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sion“ und „Extension“ (bezeichnet werden damit Begriffsbezug und Objektbezug, also „Sinn“ und

„Referenz“ in der Linguistik)132 die Rede, wobei die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Referenz und Wahrheitswert von Aussagen im Zentrum steht. Innerhalb der Linguistik zählt die Art der Relation zwischen Wörtern und Gegenständen zu den Untersuchungsthemen der Semantik, die sich mit den Fragen der Bedeutung von Wörtern und grammatischen Konstruktionen beschäftigt.

Demnach gehören die Diskussionen um die Referenz-Fragen primär zum Bereich der Referenzse-mantik, wobei besonderes Gewicht auf die Referenzpotenziale133 bzw. die Referenzeigenschaften sprachlicher Ausdrücke gelegt wird. Allerdings zählt Referenz vor allem zur pragmatischen Katego-rie, denn Referenz und Koreferenz,134 die den Sachverhalt bezeichnen, dass man mit Nomin-alphrasen unterschiedlicher Art (Eigennamen, Pronomina, Kennzeichnungen, Quantoren bzw.

Quantorenphrasen) auf Gegenstände referiert bzw. über sie weiterredet, gelten als wichtige pragma-tische Aspekte von Gesprächen und Texten.

Demnach wollen wir nun eine in Ansätzen bei P. F. Strawson entwickelte handlungstheoreti-sche Referenztheorie einführen, die einen theoretihandlungstheoreti-schen Grundbaustein der vorliegenden Arbeit bil-det. Mit dem Aufsatz „On Referring“ (1950, in: Strawson 1971) legt Strawson in seiner bekannten Kontroverse mit Bertrand Russell135 über definite Kennzeichnungen („definite descriptions“) seine Einsichten dar und nimmt somit eine notwendige Unterscheidung zwischen Ausdruck und Verwen-dung eines Ausdrucks vor: Nicht Ausdrücke beziehen sich von selbst auf Gegenstände der Welt, sondern man verwendet Ausdrücke, um sich auf Gegenstände der Welt zu beziehen136 („it is people

132 Gottlob Frege unterscheidet in seinem Aufsatz „Über Sinn und Bedeutung“ (1892, in: Frege 1969) zwei unter-schiedliche Aspekte der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke: Den einen nennt er Sinn, wobei er den innersprachlichen Begriffsbezug meint, den anderen Bedeutung (im Sinne der heutigen Referenz), wobei er die Bezugnahme auf den au-ßersprachlichen Gegenstand meint. In der Linguistik werden Freges Termini Sinn und Bedeutung allgemein durch Sinn und Referenz ersetzt, während sich in der Logik die von Carnap (1947) benutzten Ausdrücke Intension und Extension durchgesetzt haben. Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung in Vater 2005, 13.

133 Vgl. hierzu die folgende Erläuterung von Vater: „Zum Referenzpotenzial von Haus gehören alle existierenden und denkbaren Häuser, auf die sich dies Wort beziehen kann. Das Referenzpotenzial umfasst (wie „Extension“ in Logik und Mengenlehre) die Menge aller Elemente, auf die eine Bezeichnung zutrifft. [...] Während das Referenzpotenzial das einzelne Wort [...] betrifft, kommt Referenz einem Ausdruck oder Satz zu, der im konkreten Äußerungskontext von ei-nem Sprachproduzenten verwendet wird“ (Vater 2005, 14). Nebenbei bemerkt spricht John Lyons von „denotation“ im Sinne von „Referenzpotenzial“. Unter „denotation“ versteht er „the relationship that holds between that lexeme and persons, things, places, properties, processes and activities external to the language-system“ (Lyons 1977, 207).

134 Man spricht von Koreferenz, wenn durch sprachliche Ausdrücke auf einen vorerwähnten Gegenstand (bzw. vorer-wähnte Gegenstände) erneut Bezug genommen wird. Aufgrund der Sprachökonomie bzw. des Variationsprinzips ver-wendet man oft unterschiedliche Referenzausdrücke, um sich auf den gleichen Gegenstand zu beziehen (vgl. Abschnitt 3.3.2).

