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2.3 B ESONDERE A SPEKTE UND A USFÜHRUNGSHINWEISE

2.3.6 Hydraulische Instabilitäten

2.3.6.1 Allgemeines

Während der Baumaßnahme oder durch das Bauwerk selbst kann der Druck des Grundwas-sers den Suspensionsdruck übersteigen und als Folge Wasser in die noch fließfähige Dichtma-sse eindringen. Dieses Phänomen, im folgenden als hydraulische Instabilität bezeichnet, ver-ringert allgemein die Abdichtungswirkung der Dichtwand mehr oder weniger stark.

Während der Wandherstellung sind hydraulische Instabilitäten insbesondere dann möglich, wenn infolge des Energieeintrags beim Einbringen von Vortriebskörpern zur Herstellung von Schmalwänden (MÜLLER-KIRCHENBAUER et al. 1992) und beim Einbringen gerammter Schlitzwände sowie auch infolge intensiver Meißelarbeit bei gegriffenen Schlitzwänden hohe hydraulische Überdrücke im Grundwasser entstehen. Andererseits kann die Suspension bereits im frischen oder erst teilweise abgebundenen Zustand wasserführende Grundwasserleiter hy-draulisch so blockieren, daß sich das Grundwasser unter bestimmten Gefälle- und Baugrund-verhältnissen an der Dichtwandaußenfläche mit entsprechender Druckentwicklung aufstaut.

Auf diese beiden Fälle wird nachfolgend näher eingegangen.

Der Fall, daß ein natürlich gespanntes Grundwasser ansteht, dessen Druck die Suspensions-druckhöhe übersteigt, ist im Rahmen der Voruntersuchungen zu erkunden und bereits mit dem Nachweis zur Sicherheit gegen den Zutritt von Grundwasser in den Schlitz gemäß DIN 4126 (Abschnitt 3.6.1.2) auszuschließen.

2.3.6.2 Hydraulische Überdrücke als Folge des Energieeintrags während der Wandherstellung

Wird in einen verdichtungsfähigen Untergrund (Phase I, Abb. 2.14) ein Verdrängungskörper eingerüttelt oder eingerammt oder wird in einer bestimmten Tiefe, z. B. durch Meißeln mit schwerem Gerät, eine entsprechend intensive Schlagenergie eingebracht, so wird zunächst eine Kornumlagerung herbeigeführt, die den gegenseitigen Kornkontakt in einem bestimmten Bereich aufhebt und die Einzelkörner in einen "Schwebezustand" versetzt. Anschließend se-dimentieren die Einzelkörner gravitationsbedingt nach unten und nehmen eine neue, dichtere Lage ein (Phase II, Abb. 2.14). Oberhalb der verdichteten Bodenzone bildet sich, sofern kein oder nur ein verzögerter anderweitiger Abfluß möglich ist, eine "Wasserlinse" (Phase III, Abb.

2.14), die sich in Abhängigkeit des Baugrundaufbaus, der Bodenparameter sowie der zeitli-chen Aufeinanderfolge, mit der die einzelnen Wandelemente eingebracht werden, mehr oder weniger weit in die Umgebung erstrecken kann, ohne daß dieses Phänomen an der Geländeo-berkante z. B. durch die Ausbildung von Setzungsmulden bemerkt wird.

Innerhalb der Wasserlinse (Phase III, Abb. 2.14) herrscht zunächst entweder die ursprünglich in diesem Bereich vorhandene Druckhöhe des freien oder gespannten Grundwassers oder der Druck der von der Wasserlinse durchdrungenen Suspensionssäule, gegebenenfalls auch der bei Schmalwänden eingesetzte Verpreßdruck. Bei größerer Ausdehnung der Linse kann sich auch die über der Wasserlinse liegende Bodenlast, sofern keine "Gewölbetragfähigkeit" mehr möglich ist, voll auf die Wasserlinse absetzen, so daß dann die gesamte totale Spannung sig-magesamt der überlagernden Bodensäule auf das Wasserpolster wirkt und sich in einem ent-sprechenden Wasserdruck u niederschlägt. Der Wasserdruck u kann in diesem Fall bis zum Mehrfachen des hydrostatischen Wasserdruckes beziehungsweise auch zu wesentlichen Über-schreitungen der in der entsprechenden Tiefe wirksamen hydrostatischen Druckhöhe von Stützsuspensionen, Schmalwandsuspensionen oder Einphasensuspensionen führen. Als Folge des Überdrucks können Quellbildungen entstehen, die an der Tagesoberfläche, z. B. als ver-färbte Aufbrüche des Suspensionsspiegels (Bild 2.6), erkennbar sein können, nicht aber zwangsläufig erkennbar sein müssen (MÜLLER-KIRCHENBAUER et al. 1992).

