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Methodenauswahl und Umfragedesign

7. Empirische Untersuchung

7.3. Methodenauswahl und Umfragedesign

Bei der Untersuchung zur Internetnutzung im ländlichen Raum wurde sich für eine Primäruntersuchung entschieden, da keinerlei Daten im Hinblick auf die For-schungsfragen vorlagen. Die empirische Sozialforschung kennt verschiedene Me-thoden, um die oben erwähnten Untersuchungen durchzuführen und Daten zu erheben. Im Folgenden sollen die drei Wichtigsten kurz vorgestellt werden.

- Inhaltsanalyse:

Die Inhaltsanalyse ist eine Technik, die sich mit der systematischen Erhe-bung und Auswertung von Texten, Bildern und Filmen befasst. Ziel ist es, daraus Schlussfolgerungen auf die Eigenschaften von Personen und über gesellschaftliche Vorgänge zu entwickeln429. Die Inhaltsanalyse befasst sich

429 Vgl. Diekmann, Andreas 2009: Empirische Sozialforschung : Grundlagen, Methoden, Anwen-dungen Empirische Sozialforschung, 20. Aufl., Reinbek bei Hamburg, Rowohlt-Taschenbuch-Verl., S. 576.

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nicht nur mit dem Inhalt von Texten sondern auch mit formalen Gesichts-punkten.

- Beobachtung:

In der Sozialforschung wird als Beobachtung die direkte Betrachtung menschlicher Handlungen, sprachlicher Äußerungen und nonverbaler Re-aktionen verstanden.430 Das besondere an einer Beobachtung ist, „dass der festzustellende Sachverhalt sich nicht aufgrund einer ausdrücklichen Erklä-rung [wie bei einer Befragung, S.L.] der Auskunftsperson ergibt, sondern unmittelbar aus dieser selbst bzw. ihrem Verhalt erkennbar wird.―431

Diese beiden Arten der Datenerhebung werden hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt. Die Inhaltsanalyse scheidet als Erhebungsmethode aus, weil keine Erkenntnisse über einen Kommunikationsvorgang im Mittelpunkt des Interesses stehen, sondern ein Verhalten (=die Nutzung oder Nichtnutzung des Internets).

Die Beobachtung scheidet ebenfalls auch als Methode zur Klärung der For-schungsfragen dieser Arbeit aus, weil die zu untersuchende Problematik der Inter-netnutzung sich durch ihre Vielschichtigkeit einer Untersuchung durch Beobach-tung entzieht. Sinnvoll ist eine BeobachBeobach-tung als Methode nur, wenn wie oben er-wähnt ein deutliches Verhalten messbar ist. Als Methode für die Beantwortung der Forschungsfrage wurde letztendlich die Befragung gewählt. Die Befragung ist die in der empirischen Sozialforschung und besonders in der Politikwissenschaft am meisten verwendete Methode, um primäre Daten zu erheben432. Ziel einer Befra-gung ist es, eine bestimmte Menge von Personen durch verbale oder andere Sti-muli (dabei kann es sich um schriftliche Fragen und Bildvorlagen, aber auch Pro-dukte handeln), zu Aussagen über den Erhebungsgegenstand zu bewegen433. Man unterscheidet die drei verschiedene Formen mündliche, schriftliche und tele-fonische Befragung. Alle haben besondere Vor- und Nachteile. Bei einer mündli-chen Befragung wird regelmäßig die hohe Erfolgsquote durch das Aufsumündli-chen als

430 Vgl. Diekmann, a.a.O. (Anm. 429), S. 548.

431 Hüttner, Manfred ; Schwarting, Ulf 2002: Grundzüge der Marktforschung, 7. überarb. Aufl., München, Oldenbourg, S. 158.

