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Die kommunistische Machteroberung

Im Dokument Politik und Film in der DDR (Seite 69-108)

Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Ver-wirklichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen.

Marx 126 1.2.1 Die Grundlagen

Mit dem Ende des 2. Weltkriegs beginnt die grundlegende Neugestaltung und Formierung der in den Einflussbereich der UdSSR gelangten National-staaten in Ost- und Mitteleuropa nach dem sowjetischen Modell; dies ist die epochemachende Zäsur in der Geschichte dieser Staaten. Im politischen Gefüge der „Ordnungen und Konflikte des Nachkriegs“127, im Koordinaten-system einer bipolaren Welt entsteht auch der SED-Staat. Auch in der SBZ/DDR ist die Implementierung einer neuen politischen, ökonomischen und kulturellen Ordnung nach dem sowjetischen Vorbild unter der rigiden

125 Piepmeier, Rainer, Theologie des Lebens und Neuzeitprozesse: Fr. Chr. Oettinger, in:

Pietismus und Neuzeit, H. 5/ 1980, S. 184 – 217, hier: S. 187. Herv. i. O.

126 Marx, Karl, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, a. a. O., S. 386.

127 Bracher, Karl Dietrich, Die Krise Europas, in: Geschichte Europas Bd. 6, Frankfurt/M., Berlin, Wien 1976.

Führung einer Staatspartei die Signatur der Epoche; sie sichert für mehr als vier Dekaden die Herrschaft des Kommunismus.128

Mit dem Ende des 2. Weltkriegs und mit dem damit verbundenen Wegfall ihrer Entstehungsbedingungen trat der „Wesensunterschied“129 zwischen den Alliierten der Anti-Hitler-Koalition immer klarer hervor; evident wurde die Einsicht, „daß es zwei Welten waren, die den Krieg siegreich überstanden hatten: eine demokratische und eine revolutionär-diktatorische“130, evident wurde vor allem die Unvereinbarkeit der „russischen und westlichen Vorstel-lungen über Demokratie und ihre Wiederherstellung in Europa“131: in diesen wesentlichen Differenzen im Demokratieverständnis liegt der Grund für eine Gegnerschaft der Systeme, deren Austragungsform eine jahrzehntelange Konfrontation – auch unter Einschluß militärischer Mittel, aber unter Ausschluß des großen Schießkriegs - unter dem Titel Kalter Krieg die fol-gende Epoche bestimmte.

Im „Rahmen der Vorentscheidungen“, die die Alliierten auf einer Serie von Konferenzen gefällt hatten, vor allem durch die Aufteilung in „Hauptein-flusssphären“, war eine dualistische Grundstruktur der „Nachkriegsordnung“

schon programmiert: „Wiederaufbau der Demokratie im Westen, Revolutio-nierung und Sowjetdiktatur, verkleidet als Volksdemokratie, im Osten.“132 Ein angemessenes Verstehen der praktischen sowjetischen Politik, ihrer Absichten und Ziele, ist nur möglich unter Beachtung des herrschenden

128 Zur Frage der Verantwortung: „Die Verantwortung für den Aufbau der SED-Diktatur trug in der Stalin-Ära, in der Moskau jede politische Maßnahme diktierte, die sowjetische Führung. Doch konnte sie sich dabei auf die deutschen Kommunisten der Ulbricht-Führung stützen, die sich aktiv am kontinuierlichen Ausbau ihrer Hegemonie beteiligten.

Selbst in der Anfangszeit gab es keine alleinige Verantwortung der sowjetischen Kom-munisten und erst recht nicht in den späteren Phasen.“ Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutsch-land“, Bd. 1, a. a. O., S. 212.

Vgl. dazu auch: Peter Erler, Horst Laude, Manfred Wilke, „Nach Hitler kommen wir“, Dokumente zur Programmatik der Moskauer KPD-Führung 1944/45 für Nachkriegs-deutschland, Berlin 1994, Einleitung, S. 13: „Die Reduktion der KPD-Führung auf den Status von bloßen Handlungsgehilfen in der sowjetischen Deutschlandpolitik verkleinert ihren originären Anteil der Konstituierung der DDR bis zur Unkenntlichkeit.“

