5 Diskussion
5.4 Methoden zur Mutationsdetektion
D i s k u s s i o n 5 . 3 A u s w a h l d e r S t u d i e n k o l l e k t i v e 146 auszuschließen. Für den TDT sind Trios erforderlich, d. h. die Eltern der Indexprobanden müssen zusätzlich verfügbar sein. Bestehende Transmissions-Ungleichgewichte sind in den TDTs für die kodierenden SNPs des MCHR1 zweimal in voneinander unabhängigen Kollektiven durchgeführt worden. Jedoch sind die adipösen Kinder und Jugendlichen, auf denen die in die TDTs eingeflossenen Trios basieren, nicht unabhängig von denjenigen, die in die Assoziationsanalysen eingeflossen sind. Dieses Problem war aufgrund mangelnder Verfügbarkeit eines zusätzlichen großen Trio-Kollektivs, dessen adipöse Indexpatienten unabhängig von einer für das Mutationsscreening und damit für die Assoziationsanalysen verwendeten Studiengruppe war, unumgänglich.
D i s k u s s i o n 5 . 4 M e t h o d e n z u r M u t a t i o n s d e t e k t i o n 147 Die Nachteile der PCR sind eine erforderliche Information zur Ziel-Sequenz, eine kurze Länge der amplifizierbaren Sequenz, eine limitierte Produktmenge und eine mangelnde Wiedergabetreue (Strachan und Read 1999). Die Sequenz des MCHR1-Locus war verfügbar (genomische DNA Z86090; mRNA AF490537). Für das Mutationsscreening des MCHR1 wurde das Gen mittels überlappender PCR-Fragmente amplifiziert. Die Produktmenge war für die Methoden der SSCP, der dHPLC zur Mutationssuche ausreichend. Die mangelnde Wiedergabetreue ergibt sich aus der fehlenden 3’→5’ Exonuklease-Aktivität der Taq-Polymerase, die zu einer falschen Base bei 40 % der DNA-Stränge in 1 kb führt (Strachan und Read 1999). Diese fehlerhaften Basen befinden sich meist randständig, weshalb die Taq-Polymerase für das Mutationsscreening Sequenzierung verwendbar, aber ungeeignet für nach-folgende funktionelle Studien ist. Für die zellbasierte Klonierung muss eine Polymerase eingesetzt werden, die eine 3’→5’ Exonuklease-Aktivität aufweist und damit eine geringere Fehlerrate aufweist, z. B. aus Pyrococcus furiosus (Strachan und Read 1999). Fehlerhaft eingebaute Basen können in der dHPLC oder SSCP irrtümlich als eine Sequenzvariante detektiert werden.
Aus diesem Grund erfolgte bei der Identifizierung einer neuen Sequenzvariante mittels SSCP oder dHPLC immer eine wiederholte PCR und Analyse. Die Wahrscheinlichkeit für einen Polymerase-Fehler an der gleichen Position ist sehr gering. Zum Ausschluss einer „falschen“
Sequenzvariante wurden alle neu identifizierte Sequenzvarianten durch alternative Methoden wie die Sequenzierung, PCR-RFLP oder Tetra-Primer ARMS-PCR verifiziert. Aus diesem Grund können Polymerase-Fehler bei allen gefunden Sequenzvarianten ausgeschlossen werden. Für zwei der seltenen Varianten waren weder eine PCR-RFLP aufgrund einer fehlenden Schnittstelle noch eine Tetra-Primer ARMS-PCR aufgrund unlösbarer Probleme bei der Optimierung der PCR zur Verifizierung anwendbar. Aus diesem Grund erfolgte neben dem Nachweis über die Sequenzierung ein zusätzliches Screening mittels dHPLC (s. u. 3.3.2), bei der die Varianten sichtbar wurden. Der erneute Nachweis dieser beiden Varianten kann jedoch nicht als eindeutige Verifizierung eingestuft werden, da die Position und Art des Nukleotidaustausches über die dHPLC nicht erkennbar sind.
