Teil 3: Empirische Analyse
9 Regionentypisierung als Methode zur Erfassung regionaler
9.3 Indikatoren und Methodenauswahl
zelnen Produkte nach dem Grad ihrer Baurelevanz erlaubt eine Abschätzung des Risikopotentials im Wachstumsprozeß.
Bei den hier vorgestellten ökonomischen Kennziffern handelt es sich nicht um eine vollständige Aufzählung aller theoretisch möglichen Kenngrößen zur Erfassung und Beschreibung der regionalen Wirtschaftsentwicklung. Sie lehnt sich vielmehr an die üblicherweise in Strukturanalysen verwendeten Indikatoren an224 und wird durch die Datenverfügbarkeit auf regionaler Ebene begrenzt.
Die sich nun anschließende Indikatorenauswahl folgt dem Ziel, aus dem Rahmen der theoretischen und empirischen Möglichkeiten heraus einen sachlich zusammenhängenden Variablenkomplex als inhaltliche Basis zur Verfügung zu haben, um ein trag- und aussagefähiges Regionentypisie-rungsmodell zu entwickeln.
-abmeldungen sowie einem kombinierten Index zur Einschätzung der Ent-wicklungsperspektiven.226 In ihn fließen neben der Handelbarkeit der Güter die Wachstumsintensität der Branchen und die Baurelevanz der erzeugten Güter ein (vgl. Übersicht 7).
Übersicht 7: Indikatoren zur Operationalisierung der regionalen Entwick-lungspfade
Dimension Indikator (je Einwohner) 1) Bruttowertschöpfung 2) Steuereinnahmekraft Entwicklungsstand
3) Anteil Beschäftigung privater Dienstleistungen an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung 4) Bruttoanlageinvestitionen
5) Saldo Gewerbean- und –abmeldungen 6) Index beruhend auf den folgenden Werten:
6a) Produktion gut handelbarer Güter 6b) Produktion bauferner Güter Entwicklungspotential
6c) Produktion wachstumsintensiver Güter
Nun mag der Eindruck entstehen, die ausgewählten Indikatoren seien kapitallastig. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, daß zwar sechs der acht Indikatoren in monetären Einheiten gemessen werden, sie aber jeweils Unterschiedliches abbilden. Der Input-Indikator Bruttoanlageinves-titionen mißt das Investitionsvolumen im Bereich Bergbau und Verarbeitendes Gewerbe. Zwei der Kennziffern spiegeln die erbrachte ökonomische Leistung in den Regionen wider (Bruttowertschöpfung, Steuereinnahmekraft), drei sind Ausdruck der Fähigkeit zur selbsttragenden Entwicklung (Handelbarkeit, Wachstumsintensität und Bauferne der produzierten Güter).
Die zur Verfügung stehenden empirischen Daten bzw. deren Meßniveau bestimmen maßgeblich die Methodenauswahl. Aus der Tradition der
226 Dies erfolgt deshalb, weil die tatsächliche Prognosefähigkeit der ausgewählten Indikato-ren bislang empirisch noch nicht getestet werden konnte. Um einerseits dennoch nicht auf die aus Plausibilitätsgründen relevant und valide erscheinenden Indikatoren verzichten zu müssen und andererseits ihnen aus Gründen ihrer Unerprobtheit kein gleichwertiges Ge-wicht bei der Ermittlung der Entwicklungspfade beizumessen, gehen diese Angaben in einen Index ein, der wiederum in die Ermittlung der Gesamtrangpunktzahl und schließlich der Zu-ordnung der Kreise in die Regionentypisierung eingeht.
nalforschung stehen eine Reihe von Typisierungsmethoden zur Verfügung, um Systematisierungen, Klassifizierungen und Kategorisierungen von Regio-nen vornehmen zu könRegio-nen. Typisierungen könRegio-nen dabei entweder auf eiRegio-nen Zeitpunkt (z.B. nach Zustandsindikatoren) oder auf Zeitintervallen aufbauen (z.B. Wachstumsraten). Die zum Einsatz gebrachten Modelle reichen dabei von der Bildung von Rangreihen (z.B. bei der Bildung von Raumordnungsre-gionen sowie kreis- und siedlungsstrukturellen Typen)227, über additive Ver-knüpfungen (wie z.B. bei der Erstellung des Lebensqualität-Atlas)228 oder multiplikative Verknüpfungen (z.B. bei Abgrenzung der GA-Fördergebiete)229 bis hin zu multivariaten statischen Verfahren (z.B. zur Abgrenzung der Ar-beitsmarktregionen)230. Bei letzteren finden vor allem Methoden wie Korrelati-ons-, Faktoren-, Varianz-, Diskriminanz- oder Clusteranalysen Anwendung.231 Die Zuordnung von Regionen zu bestimmten Typen erfolgt häufig nach der sogenannten Schwellenwertmethode. Bei dieser Methode werden Grenzwer-te festgelegt, die – mangels theoretischer Begründungen – durch Erfahrungs- oder Plausibilitätsannahmen bestimmt werden. Ein statistisches Verfahren, welches zur Objektivierung des Klassifizierungsprozesses beiträgt, ist die Clusteranalyse. Eine Minimierung der subjektiven Einflüsse wird durch ein automatisiertes Verfahren erreicht, bei dem nach der Festlegung des inter-nen Lösungsalgorithmus und der Wahl des Distanzmaßes keine weiteren Zugriffe mehr zugelassen sind.232 Weiter ist als Instrument der Regionalfor-schung zur Typisierung die Shift-Analyse zu nennen. Bei dieser Methode erfolgt die Messung und Bewertung raumwirtschaftlicher Entwicklungs-disparitäten durch die Erfassung und Berücksichtigung des sogenannten Strukturfaktors und des sogenannten Standortfaktors. Ausgangspunkt ist