129 Bracher, Die Krise Europas, a. a. 0., S. 241.

130 Ebd.

131 Bracher, Die Krise Europas, a. a. O., S. 242.

132 Ebd.

Primats des Ideologischen, d. h. wenn berücksichtigt wird, dass sie sich prinzipiell im engen Rahmen zweier Pole bewegt: der eine ist zugleich der bestimmende Pol: die marxistisch-leninistische Weltanschauung; der zweite Pol, der taktisch-pragmatische, sorgt für die Anpassung des ideologischen Apriori an die Erfordernisse der Realpolitik

Ein Exempel kann dies verdeutlichen: Die leninistische „Imperialismus-Theorie“ von der Zwangsläufigkeit eines Konflikts zwischen den imperialis-tischen Hauptmächten, bildete auch nach 1945 den Grundpfeiler der Sowjet-ideologie. Stalin leitet daraus am 9.2. 1946 in einer Rede den Schluss ab,

„daß nach den beiden bisher geführten Weltkriegen eine weitere, dritte Etap-pe der ‚allgemeinen Krise des Kapitalismus’ und des aus ihr erwachsenden Streits zwischen den ‚imperialistischen’ Mächten zu erwarten sei, der zur wechselseitigen Vernichtung der Außenwelt – mit den Folgeerscheinungen einer Erhebung der ‚Arbeiterklasse’ im Westen und eines abschließenden militärischen Eingreifens der UdSSR – führen müsse. In dieser erneuten Krise werde der ‚Imperialismus’ endgültig die Fähigkeit einbüßen, dem Druck der ‚unterdrückten Massen’ und der sowjetischen Truppen standzu-halten.“133 Stalin warnt vor „Sorglosigkeit“ und betont den „faschistischen Charakter“ der „bürgerlichen Demokratien; er leitet daraus in derselben Rede im Februar 1946 „die Gefahr ab, daß sie einen Krieg gegen die Sowjetunion vom Zaun brechen könnten. Nach dem offenen Bruch von 1947 befestigte sich die Überzeugung weiter, daß man in den westlichen Staaten, vor allem in den USA, den Feind zu sehen habe und daß die sich gesetzmäßig zwi-schen ihnen entwickelnden Konflikte dem Sozialismus schließlich zum Sieg verhelfen würden.“134

Die strategisch-expansiven politischen Ziele der sowjetischen Politik sind ideologisch bestimmt; es wäre daher ein grobes Missverständnis, sie als Reaktionen auf politische Entscheidungen des Westens zu interpretieren; die grundlegenden Ziele lagen- dem ideologischen Apriori folgend - lange vor-her ausformuliert vor. Bereits 1940 erklärte Stalin gegenüber Dimitroff: „Die

133 Wettig, Gerhard, Die Note vom 10. März 1952 im Kontext von Stalins Deutschland-Politik seit dem Zweiten Weltkrieg, S. 139 – 196, in: Die Stalin – Note vom 10. März 1952. Neue Quellen und Analysen, hrsg. v. Jürgen Zarusky, München 2002, hier: S. 149.

134 Wettig, Die Note vom 10. März 1952 , a. a. O., S. 150.

Aktionen der Roten Armee sind ein Instrument der Weltrevolution.“135 Und im April 1944 erläuterte Stalin Milovan Djilas: „Dieser Krieg ist nicht wie in der Vergangenheit; wer immer ein Gebiet besetzt, erlegt ihm auch sein eige-nes gesellschaftliches System auf. Jeder führt sein eigeeige-nes System ein, so weit seine Armeen vordringen. Es kann gar nicht anders sein.“136

Die Errichtung einer sowjetkommunistischen Diktatur in den eroberten Län-dern galt als selbstverständliches Kriegsziel; als Ziel galt aber auch eine Weiterführung der bestehenden Zusammenarbeit mit den westlichen Alliier-ten; eine Lösung des Zielkonflikts zu finden, bildete daher ein wichtiges An-liegen der pragmatisch orientierten Politik. Der zweite Zielaspekt erzwang eine besondere taktische „Rücksicht auf westliche Erwartungen und Emp-findlichkeiten“, Stalin wollte „die UdSSR als eine normale Macht präsentie-ren, gegenüber der kein Mißtrauen wegen revolutionärer Ambitionen ange-bracht sei“.137

Stalin hielt daher auch „bis auf weiteres eine Politik der Interessensphären für angebracht: Wo westliche Soldaten standen, hatten die Westmächte das Sagen; die dem Machtbereich der UdSSR zugehörigen Territorien dagegen konnten und sollten ... unmerklich auf den sowjetischen Entwicklungsweg gebracht werden.“138

135 Mark, Revolution by Degrees, zit. nach: Mike Schmeitzner/ Stefan Donth, Die Partei der Diktaturdurchsetzung. KPD/SED in Sachsen 1945 – 1952, Köln 2002, S. 47.

