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2. Theoretische (Vor-)Überlegungen und Forschungsüberblick

2.2 Leerstellen in queer-feministischen Debatten zu Elternschaft

Wenn mensch sich mit dem Thema trans* Elternschaft befassen möchte, dann gelingt das am ehesten durch die Betrachtung queer-feministischer Publikationen, die zumindest den

24 Wie zum Beispiel, dass eine „dauerhafte Fortpflanzungsunfähigkeit“ (von Aktivist_innen auch als Zwangs-sterilisation bezeichnet) seit 2011 nicht mehr Pflicht ist für eine Namens- und Personenstandsänderung.

Vgl. dazu Kapitel 2.6.1.

Eigenanspruch haben, geschlechtliche Vielfalt darzustellen. Doch auch hier gibt es einige Fallstricke und Leerstellen. Im Folgenden werde ich daher versuchen, einen kleinen Einblick in die fehlende Repräsentation bzw. aktive Ignoranz von trans* Eltern in queer-feministischen Debatten und Forschungen zu geben.

Seit einigen Jahren gibt es innerhalb queer-feministischer Debatten den Versuch, Elternschaft außerhalb der cis-hetero-Kleinfamilien-Norm zu denken und insbesondere Mythen rund um Mutterschaft zu dekonstruieren. Bei genauerem Hinschauen wird allerdings deutlich, dass hier ebenfalls trans* Eltern entweder ignoriert, nicht ernst genommen oder bestenfalls in einem Nebensatz genannt werden, aber keinerlei weitere Beachtung finden. Auf diese Punkte werde ich kurz etwas genauer eingehen: Auf der Suche nach Texten zu trans* und Elternschaft machte ich häufiger die Erfahrung, dass sich hinter Titeln, die vermeintlich von LGBTIQ*-Familien handeln, Analysen lediglich über cis lesbische oder cis schwule Elternpaare25 verbargen. Jedoch wurden Identitäten vereinnahmt, und sich eben nicht damit auseinandergesetzt, was die einzelnen Buchstaben zu bedeuten haben. So übten beispielsweise Hartmann (2014) und Nay (2017) Kritik am Begriff 'Regenbogenfamilie', welcher weitläufig eben nur schwule und lesbische Eltern meint, und verwenden stattdessen lieber Begriffe wie „queere Familie“ (Hartmann 2014: 219) oder „LGBT*Q mit Kind(ern)“

(Nay 2017: 45). Beide Autor_innen machen aber anschließend genau das, was zuvor noch kritisiert wurde: Sie fokussieren sich lediglich auf cis-lesbische und cis-schwule Elternpaare.

Das Vereinnahmen von Identitäten betrifft hierbei nicht nur trans* Eltern, sondern bspw.

ebenso bi- und inter* Eltern. Gleichzeitig scheint es auch im Verständnis einiger Autor_innen keine Differenzierung zwischen sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität zu geben. Wenn von „gleich- und trans*geschlechtliche[r] Elternschaft“ (Nay 2017: 68) die Rede ist, vermittelt das den Eindruck, beides gleichzeitig würde nicht gehen. Zudem ist diese Stelle in etwa die einzige, in der trans* Elternschaft Erwähnung findet, aber lediglich als inhaltsleere Hülle. Beide Publikationen sind einige der wenigen, in der trans* Elternschaft explizite Erwähnung findet. Dennoch finden die Perspektiven von trans* Eltern kaum Eingang in die Auseinandersetzung der Texte mit queeren Perspektiven auf Elternschaft.

Auch Janssen (2016) macht die Beobachtung, dass in feministischen Debatten zu Elternschaft zwar der Versuch gemacht wird, verschiedenen Identitäten Raum zu geben, aber letztlich doch davon ausgegangen wird, dass in einer Familie eine weibliche Person schwanger war (vgl. Janssen 2016: 149). Die Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit bleibt unangetastet. So gesteht beispielsweise Eismann (2013) zwar trans* Männern zu, schwanger werden zu

25 Jedoch wurden Identitäten vereinnahmt, und sich eben nicht damit auseinandergesetzt, was die einzelnen Buchstaben zu bedeuten haben.

können (vgl. Eismann 2013: 67), schließt sich dann aber einer Einschätzung von Antje Schrupp an, nach der Schwangerschaften eben doch inhärent weiblich seien (vgl. ebd.: 68).

