abbaurate bei einer Fließgeschwindigkeit von 7 m pro Tag nur halb so groß wie bei hohen Transportraten um 13 m pro Tag. Bei noch höheren Fließgeschwindigkeiten bleibt die Abbaurate jedoch konstant, was auf einen Über-gang von transportlimitierten zu oberflächenreaktionsraten-limitierten Prozessen deutet. Ähn-liche Modellvorstellungen werden auch zur Interpretation der Batch-Versuche von SCHERER
& TRATNYEK (1995) herangezogen, in denen der Einfluß der initialen Reaktanden-Konzentration (LHKW und Fe0-Oberfläche pro Volumeneinheit) auf die Reaktionskinetik untersucht wurde. Nach diesen Ergebnissen ist bei geringen LHKW-Konzentrationen die Transportrate zur Oberfläche wesentlich kleiner als die Reaktionsrate, so daß der
Massen-transport zur Oberfläche ratenlimitierend und direkt proportional zur Konzentration ist, was durch eine Reaktion erster Ordnung beschrieben wird. Bei hohen Konzentrationen ist hinge-gen die Prozeßkinetik durch die Reaktionsrate limitiert, so daß keine Abhängigkeit 1.Ordnung zwischen Konzentration und Abbaurate mehr gegeben ist.
Der Zusammenhang zwischen pH-Wert und den Abbauraten läßt sich zwar für manche Fe0 -Chargen nach MATHESON & TRATNYEK (1994) als lineare Gleichung beschreiben (Abb.
3.8) (Gl. 3.8), kann jedoch nach den neueren Untersuchungsergebnissen nicht auf alle Syste-me übertragen werden, da verschiedene, z.T. gegenläufig wirkende Prozesse auftreten können.
kbeob. = -0.018 pH + 0.20 (Gl. 3.8)
Abb. 3.8: Beziehung zwischen pH-Wert und der Pseudo-1.Ordnung-Ratenkonstanten bei der Dechlorierung von CT durch Fe0 (aus MATHESON & TRATNYEK, 1994)
Hohe H+-Konzentrationen bewirken zunächst eine erhöhte Reaktivität der Fe0-Oberfläche, da passivierende Ausfällungen von Fe(II/ III)-Oxidhydraten (Gl. 3.9a+b) bzw. Fe(II)-Karbonaten (wie Siderit) auf der Fe0-Oberfläche weniger stabil sind. Ein typischer, derartiger pH-Effekt in Fe0-reaktiven Wänden sind die mit dem Fließweg abnehmenden LHKW-Abbauraten, die gut mit dem Anstieg des pH-Wertes von 8 bis auf Werte von 10 korrelieren (GILLHAM &
O´HANNESIN, 1994). Insbesondere die Magnetitbildung soll nach Untersuchungen von SCHUHMACHER (1996) bei höheren pH-Werten sehr kohärente und wenig poröse Präzipi-tatschichten abscheiden, die die Korrosionsraten und damit auch die LHKW-Reduktionsraten
signifikant minimieren können, was ja als sog. Brünierungsverfahren, wenn auch unter ande-ren Prozeßbedingungen, großtechnisch zur Passivierung von Fe0 genutzt wird. Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Magnetit als selbständiges Reduktionsmittel be-züglich LHKW, wie es von SIVAVEC et al. (1997) kürzlich gezeigt wurde. Wahrscheinlich ist für eine starke Passivierung der Fe0-Oberfläche durch Magnetit aber eine relativ mächtige Präzipitatschicht notwendig, was wiederum die Bedeutung des pH-Wertes in der Lösung un-terstreicht. Die verstärkte Lösung von Fe0 bei niedrigen pH-Werten, die auch als anaerobe Korrosion bzw. Säurekorrosion bezeichnet wird, kann aber auch zu einer erheblichen H2
Entwicklung führen (Gl. 3.10) und dadurch die Permeabilität und die Nettoreaktionsrate dra-matisch verringern.