136 Djilas, M. Gespräche mit Stalin, München 1962, S. 131. Herv. v. Vf.

137 Wettig, Die Note vom 10. März 1952 , a. a. O., S. 151. Daher kamen „kommunistische Machtergreifungsversuche in Ländern mit britischer und amerikanischer Truppenpräsenz von vornherein nicht in Betracht. Die kommunistischen Parteien Frankreichs und Italiens, die sich dabei gute Chancen ausrechneten, wurden angewiesen, Putschversuche zu unter-lassen und mit den demokratischen Kräften zusammenzuarbeiten.“ Wettig, Gerhard, Die Note vom 10. März 1952 , a. a. O., S. 150. Um den „Eindruck eines normalen Staates oh-ne revolutionäre Ambitiooh-nen“ zu erwecken und „die sowjetische Politik von dem Ruch umstürzlerischer Bestrebungen zu befreien, den ihr die Tätigkeit der Komintern ver-schafft hatte“, ließ Stalin „diese Organisation im ausgehenden Frühjahr 1943 in aller Form auflösen. Deren Büros setzten freilich als Teile des sowjetischen ZK-Apparats ihre bisherigen Aktivitäten fort.“ Wettig, Gerhard, Die Note vom 10. März 1952 , a. a. O., S.

151.

138 Wettig, Gerhard, Die Note vom 10. März 1952 , a. a. O., S. 150.

Ein eminent wichtiges und in weiten Teilen der Öffentlichkeit des Westens auch erfolgreiches propagandistisches Groß-Manöver mit dem Ziel, den Westen „über den Charakter seiner Politik in den eroberten Gebieten zu täuschen“, inszenierte Stalin mit seinem Konzept „eines ‚neuen Typus von Demokratie’“. Nicht um eine sozialistische Revolution, so lautete der Kern-punkt, sollte es sich bei der politischen Neuordnung handeln, sondern ledig-lich um eine „’bürgerledig-lich - demokratische Ordnung’, die einige Besonder-heiten aufweisen würde, um sozialen Ausgleich und nationalen Konsens zu gewährleisten“; die Differenz, erläuterte Stalin, liege darin, „daß man hier keiner ‚Diktatur des Proletariats’ bedürfe, sondern ‚ohne blutigen Kampf’

auskomme, denn die Machtfrage stehe nicht mehr auf der Tagesordnung; sie sei durch die Rote Armee bereits entschieden.“139 In der offiziellen Termino-logie für den parlamentarisch getarnten Klassenkampf war daher von

„Volksdemokratie“ und von „nationalen (weil von der UdSSR ab-weichenden) Wegen zum Sozialismus“ die Rede. Der Gebrauch des „Ziel-begriffs Sozialismus gab den eingeweihten Kadern zu verstehen, daß der Unterschied zur Ordnung in der UdSSR allein die Methode betraf, wie das angestrebte identische Ergebnis erreicht werden sollte.“140 Der erste Schritt auf diesem Weg war eine grundlegende „wirtschaftlich - soziale Trans-formation zur Ausschaltung der ‚Klasse der Großkapitalisten’ in Stadt und Land.“141

Die politische Strategie für diesen scheinparlamentarischen Weg lief unter dem Titel der „Bildung einer ‚Nationalen Front’. Die Besatzungsmacht ver-schaffte den Kommunisten, die in den Ländern des europäischen Ostens fast durchweg sehr schwach waren, dadurch entscheidendes Gewicht, daß sie alle anderen zugelassenen Kräfte zu einem Zusammenschluß nötigte, der ihnen die Formulierung eigener Positionen verbot.“142 Die in Schlüsselpositionen gebrachten kommunistischen Kader wachten über diesen „namens der natio-nalen Einheit“ aufgestellten Grundsatz; sie setzten die von den sowjetischen