Die mit der hydraulischen Instabilität verbundenen Einträge in den Wandquerschnitt können entweder

• nur aus Wasser bestehen oder

• sich bei gleichzeitiger Erosion und Verschleppung von Bodenpartikeln aus den suspen-sionsgestützten Erdwänden zu einem Sand-Wasser-Gemisch entwickeln oder

• von vorneherein bereits aus einer Sand-Wasser-Suspension bestehen, wenn die hydrau-lische Instabilität bei einer hohen Auflast sigmagesamt bereits eintritt, bevor die Sedi-mentationsphase (Phase II, Abb. 2.14) in der Wasserlinse abgeschlossen ist.

Für praktische Fälle ist davon auszugehen, daß die vorgenannten Mechanismen kombiniert auftreten, allerdings - wie erwähnt - nur dann, wenn der Wasserdruck u entsprechend größer als der zugehörende Druck der überlagernden Suspensionssäule ist. Diese Situationen sind zwar relativ selten, können im Falle ihres Auftretens aber erhebliche Auswirkungen auf die Dichtwandintegrität haben.

Abb. 2.14 Bodenverformung als Folge eines Energieeintrags

Bild 2.6 Quelltrichter am Kopf einer frisch hergestellten Schmalwand (Bild von BILFINGER + BERGER, Niederlassung Hannover, zur Verfügung gestellt)

Die Probleme der hydraulischen Instabilität können wegen der zugrunde liegenden Zusam-menhänge vorrangig im verdichtungsfähigen Grobschluff bis Mittelsand auftreten, das heißt in kohäsionslosen Böden mit verhältnismäßig kleiner Durchlässigkeit, die von einer bindigen Bodenschicht überlagert sind. Besonders kritisch werden die Verhältnisse dann, wenn solche Böden z. B. in Ton oder Mergellagen sandwichartig eingebettet oder gar als wassergesättigte Linsen völlig eingeschlossen sind. Dagegen ist die Gefahr der beschriebenen hydraulischen Instabilität im Ton und im Schluff wegen der schlechten Verdichtungsfähigkeit sowie in gut durchlässigem Kies wegen der hohen Durchlässigkeit, die ein rasches Abströmen des bei der Verdichtung freigesetzten Porenwassers in die Umgebung ermöglicht, nahezu ausgeschlossen.

Des weiteren ist für kritische Situationen auf folgendes hinzuweisen:

• Je feiner die kohäsionslosen Fluidisationsschichten sind, desto länger hält sich der Wasserüberdruck u, weil das freigewordene Wasser aufgrund der kleinen Durchlässig-keit nur sehr langsam aus dem Wasserpolster nach außen abströmen kann.

• Je rascher die Dichtelemente eingebracht werden, desto größer werden die gleichzeitig fluidisierten Bereiche, soweit keine besonderen Begleitmaßnahmen vorgesehen werden.

Für die Praxis ist folgendes zu empfehlen:

• Ausreichende Erkundung des Untergrundes im Hinblick auf die vorgenannten Mecha-nismen und rechtzeitige Prüfung der Frage, ob hydraulische Instabilitäten der erläuter-ten Art prinzipiell denkbar sind.

• Gegebenenfalls der Einbau von Grundwasserpegeln in den relevanten Schichtenberei-chen neben der Wand und Beobachtung der Wasserspiegelreaktionen während der Wandherstellung. Diese Maßnahme sollte bereits vorab im Bereich von Großversuchen (Abschnitt 4.3) durchgeführt werden.