135 Als Ausgangspunkt der Kontroverse dient u.a. der viel zitierte Beispielsatz The king of France is bald. Vereinfacht gesprochen betrachtet Russell in seinem Aufsatz „On Denoting“ (1905) den Satz als eine logische Konjunktion, die aus zwei Aussagen besteht, nämlich Teilaussage (a) There is (at the present time) a king of France und Teilaussage (b) The king is bald. Da eine logische Konjunktion nur als wahr gelten kann, wenn ihre beiden Bestandteile wahr sind, hält Russell den Satz als Gesamtaussage wegen der Teilaussage (a) für falsch, weil es zu seiner Zeit keinen König von Frankreich gibt. Demgegenüber vertritt Strawson die Ansicht, dass Russell hiermit einen gängigen Kategorienfehler gemacht hat, nämlich dass sich Ausdrücke von selbst auf Gegenstände der Welt beziehen. Strawsons Auffassung nach verwendet man Ausdrücke, um sich auf Gegenstände der Welt zu beziehen. Ihm zufolge stellt Referenz eine Exis-tenz-Präsupposition und keine Assertion dar. Daher sind der Ausdruck the king of France und der Satz The king of France is bald an und für sich weder wahr noch falsch, sondern pragmatisch unangemessen, wenn es zum Zeitpunkt der Äußerung keinen König von Frankreich gibt und folglich die Existenz-Präsupposition referenzlos ist. Zur Kontroverse zwischen Russell und Strawson ist zu bemerken, dass die meisten Philosophen und Linguisten Strawsons Standpunkt vertreten (vgl. Vater 2005, 32).

136 Bemerkenswert ist, dass Strawsons Einsichten, die er 1950, also bereits vor der posthumen Veröffentlichung von

who mean, not expressions. People use expressions to refer to particular things“, Strawson 1950, 10). Unerlässlich im Hinblick auf die von Strawson vertretene Ansicht ist eine klare Unterscheidung zwischen (1) dem Sinn von Ausdrücken, (2) der Bedeutung von Ausdrücken, die in ihren in der Sprachgemeinschaft konventionalisierten Verwendungsweisen unter bestimmten Gebrauchsbedin-gungen (d.h. „the rules, habits, conventions governing its correct use“, Strawson 1950, 9) besteht,137 und (3) der Verwendung von Ausdrücken in einer bestimmten Kommunikationssituation. Demzu-folge stehen Ausdrücke nicht für Gegenstände der Welt, es besteht also keine ontologische Relation zwischen Ausdrücken und Gegenständen der Welt durch Referenz. Vielmehr ist das Referieren eine Sprecheraktivität, also eine kommunikative Aufgabe („task“, Strawson 1950, 17), die der Sprecher mit den Äußerungen erfüllen muss, um seinem Kommunikationspartner deutlich zu machen, über welchen Gegenstand er spricht.138 Dabei macht der Sprecher die Existenz-Präsupposition, d.h. die Voraussetzung, dass der Referent existiert.139 Da Referenz eine Existenz-Präsupposition und keine Assertion darstellt, ist ein Satz wie The king of France is bald an und für sich weder wahr noch falsch140 und kann von unterschiedlichen Sprechern in unterschiedlichen Kommunikationssituatio-nen verwendet werden, um jeweils auf unterschiedliche Gegenstände der Welt Bezug zu nehmen, etwas über sie auszusagen und somit einen bestimmten kommunikativen Zweck zu verfolgen.141

Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen (1953) dargelegt hat, mit Wittgensteins oben genannter Auffassung übereinstimmen. Dazu bemerkt Gloning: „Seine Auffassungen berühren sich in vielen Aspekten mit den Auffassungen Wittgensteins, ein wichtiger Unterschied besteht allerdings im Anspruch auf eine systematische Behandlung von Fragen des Sprachgebrauchs. In einer wichtigen Rezension zu Wittgensteins ‘Philosophischen Untersuchungen’, die Strawson im Jahr 1954 veröffentlichte, hat er Wittgensteins Auffassung vom therapeutischen Charakter philosophischer Sprach- und Bedeutungsanalyse als »fragwürdig« (debatable; 1954, 73) bezeichnet und die Möglichkeit systematischer Analyse verteidigt“ (Gloning 1996, 92).

