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Teil II Drei Lehrstücke

1.1 Vorüberlegungen

1.1.3 Der Weg zum Lehrstück

1.1.3.1 Himmelskunde und Kosmologie bei Martin Wagenschein

Heutzutage kann ein Mensch den sogenannten gebildeten Kreisen angehören, ohne einerseits die geringste Vorstellung zu besitzen, worin das Wesen der menschlichen Bestimmung liegen könnte, oder andererseits etwa zu wissen, dass nicht alle Sternbilder zu jeder Jahreszeit sichtbar sind. Man ist gewöhnlich der Ansicht, ein kleiner Bauernjunge, der nur die Volksschule besucht hat, wisse darüber mehr als Pythagoras, weil er gelehrig nachplappert, dass die Erde sich um die Sonne dreht.

In Wirklichkeit aber betrachtet er die Gestirne nicht mehr. Jene Sonne, von der im Unterricht die Rede ist, hat für ihn nichts gemeinsam mit der Sonne, die er sieht. Man reisst ihn aus dem Allgesamt seiner Umweltbeziehungen heraus, wie man die kleinen Polynesier aus ihrer Vergangenheit reisst, indem man sie aufzusagen lehrt: Unsere Vorfahren, die Gallier, waren blondhaarig.423

Um der Entwurzelung und der Beziehungslosigkeit entgegenwirken zu können, muss didaktisch gehandelt werden: Wagenschein wird zum Befürworter einer Didaktik der Einwurzelung (im Sinne Weils), der Einheimatung „auf dem Erdreich unter dem Himmelszelt.“424 Er vertritt eine Didaktik der direkten Beziehung zu den sich aufdrängenden, sich anbietenden, uns herausfordernden Phänomenen der erfahrbaren Welt, die es dem Menschen erlaubt, Mensch zu sein und zu bleiben, zu staunen, verwundert oder sogar ergriffen zu sein. Wagenschein fragt fordernd: „Hat nicht jeder heutige Mensch ein Anrecht darauf, wenigstens ein Phänomen aus der Wirklichkeit des Himmels unmittelbar zu kennen […]?“425

(2) Im Zuge seiner intensiven Beschäftigung mit diesem Gegenstand offenbart sich die elementare Astronomie als Musterbeispiel für die Illustration des Exemplarischen: Die aus dem regulären Unterricht verbannte und in die Fächer zerstückelte Himmelskunde426 führt von den Naturphänomenen ohne Vorgreifen oder Drängen des Lehrers als Eingangstor in vielfältige Grundlagen der Mathematik und der Physik. Hier erweist sich das Quellenstudium der originären Forscher ebenfalls als Muster des genetischen Prinzips: Die Geschichte der Wissenschaft offenbart die gedanklichen und praktischen Wege, die Anaxagoras, Aristarch, Eratosthenes, Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton, Euler, Bessel usw. gegangen sind, um den Phänomenen ihre Geheimnisse zu entlocken. Bei der rückschreitenden Analyse der koperni-kanischen Erkenntnis, dass die Erde um die Sonne kreist, wird auf dem Weg bis zu Aristarch deutlich, „dass eine im Sinne der Didaktik genetische Gedankenfolge sich mit dem geistesgeschichtlichen Weg nicht decken muss. (Ein häufiges Missverständnis.) Der kind-heitsgenetische Weg (der naive Erwachsene werde zu den Kindern gerechnet) ist nicht identisch mit dem menschheitsgenetischen. […] Wissenschaftsgeschichte ist nur nebenbei Gegenstand des Physikunterrichts, aber sie ist Lehrmeisterin des Lehrers, um ihn für den kindheitsgenetischen Weg offen zu machen.“427 Im Rahmen seiner Himmelskundestudien zur Erdrotation formuliert Wagenschein noch pointierter: „Die Geschichte seiner Wissenschaft ist für den Fachlehrer kein ‚durchzunehmender Stoff‟, sondern ein Verjüngungs-Elixier.“428 Neben dem Studium von Primärquellen der genannten Autoren erschliesst er sich diese Seite auch durch wissenschaftshistorische Darstellungen, etwa das erwähnte „Von der geschlossenen Welt zum unendlichen Universum“. Einen gewichtigen dritten Zustrom findet Wagenschein in der hohen Literatur bei Goethe, Herder, Schiller, Conrad, Kästner, Frisch und Saint-Exupéry, in Biographien (z. B. Lindbergh) oder auch in den Schriften und Aphorismen Lichtenbergs, welcher wie Wagenschein Physiker war. Als junger Lehrer zeigt Wagenschein, dass er selbst auch den kindheitsgenetischen Weg im oben erwähnten Sinn gehen kann. Er

423 Simone Weil (1956): Die Einwurzelung. S. 75. Zitiert nach Wagenschein 1995, S. 309.

424 Wagenschein 1995, S. 340.

425 Wagenschein 1999, S. 64.

426 Vgl. Wagenschein 1965, S. 87.

427 Wagenschein 1995, S. 327 f. Hervorhebungen im Original. Er spricht auch von „genetischer Metamorphose“.

Ebd., S. 310.