139 Wettig, Die Note vom 10. März 1952, a. a. O., S. 152.

140 Ebd.

141 Ebd.

142 Wettig, Die Note vom 10. März 1952 , a. a. O., S. 152 f.

Militärbehörden vorgegebene Linie um und gelangten so in die „’führende Rolle’“ unter „den Parteien des jeweiligen Landes“; zudem definierten sie und der Kreml, „welche Kräfte nicht als ‚antifaschistisch- demokratisch’

gelten durften und daher vom politischen Leben auszuschließen waren.“143 Hinzu kam die erzwungene „Bildung einer ‚vereinigten Arbeiterpartei’, die der anfänglichen Selbständigkeit der Sozialdemokraten ein Ende machte und deren Mitglieder kommunistischer Kontrolle und Disziplin unterstellte.“144 Das aus taktischen Gründen zunächst etablierte Mehrparteiensystem „war bewußt darauf abgestellt, sich allmählich selbst zu zerstören und durch das Machtmonopol einer kommunistischen Partei ersetzt zu werden“, wodurch nicht nur die „dauernde Abhängigkeit vom Kreml“, sondern auch „die Ein-heit des sozialistischen Lagers gewährleistet“145 werden sollte.

Die „Praxis totalitärer Machtergreifung“146 in den „Ländern, die von der Roten Armee kontrolliert wurden“ läßt sich kurz mit den folgenden Stufen zusammenfassen:

Eine neue politische Ordnung wird inszeniert mit einer „Koalitionsregierung die als antifaschistische Einheitsfront“147 kostümiert ist.

Die Nichtkommunisten werden sukzessive „unter indirektem oder direktem Druck eliminiert. Das neue Regime wurde durch Landreformen und Groß-propaganda popularisiert. Am Ende beseitigte man die letzten Reste der bürgerlichen Demokratie ...“148

Das wichtigste Ziel stellt „die Durchsetzung des Einparteiensystems“ dar.

Der politische Transformationsprozess galt als „abgeschlossen, wenn die Wahlen die Form plebiszitärer Akklamation von Einerlisten und Ja-Parolen mit Ergebnissen von neunundneunzig Prozent erreicht hatten.“149

143 Ebd.

144 Wettig,Die Note vom 10. März 1952 , a. a. O., S. 153.

145 Ebd.

146 Bracher, Die Krise Europas, a. a. O., S. 243.

147 Ebd.

148 Ebd.

149 Bracher, Die Krise Europas, a. a. O., S. 242 f.

1.2.2 Die Machteroberung in der SBZ

Die besondere politische Lage in Deutschland, in der die sowjetische Besat-zungsmacht nicht das allein herrschende Regime bildete und nicht das ge-samte Staatsgebiet kontrollierte, sondern koexistieren musste mit den drei anderen alliierten Siegermächten - „Die unmittelbare Einbeziehung Deutsch-lands in den sowjetischen Macht- oder zumindest Einflußbereich scheiterte an der militärischen Präsenz der Westalliierten“150 - führte zur strategischen Ausrichtung der sowjetischen Politik an dem Kriterium maximaler Siche-rung von Einfluss auf Deutschland als Ganzes; dies hatte sowohl politische als auch ökonomische Aspekte; die Verhinderung von offenen Konflikten mit den Westalliierten, die diesem Ziel entgegengewirkt hätten, stand daher im Kalkül der sowjetischen Politik an erster Stelle.151

Dieses Motiv bestimmte daher zunächst das sowjetische Vorgehen in der SBZ; ganz auf dieser Linie agierte auch die KPD, Moskaus Statthalter-Partei in Deutschland. Das ideologisch- systematisch bedingte Hauptziel der sowje-tischen Deutschlandpolitik war und blieb allerdings ein kommunistisches Deutschland; sie versuchte mit einer ganzen Reihe von Vorschlägen und Maßnahmen der Realisierung ihrer Ziele möglichst nahe zu kommen; die Optionen reichten dabei von Wiedervereinigung unter neutralen Vorzeichen bis zur Etablierung einer eigenen Marionettenregierung. Auch die zahllosen taktischen Manöver und die mit großem Aufwand betriebenen Propaganda-offensiven der Sowjetunion zur Frage einer Einheit Deutschlands und allge-mein zum Frieden in jener Zeit lassen diese Zielsetzung deutlich werden.