137 Strawson betont vor allem die Wichtigkeit der sprachlichen Konventionen, auf denen die etablierten Verwendungs-weisen von Ausdrücken und somit auch die Handlungsmöglichkeiten des Sprechers bei der Verwendung der betreffen-den Ausdrücke beruhen. Mit der Aussage „the meaning is the set of rules, habits, conventions for its use in refer-ring“ (Strawson 1950, 10) begründet er sein Verfahren der Bedeutungsbeschreibung von Ausdrücken durch die Be-schreibung konventioneller Handlungsmöglichkeiten des Sprechers.

138 Diese Auffassung bildet offensichtlich eine Parallele zur späteren Auffassung von „Reference as a speech act“ in der Sprechakttheorie, wo das Referieren als Teilhandlung einer sprachlichen Handlung bezeichnet wird, die ein Sprecher beim Vollzug sprachlicher Handlungen durchführen muss (vgl. z.B. die Erläuterung in Gloning 1996, 95). Dies geht aus der folgenden Bemerkung von Strawson besonders deutlich hervor: „To refer is not to assert, though you refer in order to go on to assert“ (Strawson 1950, 15).

139 Bereits Frege (1892) spricht von „Voraussetzung“: Seiner Auffassung nach setzt der Sprecher z.B. mit der Äußerung Kepler starb im Elend voraus, dass mit der Verwendung des Ausdrucks Kepler „etwas bezeichne“ (Frege 1892, in: Fre-ge 1969, 54f.). Seitdem wird die Existenz-Präsupposition der Referenz in der Logik viel diskutiert. Auch Searle vertieft im Rahmen der Sprechakttheorie die Existenz-Präsupposition bei seiner Erörterung über die Axiome der Referenz (vgl.

Searle 1969, 77ff.).

140 Vgl. hierzu die folgenden Erläuterungen von Strawson: „The meaning of an expression cannot be identified with the object it is used, on a particular occasion, to refer to. The meaning of a sentence cannot be identified with the assertion it is used, on a particular occasion, to make“ (Strawson 1950, 9) und „we cannot talk of the sentence being true or false, but only of its being used to make a true or false assertion “ (Strawson 1950, 7, Hervorhebung im Original).

141 Wenn Sprecher A den Satz in der Zeit von Louis XIV. äußert, bezieht er sich damit offenkundig auf Louis XIV.

Demnach kann sein Hörer Louis XIV. als gemeinten Redegegenstand identifizieren und ferner das Zutreffen der Be-hauptung überprüfen bzw. sie als wahr oder falsch bewerten, falls er über diesbezügliche Informationsressourcen ver-fügt. Wenn Sprecher B den Satz zu einem Zeitpunkt (z.B. 2011) äußert, an dem es keinen König von Frankreich gibt, kann man der Äußerung keinen Wahrheitswert zuordnen, weil sie referenzlos ist. Allerdings kann ein Hörer durch Rückfragen wie Es gibt keinen französischen König mehr! Meinst du etwa den Präsidenten? eine kommunikative Klä-rung bezüglich der Existenz des Referenzträgers von Sprecher B fordern, um herauszufinden, was B eigentlich damit sagen will. Wenn Sprecher C nach der Äußerung The king of France is bald noch dazu sagt And he lives in a golden castle and has a hundred wives, wird seinem Hörer klar, dass er eine fiktive Geschichte erzählt, weshalb die Frage nach dem Wahrheitswert der Äußerungen aufgrund der Konventionen der literarischen Kommunikation als gegenstandslos