Schrupp ist Politikwissenschaftlerin und schreibt seit vielen Jahren (vor allem online) über feministische Perspektiven auf Sorge-Arbeit und erlangt damit meines Erachtens nach recht große Reichweite. Schrupp wird zudem häufig zitiert, wenn es um feministische Perspektiven auf Schwangerschaft geht, weshalb ich ihr hier auch diese spezielle Aufmerksamkeit zuteil werden lasse. Schrupp unterscheidet zwischen Frau* (also mit Asterisk *) und Frau (ohne *) folgendermaßen:

„Zum Thema Frau* – in meiner Schreibweise meine ich damit alle Menschen, die von klein auf in dem Bewusstsein erzogen worden bzw. aufgewachsen sind, dass sie später mal schwanger werden können. […] Also letztlich meine ich die meisten Cisfrauen und Transmänner. Alle, die sich mit der Frage, ob sie schwanger werden wollen oder nicht, auseinander setzen müssen. […] Ansonsten: Das Sternchen benutze ich bei Frau*/Mann* sowieso nur, wenn es um ein Thema geht, bei dem die Frage des Evtl-Schwangerwerdenkönnens (oder nicht) relevant ist. Bei den allermeisten Themen ist sie das ja nicht“ (Schrupp 2017, als Antwort auf ein Kommentar auf ihrem Blog).

Schrupp macht hier eine klare Trennung von geschlechtlicher Identität auf: Bei jedem beliebigen Thema erkenne sie trans* Männer als Männer an, aber sobald es um Schwangerschaften geht, fallen trans* Männer ihrer Auffassung nach unter Frauen*. Hier stellt sich unmittelbar die Frage nach Deutungshoheit. Welche Stimmen zu trans* Elternschaft werden gehört, und welche nicht? Welche Auffassungen zu Geschlecht und Schwangerschaft finden Platz in feministischen Debatten, und welche werden ignoriert? Soviel sei schon vorab erwähnt: Keine der trans* Personen, die ich für diese Arbeit interviewt habe, die selbst schwanger waren, würde sich selbst als „Frau*“ bezeichnen. An diesem Beispiel lässt sich zeigen, dass queere und trans* Identitäten weithin als „Freizeitspaß“ (vgl. Grantel 2012) verhandelt werden (vgl. dazu auch Janssen 2016:149f.) und sich bei Schwangerschaften auf vermeintliche 'biologische Tatsachen' berufen wird.

„So lange bestimmte biologische Vorgänge nicht ernsthaft von angeblichen biologischen Geschlecht und Gender getrennt werden, wohnt Debatten um Schwangerschaft und Stillen also eine Naturalisierungstendenz inne und diese schließt trans/*queere Erfahrungswelten aus“ (Janssen 2016: 150).

An dieser Stelle ließ sich also zeigen, dass es auch innerhalb (queer-)feministischer Diskurse Normen gibt, an denen bisher kaum gerüttelt wird. Dazu gehören Normen bezüglich des Konzepts Familie, sowie heteronormative und repronormative Vorstellungen von Elternschaft.

Um diese Normen und Ansichten besser nachvollziehbar und sichtbar zu machen, werde ich sie auf den nächsten Seiten genauer untersuchen. Als erstes werde ich skizzieren, inwiefern heteronormative Vorstellungen von Elternschaft heute wirken, und damit einhergehend auch einen genaueren Blick auf den Mythos 'Mutter' werfen. Danach werde ich Konzepte und Analysen von queeren bzw. 'Regenbogenfamilien' betrachten, da diese auch den Anspruch haben, sich Familienbilder abseits der Norm anzuschauen und somit vermutlich Anknüpfungspunkte an mein Thema gegeben sind. Anschließend rückt das Konzept der Repronormativität ins Blickfeld und damit auch trans* Schwangerschaften, welche bei den meisten Publikationen zu 'Regenbogenfamilien' unter den Tisch fallen. Abschließend möchte ich in diesem Teil noch aufzeigen, wie es einerseits rechtlich aussieht für trans* Eltern in Deutschland und anderseits wie ihre Lebensrealitäten bisher dargestellt sind. Denn trotz der hier bereits aufgezeigten Leerstellen sind sie nicht völlig unsichtbar, was ich gerne erläutern möchte.