432 Vgl. Diekmann 2009, a.a.O. (Anm. 429), S. 435.

433 Vgl. Diekmann 2009, a.a.O. (Anm. 429), S. 439

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Vorteil genannt. Weitere Vorteile sind, dass der Umfang des Fragebogens dabei nur sehr geringen Einschränkungen unterliegt. Weiter können auch zusätzlich Re-aktionen erfasst werden wie zum Beispiel ob die Frage spontan beantwortet wurde oder eher zögerlich. Bekanntester Nachteil der mündlichen Befragung sind die relativ hohen Kosten sowie das Problem einer möglichen Beeinflussung des Inter-viewten durch den Interviewer. Vorteilhaft bei einer schriftliche Befragung sind die niedrigen Kosten und das mögliche Beeinflussungen durch einen Interviewer aus-geschlossen sind. Ein oft unterschätzter dritter Vorteil ist auch, dass die Umfrage-teilnehmer mehr Zeit haben, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen als bei ei-ner mündlichen oder telefonischen Befragung. Besonderer Nachteil bei eiei-ner schriftliche Befragung ist in der Regel die niedrige Rücklaufquote und, dass man nicht nachprüfen kann, ob der Angeschriebene tatsächlich auch selbst den Frage-bogen beantwortet hat.434 Problematisch sind auch offensichtliche Missverständ-nisse, die der Beantwortung vorausgehen und nicht von einem Interviewer zu be-heben sind. Der Umfang der Fragen ist beschränkt, denn zu viele Fragen vermin-dern die Rücklaufquote durch Abschreckung. Auch können nur Personen befragt werden, von denen eine postalische Adresse bekannt ist.

Telefonbefragungen sind in Deutschland noch eine relativ junge Methode der em-pirischen Sozialforschung, während sie in den Vereinigten Staaten bereits seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts umfangreich angewandt werden. Erste Versu-che, Befragungen auch per Telefon in Deutschland systematisch zu etablieren, fanden zu Beginn der 80er Jahre statt435. Grund dafür war, dass erst im Verlauf dieses Jahrzehnts eine annähernde Vollversorgung der bundesdeutschen Haus-halte mit Telefonanschlüssen erreicht wurde. Im Jahr 1996 waren dann nur noch 2% aller Haushalte in der alten Bundesrepublik Deutschland und in West-Berlin ohne Telefonanschluss.436 Gesamtdeutsche Telefonbefragungen sind aufgrund des Aufholprozesses bei den Telefonanschlüssen in den neuen Bundesländern erst sehr viel später möglich geworden. Inzwischen werden aber fast 50% aller

434 Vgl. Wüst, Andreas, Die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften als Telefonumfrage, in: ZUMA-Arbeitsbericht 98/2004, S. 8f.

435 Bayer, Michael 1998: Computer Assisted Telephone Interviewing. Methodik und praktische Um-setzung, Der Hallesche Graureiher (98-1): Forschungsberichte des Instituts für Soziologie / Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Soziologie, Halle, S. 3.

436 Statistisches Bundesamt: (Hrsg.) 1997: Statistisches Jahrbuch 1997 für die Bundesrepublik Deutschland / für das Ausland. 2 Bände. Wiesbaden. Metzler-Poeschel, S. 564

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Umfragen als Telefonbefragungen durchgeführt437. Bei der Nutzung von Telefon-befragungen sind, wie bei anderen Methoden auch, Vor- und Nachteile gegenei-nander abzuwägen. Oft angeführt werden als Vorteil die geringeren Kosten der Face-to-Face-Befragungen; daneben ist die Interview-Situation am Telefon unper-sönlicher. Das hat den Vorteil, dass der Effekt der sozialen Erwünschtheit weniger auftritt.438 Soziale Erwünschtheit meint, dass unangenehme oder peinliche Fragen, vor allem nach Rassismus oder Alkoholkonsum häufig nicht wahrheitsgemäß be-antwortet werden. Statt einer ehrlichen Antwort geben die Befragten eine Antwort, von der Sie glauben, dass diese eher von der Gesellschaft akzeptiert wird.439 Da-mit wird aber das Ergebnis der Befragung verfälscht. Ein weiterer Vorteil ist, dass die per Telefonbefragung erhobenen Daten schnell verfügbar sind und dass man den Primacy-Effekt440 durch Fragen-Rotation reduzieren kann. In diesem Zusam-menhang müssen aber auch die Nachteile dargestellt werden. Im Allgemeinen werden vor allem vier Hauptnachteile von Telefonbefragungen genannt. Zum ei-nen gibt es häufigere Abbrüche von Befragungen und es fallen mehr „Item-Nonresponse―, also das Nichtreagieren auf Fragen bei Befragungen an und zum anderen ist die Ausschöpfungsquote niedriger und es kommt zum Auftreten des Recency-Effekts. Weiterhin können keine optischen oder anderen Hilfsmitteln be-nutzt werden.441