428 Wagenschein 1999, S. 90.

bleibt empfänglich für seine eigene Entdeckungsfreude, was in seinen Texten „Fernrohr-Freuden“429 und in „Zweierlei Wissen“430 besonders deutlich wird.

Wagenschein berührt im Zusammenhang seiner Didaktik der Kosmologie explizit auch den dritten Aspekt der lehrkunstdidaktischen Methodentrias. Sein genetisches Vorgehen führt ins handlungsmässige und also dramatische Zentrum des authentischen Ringens der damaligen Forscher um ihre Erkenntnisse. Hinderlich bei dieser Rückübersetzung ist die gängige Auffassung der Physiklehrer, dass „unsere Wissenschaft im Elementaren fertig und nur an ihrer derzeitigen Front aktuell sei.“431 Um aber produktives Denken und Finden auslösen und fördern zu können, muss das als richtig Erkannte und Geklärte für die Vermittlung wieder in ursprüngliche Fragen zurückübersetzt werden. Der Schlüssel liegt wiederum im Studium der Schriften der historischen Forscher. Es führt in die Zeit, „da die Naturwissenschaft in einem dramatischen Geschehen entstand: Die ‚alten‟ Forscher sind in Wahrheit die jungen, die frühen. Dort wird der Lehrer auf den Ton des ursprünglichen Entdeckens gestimmt, der im dann aus den Fragen der Kinder wieder entgegenkommt.“432

(3) An zwei seiner späten Beiträge zur Astronomie, „Wissenschaftsverständigkeit“ (1975) und

„Die beiden Monde“ (1979), soll im Folgenden aufgezeigt werden, wie Wagenschein seine Hauptanliegen begründet. Die hier dargestellten Hauptanliegen werden im Anschluss an die Referate zusammengefasst.

Durch Ausdehnung umgreift mich das Weltall und verschlingt mich wie ein Punkt…;

durch meine Gedanken umgreife ich es.

Blaise Pascal

„Wissenschafts-Verständigkeit“433 nennt Wagenschein, „was zu wünschen wäre für jeder-mann, was wir aber offenbar noch nicht haben, nicht genügend lehren in unseren Schulen.“434 Er stellt fest, dass der Laie, der Jedermann, der speziell auf der Sekundarstufe I bedacht werden müsste, in der Physik in der Regel zu kurz kommt, nur Scheinwissen erlangt und dabei eingeschüchtert, gläubig oder grämlich wird. Die Sekundarstufe I sollte seiner Ansicht nach mehr auf alle hin orientiert sein und die Wissenschafts-Verständigkeit fördern. Als Beispiel zieht er das Verstehen der Kosmologie heran. Bei Studenten bemerkt Wagenschein, dass „dieses ‚Wissen‟ [um die Rotation und Revolution der Erde, MJ] heute, trotz allen Physik-Unterrichts nichts als nur ein nachgeredeter Glaubensartikel ist; ohne Überzeugtheit;

ja schon ohne das Bedürfnis überzeugt zu sein; also auch ohne jede Beziehung zu Phänomenen, die am Himmel oder sonstwo, dafür sprächen, ‚dass es auch wahr ist‟. Solch ein isoliertes Wortwissen, ein so freischwebendes Gerede, findet man auch bei künftigen Lehrern nicht selten.“435 Er diagnostiziert im Fachlehrer den oft bloss als Fachmann Ausgebildeten, der nicht imstande ist, sich seinen Gegenständen naiv zu nähern oder sie auf der Basis einer eigenen Wissenschafts-Verständigkeit angemessen in den Unterricht zu tragen. An ihrer Stelle

429 Wagenschein 1995, S. 281 f.

430 Ebd., S. 278 f. Seine Rückbesinnung schliesst er: „Den Rückweg [von 4πr2 zur sich vierfach auswölbenden Mondscheibe, MJ] zu finden, ist deshalb so schwer, weil das Übermass an totem Wissen ein Gefühl der Überladung gibt, das den geistigen Hunger einschläfert. Je mehr einer studiert hat, in der Weise, in welcher heute studiert wird […], desto schwerer findet er zurück. Und es bedarf vielleicht des Mondes als eines immer neu an den Himmel gesetzten Fragezeichens, um wieder aktiviert und wieder naiv gemacht zu werden. Der andere, der hilfreichste Weg, ist der Umgang mit Kindern. Sie helfen uns zu dem, was wir ihnen hätten bringen sollen.“

(ebd.). Der Mond dient ihm auch noch 1975 in „Der Mond und seine Bewegung“ als Eingangstor in die Physik.