227 Vgl. Akademie für Raumforschung und Landesplanung (1975).
228 Vgl. Korczak (1995).
229 Vgl. Hirschenauer (1994).
230 Vgl. Klemmer & Junkernheinrich (1990).
231 Für die Anwendung der verschiedenen Methoden in der Regionalforschung Vgl. z.B. Ek-key & Klemmer (1975); Akademie für Raumforschung und Landesplanung (1975); Deichsel
& Trampisch (1985).
232 Vgl. Schmidt (1995: 229). Eine anwendungsorientiere Einführung findet sich in Bacher (1994).
bei eine Matrix, mit deren Hilfe die Entwicklung in Teilräumen mit der des Gesamtraums verglichen wird.233
Die Entscheidung für eines der Verfahren ist nicht nur von der Fragestellung, sondern auch von der Qualität des zur Verfügung stehenden Datenmaterials und der Anzahl der zu untersuchenden Fälle abhängig. Da es keine allein gültige Methode gibt, muß die Auswahl der Methode problemorientiert erfol-gen. Erprobt wurden hier zunächst sowohl Querschnitts- als auch Längs-schnittmodelle wie die Methode des Ranking, Clusteranalysen, die Bildung von Verlaufstypen und Rangverläufe. Im folgenden werden die Ergebnisse in zusammenfassender Form präsentiert.234
Um ein möglichst umfassendes Bild der regionalen ökonomischen Lage der sachsen-anhaltischen Regionen widerspiegeln zu können, wird in einem er-sten Zugriff ein Modell in Ansatz gebracht, welches neben regionalem öko-nomischen Input und regionalem ökoöko-nomischen Output auch regionale Bela-stungsindikatoren235 umfaßt. Im Ergebnis der empirischen Anwendung der Modelle sind als methodische Einschränkungen folgende Aspekte zu nen-nen: der hohe Informationsverlust bei einem reinen Ranking-Verfahren, eine nicht angemessene Berücksichtigung von Niveaueffekten, die fehlende Trennschärfe zwischen Typen im Ergebnis einer ausschließlichen Punkte-bewertung sowie Instabilitäten gegenüber den verwendeten Standardisie-rungsverfahren im Rahmen von Clusteranalysen. Eine wesentliche Ein-schränkung bei der Anwendung der Modelle ging von der stark einge-schränkten Verfügbarkeit der Belastungsindikatoren für den Beobachtungs-zeitraum aus. 236
233 Eine umfassende theoretische und empirische Auseinandersetzung mit der Shift-Analyse findet sich in Tengler (1989).
234 Eine ausführliche Dokumentation findet sich in Crow & Rupsch (1998).
235 Operationalisiert wurde der Belastungsindikator durch Angaben über Arbeitslosenquoten und die Anzahl von Sozialhilfeempfängern.
236 Die Arbeitslosenquote steht für die Zeit von 1990 bis 1994 ausschließlich auf dem alten Gebietsstand zur Verfügung, ab 1995 auf dem neuen. Im Falle der Sozialhilfeempfänger verhindert nicht nur die Kreisgebietsreform eine Längsschnittbetrachtung von 1991 an, son-dern auch eine Gesetzesänderung, in deren Folge es zu einer neuen gesetzlichen Definition der Sozialhilfe und deren Anwendungsbereiche gekommen ist. Diese Variable ist deshalb nur in bestimmten Zeitabschnitten, d.h. der Gültigkeitsfristen der Gesetze, vergleichbar.
Die ursprüngliche Vorstellung, die Typisierungsmodelle auf eine sehr breite Indikatorenbasis für einen mehrjährigen Beobachtungszeitraum stellen zu können, mußte sowohl aufgrund der mangelhaften Datenlage als auch me-thodischer Unzulänglichkeiten aufgegeben werden. Allerdings bleiben – un-berührt von der Engführung des verfügbaren Datenmaterials – zentrale Indi-katoren bestehen, die eine annehmbare Basis für eine an ökonomischen Entwicklungspfaden orientierte Regionentypisierung darstellen. Das ökono-mische Indikatorenset wurde in zwei Entwicklungsdimensionen (erreichter Entwicklungsstand und Entwicklungsperspektive) unterteilt und die Stadt- und Landkreise des Landes mittels eines vierstufigen Verfahrens – welches im folgenden dargestellt wird – den verschiedenen Entwicklungstypen zuge-ordnet.