3 Vergleichende Nachhaltigkeitsbewertung gebündelter und ungebündelter Infrastrukturen am
4.2 Ergebnisse
4.2.3 Identifikation bestehender Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen im offenen
Über die Bündelung hinaus bestehen im Zusammenhang mit der Verlegung unterirdischer Infrastruk-turen noch weitere Möglichkeiten zur Vermeidung bzw. Minderung von Umweltauswirkungen und den daraus resultierenden Konflikten. Hierzu wurden das KNE-Fallbeispiel sowie weitere vergleich-bare Leitungsvorhaben in der Einzelverlegung untersucht.
Die Suche nach Praxisbeispielen für die Leitungssysteme aus der Einzelverlegung (Trinkwasser, Strom, Gas und Lichtwellenleiter) erwies sich teilweise als schwierig. Dagegen konnten im Hinblick auf die Realisierung von Lichtwellenleitern zahlreiche Ideen zur Vermeidung oder Minderung von Um-weltauswirkungen aus der innerstädtischen Infrastrukturplanung abgeleitet werden. So bieten bei-spielsweise die Ansätze zum Breitbandausbau Ansatzpunkte zur Mitverlegung im gleichen Graben.
Demnach ist die Mitverlegung von Glasfaserleitungen in der Regeltiefe der Telekommunikationslinie insbesondere bei der Grundsanierung eines Baukörpers zu berücksichtigen (BMVI 2019). Hierzu zählt sowohl die klassische Mitverlegung eines Glasfaserkabels in liniengebundenen Infrastrukturen wie der Straße (ATB-BeStra 2008, RStO 2012) und entlang der Schiene als auch die Mitverlegung im weiteren Bereich des Tiefbaus (Breitband.NRW 2017). Darunter sind Lösungen in Abwasser-, Gas- und Frisch-wasserleitungen sowie in Form der Entkernung vorhandener Kupferleitung mit Glasfaser vorzufinden (Breitband.NRW 2017, bmvit 2018, TMWWDG 2018).
Für die Untersuchung der Leitungssysteme Strom und Gas wurden die zum Planfeststellungsverfahren folgenden Beispiele hinzugezogen:
Strom:
► Suedlink, Vorhaben Nr. 3 Abschnitt A (von Brunsbüttel bis Scheeßel), Höchstspannungsleitung Brunsbüttel – Großgartach BBPIG, Unterlagen nach § 8 NABEG.
► SuedOstLink, Vorhaben Nr. 5, „Höchstspannungsleitung Wolmirstedt – Isar; Gleichstrom“, BBPlG, Unterlagen nach § 8 NABEG.
► Emden_Ost – Conneforde, Vorhaben: 380-kV-Leitung Emden_Ost – Conneforde.
82 und für Erdgas:
► Erdgasfernleitung Zeelink – Antragsunterlagen für das Planfeststellungsverfahren – Bundesland Nordrhein-Westfalen, Regierungsbezirk Düsseldorf (Abschnitt Station Hochneukirch-Station St.
Hubert – Station Dämmerwald).
Bei der Analyse dieser Beispiele wurde deutlich, dass besonders dann Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Minderung von Umweltauswirkungen ergriffen werden, wenn die Querung bedeutsamer und empfindlicher Räume erforderlich ist. Daraus abgeleitet wurden für fünf der 21 ermittelten Flächenka-tegorien Maßnahmen zur Querung herausgearbeitet. Diese fünf Indikatorflächen sind FFH-, Natur-schutz- und Vogelschutzgebieten, Siedlungen sowie WSG Zone I & II. Aus den Beispielen wurden zu-dem drei weitere Flächen herausgearbeitet, die besonders empfindlich gegenüber einer Querung sind.
Das betrifft Wälder, Gewässer und Kulturlandschaften mit sehr hoher Bedeutung für das kulturelle Erbe und sonstige Sachgüter.
Eine Querung kann für FFH-, Naturschutz- und Vogelschutzgebiete sowie die drei ökologisch sensiblen Bereiche Wälder, Gewässer und Kulturlandschaften mit Hilfe von angepassten Querungsmaßnahmen (beengte Platzverhältnisse im Baufeld) durchgeführt wurden, wenn eine Umgehung nicht möglich sein sollte. Eine Querung für Siedlungen, WSG Zone I & II wird ausgeschlossen.
Außerdem wurde bei der Untersuchung deutlich, dass regionalspezifische Raumgegebenheiten nicht immer den ermittelten Indikatoren zugeordnet werden konnten, da eine Einordnung aufgrund ver-schiedener Leitfäden, Empfehlungen und Artenlisten über mehrere Regionen den Indikatoren nicht eindeutig war (Tabelle 20).
In der nachfolgenden Tabelle 20 werden die abgeleiteten Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen für die offene Bauweise zusammengefasst dargestellt. Die Ableitungen gliedern sich in Bauweise, Indi-kator und weitere ökologisch sensible Bereiche.