Ein weiteres grundsätzliches Problem dürfte der Telefonbesitz im Allgemeinen sein, da in einzelnen sozialstrukturellen Gruppen sehr unterschiedlich ausfallen kann.In den Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes im Rahmen der

―Einkommens- und Verbrauchsstichprobe‖ zeigte sich, dass zum Beispiel Arbeits-lose weniger oft einen Telefonanschluss besitzen als andere sozialstrukturelle Un-tergruppen.442 Dies muss bei der Planung einer Umfrage berücksichtigt werden.

Weitere Probleme im Hinblick auf Stichprobeziehung werden im Abschnitt Adressenermittlung behandelt. In der Gesamtschau bietet die Durchführung einer

437 Vgl. Diekmann 2009, a.a.O. (Anm. 429), S. 502

438 Vgl. Wüst 2004, a.a.O. (Anm. 434), S. 12.

439 Vgl. http://de.statista.com/statistik/lexikon/definition/124/soziale-erwuenschtheit/ [16.12.2009]

440Der Primacy-Effekt geht davon aus, dass bei kontroverser Kommunikation die zuerst präsentier-ten Mitteilungen die größere Chance hätpräsentier-ten, vom Verbraucher akzeptiert zu werden. Er ist auch als

"Gesetz vom Primat der ersten Mitteilungen", dem law of primacy, bekannt. Das Gegenteil davon ist der Recency-Effekt.

441 Vgl. Wüst 2004, a.a.O. (Anm. 434), S. 12.

442 Vgl. Wüst 2004, a.a.O. (Anm. 434), S. 3.

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Befragung per Telefon trotzdem einige Vorteile443, besonders wenn die Telefonbe-fragung mit Hilfe des im folgenden Abschnitte erklärten CATI-Verfahrens (Compu-ter Assisted Telephone In(Compu-terview)444 durchgeführt wird. Das CATI - Verfahren er-möglicht Forschern, vielschichtige und verzweigte Umfragen durchzuführen. Der Vorteil eines computergesteuerten Fragebogens liegt in der automatisierten Filter-führung, die nicht mehr dem Interviewer obliegt und so auch Zeit spart. Aus der eingebauten Automatik ergibt sich auch die Möglichkeit eines individualisierten Befragungsablaufs. Der programmierte Fragebogen kann eine vorangehende Antwort oder Stichpunkte in eine spätere Frage wieder einbauen. Das heißt, CATI-Systeme sind in der Lage, Kommentare festzuhalten und diese mit bestimmten Fragen zu verbinden. Eine weitere große Hilfe ergibt sich durch das CATI-System bei allen Dingen im Umfeld der Befragung. Das System hält die Anruflisten auf dem neuesten Stand und bietet dadurch ausgezeichnete Unterstützung für die Verwaltung der Stichprobe und die Auswahl der Untersuchungsteilnehmer, welche nach Priorität vorgelegt werden. Das bedeutet, dass Rückrufe, erneute Anrufver-suche und vereinbarte Termine automatisch mitgeteilt werden. Das CATI-Verfahren hilft dem Interviewer auch direkt beim Teilnehmerrückruf: Die Intervie-wer brauchen sich keine Punkte aus vorangegangenen Interviews zu merken, da der Computer die notwendigen Aufschlüsselungen und Fragefolgen berücksichtigt.

Bei Fortführung eines Interviews startet er den Fragebogen genau an der Stelle, an der das Interview unterbrochen wurde. Besonders hilfreich ist es auch, dass die Daten unmittelbar nach der Erfassung gespeichert werden.445 So gibt es keine Möglichkeit der Verfälschungen durch den Interviewer und auch die Anonymität der Befragungsperson kann gesichert werden.