Fe2+ + 2 OH- <==> Fe(OH)2 (s, Amakinit) Gl. (3.9a) Fe(OH)2(s) <==> Fe3O4(s, Magnetit) + H2O + H2 Gl. (3.9b) 2 Fe0 + 2 H2O + 2 H+ <==> 2 Fe2+ + 2 OH- + 2 H2 Gl. (3.10)
Als grobe Faustregel gilt, daß bei pH-Werten unter 4 die H2-Entwicklung sehr stark ansteigt, während bis zu diesem pH-Bereich von einer fast gleich H2-Bildungsrate ausgegangen werden kann (z.B. TÖDT, 1955). Die Gasentwicklung ist jedoch auch sehr abhängig von der Reakti-vität des eingesetzten Fe0-Materials und wird in der Elektrochemie durch den Begriff der ma-terialspezifischen Überspannung beschrieben. Die Überspannung gibt dabei an, welche Span-nung zusätzlich zum Standardpotential aufgebracht werden muß, damit Redoxreaktionen zwi-schen der Fe0-Oberfläche und z.B. H+ ablaufen können. Mit anderen Worten ausgedrückt ist eine niedrige Überspannung mit einer hohen Redoxreaktivität des Fe0 gleichzusetzen. Die Überspannung beeinflußende Faktoren setzen sich aus Eigenschaften des Fe0-Partikels wie Legierungsbestandteile, Gefügeform, Bearbeitungszustand, Oberflächenstruktur und natürlich den Eigenschaften des Grundwassers wie Fließgeschwindigkeit und chemische Zusammenset-zung zusammen. So verhalten sich z.B. kalt deformierte Fe0-Partikel reaktiver und besitzen eine geringere Überspannung als heiß verformte Partikel.
Bei der Auswahl des Fe0-Reaktormaterials muß deshalb stets darauf geachtet werden, die Re-aktivität der Fe0-Sorte an den Chemismus des Grundwassers anzupassen. Generell kann ge-sagt werden, daß Fe0- Sorten, deren Überspannung in Gegenwart des kontaminierten Wassers groß genug ist, um eine H2-Gasphasenbildung zu vermeiden, für den langzeitigen Reaktorbe-trieb besser geeignet erscheinen als stärker reaktive Materialien. Die geringere Reaktivität bedeutet aber auch eine größere Dimensionierung des in-situ Reaktors, so daß diese Kosten gegenüber einem häufigeren Austausch von reaktiverem Material oder einer H2-Entlüftung abgewogen werden müssen. Die Preise für verschiedene Fe0-Chargen variieren dabei zur Zeit zwischen 350 DM bis 800 DM t-1. Ein weiteres Kriterium ist auch die Umweltverträglichkeit der Fe0-Sorten, die z.T. aus Schrott hergestellt werden und recht großes Spektrum und hohe Konzentrationen von "Nichteisenmetallen" enthalten können.
Auf Oberflächenpassivierungseffekte bei höheren O2-Konzentrationen aufgrund der Bildung von Fe(III)-Oxidhydraten werden die geringeren Abbauraten von TCE und CT zurückgeführt (LIANG et al., 1995; HELLAND et al. 1995). Eine Ausnahme bildet lediglich das durch Fe0 -Oxidation kaum abbaubare DCM, dessen Abbau nach Untersuchungen von HELLAND et al.
(1995) unter oxischen Bedingungen gesteigert wird. Deshalb favorisieren diese Autoren sogar oxische Bedingungen bei der reduktiven Dechlorierung von CT, um die Bildung von refraktä-ren Abbauprodukten wie DCM zu vermeiden. Ein weiterer Effekt oxischer Bedingungen im anströmenden Grundwasser ist die Permeabilitätsverringerung der Fe0-reaktiven Wand durch die Ausfällung von Fe(III)-Oxidhydraten, was bei hohen O2-Konzentrationen auch zu einer hydraulischen Blockade im Anstrombereich der reaktiven Wand führen kann (MACKENZIE et al., 1995b). Gekoppelt mit der Verringerung der Fließgeschwindigkeit ist auch eine Ab-nahme der Reaktionsratenkonstanten. Für erhöhte NO3
--Konzentrationen sind entsprechende Beeinflussungen der LHKW-Abbaurate zu erwarten, jedoch fehlen bisher experimentelle Er-gebnisse. Lediglich für den Abbau von 1,2-Dibromo-3-Chloropropane (DBCP) via Fe0 -Oxidation konnte gezeigt werden, daß höhere NO3--Konzentrationen (3.3 - 28.3 mg/l) zu einer Verzögerung des Einsetzens der Dehalogenierungreaktion um bis zu 20 Minuten führt (SIANTAR et al., 1995). Selbst niedrige NO2- -Konzentrationen von 4.3 mg/l bewirken eine Abnahme der Ratenkonstanten um 15%.