Diese Einsichten vertieft Strawson in seinem Essay „Identifying Reference and Truth-Values“ (1964, in: Strawson 1971), wobei er weitere Elemente nennt, die zum Kontext der Kommunikation zählen und sowohl für den Sprachgebrauch als auch für den Erfolg der Kommuni-kation von Bedeutung sind. Dazu gehört vor allem das sog. IdentifiKommuni-kationswissen („identifying knowledge“, Strawson 1964, 77). Wie Strawson darlegt, setzt erfolgreiche Referenz Identifikati-onswissen voraus: Mit der referenziellen Verwendung von Ausdrücken kann der Sprecher einen be-stimmten Gegenstand identifizieren, und diese kommunikative Aktivität gelingt, wenn sein Hörer weiß, welcher Gegenstand gemeint ist, wobei für den Erfolg einer solchen identifizierenden Refe-renz in der Regel ein darauf bezogenes Identifikationswissen erforderlich ist. Daher setzt der Spre-cher bei einer identifizierenden Referenz das notwendige Identifikationswissen beim Hörer voraus und verwendet einen geeigneten Ausdruck an der betreffenden Stelle der Kommunikation, um es anzusprechen bzw. zu aktivieren. Verfügt der Hörer tatsächlich über das Identifikationswissen, ist er meist in der Lage, durch den vom Sprecher gebrauchten Ausdruck den gemeinten Gegenstand problemlos zu identifizieren.142 Auf diese Weise macht Strawson den Zusammenhang von Wissen und Referenz deutlich. Da das Wissen der Kommunikationsteilnehmer (insbesondere Identifikati-onswissen und gemeinsames Wissen) ausschlaggebend für den Erfolg diverser kommunikativer Ak-tivitäten ist, die mit dem Einsatz von Referenzmitteln vollzogen werden, unterliegt das Meinen und Verstehen der Referenz eindeutig pragmatischen Prinzipien.

Aufgrund der allmählichen Durchsetzung von Strawsons pragmatischem Standpunkt treten die Intentionen bzw. Handlungen des Sprechers, die Äußerungssituation, die sprachlichen Konventio-nen und das Wissen der Kommunikationsteilnehmer in den Vordergrund der Referenzforschung. Im Rahmen der Sprechakttheorie (vgl. Searle 1969, 72ff.) wird Referenz – die wie die Prädikation zur Proposition gehört – etwa als eine Teilaktivität („Reference as a speech act“) aufgefasst, die ein Sprecher/Schreiber beim Vollzug einer sprachlichen Handlung gleichzeitig vollzieht.143 Dement-sprechend gehört Referenz im Rahmen der handlungsbezogenen und pragmatischen Texttheorie zur Handlungsstruktur von Texten und wird mit Hilfe von Referenzmitteln realisiert, die zum Aspekt der Äußerungsformen in Texten gehören.

gilt. Es wird deutlich, dass bei der Verwendung bzw. dem Verstehen von Ausdrücken in einer bestimmten Kommunika-tionssituation die sprachlichen Konventionen, der Verwendungszusammenhang, der Kontext (zum Kontext zählt Strawson u.a. „time, place, and any other features of the situation of utterance“, Strawson 1950, 14) usw. mit berück-sichtigt werden müssen. Demzufolge ist der Sprachgebrauch weit komplexer als die Darstellung von Sprache in der Logik mit Akzentuierung auf dem Wahrheitswert.

142 In diesem Fall ermöglicht dem Hörer sein Wissen auch dann die Identifikation des Redegegenstands, wenn er den vom Sprecher verwendeten Referenzausdruck für unklar (z.B. Hast du das mitgebracht? Du weißt schon, was), unpas-send (z.B. bei Der Mann im roten Pullover ist mein Nachbar, obwohl der besagte Pullover im Blickfeld oder auf dem Foto nicht rot, sondern violett ist, vgl. Fritz 1982, 176f.) oder sogar falsch (z.B. bei Deine Freundin Karin hat dich an-gerufen, wenn die besagte Freundin Kari heißt) hält. Aufgrund der ausschlaggebenden Rolle des Identifikationswissens ist eine zutreffende Verwendung von Referenzausdrücken also keine notwendige Bedingung für das Gelingen der iden-tifizierenden Referenz. Daher können auch indefinite Kennzeichnungen der Form ‚ein N‘ referenziell gebraucht werden, wenn das gemeinsame Wissen der Kommunikationspartner ausreicht, sodass klar wird, von welchem Gegenstand die Rede ist.

143 Searle zufolge werden beim Vollzug einer sprachlichen Handlung (Sprechakt) mehrere Teilhandlungen gleichzeitig vollzogen, nämlich der Äußerungsakt, der propositionale Akt (der den Referenzakt und den Prädikationsakt umfasst), der illokutive Akt und der perlokutive Akt (vgl. Searle 1969).