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2.1 Fibromyalgie

2.1.7 Therapieansätze

2.1.7.1 Pharmakologische Therapieansätze

Häufig eingesetzte Medikamentenklassen sind Analgetika, Antidepressiva und Schlaf-medikamente. Es gibt jedoch kein Medikament, das allen Betroffenen bezüglich aller Symptome helfen kann [Barkhuizen 2002]. Bis heute existieren nur symptombasierte Therapieansätze. Bislang gibt es in Deutschland, im Gegensatz zu den USA, in denen Pregabalin für das FMS zugelassen ist, kein zugelassenes Medikament.

Zur Symptomlinderung gelten trizyklische Antidepressiva als Basistherapeutika, dabei vor allem Amitriptylin in einer Dosierung von 10-50 mg pro Tag [Carette et al. 1986; Carette et al. 1994; Sommer et al. 2008]. Amitriptylin wirkt sich vor allem positiv auf Schmerzen, die Schlafqualität und Morgensteifigkeit aus [Carette et al. 1986; Ginsberg et al. 1996; Hannonen et al. 1998; Sommer et al. 2008].

Zur Fibromyalgiebehandlung werden ebenfalls selektive Serotoninwiederaufnahme-hemmer (SSRI) wie Fluoxetin mit 20-60 mg pro Tag und Paroxetin mit 20-40 mg pro Tag, die in Deutschland zur Therapie von Angst- und depressiven Störungen zugelassen sind, eingesetzt. Da sie jedoch eher auf Abgeschlagenheit und vegetative Begleitsymptome wirken, sollen sie vor allem bei Patienten, die neben der Fibromyalgie diese Symptome aufweisen, angewendet werden [Patkar et al. 2007; Sommer et al. 2008]. In einer Studie von Goldenberg et al. (1996) wurde gezeigt, dass sich durch eine Kombination der Medikamente Fluoxetin und Amitriptylin bessere Werte im FIQ, in der VAS für Schmerzen, bei allgemeiner Gesundheit und Schlaf ergeben als für das jeweilige Medikament alleine.

Der Noradrenalin-Serotoninwiederaufnahmehemmer (NSRI) Duloxetin (60-120 mg/Tag) reduziert ebenfalls die Schmerzen und verbessert die Lebensqualität von Fibromyalgie-patienten [Arnold et al. 2004b; Arnold et al. 2005]. Das Medikament sollte laut aktueller Leitlinie vor allem bei Patienten eingesetzt werden, die zusätzlich depressive Störungen bzw.

generalisierte Angststörungen aufweisen; zwei Erkrankungen, für die Duloxetin in Deutsch-land zugelassen ist [Chappell et al. 2008; Goldstein et al. 2004; Russell et al. 2008].

Das als Agonist am μ–Opioid-Rezeptor und als Noradrenalin- und Serotonin-Wiederauf-nahmehemmer wirkende Opioid Tramadol wirkt sowohl in der Monotherapie als auch in Kombination mit Paracetamol (37,5 mg Tramadol + 325 mg Paracetamol) positiv auf

21 Schmerzen, Tenderpoints, Steifigkeit und Lebensqualität [Bennett et al. 2003; Bennett et al.

2005a; Harten 2008; Russell et al. 2000; Sommer et al. 2008]. Trotzdem wird die Behandlung der Fibromyalgieerkrankung mit diesem Opiat aufgrund von Risiken für Miss-brauch und Abhängigkeit sowie Hyperalgesie bei chronischer Einnahme in der aktuellen Leitlinie weder empfohlen noch abgelehnt [Arnold 2006; Chu et al. 2006]. In Deutschland ist Tramadol zur Behandlung von Schmerzen, nicht jedoch zur Behandlung der Fibromyalgie, zugelassen.

Das in Deutschland als Antiepileptikum und bei neuropathischen Schmerzen zugelassene Antikonvulsivum Pregabalin verbessert bei Fibromyalgiepatienten Abgeschlagenheit, Schlafqualität, Lebensqualität, Vitalität, allgemeine Gesundheitswahrnehmung und die soziale Funktionsfähigkeit sowie in höheren Dosen zusätzlich die Schmerzen [Crofford et al.

2005; Harten 2008]. Die Effektivität der Behandlung von Fibromyalgiepatienten konnte in mehreren Studien nachgewiesen werden [Arnold et al. 2008; Crofford et al. 2005; Crofford et al. 2008; Mease et al. 2008; Pauer et al. 2011]. Wie zuvor erwähnt, ist Pregabalin zur Behandlung der Fibromyalgie in den USA bereits zugelassen, in Deutschland jedoch noch nicht.