Ein starke Erhöhung der Reaktionsratenkonstanten für den reduktiven LHKW-Abbau via Fe0 -Oxidation kann durch die Zugabe oder den Einbau von S-Spezies in die Eisenphase erreicht werden (LIPCZYNSKA-KOCHANY et al., 1994; SCHREIER & REINHARD, 1994;
HARMS et al., 1995; HASSAN et al., 1995). So soll hochreines Fe0 trotz hoher spezifischer Oberfläche nur eine geringe Reaktivität gegenüber LHKW aufweisen. Durch Zugabe von HS -in gelöster Form oder -in fester Form als FeS2(Pyrit) kann aber die Dechlorierungsraten drastisch erhöht werden (HASSAN et al., 1995). Die ratensteigernde Wirkung des Pyrits bzw. der S2- -Ionen wird auf zwei Prozesse zurückgeführt (HARMS et al., 1995). Zum einen reagieren S2-(gel.) bzw. FeS2 mit O2, so daß die O2-Konzentration wie auch die Bildung von Fe(III)-Oxidhydraten minimiert wird (Gl. 3.11 und Gl. 3.12).
2 FeS2(s) + 2 H2O + 7 O2 <==> 4 H+ + 4 SO42- + 2 Fe2+ (Gl. 3.11 ) 4 Fe2+ + O2 + 4 H+ <==> 4 Fe3+ + 2 H2O (Gl. 3.12) Zum anderen wird H+ durch die Pyritoxidation freigesetzt (Gl. 3.13 und Gl. 3.14), was eben-falls zu einer Steigerung der Dechlorierungsreaktionen führt.
Fe3+ + 3 H2O <==> Fe(OH)3 + 3 H+ (Gl. 3.13) FeS2(s) + 14 Fe3+ + H2O <==> 15 Fe2+ + 2 SO4
+ 16 H+ (Gl. 3.14)
Weiterhin soll durch die Oxidation von chemiesorbierten S2- an der Fe-Oberfläche die Depo-larisierung bei der H2-Bildung und auch die anodischen Lösungsreaktionen erhöht werden (PEIFFER et al., 1992), so dass in Batchversuchen in Gegenwart von S2--Ionen ein verstärkte Korrosion zu beobachten ist. Unter anaeroben Verhältnissen können die chemisorbierten S2- -Ionen hingegen die kathodische Reaktion von H+ zu H2 verhindern und so zu einer Herabset-zung der Gesamtkorrosionsrate führen.
Wichtig im Hinblick auf Optimierungsansätze der Fe0-reaktiven Wand mittels FeS2 - Einmi-schung sind Untersuchungen von SIVAVEC et al. (1995b), in denen bei Dechlorierungspro-zessen von LHKW im Fe0-FeS2-S2--System keine toxischen C-S Verbindungen (insbesondere CS2) nachgewiesen werden, deren Bildung bisher von LIPCZYNSKA-KOCHANY et al., 1994 und HARMS et al. (1995) in Erwägung gezogen wurden.
Die Erhöhung der LHKW-Abbauraten durch SO42--Ionen ist nur bei höheren pH-Werten re-levant und läßt sich durch Lösung von Fe(II)-Hydroxiden erklären (Gl.3.15), die die reduktive Dehalogenierung an der Fe0-Oberfläche verlangsamen (HARMS et al., 1995).
Fe(OH)2(s) + SO4
2-<==> FeSO40
+ 2 OH- (Gl. 3.15 )
Unter aeroben Bedingung führt die Oxidation von FeSO40 weiter zur Bildung von Fe(III)-Hydroxiden (Gl. 3.16), zur Erniedrigung des pH-Wertes und zur erneuten Freisetzung von SO42--Ionen, so daß quasi in einer Kettenreaktion Fe(OH)2(s) an der Fe0-Oberfläche abgebaut wird. Durch die Bildung der Fe(III)-Oxidhydrate, die sogar einen stärkeren inhibierenden Ef-fekt auf die LHKW-Reduktion an der Fe0-Oberfläche besitzen, ist der Effekt auf die Gesamt-reduktionsrate jedoch weitgehend unklar.
4 FeSO40 + O2 + 10 H2O <==> 4 Fe(OH)3(s) + 4 SO42- + 8 H+ (Gl 3.16)
MILBURN et al. (1995) berichten weiterhin, daß HCO3- bzw. CO32- und Acetat die Dechlo-rierungsraten erhöhen, ohne jedoch genaue Ergebnisse zu nennen bzw. diese Beobachtung zu deuten. Möglicherweise bewirkt Acetat genauso wie Zitronensäure (HAITKO & BAGHEL, 1995) durch Lösung von Fe(III)-Oxidhydraten eine Erhöhung der reaktiven Plätze auf der Fe0 -Oberfläche.