431 Wagenschein 1995, S. 310.

432 Ebd., S. 311.

433 In: Ebd, S. 286 ff.

434 Ebd., S. 286.

435 Ebd., S. 288.

herrscht eher eine Art Wissenschafts-Gewissheit vor, die auf Seiten der Sprache durchaus auch problematisch sein kann: Die Lehrer „können nicht ins Deutsche zurückübersetzen, was sie in der Fachsprache und mathematisch durchaus bewältigen. Das schadet einem Berufs-physiker vielleicht nichts. Einen Lehrer macht es hilflos. Er muss schon beides können.“436 In Bezug auf die Kosmologie bedeutet dies, man weiss „(was immer dieses Wort ‚wissen‟ nun auch bezeichnen mag): Nach dem heutigen wissenschaftlichen Stand schwebt die Erde um die Sonne irgendwo innerhalb einer lockeren, riesenhaft ausgedehnten Wolke weit verstreuter, durch die Leere dahintreibender anderer Fixstern-Sonnen.“437 Dieses Bild besteht, ohne kritisch verstanden werden zu können, da die apädagogisch ausgebildeten Gymnasiallehrer schnell von Grundbegriffen zum Allgemeinen eilen und die „Abstraktions-Fortschritte (fort von der primären Wirklichkeit hin zu Apparatur, Nomenklatur und Mathematisierung) […] zu früh und zu schnell vorangetrieben“438 werden. Wagenschein fordert, dass die Schule einer bis hin zu Keplers Schrecken439 durchschaubaren, aber konkreten Allgemeinverständlichkeit mehr Platz einräumen muss, um „in zulässiger Vereinfachung verstehen zu lassen, ‚wie man so etwas wissen kann? Wie ist Naturwissenschaft überhaupt möglich! Das ist die Frage, welche in unseren Schulen Vorrang verdient.“440 An der Kosmologie zeigt er auf, wie ein Gegenstand vereinfacht, richtig und überzeugend in zehn Stunden – am besten als Epoche:

fünf Tage lang je zwei Stunden441 – dargestellt werden kann: 1. Ohne Geometrie gelangt man mit verschiedenen Schattenlängen zu einer Schätzung der Grösse der Erde. 2. Ohne Trigono-metrie kann man über Mondhöhenmessungen auf dessen Entfernung von der Erde kommen.

3. Ohne newtonsche Mechanik und Differentialrechnung kann man aus der Fallrichtung von Steinen die Erdrotation erkennen. 4. Nur mit dem Satz des Pythagoras lässt sich die Umlauf-bahn des Mondes erklären. 5. Ohne Mechanik und Optik lässt sich an alltäglichen Parallax-erfahrungen nachvollziehen, dass die Sterne im Raum verstreut sein müssen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass dieses Bild des Kosmos und die Kenntnisse über den Weltraum mittelbar, sekundär sind, dass wir sie nur mit Hilfsmitteln vollständig erschliessen können, die uns jenseits der Grenzen unserer Sinne führen, so aber auch das Verständnis für die Wissenschaft fördern: „Sie sind niemals bare Münze, immer verschlüsselte Kunde. […] Das Bild der Wissenschaft wird authentischer.“442 Neben (oder hinter) der unmittelbaren, sinnlich erfahrbaren Welt besteht die mittelbar erschlossene Welt. Beide haben eine Berechtigung als

„wirklich“ benannt zu werden. Die individuelle Beantwortung dieser Frage gehört laut Wagenschein in den Bereich der Philosophie. Er zitiert als Beispiel unter anderem den Quantenphysiker Walter Heitler: „‚Vom Universum existiert als direkte Sinnenwahrnehmung nichts anderes als der blosse Anblick des Sternenhimmels.‟ Das bedeutet in unserem Zusam-menhang: Das einzig Unmittelbare und damit auch das ganz Zweifelsfreie, was wir vom

436 Wagenschein 1995, S. 295

437 Ebd., S. 289.

438 Ebd., S. 291. Wagenschein räumt ein, dass im Unterricht dennoch oft so verfahren werden muss, die Richtigkeiten schnell und rationell zu vermitteln. Vorher oder daneben muss aber eine grundlegende Wissen-schaftsverständigkeit gegeben sein. Wagenschein 1995, S. 342.