„Die Führung der UdSSR strebe kein einheitliches Deutschland ohne Rück-sicht auf dessen politisches System an, sondern gab, wenn sie vor die Wahl gestellt war, dem Ziel sozialistischer Transformation den Vorrang vor dem Postulat eines gesamtdeutschen Staates. Sie ging jedoch davon aus, deutsche Einheit und kommunistisches Regime seien gleichzeitig zu erreichen, und war längerfristig auf die Einführung des Sowjetsystems festgelegt, auch

150 Schroeder, Klaus, Der SED- Staat. Geschichte und Strukturen der DDR, München 1998, S. 592.

151 Vgl. dazu Wettig: Die „westliche Präsenz“ machte „besondere Vor- und Umsicht erfor-derlich. Der Strategie der ‚Nationalen Front’ kam noch größere Bedeutung zu.“ Wettig, Gerhard, Die Note vom 10. März 1952 , a. a. O., S. 153. Unter den deutschen Bedingun-gen der Aufteilung in Besatzungszonen erhielt sie die Funktion der Übertragung der poli-tischen Verhältnisse in der SBZ auf „die Westzonen Vorschub zu leisten.“ Wettig, Ger-hard, Die Note vom 10. März 1952 , a. a. O., S. 154.

wenn anfänglich nach außen hin Rücksicht auf die Systemvorstellungen der Westmächte und der Deutschen genommen wurden.“152 Den strategischen Leitfaden der Deutschland – Politik bildete das „1944 in Moskau für Nach-kriegsdeutschland formulierte Aktionsprogramm, das auf der Basis eines manipulierten Mehrparteiensystems, auf die schrittweise Durchsetzung des sowjetischen Herrschafts- und Gesellschaftssystems abzielte“153

Aus der bestehenden realpolitischen Konstellation ergab sich eine „politische Gratwanderung“, die auf der einen Seite darin bestand, den deutschen Ka-dern einzuschärfen, „das Bündnis der drei Großmächte weiter zu unterstüt-zen“ und Anlässe für einen Bruch zu vermeiden; auf der anderen Seite, ihnen den Auftrag zu geben, „’die Pläne der reaktionären Kräfte hinsichtlich Deutschlands zu durchkreuzen` und dessen innere `Umgestaltung’ so weit voranzutreiben, wie es ‚die internationale Lage und das Kräfteverhältnis in Deutschland selbst erlaub(t)en.’“.154

Die Machteroberung der KPD/SED im sowjetisch besetzen Teil Deutsch-lands folgte im wesentlichen auch dem in Ostmitteleuropa angewandten Schema. Insbesondere aber die zunächst verfolgte gesamtdeutsche Perspek-tive der sowjetischen Politik und die erforderlichen Rücksichtnahmen im Rahmen der Vier- Mächte - Verwaltung Deutschlands machten Modifikatio-nen erforderlich. Vor allem erschien „die sofortige Oktroyierung des sowje-tischen Modells als unzweckmäßig. Trotzdem errichtete die Sowjetunion nach 1945 ein spezifisches System zur politischen Sicherung ihrer Besat-zungszone. Zu ihm gehörten als sowjetische Instanz die ‚Sowjetische Mili-täradministration in Deutschland’ (SMAD) und als abgeleitete deutsche Instanzen der KPD/SED-Parteiapparat und die von den KPD- Kadern be-herrschten Innenministerien der Landesregierungen. (...) Nur der rasche Auf- und Ausbau der KPD/SED-Parteizentrale und die Steuerung ihrer Kader ermöglichte die Beherrschung des Staatsapparates als zentrale Vorausset-zung, um schließlich eine totalitäre und durch Kader organisierte Lenkung und Kontrolle aller Bereiche verwirklichen zu können.“155

152 Wettig, Die Note vom 10. März 1952 , a. a. O., S. 192.

153 Ebd.

154 Wettig, Die Note vom 10. März 1952 , a. a. O., S.154.

155 Schmeitzner, Mike/ Stefan Donth, Die Partei der Diktaturdurchsetzung. KPD/SED in Sachsen 1945 – 1952, Köln 2002, S. 11.

Die strategische Grundlage: Die Nachkriegsplanungen in Moskau

Die Planungen der KPD in Moskau für die Nachkriegspolitik in Deutschland sind von herausragender Bedeutung zum Verständnis der tatsächlichen poli-tischen Entwicklungen; die Einbeziehung „der seit 1990 zugänglichen Quel-len bestätigt, daß die Moskauer KPD-Führung seit 1943 die Strategie ver-folgte, unter dem Schutzschild der Roten Armee in Gesamtdeutschland bzw.

