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4. Diskussion

4.3. Interaktionsstudien mit Hilfe von bakteriellen two-hybrid-Systemen und pull-down-assays

4.3.2. Interaktionsstudien von PrpU und den Vertretern des Thioredoxin-Systems

Die Glycin-Decarboxylase aus E. acidaminophilum ist durch das bislang einzigartige Fehlen der Dihydrolipoamid-Dehydrogenase gekennzeichnet. Dieser Organismus besitzt eine NADP+-abhängige Thioredoxin-Reduktase (TR) mit Dihydrolipoamid-Dehydrogenase-Aktivität, welche die Funktion des P3-Proteins übernimmt und die Elektronen über das Thioredoxin-System dem reduktiven Weg des Glycin-Abbaus zuführt. Die Dihydrolipoamid-Dehydrogenase-Aktivität der Thioredoxin-Reduktase kann in vitro

durch das Thioredoxin und das Selenoprotein A (GrdA) der Glycin-Reduktase stimuliert werden.

(ANDREESEN 1994a; 1994b; DIETRICHS et al., 1991; HARMS et al., 1998a; MEYER et al., 1991). Weiterhin ist dieser Organismus durch das Vorhandensein des 11 kDa großen putativen redoxaktiven Selenoproteins PrpU gekennzeichnet, zu dem bis zum heutigen Tag kein homologes Protein in den Datenbanken zu finden ist (ANDREESEN et al., 1999; LECHEL 1999; POEHLEIN 2003; WAGNER 1997).

Durch Interaktionsstudien von PrpU mit den Komponenten der Glycin-Decarboxylase, des Thioredoxin-Systems und GrdA sollte eine mögliche Beteiligung dieses bislang nur für E. acidaminophilum beschriebenen Proteins an dem Glycin-Metabolismus dieses Organismus gezeigt werden. Bei den durchgeführten Interaktionsstudien zeigten sich deutliche Interaktionen von PrpU mit dem P2-Protein der Glycin-Decarboxylase, mit dem GrdA der Glycin-Reduktase und mit dem Thioredoxin des Thioredoxin-Systems. Auch das P2-Protein mit Liponsäure als Dithiol-haltige Verbindung zeigte eine deutliche Interaktion mit PrpU, aber auch mit GrdA (CxxU) und dem besonderen Thioredoxin (GCxxC), wo das Tryptophan des redoxaktiven Motivs gegen ein kleines Glycin ausgetauscht ist (HARMS et al., 1998b). Diese beiden Proteine zeigten wiederum ebenfalls eine Interaktion miteinander, aber auch mit PrpU und dem P2-Protein der Glycin-Decarboxylase. GrdA und das P2-P2-Protein wurden auch durch die durchgeführten pull-down- assays als mögliche direkte Interaktionspartner von PrpU bestätigt.

Das Selenoprotein PrpU ist durch das putativ redoxaktive Sequenzmotiv -A-C-A-T-U-D- gekennzeichnet, welches dem der Thioredoxin-Reduktase (x-C-A-T-C-D) sehr ähnlich ist. Dieses Motiv ist genau wie andere Sequenzmotive, wo zwei Cystein-Reste durch zwei andere Aminosäure-Reste getrennt ist (oder eines dieser Cysteine durch ein Serin, ein Threonin bzw. ein Selenocystein ersetzt ist), bei Proteinen zu finden, die für die Formierung, die Isomerisierung und Reduktion von Disulfid-Bindungen oder andere Redox-Funktionen verantwortlich sind (FOMENKO and GLADYSHEV 2003). Die ubiquitär von den Archaeen bis zum Menschen vorkommenden Thioredoxine weisen ebenfalls ein redoxaktives Sequenzmotif in der Form CxxC auf. Neben ihrer Hauptfunktion als Protein-Disulfid-Reduktasen/Isomerasen dienen sie als Elektronen-Donor für diverse Enzyme wie die Ribonukleotid-Reduktase, Peroxiredoxin oder Methionin-Sulfoxid-Reduktase (ARNER and HOLMGREN 2000). In anaeroben, Aminosäure-verwertenden Mikroorganismen stellen sie zusammen mit der Thioredoxin-Reduktase einen wichtigen Elektronencarrier dar (HARMS et al., 1998b). Bei der Verstoffwechselung von Glycin durch die Stickland-Reaktion werden die bei der Oxidation von Glycin durch die Glycin-Decarboxylase auf der Liponsäure übertragenen Redoxäquivalente über das Thioredoxin-System, bestehend aus Thioredoxin-Reduktase und Thioredoxin, der Glycin-Reduktase zugeführt (ANDREESEN 1994a; 1994b; 2004; MEYER et al., 1991; STICKLAND 1934). Das nach der Reduktion von Glycin, Betain oder Sarcosin oxidiert vorliegenden GrdA kann so über das Thioredoxin-System wieder reduziert werden.