439 „Er ‚fühle‟ (!), sagt er, dass ‚gerade diese Überlegung ich weiss nicht welchen (!) Schrecken (!) in sie trägt;

tatsächlich irrt man in dieser Unermesslichkeit umher, der Grenzen und Mittelpunkt und deshalb jeder feste Ort abgesprochen werden.‟“ Ebd. S. 290

440 Ebd., S. 292. Hervorhebung im Original, MJ. Die Frage zielt auf das Fundamentale in Klafkis Theorie der kategorialen Bildung. Auf Seite 293 betont Wagenschein: „Unsere Schuldidaktik vernachlässigt die Vereinfachung.“

441 „Besser 3 oder 4 Wochen.“ Ebd., S. 295. An dieser Stelle geht Wagenschein auch auf die Methodik ein: „Eine starke Führung durch den Lehrer ist nötig, er muss ab und zu verzichten auf die Form, die allerdings die beste wäre, die streng genetische. […] Wir müssen […] auf Daten kommen, die der primären Wirklichkeit angehören.

Das sind hier: ägyptische Schattenlängen; Steine, die von Türmen in Bologna fielen; und jene winzigen, jährlich sich wiederholenden Hin- und Herläufe einiger Fixsterne.“

442 Ebd., S. 296.

Kosmos wissen, ist der Anblick des Firmaments.“443 In seinem Nachtrag (1975, der Hauptteil des Textes stammt von 1971) erteilt Wagenschein der vollends unmittelbaren Begegnung mit unbewaffnetem Auge auch den Vorzug gegenüber einer Fotografie. Ein Weltraumbild der runden Erde ist durch den enormen technologischen Aufwand, der dahinter steckt, wesentlich mittelbarer als die einfache Betrachtung einer Mondfinsternis, die allein durch Nachdenken und Beobachten erlaubt, auf die Gestalt der Erde zu schliessen.

In der unaussprechbaren Herrlichkeit des Sternhimmels war irgendwie Gott gegenwärtig. Zugleich aber wusste ich,

dass die Sterne Gaskugeln sind, aus Atomen bestehend, die den Gesetzen der Physik genügen. Die Spannung zwischen diesen beiden Wahrheiten kann nicht unauflöslich sein.

Wie aber kann man sie lösen? Wäre es möglich, auch in den Gesetzen der Physik einen Abglanz Gottes zu finden?

C. F. v. Weizsäcker über eine einsame, sommerliche

Sternnacht als Zwölfjähriger

„Die beiden Monde“444 trägt den Untertitel „Zum Frieden zwischen zwei Weltauffassungen“.

Wagenscheins Text thematisiert den Wahrheitsanspruch des physikalischen Weltbildes gegenüber jenem des poetischen. Bedeutet die Aussage von Astronauten, der Mond sei kalt, leblos, schwarz, weiss und grau, dass die Dichter von Li Bai bis Eichendorff sich tatsächlich geirrt haben? Es ist eindeutig, dass der Mond am Himmelszelt grossen Einfluss auf die Menschen hat. Neben dem Umstand, dass er Ebbe und Flut verursacht oder die weibliche Periode beeinflusst, ist er als „Mond der Sänger und Musikanten, der Liebenden und der Kranken“445, als Stimmungselement und als romantische Projektionsfläche in der mensch-lichen Kultur real und wahr. Auf der anderen Seite stellt Wagenschein Max Frischs homo faber, der nur den Mond der Physik sieht und sich sachlich an die Realitäten hält. Für ihn ist der Mond eine um den Planeten kreisende Masse. Der Mond als Erlebnis ist, wie der von uns als Firmament wahrgenommene Himmel, aus seiner Sicht nicht wahr. Wagenschein vermutet, dass die meisten den Mond der Physik gegenüber dem Mond der Dichter für wirklicher halten. Er vermutet, dass wir dazu neigen, uns der Objektivität, der Präzision und der technischen Leistungen der physikalischen Wissenschaft zu unterwerfen und „den Zauber-Mond, mit dem unser Inneres ‚es hat‟, für eine liebenswerte Illusion“446 zu erklären. Der Weg dahin begann vor 2500 Jahren bei den alten Griechen, die den Mond, seine Höhe, seine Entfernung, seine Position zuerst geschätzt und dann vermessen haben. Auf diese Weise gelangte der Mensch zu objektivierbaren Erkenntnissen, die jedoch immer daran gebunden sind, dass der Mensch bei seinen Messungen, Rechnungen und Überlegungen immer dabei ist.

Der Mensch kann sich selbst aus der wissenschaftlichen Perspektive nicht ausschliessen. Die innere Spaltung wird deutlich: „Wenn wir nun also physikalisch (astronomisch) von ihm [dem Mond, MJ] sprechen, nach Mass und Zahl also und nur das, so sind wir offenbar nicht vollständig anwesend, nicht ‚ganz da‟, denn wir sind ja nicht nur messende Wesen. Wir schränken uns als Messende ein, sehen ab von allem anderen.“447 Im Gegensatz zu den Astronauten, die sich dem Mond mit Nüchternheit, Kühle und Sachlichkeit nähern, erkennt die dichterische Seite den Mond am Firmament als Himmelskörper, als Lichtgestalt oder sogar als Geschöpf. „Diesem Mond der Dichter kann keine Rakete, kein Astronauten-Besuch und -Bericht etwas anhaben. Er ist davon nicht betroffen, ist unverletzlich. […] Dem Dichter liegt es ganz fern, den Mond in der Nähe sehen zu wollen. So wie niemand auf den Gedanken