Für die Durchführung von Assoziationsstudien von SNPs ist eine möglichst geringe Fehlerrate bei der Genotypisierung mittels PCR-basierter Methoden wie die PCR-RFLP und Tetra-Primer ARMS-PCR besonders wichtig, um eine „falsche“ Assoziation bzw. das Nicht-Auffinden einer vorhandenen Assoziation zu vermeiden. Eine zusätzliche Verminderung der Fehlerrate erfolgte jeweils über eine zweite unabhängige Auswertung durch einen zweiten unabhängigen und erfahrenen Mitarbeiter. Zusätzlich erleichterte ein Mitführen von DNAs mit bekannten Genotypen in jeder „PCR-Platte“ eine genaue Auswertung.
D i s k u s s i o n 5 . 4 M e t h o d e n z u r M u t a t i o n s d e t e k t i o n 148 Eine zusätzliche Kontrolle der Genauigkeit der ermittelten Genotypen für die Assoziations-studien ermöglichte die Durchführung des TDTs. Dieser war nicht nur zur Bestätigung der positiven Assoziationen einzelner Allele von SNPs mit Adipositas erforderlich. Er bot zudem die Möglichkeit zu überprüfen, ob die Genotypen der adipösen Kinder und Jugendlichen korrekt ermittelt worden sind. Für den TDT wurden zusätzlich zu den adipösen Indexprobanden jeweils beide Eltern genotypisiert, deren Allele entsprechend den Mendelschen Gesetzen verteilt sein müssen. Falls die erfassten Allele von Kindern und deren Eltern nicht zusammenpassten, konnte eine Wiederholung der Genotypisierung einen eventuell ungenau ausgewerteten Genotyp oder in vereinzelten Fällen einen nicht zum Kind passenden Vater aufdecken. Bei unklarer Vaterschaft flossen die betreffenden Familien nicht in die Analysen ein.
5.4.2 Methoden zur Detektion unbekannter Sequenzvarianten
Es existieren zahlreiche Methoden zur Detektion unbekannter Sequenzvarianten, wobei die single-stranded conformation polymorphism analysis (SSCP) und die Sequenzierung die bisher am häufigsten verwendeten Methoden darstellten. Zunehmend werden Methoden benötigt, die das Screening einer großen Anzahl von Proben in zahlreichen Genen mit annähernd 100 %iger Sensitivität schnell und einfach ermöglichen (Strachan und Read 1999).
SSCP: Die SSCP-Analyse ist einfach, erfordert nur eine preiswerte Ausstattung, ist sensitiv genug für Fragmente bis zu 200 bp, ermöglicht aber nicht die Identifizierung der Art und der Position der detektierten Varianten (Sheffield et al. 1993). Sie beruht auf der veränderten Laufgeschwin-digkeit von einzelsträngiger DNA in einem nicht-denaturierenden Polyacrylamid-Gel, die durch veränderte Konformationen der DNA aufgrund von Sequenzvarianten hervorgerufen werden.
Die Sensitivität der SSCP ist stark von den Versuchs-Bedingungen abhängig und kann u. a. durch eine Analyse bei zwei unterschiedlichen Temperaturen erhöht werden. Aus diesem Grund erfolgte das Mutationsscreening der CDS des MCHR1 sowohl bei 4 °C in der Kühlkammer, als auch bei Raumtemperatur. Die detektierten seltenen Varianten bestätigen die Erhöhung der Sensitivität aufgrund dieser Vorgehensweise. Es konnten zwei Varianten (T305M, s. u. 4.2.1.1 und 102491 G>A, s. u. 4.2.1.4) identifiziert werden, die nur bei 4 °C detektierbar waren. Die anderen 9 seltenen Varianten sowie die zwei SNPs im kodierenden Bereich konnten sowohl bei 4 °C als auch bei RT detektiert werden.
dHPLC: Die Methode der dHPLC beruht auf der veränderten Verweildauer von Heteroduplices an der HPLC-Säule. Den Heteroduplices liegen heterozygote Formen von Mutationen zugrunde.