Das Selenoprotein PrpU weist auf Aminosäure-Ebene deutliche Sequenzhomologien zu dem Thioredoxin aus E. acidaminophilum, aber auch zu einem Selenocystein-haltigem Thioredoxin aus T. denticola

(SESHADRI et al., 2004) auf (Abb. 36). Dies legt die Vermutung nahe, dass PrpU eine ähnliche Funktion wie das Thioredoxin besitzt und als möglicher Elektronencarrier fungieren kann.

PrpU_Ea ---MAFKIEGGDVKKALEVSIDESIKDRIANACATUDINAVLAVAWGVKEEISASEAEAVDKTLAELAGSSIALE 72 TrxA_Ea MSALLVEIDKDQFQAEVLEAEGYVLVDYFSDGCVPC---KALMPDVEELAAKYEGKVAFRKFNTSSARRLAIS 70

PrpU_Ea SGYK----VDFMKGGCKVKDDKAVLIYRYQITEKP--- 103 TrxA_Ea QKILGLPTITLYKGGQKVEEVTKDDATRENIDAMIAKHVG 110

PrpU_Ea MAFKIEGGDVKKALEVSIDESIKDRIANA----CATUDINAVLAVAWGVKEEISASEAEAVDKTLAELA 65 TrxU_Td --MIMAVLDITNANFDETVKTAKPVLIDFWAPWUPGC---VQLSPELQAAEAELGDKAVIAQS 58

PrpU_Ea GSSIALESGYKVDFMKGG--CKVKDDKAVLIYRYQITEKP--- 103 TrxU_Td NVDNARELAVKFKFMSIPTLIVLKDGKEVDRHTGYMDKKSLVNFVSKHI 107

Abb. 36: Aminosäure-Alignments von PrpU mit Thioredoxinen aus E. acidaminophilum (A) und T. denticola (B).

Gezeigt ist ein Alignment von PrpU mit dem Thioredoxin (TrxA) aus E. acidaminophilum (A) und PrpU mit dem selenocysteinhaltigen Thioredoxin (TrxU) aus T. denticola (B). Identische Aminosäuren wurden dunkelgrau, Reste mit ähnlichen biophysikalischen Eigenschaften (unpolar / polar, ungeladen / basisch / sauer) wurden hellgrau unterlegt. Die redoxaktiven Sequenzmotive wurden rot umrandet.

Auffällig ist, dass PrpU bisher nur für E. acidaminophilum, sowohl auf Nukleinsäure- als auch auf Aminosäure-Ebene als 75Se-markierte Verbindung nachgewiesen wurde (LECHEL 1999; WAGNER 1997) und mit großer Wahrscheinlichkeit bei C. litorale durch Southern-Hybridisierungen ebenfalls auf

Nukleinsäure-Ebene nachgewiesen werden konnte (LECHEL 1999). Eine Isolierung des entsprechenden Gens aus C. litorale war auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich. Im Gegensatz zu E.

acidaminophilum konnte für C. litorale eine eigenständige Dihydrolipoamid-Dehydrogenase als mögliche P3-Komponente der Glycin-Decarboxylase nachgewiesen werden, aber auch dieser Organismus besitzt eine Thioredoxin-Reduktase mit einer für dieses Enzym normalerweise atypischen Dihydrolipoamid-Dehydrogenase-Aktivität (MEYER et al., 1991). Beide Organismen besitzen also eine Thioredoxin-Reduktase mit Dihydrolipoamid-Dehydrogenase-Aktivität und mit großer Wahrscheinlichkeit das Selenoprotein PrpU.