443 Wagenschein 1995, S. 297.

444 Wagenschein 2002, S. 154 ff.

445 Ebd., S. 155.

446 Ebd., S. 157.

447 Ebd., S. 158. Hervorhebungen im Original.

kommen wird, ein befreundetes Menschengesicht aus einer Fingerbreite Abstand oder durch die Lupe zu betrachten. Es gehört sich nicht. Wir erlauben es nur dem Arzt.“448 Der scheinbare Widerspruch liegt nur in der Perspektive oder Verfassung, in der der Mond betrachtet wird. Er löst sich aber in der Verbrüderung beider:

So sind beide Monde wirklich, einer wie der andere, jeder von beiden mit seinen Vorzügen und Verzichten. […] Der Mond der Dichter kommt aus der Fülle aller unserer Zuwendungsmöglich-keiten. Wir sind offen, sehen alles was wir sehen so, wie es uns ansieht. Wir sehen von nichts ab.

Des Mondes der Physiker, der Astronomen, bemächtigen wir uns erst durch eine Beschränkung von uns selbst auf den messenden Verstand allein. Der Lohn ist die Bemächtigung: Wir kommen hinauf! Wir können in der einen und wir können in der anderen Verfassung sein und können uns in jeder von beiden einrichten, als gäbe es die andere nicht. Unsere ganze Freiheit aber gewinnen wir erst, wenn wir im Laufe eines tiefen Atemzuges umspringen können von der einen in die andere, von dem einen Aspekt in den anderen. […] Wer aber absolut einen ‚einzig wirklichen‟ Mond haben will, der kann das nur durch willkürliche Unterdrückung des einen durch den anderen, durch eine autoritäre innere Beschlussfassung.449

Jede Wahl beschränkt: Der Mond der Dichter verhindert das Verstehen der physikalische Wirklichkeit, der Mond der Physiker lässt die ursprüngliche sinnliche Wahrnehmung veröden.

Wagenschein fordert, dem Mond der Kinder treu zu bleiben und – bereichernd – den physikalischen Mond hinzuzugewinnen. Er entwirft ein grobes didaktisch-methodisches Programm, wenn er feststellt, es gibt „eine zur Physik komplementäre Natur-Zuwendung, damit auch Himmels-Zuwendung, die keine Instrumente dazwischenkommen lässt und keiner Einschränkung unseres Wesens bedarf, die im Freien mit freiem Auge aufblickt, unmittelbar;

nicht eine „Wissenschaft“ von der Natur, eher eine Verständigung mit ihr.“450 Er diagnos-tiziert, dass die beiden Monde in der Schule in zwei verschiedenen Fächern vorgeführt werden und dass es ungewöhnlich scheint, wenn ein Physiklehrer Poesie vorträgt. Verfrühte Präzisierungen, etwa im Begriff der „scheinbaren Bewegungen“, sollen vermieden werden.

Durch sie werden Aspekte der Wirklichkeit verleumdet, obwohl die Bewegungen der Gestirne am Himmel nichts Scheinbares an sich haben. Besorgt um die seelische Intaktheit der Lernenden fordert er: „Niemals sollte ein Schulkind auch nur im geringsten, und sei es auch unbewusst, eine Art schlechten Gewissens spüren, wenn es den Mond ‚noch immer‟ als den Freund der Wolken und seiner selbst über das Himmelszelt gehen sieht: verwirrt von dem gelernten Gerede, dies sei alles ‚nur Schein‟. Niemals sollte es sich gespalten fühlen, wenn es einmal astronomischen Schlüssen und astronautischen Demonstrationen nachgeht und es doch – zum Glück – nicht lassen kann, ein andermal Erfahrungen, Ahnungen, Gedichten sich zu öffnen.“451 Stattdessen fordert er von der Schule und den Lehrern, sie sollen den Kindern zu verstehen helfen: Das Kind „lebt dann nicht in einer scheinbaren, sondern in einer volleren und weniger eingeschränkten Wirklichkeit. […] Es ist die Wirklichkeit, die uns sagen lässt:

‚Hier‟, auf dem ‚Erdreich unter dem Himmelszelt‟ ,wohnen‟ wir. Dieses ‚Hier‟ hat keine Koordinaten, und dieses ‚Wohnen‟ dauert in einer Weise, die durch kein Pendel messbar ist.