– nach Bekanntwerden der zonalen Aufteilung – zumindest in den sowjetisch besetzten Gebieten eine maßgeblich von ihr bestimmte politisch-soziale Ord-nung zu etablieren, wobei dieses Vorhaben mit Stalins Expansionsstreben korrespondierte.“156

Diese Planungen hatten schon frühzeitig begonnen; eine erste wichtige orga-nisatorische Ausprägung fanden sie in der „Gründung des ‚Nationalen Komi-tees Freies Deutschland’ “ am 12./13. Juni 1943 im Kriegsgefangenenlager Krosnogorsk bei Moskau.157

Die programmatische Ausarbeitung der politischen Leitvorstellungen fand unter Anleitung von Georgi Dimitroff statt, der „den Apparat der 1943 nur formal aufgelösten Komintern und damit eines der wichtigsten Instrumente der sowjetischen Führung zur Kontrolle und Steuerung der kommunistischen Parteien in Europa“ führte.158 Dimitroff beauftragte nach der Teheraner Kon-ferenz (18.11. 1943 – 1.12. 1943) die Moskauer KPD-Führung, sich syste-matisch auf die Übernahme der Macht in der Nachhut der sowjetischen Pan-zer vorzubereiten und dafür eine politischen Konzeption, die im wesentli-chen den taktiswesentli-chen Überlegungen der 1935 von der Kommunistiswesentli-chen In-ternationale beschlossenen „Volksfront- Politik“ folgen sollte, auszuarbeiten.

Die KPD- Führung fasste in ihrer Leitungssitzung vom 6. Februar 1944 den Beschluss, „zur Durcharbeitung einer Reihe politischer Probleme des Kamp-fes für den Sturz Hitlers und der Gestaltung des neuen Deutschlands“ eine

„Arbeitskommission aus 20 Mitgliedern“ zu bilden.159

156 Schroeder, Klaus, Der SED- Staat, a. a. O., S. 7 f.

157 Vgl. Erler, Peter, Horst Laude, Manfred Wilke, „Nach Hitler kommen wir“, Dokumente zur Programmatik der Moskauer KPD-Führung 1944/45 für Nachkriegsdeutschland, Ber-lin 1994, S. 65.

158 Schmeitzner/ Donth, Die Partei der Diktaturdurchsetzung, a. a. O., S. 46.

159 Erler, Peter, Horst Laude, Manfred Wilke, „Nach Hitler kommen wir“, a. a. O., S. 77.

Die Mitglieder jener zwanzigköpfigen KPD-Kommission, die diese Arbeit unter der siegesgewissen Losung: „Nach Hitler kommen wir“ begann, waren jene Kader, die auch später in der SBZ/DDR die Schlüsselpositionen besetz-ten sollbesetz-ten: Wilhelm Pieck, Wilhelm Florin, Walter Ulbricht, Anton Acker-mann, Elli Schmidt, Hermann Matern, Paul Wandel, Fred Oelßner, Otto Winzer, Rudolf Hernstadt, Erich Weinert, Alfred Kurella, Sepp Schwab, Johannes R. Becher u. a. “160 Schon in einer Besprechung von Pieck und anderen KPD-Führern mit Dimitroff am 13.01.1944 waren die „Hauptfragen des künftigen Deutschlands“ behandelt worden; Dimitroff hatte dabei die Richtlinien vorgegeben und auch die Schlüsselbegriffe der kommunistischen Nachkriegspolitik geprägt. Wie Anton Ackermann später „bezeugte, hat,

‚kein anderer als Georgi Dimitroff’ den Begriff des ‚Blocks der kämpferi-schen Demokratie’ geprägt. (...) und es war, ‚wie mir scheint, in einer Be-sprechung bei ihm bei der Vorbereitung der Arbeit, die im Februar 1944 zur Ausarbeitung einer detaillierten Konzeption für die Erneuerung der gesell-schaftlichen Verhältnisse nach der Vernichtung des Naziregimes be-gann.’“.161