Dieses und die Tatsache, dass prpU in E. acidaminophilum in einem gemeinsamen Operon mit den Genen der Glycin-Decarboxylase organisiert ist und zusammen mit diesen transkribiert wird, legt die Vermutung nahe, dass PrpU als Vermittler zwischen Glycin-Decarboxylase und Glycin-Reduktase fungiert.

Möglicherweise ist es direkt oder auch indirekt an der Reoxidation der Liponsäure-Gruppe des P2-Proteins der Glycin-Decarboxylase beteiligt. Eine Stimulierung der Dihydrolipoamid-Dehydrogenase-Aktivität der heterolog synthetisierten Thioredoxin-Reduktase konnte durch ebenfalls heterolog überproduziertes Thioredoxin und GrdA aufgezeigt werden. Eine mögliche Aktivitätssteigerung durch die Zugabe von PrpU zum Reaktionsansatz mit Reduktase, Thioredoxin und GrdA oder durch PrpU, Thioredoxin-Reduktase und Thioredoxin anstelle von GrdA konnte nicht nachgewiesen werden. In Tissierella

A

B

creatinophila konnte GrdA keine Stimulierung der Dihydrolipoamid-Dehydrogenase-Aktivität bewirken (HARMS et al., 1998b; HARMS et al., 1998c).

Bekräftig wird diese zuvor getroffene Aussage durch die Ergebnisse von FREUDENBERG und ANDREESEN

(1989), die zeigten, dass das P2-Protein nicht nur mit den Glycin-Decarboxylase-Komponenten, sondern auch mit dem Glycin-Reduktase-Komplex assoziiert ist, wo P2 mit dem Thioredoxin-System, GrdA und auf Grund dieser Ergebnisse auch mit PrpU interagiert und die für die Reduktion von Glycin notwendigen Elektronen liefert, wodurch P2 reduziert wird.

So ergibt sich für E. acidaminophilum der in Abbildung 37 dargestellte hypothetische Reaktionsmechanismus.

Abb. 37: Ausschnitt aus dem Glycin-Metabolismus von E. acidaminophilum (ANDREESEN 1994a, 2004;

GRAENTZDOERFFER et al. 2003; modifiziert): Wichtige Proteine wurden durch Kreise gekennzeichnet. Folgende Abkürzungen wurden verwendet: P1, P2, P4-Proteinkomponenten der Glycin-Decarboxylase, PrpU_Selenoprotein PrpU (mit dem redoxaktiven Motiv CxxU), PA, PB, PC-Komponenten der Glycin,- Sarcosin- und Betain-Reduktase (wobei PA das redoxaktiven Motiv CxxU und PB redoxaktiven Motiv UxxC enthält), Trx_Thioredoxin, TR_Thioredoxin-Reduktase, AK_Acetatkinase, PLP_Pyridoxalphosphat, THF_Tetrahydrofolat. 1 : Stoffwechselwege, die durch Methylen-THF-Dehydrogenase, Methenyl-THF-Cyclohydrolase, Formyl-THF-Synthetase und Formiat-Dehydrogenase katalysiert werden. Die als gestrichelte Pfeile dargestellten Reaktionen stellen die von FREUDENBERG und ANDREESEN (1989) gezeigte freie Form des P2-Proteins, welches vom Decarboxylase-Komplex dissoziiert und mit dem Reduktase-Komplex.