‚Erde‟ und ‚Himmel‟ werden hier nicht für den messenden Verstand eingeschränkt, sondern in ihrer ganzen Fülle mir allen seelischen Organen wahrgenommen. Dabei distanzieren wir uns nicht, wir identifizieren uns. Eine Art der Zuwendung, ja der Vereinigung ist das, die, wenn sie uns einmal gegeben ist, an Wirklichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.“ Die

448 Wagenschein 2002, S. 159.

449 Ebd., S. 160. Hervorhebungen im Original. Zum „Wir kommen hinauf!“, vgl. das Zitat von Kepler: „von un-ten hinauf argumentieren“ in: Wagenschein 1965, S. 180 oder S. 275. Gleichzeitig ist hier aber auch das physi-sche Hinaufkommen gemeint, der astronautisch begangene Weg zum Mond.

450 Ebd., S. 162.

451 Dieses und das nächste Zitat: ebd., S. 163f. Hervorhebungen im Original. Vgl. Wagenschein 1995, S. 323:

„Hier ist auf einmal ein Heimat-Gewinn, nachdem Heimat-Verluste und Schritte der Entfremdung vorausge-gangen sind.“

Darstellung schliesst mit einem dreifachen Blick aus fremden Kulturen (antikes Griechenland, mittelamerikanische Campesinos und, in einem Zitat von Norman Mailer, den Indianern Nordamerikas), in denen die Betrachtung des Mondes andere, eher religiöse Qualitäten enthielt oder enthält.

Zusammenfassung: Wagenschein wünscht sich einen naturwissenschaftlichen (Physik-) Unterricht zur Kosmologie, der – zumindest auf der Sekundarstufe I – im comenianischen Sinn auf alle ausgerichtet ist. In diesem Unterricht soll mit einem grosszügig bemessenen Zeitbudget vorrangig von den alltäglichen und sinnlich erfahrbaren, primären Phänomenen ausgegangen werden, denen man im Unterricht möglichst unmittelbar und vereinfacht begeg-net. In diesen Zuwendungen zu den Phänomenen wird eine Art elementarer Verständigung mit ihnen ermöglicht.452 Wagenschein fordert die Fachlehrer dazu auf, sich an den wissen-schaftshistorischen Quellen (auch sprachlich) zu regenerieren. Die Verständigung kann dann ähnlich angelegt werden, wie jene, die in der Geschichte der Wissenschaft zwischen denselben Phänomenen und den historischen Forschern abgelaufen ist (oder sein muss) und diese Forscher zu grundlegenden Erkenntnissen über die Wirklichkeit geführt hat. Die Wahrheit, aber auch die Beschränktheit der physikalischen Weltsicht wird für die Lernenden direkt nach- bzw. im authentischen vermittelten Prozess mitvollziehbar. So wird vermieden, dass Wissen ohne sachliches Verständnis angeeignet wird: Wortwissen, das zu wissenschafts-gläubigem Gerede führt, wird vermieden, an seine Stelle tritt ein grundlegendes Mass an Verständigkeit für Wissenschaft. Im Fachunterricht soll die ursprünglich menschliche Sichtweise (das ‚Himmelszelt‟ der Poesie und Literatur, aber auch des naiven Menschen) neben dem physikalischen Weltbild bestehen. Jede der Seiten hat ihren eigenen Wahrheits-gehalt und nur wenn beide Seiten im Menschen sein dürfen, kann er ganz und frei bleiben (oder wieder werden).

(4) Mit Blick auf den Inhalt des hier vorgestellten Lehrstücks werden drei Texte bzw.

Textpassagen von Wagenschein zu Eratosthenes‟ Erdmessung referiert. Den Abschluss dieses Punktes bilden eine Zusammenfassung und ein Fazit zu Wagenscheins Eratosthenes-Rezep-tion.

In „das Exemplarische Lehren als ein Weg zur Erneuerung des Unterrichts an den Gymnasien“453 (1952) taucht Eratosthenes nur am Rand auf. Dort stellt Wagenschein vor, wie man im Physikunterricht auf wissensgenetischem Weg „aus einer Einzelfrage das Ganze des Faches erreichen“ kann. Ausgehend von der Messung von Lichtwellenlängen gelangt Wagen-schein im Unterricht über die Frage, woher man die Lichtgeschwindigkeit kennt, zu Roemers Messungen im 17. Jahrhundert, die ihrerseits auf Aristarchs Berechnung der Entfernung zwischen Sonne und Erde beruhen. Aristarch hat sie wiederum nur auf der Basis der Entfer-nung des Mondes von der Erde ermitteln können, welche ihrerseits nur dadurch möglich wurde, dass Eratosthenes mit der Berechnung der Grösse der Erde ein erstes kosmisches Mass fand.