Um auf die gestellten Forschungsfragen Antworten zu bekommen, ist es notwen-dig, aus der Reihe der oben vorgestellten Methoden die Richtige für den individu-ellen Fall auszuwählen. Die Methode der Beobachtung scheidet dabei wie oben erwähnt aus. Bei der Überprüfung, ob eine Inhaltsanalyse für die Beantwortung der gestellten Forschungsfragen ausreicht, wurde festgestellt, dass leider nur

443 Buchwald, Christina, Das CATI-System, in: Buchwald (Hg.), Christina, Das Telefoninterview – Instrument der Zukunft? Forschungsberichte aus dem zsh 06-3, Halle 2006, S. 30f.

444 Computer Assisted Telephone Interview = computergestützte Befragung per Telefon

445 Vgl. Atteslander, Peter 2008: Methoden der empirischen Sozialforschung, 12. durchges. Aufl.

Berlin : Erich Schmidt Verlag, S. 148.

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nige Daten zur Internetnutzung im ländlichen Raum vorliegen und diese Methode daher ebenfalls ausscheidet. Aus diesem Grund wurde als Methode die Befragung gewählt. Bei Abwägung der verschiedenen Vor- und Nachteile und unter Berück-sichtigung der vorhandenen finanziellen und zeitlichen Rahmenbedingungen446 wurde entschieden, die Befragung als Telefonbefragung durchzuführen. Für die konkrete Durchführung wurde ein Call-Center beauftragt, dass anhand eines gelie-ferten Fragebogens die Befragung durchführte und die Rohdaten unausgewertet zurückgab. Auf diesem Wege konnte das notwendige primärstatistische Datenma-terial erhoben werden, nachdem die Datenerhebung individuell auf die Fragestel-lung zugeschnitten worden. Dieser Weg war notwendig, weil kein sekundärstatisti-sches Datenmaterial vorhanden war. Weiterhin war zu klären, wie groß die Menge der Befragten sein sollte. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Voll- und Teilerhebung. In der Regel wird in den Sozialwissenschaften eine Teilerhebung in Form einer repräsentativen Stichprobe durchgeführt, die auch gute Ergebnisse liefert, aber sehr viel weniger Aufwand und finanzielle Mittel erfordert als eine Voll-erhebung. In diesem Fall wurde aber trotzdem eine Vollerhebung durchgeführt, weil einerseits die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung standen und an-dererseits die zu befragende Grundgesamtheit, die Bevölkerung der beiden Orts-teile, nur einen geringen Umfang hatte. Notwendig im Sinne einer guten wissen-schaftlichen Praxis ist es, dass die erhobenen Ergebnisse von anderen nachprüf-bar sind. Dazu müssen die Erhebungsmethoden einige Qualitätskriterien447 einhal-ten, auf die hier kurz hingewiesen werden soll:

- Objektivität448

Die Objektivität einer Messung ist dann gewährleistet, wenn mit derselben Methode durch verschiedene Personen erhobene Daten zum gleichen Er-gebnis führen, also keine Beeinflussung durch subjektive Faktoren stattfin-det.

446 Die Befragung musste innerhalb von 7 Monaten durchgeführt werden, die auch als Erschwernis noch die Sommerferien enthielten.

447 Vgl. Diekmann 2009, a.a.O. (Anm. 429), S. 247ff.

448 Vgl. Diekmann 2009, a.a.O. (Anm. 429), S. 249.

133 - Zuverlässigkeit oder Reliabilität449

Eine Erhebungsmethode ist dann zuverlässig, wenn sie bei einer Wiederho-lung zu gleichen Bedingungen dieselben Ergebnisse liefert.

- Gültigkeit oder Validität450

Dieses für eine Untersuchung grundlegende Qualitätskriterium meint, dass das verwendete Messinstrument, auch das misst, was es messen soll.

Die Einhaltung dieser Kriterien ist in der Forschungspraxis mitunter schwierig; es sollte aber immer versucht werden, sich diesen Maximen anzunähern. Dazu ge-hört im Falle einer Befragung – auch bei einer Telefonbefragung- die Verwendung eines gut strukturierten Fragebogens der mit Hilfe eines Pre-Tests auf seine Quali-tät hin überprüft wurde. Vorher wird im folgenden Abschnitt auf die Konstruktion eines Fragebogens im Allgemeinen und bei dieser Untersuchung näher eingegan-gen.