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5.2.4 Kritische Würdigung des entwickelten Modellansatzes

5.2.4.4 Lineare Programmierung

Das PERSEUS-REG2 Modell baut auf der linearen Programmierung auf, wobei grund-sätzlich auch alternative Verfahren wie z. B. eine nicht-lineare Modellierung möglich wären. Die lineare Programmierung wird vor allem aufgrund der im Folgenden dargestellten Aspekte ausgewählt. Für lineare Modelle sind mit den verschiedenen Varianten des Simplex-Verfahrens exakte Lösungsverfahren verfügbar, die, falls das Optimierproblem lösbar ist, die Identifikation der optimalen Lösung gewährleisten. Ein Einsatz von Lösungsheuristiken, die auch suboptimale Lösungen liefern können, ist

38 Bei typischen technischen Lebensdauern von Investitionsgütern von über 15 Jahren bedeutet dies, dass pro Jahr nur ein Fünfzehntel aller betroffenen Konsumenten auf Preisänderungen reagieren kann.

nicht erforderlich. Des weiteren können mit dem Verfahren durch eine stückweise Linearisierung auch nicht-lineare Zusammenhänge hinreichend genau nachgebildet werden, so dass grundsätzlich alle relevanten Aspekte modelliert werden können.

Für den speziellen Einsatz der linearen Programmierung in der Energiesystem-planung konnte im Rahmen eines Modellvergleichs zwischen einem linearen PERSEUS-Modell und einem vergleichbaren nicht-linearen Modell gezeigt werden, dass von den mit der Linearisierung verbundenen Vereinfachungen bei der Darstel-lung keine negativen Auswirkungen auf die Ergebnisqualität ausgehen39.

Ein grundlegendes Problem der linearen Programmierung ist der Umstand, dass auf-grund der Optimierung Modellergebnisse zustande kommen können, die ausschließ-lich von einer oder sehr wenigen Optionen geprägt sind. Ursache dafür ist, dass im Zuge der Optimierung die bezüglich der Zielfunktion günstigste Alternative gewählt wird und bis zum Greifen einer Restriktion eingesetzt wird, worauf die nächstbeste Alternative folgt. Für die Energiesystemanalyse bedeutet dies, dass schon aufgrund marginaler Kostenvorteile einzelner Optionen die entwickelten Ausbaustrategien von einer Technologie bestimmt werden können. Bei geringen Veränderungen der Modelldaten z. B. im Rahmen von Szenarioanalysen, kann dann das Ergebnis voll-ständig von einer anderen Technologie bestimmt werden. Diese starke Beeinfluss-barkeit der Modellergebnisse durch marginale Datenänderungen wird auch als

„Bang-Bang“ Effekt bezeichnet.

In der Praxis wird allerdings kein Energiesystem ausschließlich auf eine Option aus-gerichtet werden, da dann im Falle einer Veränderung der Rahmenbedingungen das gesamte System angepasst werden müsste und damit sehr hohe „stranded Invest-ments“ in Form der stillzulegenden Anlagen entstehen würden. Um die Praxis-relevanz der Modellergebnisse zu erhöhen, sind Funktionalitäten in das Modell-system zu integrieren, die eine technologische Diversifikation der Modelllösung gewährleisten beziehungsweise unterstützen.

Eine Möglichkeit diese Anforderung zu erreichen, besteht darin, für einzelne Tech-nologien Marktanteile oder Produktionsmengen vorzugeben. Das Hauptproblem hierbei ist, dass durch diese exogenen Vorgaben die Freiheitsgrade der Systemopti-mierung eingeschränkt werden. Es besteht die Gefahr, dass durch zu enge Vorga-ben das Modellergebnis in wesentlichen Bereichen vorwegbestimmt wird und keine Optimierung sondern nur noch eine Simulation stattfinden kann. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, ausgehend von einem Fall ohne Vorgaben schrittweise entsprechende Restriktionen in das Modell zu integrieren. Dieses Vorgehen ist allerdings mit einem zusätzlichen Modellierungs- und Auswertungsaufwand verbunden.

Eine weitere Alternative zur Vermeidung einer Ausrichtung der Modellergebnisse auf einzelne Optionen liegt in der verstärkten Berücksichtigung technologiespezifischer Einsatzbereiche. Dies kann durch die Abbildung von Lastkurven sowie durch die darauf aufbauenden, in Kapitel 5.2.3.3 dargestellten Nebenbedingungen zur Begren-zung einzelner saisonaler Flüsse erfolgen. Dies erlaubt, dass einzelne Anlagen

39 Die Vergleichsrechungen wurden für das Versorgungsgebiet eines großen deutschen EVU durchgeführt. Das verwendete nicht-lineare Konkurrenzmodell basiert auf der in [Flicke et al. 1998]

vorgestellten Methodik. Der Modellvergleich wurde unter Beteiligung des Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP) der Universität Karlsruhe (TH) durchgeführt.

sprechend ihrer technologischen Charakteristika, wie z. B. jährliche Verfügbarkeit, eingeplant werden. Da sich daraus üblicherweise Beschränkungen für den Einsatz einzelner Technologien ergeben, bedeutet dies, dass das Modellsystem weitere Optionen berücksichtigt und die entwickelten Ausbaustrategien auf einem breiteren Technologieportfolio basieren.