In „Erfahrung des Erdballs“454 (1967) stellt Wagenschein einen umfangreichen und vollständigen Lehrgang zur Kosmologie vor. Er beginnt mit der Erdgestalt, der als Kugel erschliessbaren Form der Erde. Bis zur – ebenfalls knappen – Erwähnung von Eratosthenes‟

Erdmessung werden in der Eröffnung des Lehrgangs vier streng sokratische Schritte gemacht, Zuerst wölbt sich die Erdoberfläche, wenn man wahrnimmt, dass der Unterteil von Schiffen

452 Wagenschein spricht von mehrfach von „Gesprächen“ (z. B. 1965, S. 523), die der Mensch mit der Natur führt. Mustergültig ist aus seiner Sicht Hans Cloos„ geologische Biographie „Gespräch mit der Erde“ (1951).

453 Wagenschein 1965, S. 216-241. Das Zitat entstammt S. 225.

454 Wagenschein 1995, S. 309-342. Das Zitat entstammt S. 313.

von einem Wasserberg verdeckt ist. Weltraumbilder zeigen die Erde bestenfalls als an den Rändern gekrümmte Scheibe. Aber auch der Wolkenhimmel ist kuppelförmig gewölbt. Auch das Reisen um die Erde beschreibt genau genommen nur einen Kreis. Kepler eröffnet die Erkenntnis des Aristoteles, dass der Polarstern bei Reisen nach Norden oder Süden gleichmässig auf und nieder geht: Nur bei der Bewegung auf einer Kugel kann dies so möglich sein! Wagenschein hebt hervor, dass Eratosthenes dieselbe Methode benutzt, um den Umfang der Erde zu bestimmen, „an der Sonne statt dem Stern.“ Der Lehrgang führt in drei weiteren Schritten über Mondfinsternisse zur schwebenden Erde und dann zum Antipoden-Problem und der Gravitation. Im Anschluss werden die Rotation und die Revolution der Erde in eigenen Teilen besprochen.

Sehr viel ausführlicher wird Eratosthenes in „Mathematik aus der Erde (Geo-metrie)“455 (1961/65) dargestellt. Auch hier steht Eratosthenes am Anfang eines Lehrgangs – allerdings dient er mit seiner Erdmessung diesmal als Einstieg in die Mathematik, bei dem man etwas davon spürt, „was Mathematik ist und kann“456 – es steht „‚exemplarisch‟ für das Verhältnis der Mathematik zur physischen Welt.“ Man erfährt, wie die Mathematik „im ursprünglichen Umgang mit der Welt im Menschen entsteht, aus ihm also und aus den Dingen hervorgeht.“457 Am Beispiel von Eratosthenes‟ Erdmessung stellt Wagenschein fest, dass nicht zuerst langweilig vermittelte (mathematische) Voraussetzungen geschaffen werden müssen, die erst dann auf die (physikalische) Welt angewandt werden können – eine solche übliche Auffassung vom mathematischen System zu seinen Anwendungen, hält er für

„pädagogisch blind oder doch unzureichend. […] Wie anders aber sieht diese Figur [zwei Parallelen werden von einer Geraden gekreuzt – es lassen sich gleich grosse Winkel finden, MJ] aus, wenn sie aus einer unser Denken herausfordernden Wirklichkeit herausgelesen wird, herausspringt: ‚ursprünglich‟.“ Wagenscheins Vorschlag baut also umgekehrt zum üblichen Vorgehen auf: Bei ihm geht es „von einem Sachproblem zu einem mathematischen Satz und von ihm aus zum System.“458 Einer herausfordernden Wirklichkeit sah sich Eratosthenes gegenüber, als er die Grösse der schwebenden Erdkugel berechnen wollte. Er stellte fest, dass am 21. Juni Gegenstände in Syene keinen Schatten werfen, während in Alexandria zur glei-chen Zeit ein Schatten fiel. Eratosthenes muss erkannt haben,

„dass die beiden Säulen, wie Stacheln auf einem krummen Igelrücken, auf einer gewölbten Erde stehen.“ 459 Er wusste, dass die Sonne sehr weit weg ist und die Sonnenstrahlen also parallel auf die Erde treffen. „Er wusste das nicht aus Bü-chern, wie wir Armen: Er sah es“, denn dieses Wissen um den Abstand der Sonne vom Zweiergespann Erde/Mond lässt sich an den Mondphasen erkennen. Mit zwei Streichhölzern auf einem Globus zeigt Wagenschein die schattenwerfenden Stacheln in Alexandria und Syene und entwirft an der Tafel ein entsprechendes Schema (Abbildung 5). An diesem Schema kann erkannt werden, dass der Winkel, der im Verborgenen, tief in der Erde liegt, sich im zugänglichen Schattenwurf in Alexandria wiederfindet. Von letzterem aus können wir auf den ersten schliessen: Die Macht der Mathe-matik wird augenfällig: „Ist der Winkel, oben in Alexandria am Obelisk, ein fünfzigstel Kreis – und so war es –, so ist es