Gabapentin, das eine ähnliche Wirkung wie Pregabalin besitzt und in Deutschland ebenfalls als Antiepileptikum und zur Therapie von Schmerzen durch diabetische Polyneuropathie und durch postherpetische Neuralgie eingesetzt wird, verbessert vor allem die Schmerzsympto-matik bei Fibromyalgiepatienten [Arnold et al. 2007; Harten 2008].

Insgesamt werden bei Erkrankungen, die mit Schmerzen und Entzündungen assoziiert sind, häufig nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) als Analgetikum eingesetzt. Eine Ver-besserung der fibromyalgiebedingten Symptomatik durch alleinige Gabe von NSAR konnte in drei Studien jedoch nicht nachgewiesen werden. Eine positive Wirkung konnte nur durch die Kombination von Amitriptylin und Naproxen sowie Ibuprofen und Alprazolam erzielt werden [Goldenberg et al. 1986; Russell et al. 1991; Yunus et al. 1989]. Barkhuizen (2002) beschreibt in einer Studie, dass NSAR nicht bei zentralen Schmerzen wirken und sie nur in Kombination mit anderen zentral wirkenden Analgetika eingesetzt werden sollten. Obwohl in verschiedenen Studien gezeigt werden konnte, dass nicht-steroidale Antirheumatika als Monotherapie keine signifikanten Verbesserungen erzielen und die Behandlung nicht empfohlen wird, findet sich diese Substanzgruppe trotzdem noch im Therapieplan vieler Fibromyalgiepatienten [Goldenberg et al. 1986; Russell et al. 1991; Sommer et. al. 2008;

Yunus et al. 1989].

22 Hypnotika, Anxiolytika und Neuroleptika sollten nicht zur Behandlung der Fibromyalgie angewendet werden. Bei der Gabe von Hypnotika und Anxiolytika konnte kein Einfluss auf die Schmerzsymptomatik nachgewiesen werden. Durch die Neuroleptikaeinnahme konnte zum einen keine Symptomverbesserung erzielt werden und zum anderen waren die Neben-wirkungen zu groß. Das Narkotikum Ketamin und das Lokalanästhetikum Lidocain, die zu einer kurzfristigen Schmerzreduktion führen, sollten wegen der intravenösen Applikation von der Therapie ausgeschlossen werden [McCleane 2000; Sörensen et al. 1995; Sörensen et al. 1997; Sommer et al. 2008].

Auch eine Therapie mit verschiedenen Virostatika (z.B. Valacyclovir [Kendall et al. 2004]) oder Hormonen (z.B. Dehydroepiandrosteron [Finckh et al. 2005], Calcitonin [Bessette et al.

1998], Hydrokortison [McKenzie et al. 1998]) jeglicher Art wird aus verschiedenen Gründen wie schweren Nebenwirkungen, geringer Wirkung oder zu geringer Datenlage nicht empfohlen [Sommer et al. 2008].

Dopaminagonisten, wie z.B. das zur Therapie des Parkinsonsyndroms oder des restless-legs-Syndroms zugelassene Medikament Pramipexol, sollten aufgrund von zu geringer Wirksamkeit und Verträglichkeit vermieden werden. Aufgrund geringer Wirksamkeit bezüglich Schmerz bzw. hoher Nebenwirkungen sollen Muskelrelaxantien bzw. der Sero-tonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Milnacipran laut aktueller Leitlinie nicht mehr zur Therapie des Fibromyalgiesyndroms eingesetzt werden [AWMF e.V. 2012].

Zusammenfassend zeigt Tabelle 5 eine von der AWMF bezüglich der aktuellen Leitlinie zur Fibromyalgie erarbeitete Zusammenfassung der pharmakologischen Therapieverfahren und ihrem jeweiligen Empfehlungsgrad.

pharmakologische Therapieverfahren Empfehlungsgrad

Amitriptylin Empfehlung

Duloxetin Empfehlung bei komorbider

depressiver oder generalisierter Angststörung

Pregabalin offene Empfehlung (off-label-use)

Serotoninwiederaufnahmehemmer

keine positive oder negative Empfehlung möglich

23 pharmakologische Therapieverfahren Empfehlungsgrad

Anxiolytika

Dopaminagonisten Hormone

Hypnotika Ketamin

Lokalanästhetika Milnacipran Natriumoxybat Neuroleptika

Nicht-steroidale Antirheumatika Opioide stark

Serotoninrezeptoragonisten (Tropisetron) Virostatika

stark negative Empfehlung

Tabelle 7: Pharmakologische Therapieverfahren mit jeweiligem Empfehlungsgrad [verändert nach: AWMF e.V.

2012, S.7]