Die Grundsatzrede von Wilhelm Florin bei der Sitzung der Arbeitskommis-sion vom 6. März 1944 enthält bereits alle wichtigen Elemente der künftigen kommunistischen Politik. Florin stellt die KPD- Planungen in den Kontext der internationalen Politik; er betont die Bedeutung und den prekären Status der interalliierten Allianz, deren jetziger Zusammenhalt von der System-differenz überlagert werde. Für die eigene Politik und die Machtfrage bedeu-te dies ein Vorgehen, in dem es noch nicht um ein „sozialistisches Aktions-programm“ gehe, sondern nur um den „Sturz des Faschismus, die Niederrin-gung der aggressiven imperialistischen Kräfte“.162 Diese vorläufige Be-schränkung auf den „antifaschistischen“ Aspekt beinhaltet folgende drei Aufgaben: „1) Das Bündnis der drei Großmächte weiter zu unterstützen und nichts zu unternehmen, was der Reaktion in den Vereinigten Staaten und England erlauben könnte, dieses Bündnis zum Bruch zu treiben; 2) doch gleichzeitig die Pläne der reaktionären Kräfte hinsichtlich Deutschlands zu durchkreuzen und 3) hinsichtlich der inneren Umgestaltung Deutschlands das Weitgehendste, was die internationale Lage und die Kräfteverhältnisse in

160 Vgl. Erler u. a., „Nach Hitler kommen wir“, a. a. O., S. 79 f.

161 Zit. in Erler u. a., „Nach Hitler kommen wir“, a. a. O., S. 77.

162 Ebd.

Deutschland selbst erlauben, zu erreichen.“163 Mit Blick auf die innerdeut-schen „Kräfteverhältnisse“ beschwört er die „Notwendigkeit“ einer starken KPD: „1)Deutschland ohne starke KP ist eine Gefahr für die Sowjetunion.

(...)

2) Deutschland ohne starke KP ist ein Spielball für reaktionäre Interessen, für fremde Imperialisten. (...) 3) Deutschland ohne starke KP wird immer imperialistisch oder eine Halbkolonie sein. Daher wird Deutschland ohne starke KP in der Zukunft für die Bauern Fronarbeit, für die Arbeiter Skla-venarbeit sein.“164

Florin antizipiert hier schon die zukünftigen Konflikte und formuliert auch schon die Begriffe („Kolonie“), die von der SED dann im Verlauf der Kon-flikte als propagandistische Waffen benutzt werden. Zudem leitet er aus dem die kommunistische Politik leitenden ‚Zwei -Lager-Theorem’ die Differen-zierung in ein von der KPD geführtes fortschrittliches „nationales und anti-faschistisches“ Lager und ein Lager der „reaktionären Kräfte“ ab: Die Auf-gaben der kommunistischen Politik bestehen darin, die „nationalen Probleme unseres Volkes“ zu lösen; dazu zählt u.a. folgendes: „Das nationale Problem besteht heute und morgen darin, gegen jede einseitige Westorientierung zu kämpfen, die der Faschismus einleiten will, und zu verhindern, daß Deutsch-land in fremden Händen ein neues Instrument gegen den Frieden mit der Sowjetunion wird. Wir müssen verhindern, daß die deutsche Reaktion sich an fremde Imperialisten verkauft, und verhindern, daß die Weltreaktion aus dem zusammengebrochenen deutschen imperialistischen Hitlerstaat eine von englisch-amerikanischen Trust(s) kontrollierte Halbkolonie macht.“165 Komplement des Klassenschemas ist die Imperialismus-Theorie, die nicht nur einen Gegensatz der reaktionären imperialistischen Staaten untereinan-der, sondern auch einen zur sozialistischen Sowjetunion sieht. So stehen sich auf nationaler wie auf internationaler Ebene zwei Lager gegenüber; für die

163 „Die Lage und die Aufgaben in Deutschland bis zum Sturz Hitlers“ – Handschriftliche Ausarbeitung Wilhelm Florins für das Referat vor der Arbeitskommission, auf der Sit-zung am 6. März 1944 vorgetragen, zit. nach: Erler u. a., a. a. O., S. 136 – 158, hier: S.

143.

164 „Die Lage und die Aufgaben in Deutschland bis zum Sturz Hitlers“ – Handschriftliche Ausarbeitung Wilhelm Florins..., a. a. O., S. 157.

165 „Die Lage und die Aufgaben in Deutschland bis zum Sturz Hitlers“ – Handschriftliche Ausarbeitung Wilhelm Florins..., a. a. O., S. 145.

Im Dokument Politik und Film in der DDR (Seite 69-108)