• In Fällen, in denen sich kritische Verhältnisse andeuten, sind entsprechende Maßnah-men für eine Grundwasserentspannung vorzusehen. In manchen Fällen ist es auch möglich, durch bewußt erschütterungsintensiv eingebrachte Dränagepfähle den Ge-samtmechanismus der Fluidisation und des - in diesem Stadium noch schadlosen - Ab-zuges der freigewordenen Wassermengen vorwegzunehmen. Dieses Prinzip wurde z. B.

in artverwandten Situationen der hydraulischen Instabilität bei Rammortpfählen (MÜLLER-KIRCHENBAUER et al. 1992) erfolgreich angewandt.

2.3.6.3 Hydraulische Überdrücke als Folge einer Blockade des Grundwas-serstroms

Ein Eintrag von Wasser oder eines Wasser-Boden-Gemisches in den Wandquerschnitt ist auch dadurch möglich, daß die Dichtelemente einen vorhandenen Grundwasserstrom unterbrechen und sich noch vor dem Abbinden der Dichtmasse ein Wasserdruck pw aufbaut, der den hy-drostatischen Suspensionsdruck übersteigt. In Abb. 2.15 ist dazu beispielhaft eine Einphasen-dichtwand dargestellt. Als Untergrund steht überwiegend eine geringdurchlässige Matrix an, die allerdings von mehreren permeablen Schichten unterbrochen wird. Es wird davon

ausge-permeablen Schichten, wodurch es bereits in diesem Zustand zu einer ersten Blockade des bestehenden Grundwasserstromes kommen kann. Je nach Mächtigkeit und Wasserführung staut sich anschließend das Wasser in der permeablen Schicht vor der Dichtwand. Erreicht die Druckhöhe pw = gammaw h2 in dem blockierten Bereich einen kritischen Wert, der die Sus-pensionsdruckhöhe ps = gammas · h1 übersteigt, so kann die ursprünglich penetrierte Suspen-sion zumindest partiell in den Schlitz zurückgedrückt werden und Wasser in den Schlitz ein-dringen. Diese Verdünnung braucht nun im laufenden Aushubbetrieb gar nicht bemerkt zu werden, denn einerseits wird dem Schlitz laufend weitere Suspension zugeführt, und anderer-seits haben die in die Suspension beim Aushub eingearbeiteten Bodenpartikel ebenfalls einen eindickenden Effekt. Der Wassereintritt kann also zunächst ohne Nachteil auf die Stabilisie-rung des Schlitzes bleiben.

Abb. 2.15 Situation für eine mögliche hydraulische Instabilität einer Dichtwand im Grundwas-serstrom

Hält der Wasserzustrom jedoch nach Abschluß der Aushubarbeiten weiter an, so können sich in der abbindenden Dichtmasse wassergefüllte Linsen und Kanäle und am Dichtwandkopf Quelltrichter bilden. Die gleichen Mechanismen sind grundsätzlich auch beim Zweiphasensy-stem und beim Schmalwandverfahren möglich, wenn der Wasserdruck so weit ansteigt, daß auch der höhere hydrostatische Druck der Zweitmasse beziehungsweise Schmalwandmasse überschritten wird.

Eine hydraulische Instabilität infolge eines blockierten Grundwasserstromes stellt sich gene-rell umso eher ein, je spezifisch leichter die eigentliche Dichtsuspension ist, je schneller der kritische Wasserdruck erreicht wird und je langsamer sich die Eigenfestigkeit der Dichtmasse

entwickelt. Welches Ausmaß die entsprechenden Linsen- beziehungsweise Kanalbildungen bei dieser Form der hydraulischen Instabilität erreichen, hängt letztendlich von den örtlichen Gegebenheiten ab und kann nur durch entsprechende Nachuntersuchungen beziehungsweise Tests in situ geklärt werden. Es empfiehlt sich in solchen Fällen, ähnlich wie bei der durch Erschütterungen ausgelösten hydraulischen Instabilität (Abschnitt 2.3.6.2), bereits im Rahmen der Vorerkundungen solche Entwicklungen nicht auszuschließen und auch hier geeignete Entwässerungsmöglichkeiten während der Dichtwandherstellung vorzusehen.