E. acidaminophilum ist bisher der einzige Organismus, für den keine eigenständige Dihydrolipoamid-Dehydrogenase beschrieben werden konnte (ANDREESEN 1994b; FREUDENBERG and ANDREESEN 1989;

FREUDENBERG et al., 1989a; MEYER et al., 1991) und in dessen Genom das Selenoprotein PrpU nachgewiesen werde konnte (GRÖBE 2001; LECHEL 1999; WAGNER 1997). Im Rahmen vorangegangener Arbeiten (LECHEL 1999; POEHLEIN 2003) konnte gezeigt werden, dass das Gen des 11 kDa Selenoproteins

Acetyl~P

ADP CO2

S-CH2-NH2

CO2

Methylen-THF NH3

+

P4 P2 P1

AK PC

Glycin PA

PB

Trx TR

SH SH

P2

SH SH PLP

SH PLP

NADPH+H+ FdH2

S S PLP Glycin

S S PLP Glycin

THF

P4 P2 P1

P4 P2 P1 P4 P2

P1

ADP+ Pi THF+ ATP NADP+

Fd

1

PrpU

SH SH SH SH FAD C U

NH3

Acetat + ATP

PrpU downstream der Gene der Glycin-Decarboxylase lokalisiert ist. Die Gene gcvP4, gcvP2, gcvP1α, gcvP1β sowie die Gene thf (Formyl-THF-Synthetase) und prpU sind in einem Operon, dem Glycin-Decarboxylase-Operon, organisiert und werden polycistronisch transkribiert. Die Gene dieser Transkriptionseinheit, somit auch prpU, sind zwar konstitutiv auf niedrigem Niveau exprimiert, es ist aber eine deutliche Induktion der Transkription durch Glycin zu erkennen (s. S. 54, Abb. 14 A). Durch das lexA-basierende two-hybrid-System konnte eine deutliche Interaktion von PrpU mit dem P2-Protein der Decarboxylase, dem Thioredoxin des Thioredoxin-Systems und mit dem Selenoprotein GrdA der Glycin-Reduktase gezeigt werden (s. S. 63, Abb. 17). Durch pull-down-Experimente konnten ebenfalls die Proteine GcvP2 und GrdA als Interaktionspartner identifiziert werden (s. S. 88, Abb. 28).

Die hier zusammengefassten Resultate und die Tatsache der fehlenden eigenständigen Dihydrolipoamid-Dehydrogenase in E. acidaminophilum (ANDREESEN 1994b; FREUDENBERG and ANDREESEN 1989;

FREUDENBERG et al., 1989a; MEYER et al., 1991) zeigen, dass PrpU sicherlich eine Vermittlerrolle zwischen der Glycin-Decarboxylase und der Glycin-Reduktase zukommt. Denkbar wäre hier eine direkte Übertragung der an die Liponsäuregruppe des P2-Proteins gebundenen Elektronen auf GrdA, oder die Übertragung dieser Elektronen über das Thioredoxin-System (Thioredoxin-Reduktase und Thioredoxin) und PrpU. Hierbei würde PrpU die Funktion von GrdA als Elektronenüberträger ersetzen, denn MEYER et al. (1991) zeigten, dass GrdA die Dihydrolipoamid-Dehydrogenase-Aktivität der Thioredoxin-Reduktase im Zusammenspiel mit dem Thioredoxin zumindest in vitro steigern konnte. Im Rahmen dieser Arbeit konnte die Steigerung dieser Aktivität der Thioredoxin-Reduktase durch Thioredoxin und PrpU nicht gezeigt werden, was eine solche Funktion des Proteins jedoch nicht ausschließt. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist die Inaktivität des Proteins auf die heterologe Expression von prpU durch das Strep-tag® II-System zurückzuführen. PrpU kann möglicherweise auch an der Reaktivierung von GrdA, d. h. an der Vorbereitung dieses Proteins zur Aufnahme eines weiteren, bei der Reduktion von Glycin durch die Glycin-Reduktase entstehenden Carboxymethyl-Selenoethers (ANDREESEN 2004; ARKOWITZ and ABELES 1990) beteiligt sein.