455 Wagenschein 1995, S. 298-302.

456 Dieses und das nächste Zitat: Ebd., S. 301.

457 Dieses und das nächste Zitat: Ebd., S. 298. Hervorhebungen im Original.

458 Ebd., S. 302.

459 Dieses und das nächste Zitat: Ebd., S. 299.

Abbildung 5: Schema zur Erdmessung von Eratosthenes (Wagenschein 1995, S. 300)

auch der in der Erde. Der Weg von Assuan nach Alexandria ist also ein Fünfzigstel des Weges um die ganze Erde herum; des Weges, den damals noch niemand gehen oder fahren konnte, und von dem keiner wusste, über wie viele Meere, durch welche Wüsten und was für fremde Völkerschaften er führen könnte. Aber wie weit dieser Weg sein musste, das wurde jetzt klar: Fünfzigmal die Strecke Alexandria-Assuan, und die konnte man messen:

5000 ‚Stadien‟, fast 1000 km. […] Es kommt hier nur auf eine Zahl an: Fünfzig; und darauf, dass man im Altertum von der Strecke Syene-Alexandria eine Vorstellung hatte.“460 Die Schülerinnen und Schüler lernen, aus einem Sachverhalt der Wirklichkeit heraus zu abstra-hieren. Sie spannen mächtige und aufschlussreiche „Denklinien der Geometrie“461 um die Erde. Auch andere mathematische Sätze lassen sich aus der Erdmessung gewinnen: Wagen-schein zählt die Ähnlichkeitssätze, den Strahlensatz und die Winkelsumme im Dreieck auf, die im Fortschreiten in das mathematische System führen können, wenn sie über Beweise ver-bunden werden. In seinem letzten Paragraphen wird deutlich, dass Wagenschein diese Skizze nicht für eine direkte Unterrichtsvorlage hält – ihr fehlt z. B. die originale Begegnung. In einer Fussnote liefert er diese aber nach: Zwei Schulklassen, in Goldern und dem 710 Kilometer entfernten Bremen, massen 1965 gleichzeitig den Schattenwurf eines Ein-Meter-Stabes…

Zusammenfassung: Eratosthenes steht mit seiner Berechnung des Erdumfangs am Anfang einer langen Reihe exakter kosmologischer Erkenntnisse, die wissensgenetisch betrachtet in viele Themenkomplexe der Physik ausstrahlen. Gleichzeitig eröffnet seine Berechnung die Möglichkeit, aus einer historisch realen Problemstellung zum tieferen Verständnis grund-legender mathematischer Sätze zu gelangen. Eratosthenes hat eine Beobachtung auf der Erd-oberfläche angestellt, die er auf der Basis seiner kosmologischen und geometrischen Kennt-nisse ins Erdinnere weiterzudenken vermochte. Wird dieser Weg im Unterricht rekonstruiert – vom konkreten Problem in der Wirklichkeit zur abstrahierten Gesetzmässigkeit –, kann den Lernenden generell klar werden, wie die Mathematik oder die Wissenschaft zu Ergebnissen kommt. Eratosthenes Berechnung hätte grundsätzlich auch an der Veränderung der Polstern-höhe stattfinden können.

Fazit: Wagenscheins Himmelskunde fordert die Vermittlung einer ganzheitlichen Beziehung des Menschen zum Himmel, in der poetische oder religiöse Assoziationen neben den Erkennt-nissen der Wissenschaft bestehen dürfen: Der Himmel wird im Sinne des Pädagogen Eduard Spranger verwandelt bewahrt.462 Die sich aufdrängenden primären Begegnungen eröffnen die Möglichkeit, kulturauthentisch und wissensgenetisch von realen Problemen aus (Mondfinster-nissen, Mondphasen, unterschiedlichen Schattenlängen, …) zu abstrakten Erkenntnissen über die Wirklichkeit jenseits unserer Wahrnehmung zu gelangen. Stellvertretend wird deutlich, wie Wissenschaft funktioniert – und wo ihre Grenzen liegen. Der naturwissenschaftliche Fachlehrer soll der Dichtung in seinem Unterricht Platz einräumen. Eine besondere Rolle kommt in einem Lehrgang Eratosthenes zu, der mit seiner Berechnung der Erdgrösse – in der Sprache der Lehrkunst – eine Sternstunde der Kosmologie repräsentiert. Wagenschein fährt in seinem Unterricht über die kopernikanische Wende über Newton bis in die moderne Kosmo-logie fort. Aus der Sicht der Lehrkunst sind dies zwei weitere Teile einer kosmologischen Lehrstück-Trilogie, von der bislang nur der erste Teil im vorliegenden Lehrstück ausge-arbeitet ist.

460 Wagenschein 1995, S. 300 f. Hervorhebungen im Original.

461 Ebd., S. 301.

462 Vgl. ebd., S. 311.