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Tabelle 20: Zusammenstellung von Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen für den (integrierten) Grabenbau Ableitung spezifischer Maßnahmen für den integrierten Grabenbau
Indikator und weitere ökolo-gisch sensible Bereiche
Gebündelte Infrastrukturleitungen Ungebündelte Infrastrukturleitungen
FFH-Gebiet;
Naturschutzgebiet;
Vogelschutzgebiet
Wenn eine Umgehung eines FFH- bzw. eines Naturschutzge-bietes nicht möglich ist, dann ist die Querung im Rahmen der Bauphase in beengten Platzverhältnissen durchzuführen.1
Wenn eine Umgehung eines FFH-, eines Naturschutz- und Vogelschutzge-bietes unvermeidbar ist, dann kann die Querung im Rahmen der Bauphase in beengten Platzverhältnissen durchgeführt werden.2-4
Siedlungen K. A. Siedlungen und sonstige Siedlungsgebiete sind grundsätzlich weiträumig zu
umgehen.3-5 Der Bau der Anlage kann aufgrund der weiträumigen Entfer-nung in der offenen Bauweise durchgeführt werden.
Wasserschutzgebiete I und II S. ökologisch sensible Bereiche Bei einer Querung von WSG Zone I und II besteht stets das Restrisiko durch Havarien.4 Um potenzielle Veränderung von Deckschichten in Wasser-schutzgebieten zu vermeiden, werden diese weiträumig umgangen.7 Wälder und Gewässer Bei Eingriffen in ökologisch sensiblen Bereichen wird
folgen-dermaßen vorgegangen:
- Trassenverlegung in Waldbeständen ausschließlich in be-reits vorhandenen Wegen/Schneisen bzw. daran direkt an-grenzenden Rändern von Waldparzellen
- Reduzierung Schutzstreifen und Baufeld bei ökologisch sen-siblen Bereichen
- Kleinräumige Auswahl naturferner, gehölzfreier Gewässer-abschnitte für offene Querungen durchzuführen.1
Bei Eingriffen in ökologisch sensiblen Bereichen (z. B. in Wäldern und Fließ-gewässern) wird empfohlen, eine Umgehung zu prüfen und die Bauphase grundsätzlich in beengten Platzverhältnissen durchzuführen.5,6
Im Falle von Stillgewässern bietet sich eine Umgehung an; bei Wäldern kön-nen vorhandene Schneisen genutzt werden.3,5-7
Besteht die potenzielle Veränderung von Deckschichten in Gebiete mit ge-ringem/sehr geringem Geschütztheitsgrad des Grundwassers/Gebiete, Ge-bieten mit geringem Flurabstand < 2 m und raumordnerische Festlegung zur Wasserwirtschaft, wird empfohlen, diese weiträumig zu umgehen.4 Kulturlandschaften mit sehr
hoher Bedeutung für das kul-turelle Erbe und sonstige Sachgüter
S. ökologisch sensible Bereiche Bestehen die potenzielle Beeinträchtigung und der potenzielle Verlust von Bestandteilen des Kulturellen Erbes, werden diese weiträumig umgangen.7
Quellen: 1 igr AG & ILS Essen GmbH 2016; 2 Fröhlich & Sporbeck et al. 2019a; 3 Fröhlich & Sporbeck et al. 2019b, 4 ARGE SOL 2019a-f; 5 Avermann et al. 2016; 6 Albrecht et al. 2017a&b; 7 Schlusemann et al. 2017)
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Ein weiterer Ansatz zur Vermeidung von Umweltauswirkungen besteht in der Querung beson-ders empfindlicher Standorte durch eine geschlossene Bauweise, die für einige Leitungssysteme bis zur einer Querungslänge von 1.000 Metern möglich ist.
Im Zusammenhang mit der gebündelten Verlegung im KNE-Projekt wurde eine geschlossene Querung z. B. dann in Erwägung gezogen, wenn die Kreuzung von Verkehrseinrichtungen (Stra-ßen und Bahnlinien) oder anderen Leitungen (Gas- und Fremdleitungen) sowie Querungen von riegelbildenden Schutzgebieten wie Natura-2000-Gebieten und Naturschutzgebiete oder ande-rer schützenswerter Bereiche (darunter Felsgestein, Gewässer, Überschwemmungsgebiete und Steilhänge) zu bewältigen war. In der Einzelverlegung erfolgte die Prüfung der geschlossenen Bauweise beispielsweise dann, wenn Nationalparks, Naturschutzgebieten von Biosphärenreser-vaten (Zone I) und Gewerbegebiete zu queren waren. Darüber hinaus wurde die geschlossene Bauweise geprüft, wenn Gewässer und Wälder zu queren waren, die im Rahmen der Analyse vorher als ökologisch sensible Bereiche identifiziert wurden.
Für die geschlossene Querung wurden verschiedene Ausführungsvarianten aufgeführt. Praxisre-levant sind insbesondere das „Horizontal Directional Drilling (HDD)-Verfahren“ bzw. Horizontal-bohrverfahren sowie das Mikrotunnelbauverfahren. Eine Ausführliche Darstellung der Zusam-menstellung ermittelter Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen ist im Anhang 6 vorzufin-den (vgl. Kapitel F).