Zunächst weniger verständlich ist die Erhöhung der Dechlorierungsrate durch Zugabe von HCO3-. Zwar könnte bei niedrigen pH-Werten auch eine Lösung von Fe(II/ III)-Oxidhydraten durch Bildung von Fe-HCO3-Spezies auftreten, dieser Effekt sollte jedoch nur gering sein.
Wesentlich bedeutender ist hingegen die H+-Freisetzung bei höheren pH-Werten, die aus dem Speziesgleichgewicht HCO3
/ CO3
resultiert und bei hohen HCO3
--Konzentrationen die Säu-rekorrosionrate erhöht. REARDON (1995) stellte dementsprechend in ausführlichen Fe0 -Korrosionsexperimenten fest, daß HCO3
einen größeren verstärkenden Effekt auf die Korro-sionsrate besitzt als SO42- und Cl-. Umgekehrt ist bei erhöhten CO32- aber auch eine Bildung von FeCO3(Siderit) oder aber CaFe(CO3)2-Mischphasen begünstigt, wodurch eine Oberflächen-passivierung und Erniedrigung der Abbauraten bedingt werden kann. Für ein natürliches Grundwasser mit erhöhten HCO3
--Gehalten konnte eine derartige Verringerung der Abbaura-ten und der Permeabilität innerhalb der Fe0-reaktiven Wand, hervorgerufen durch FeCO3 -Fällungen, beobachtet werden (z.B. MACKENZIE et al., 1995b). Die FeCO3-Bildung auf den Fe0-Oberflächen ist aber nicht für alle Grundwassertypen problematisch, wie Langzeituntersu-chungen von VOGAN et al. (1995) bzw. GILLHAM & O´HANNESIN (1994) belegen. Eine Ursache dafür ist sicherlich die wenig kohärente Ausbildung der Karbonate auf der Fe0 -Oberfläche, die den Elektronentransfer zwischen Fe0 und LHKW vergleichsweise nur wenig behindert (SCHUHMACHER, 1995).
Nach eigenen, bisher noch nicht veröffentlichten Daten (WÜST et al., in Vorbereitung) ist die H2-Entwicklung , die direkt mit der Säurekorrosionsrate korreliert ist, zumindesten bei Ver-wendung hochreaktiver Fe0-Chargen, das Hauptproblem hoher HCO3
- -Grundwasser-konzentrationen. Aufgrund der geringen Löslichkeit von H2 im Wasser (ca. 1 mg l-1) tritt bei entsprechenden Wässern in Fe0-Reaktionswänden bereits nach sehr kurzer Betriebszeit eine H2-Gasphase auf, die sowohl die Permeabilität als auch die angeströmte reaktive Fe0
-Oberfläche dramatisch herabsetzen kann. Insbesondere die Ausbildung bevorzugter Fließbah-nen kann die Vorteile hochreaktiver Fe0-Chargen in Säulenversuchen mehr als aufheben.
Eine genaue Zusammenstellung der kritischen Parameter, wie z.B. die Grenzkonzentrationen bestimmter Komponenten, die kritischen Übersättigungszustände bezüglich FeCO3 oder auch kritische minimale Fließgeschwindigkeiten hinsichtlich bestimmter Übersättigungszustände, steht jedoch noch aus.
Die Wirkung von PO43- als Korrosionsinhibitor ist aus der Korrosionsforschung und Wasser-forschung z.B. bei der Sanierung bereits korrodierter Wasserrohre aus Gußeisen schon relativ lange bekannt. Als wesentlicher Prozeß wird dabei die Bildung von Fe3(PO4)2 auf den Fe0 -Oberflächen angesehen, wobei die Schichtdicken dieser Präzipitate in der Regel zwischen 0,1 bis 0,3 mm liegen (HELLMOLD & USAKOV, 1992).
Ebenfalls wenig untersucht ist der Einfluß von anderen organischen Komponenten auf die Dechlorierungsraten. In Betracht kommen z.B. org. Stabilisatoren wie Pyridin, die die Kor-rosion von Metallen durch LHKW verhindern (vgl. ARCHER, 1982), refraktäre natürliche organische Substanzen wie Huminsäuren oder aber auch ionische und nichtionische Ten-side. Nach VOGAN (1995) ist zwar der Einfluß von Stabilisatoren auf die Abbauraten nicht bedeutend, jedoch fehlen auch hier bisher verläßliche Angaben zu Grenzkonzentrationen, ab denen ein Einfluß auftreten kann.