Die Heteroduplices werden gebildet, indem die zu analysierenden PCR-Produkte durch Erhitzen
D i s k u s s i o n 5 . 4 M e t h o d e n z u r M u t a t i o n s d e t e k t i o n 149 denaturiert und anschließend langsam abgekühlt werden. Für die Detektion von homozygoten Mutationen muss den zu analysierenden PCR-Produkten vor der Analyse Wildtyp-DNA zugesetzt werden. Die dHPLC ermöglicht schnelle Analysen und damit ein High-throughput-Screening von umfangreichen Stichproben, erfordert jedoch eine teure Ausstattung und ermittelt, wie die SSCP, nicht die Position der Sequenzvarianten (Strachan und Read 1999). Mehrere Mutationsscreenings verschiedener humaner Gene mit Hilfe der Methoden dHPLC und SSCP ergaben eine höhere Sensitivität der dHPLC mit nahezu 100 % im Vergleich zur SSCP mit etwa 69 %-94 % (Choy et al. 1999; Jones et al. 1999; Gross et al. 1999). Liu et al. (1997) konnten mit Hilfe der dHPLC nicht alle zuvor mittels SSCP detektierten Mutationen im Fibrillin-1 Gen (FBN1) identifizieren, detektierten jedoch 17 weitere und damit doppelt so viele Mutationen wie mittels der SSCP.
Sequenzierung: Die Sequenzierung ist im Gegensatz zur SSCP-Analyse eine teure Methode des Mutationsscreenings, bei der alle Sequenzveränderungen sowie deren Natur und Position detektierbar sind (Strachan und Read 1999). Aus diesem Grund wurde diese Methode ausgewählt, um diejenigen Proben mit auffälligem SSCP-Muster bzw. mit von den Wildtypproben abweichenden dHPLC-Graphen zu sequenzieren und die Varianten bzw. SNPs zu bestätigen und genauer zu charakterisieren. Ebenso wurden einige Wildtyp-Proben pro amplifiziertem Fragment sequenziert, um sicherzustellen, dass das beabsichtigte Fragment des MCHR1 amplifiziert wurde.
Die Sequenzierung diente auch dem Mutationsscreening des gesamten MCHR1-Locus sowie von 9,8 kb seiner 5’ Region zur Aufspürung neuer Sequenzvarianten und SNPs. Die Sequenzierung war für das Screening dieser großen Regionen geeignet, wobei eine SSCP-Analyse mit nur bis zu 200 bp screenbaren Fragmenten einen unangemessenen Arbeits- und Zeitaufwand bedeutet hätte.
Die Sequenzierung erfolgte bei vergleichsweise wenigen Individuen, da sie für ein Screening großer Probandenzahlen aufgrund der hohen Kosten und der aufwendigen Auswertung ungeeignet ist. Die Sequenzierung der CDS des MCHR1, die zuvor mittels SSCP gescreent worden ist und des Introns bzw. der ersten 317 bp der 5’ Region des MCHR1, die zuvor mittels dHPLC gescreent worden sind, ermöglicht eine Validierung der Methoden SSCP und dHPLC.
Die Sequenzierung bestätigte die mittels SSCP ermittelten SNPs rs133072 und rs133073 sowie des mittels dHPLC detektierten neuen SNPs 001745619 im Intron. Andererseits konnte bei dem Screening dieser Bereiche mittels Sequenzierung keine weiteren SNPs detektiert werden, die mittels SSCP und dHPLC zuvor nicht detektiert worden waren. Damit wird die Sensitivität der SSCP und der dHPLC unter den für den beschriebenen Mutationsscreen verwendeten Bedingungen als sehr hoch eingeschätzt. Ebenso ist die der SSCP und der dHPLC zugrundeliegende Arbeitsweise als sehr präzise einzuschätzen.
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