Die dritte Alternative setzt bei der Integration der Unsicherheit der zukünftigen Ent-wicklung an, die letztlich der Grund dafür ist, dass in der Praxis ein Energiesystem auf unterschiedlichen Technologien aufbaut40. Unsicherheiten können im Rahmen einer stochastischen Programmierung in das lineare Modell integriert werden (siehe z. B. [Göbelt et al. 2000]). Ein grundlegendes Problem hierbei ist, dass zur Abbildung der Unsicherheiten Parameter, wie Standardabweichung, Erwartungswert oder Risikopräferenzen, vom Modellanwender quantifiziert werden müssen. Die Bestimmung dieser Werte ist für einzelne Akteure noch möglich, erscheint aber für eine gesamte Region aufgrund stark unterschiedlicher Einschätzungen der einzelnen Akteure dieser Region nicht mehr realisierbar. Damit ist die Entwicklung eines validen stochastischen Optimiermodells für eine Region kaum möglich.

Weiterhin kann im Zuge von Sensitivitätsanalysen oder einer parametrischen Opti-mierung der Einfluss einer Variation von Parametern der Zielfunktion oder der Nebenbedingungen auf das Modellergebnis untersucht werden41. Aus den Analyse-ergebnissen der Parametervariation können Rückschlüsse über die Bedeutung verschiedener Technologien im Rahmen einer ungewissen zukünftigen Entwicklung der Rahmenbedingungen des Energiesystems gezogen werden. Darauf aufbauend ist es möglich, die Rolle einzelner Technologieoptionen im Rahmen einer robusten Strategie, welche ein breites Technologieportfolio berücksichtigt, zu identifizieren.

Grundsätzlich kann mit Hilfe der dargestellten Alternativen die technologische Diver-sifikation der Ergebnisse der Energiesystemanalyse unterstützt werden. Allerdings wird das grundlegende Problem der linearen Optimierung, dass die identifizierten Ergebnisse sehr stark auf einzelnen Optionen basieren, damit nicht vollständig vermieden. Diesem Umstand ist bei der Ergebnisinterpretation dahingehend Rech-nung zu tragen, dass die Modellergebnisse als Richtungsvorgaben für die zukünftige Entwicklung des untersuchten regionalen Energiesystems unter den jeweiligen Rah-menbedingungen zu verstehen sind. Im Rahmen von Szenarioanalysen kann durch die vergleichende Auswertung der Modellergebnisse für unterschiedliche Rahmen-annahmen eine belastbare Zukunftsstrategie für ein regionales Energiesystem entwi-ckelt werden.

40 Durch die Nutzung unterschiedlicher Technologien sollen die Auswirkungen der verschiedenen für die Zukunft möglichen Entwicklungen abgedeckt werden. Ziel dabei ist es, die finanziellen Auswirkungen einer Fehlentscheidung möglichst gering zu halten.

41 Die Grundlagen dieser Verfahren sind in [Neumann et al. 1993, S. 118 ff.] ausführlich dargestellt.

6 Das P

ERSEUS

-R

EG2

Modell für die Region Baden-Württemberg

Bearbeitet von M. Dreher, M. Wietschel, O. Rentz

In diesem Kapitel wird das auf Basis der PERSEUS-REG2-Methodik entwickelte Energie- und Stoffflussmodell für die Region Baden Württemberg vorgestellt.

Zunächst wird auf grundlegende Rahmenannahmen und Definitionen eingegangen, bevor im darauffolgenden Abschnitt das Modell für die zu untersuchende Region dargestellt wird. Dabei wird auf Aspekte wie die Ausgangssituation des Energie-systems, Nachfrage- und Energieträgerpreisentwicklung sowie die Ankopplung an den liberalisierten Strommarkt eingegangen. Darauf aufbauend werden anschließend die integrierten Optionen zur Erzeugung von grünem Strom vorgestellt. In diesem Rahmen werden, differenziert nach Primärenergieträgern, Technologien, Potentiale und Energieträgerpreise dargestellt. Abschließend wird die Modellintegration der zu untersuchenden umweltpolitischen Instrumente dargestellt.

6.1 Grundlegende Rahmenannahmen der Modellierung