2.4 Elektrophysiologische Untersuchungen
2.4.2 Grundlagen der Strom-Quellen-Dichte-Analyse
genaueren Analyse der Stromquellen- und senken moglich ware, erkannte der Mathe-matiker Walter Pitts. Pitts (1952) schlug dazu im Rahmen der sogenannten Macy-Konferenzen die Analyse von extrazellularen Feldpotentialen anhand der Methode der Strom-Quellen-Dichte-Analyse vor. Die Analyse der Strom-Quellen-Dichte (im Folgenden CSD aus dem Englischen: current-source-density) berechnet dabei Strom-quellen und -senken im Extrazellularraum als Indikatoren fur neuronale Aktivitat aus hoch aufgelosten Feldpotentialen (in Form der zweiten raumlichen Ableitung, siehe folgender Abschnitt). Bei einem Einwartsstrom positiver Ladung kommt es so zu einer extrazellularen Stromsenke (z.B. durch eine exzitatorische Synapsenpo-pulation: CSD<0) und bei Auswartstrom positiver Ladung zu einer extrazellula-ren Stromquelle (z.B. Ausgleich des Stromdezits uber Kationenaustrom: CSD>0).
Transmembranstrome negativer Ionen tragen entsprechend umgekehrt zur Strom-Quellen-Dichte bei. Bereits Pitts (1952) erkannte, dass die CSD-Transformation der lokalen Feldpotentiale eine Auosung der Aktivierung synaptischer Populationen mit bisher nicht erreichter raumlicher und zeitlicher Prazision erlaubte.
2.4.2.1 Physikalische Grundlagen und mathematische Berechnung
Die Elektrostatik klart den Zusammenhang zwischen der Verteilung elektrischer La-dung und dem dazugehorigen Potential durch die Poisson'sche Gleichung (siehe Glei-chung 2.1). Nach der Poisson'schen GleiGlei-chung ist die zweite raumliche Ableitung des Potentials proportional zur Dichte der elektrischen Ladung (CSD):
CSD = r r (2.1)
Die Poisson'sche Gleichung verlangt dabei die Kenntnis des Potentials , sowie des Leitfahigkeitstensors an allen Punkten im Raum. Jedoch kann das Medium des Cortex in der lateralen Ausdehnung (y-Achse) und uber die corticalen Schichten hinweg (z-Achse) als weitgehend homogen (isotrop) angesehen werden. Neuere Ar-beiten bestarken diese Auassung eines quasi-ohmschen corticalen Impedanzspek-trums (Logothetis et al., 2007). Uber die Berechnung eines Dierenzenquotienten
der Potentiale entlang der x-Achse kann demnach die zweite raumliche Ableitung naherungsweise auch bestimmt werden, wenn nur abschnittsweise das Potential be-kannt ist.
Basierend auf dem laminaren Prol der lokalen Feldpotentiale, welches mit den oben vorgestellten linearen Ableit-Arrays gemessen wird, kann somit die ein-dimensionale CSD, als die zweite raumliche Ableitung dieser, wie folgt berechnet werden:
CSD (z + nz) 2(z) + (z nz)
nz2 (2.2)
wobei das LFP, z die raumliche Koordinate senkrecht zur corticalen Schich-tung, z das Abtastintervall (Inter-Kanalabstand) und n die Groe des raumlichen Filters darstellt, uber welchen der jeweilige CSD-Wert berechnet wird (Nicholson
& Freeman, 1975; Mitzdorf, 1985, 1986; Steinschneider et al., 1992). Zur Berech-nung der CSD wurden die LFP-Prole mit einer gewichteten Mittelung (Hamming-Fensterung) uber 5 Ableitkanale (korrespondierend mit einem raumlichen Filter-Kernel von maximal 300 m) geglattet. Um dadurch die oberen und unteren Mes-spunkte nicht zu verlieren, wurde zuvor eine entsprechende lineare Extrapolations-methode angewandt, welche davon ausgeht, dass durch lineare Gradienten keine wei-teren Veranderungen der zweiten raumlichen Ableitung der Feldpotentiale entsteht (Tenke et al., 1993; Jeschke, 2006; Happel et al., 2010b).
2.4.2.2 Interpretation von Strom-Quellen-Dichte-Verteilungen
Die Vorteile der CSD-Transformation laminarer Feldpotentiale liegt in einer refe-renzfreien und raumlich hoch aufgelosten Reprasentation der Richtung, Lokalisation, sowie Intensitat transmembranaler Strome, welche dem evozierten LFP unterliegen (Nicholson & Freeman, 1975; Mitzdorf, 1985, 1986). Klassischerweise kann anhand von Stromsenken auf depolarisierende synaptische Prozesse ruckgeschlossen werden (siehe Abbildung 2.4), welche vornehmlich auf exzitatorische Synapsenpopulatio-nen zuruckzufuhren sind (Mitzdorf, 1985, 1986). Stromquellen werden weitgehend als passive Ruckstromprozesse angesehen (Mitzdorf, 1985; Schroeder et al., 1998).
Abbildung 2.4: Strom-Quellen-Dichte-Verteilungen und Ruckschlusse auf die Lokalisa-tion synaptischer Aktivitaten. Durch Ableiten der laminaren Feldpotentiale uber alle Schich-ten hinweg kann die zweite raumliche Ableitung gebildet werden. Die daraus resultierende Strom-Quellen-Dichte-Verteilung (CSD) zeigt in der farbcodierten Darstellung Senken in blau und Quellen in rot. Diese geben Ruckschlusse auf die laminare Lokalisation postsynaptischer Aktivitaten (weit-gehend) exzitatorischer synaptischer Populationen. Die entsprechenden Kreisstrome sind durch die gestrichelten Pfeile gekennzeichnet (links).
Aufgrund der Superposition, also der raumlichen und zeitlichen Uberlagerung von Stromquellen und -senken, mussen mogliche Ausloschungsphanomene aktiver Pro-zesse berucksichtigt werden. Demnach berucksichtigt man bei der Interpretation der Strom-Quellen-Dichte-Verteilungen immer die anatomischen Grundkenntnisse der jeweiligen Struktur. Bis auf wenige Ausnahmen (Kaur et al., 2005; Lakatos et al., 2005) wurde die CSD-Analyse bislang weitgehend qualitativ genutzt. Aus diesem Grund sollen die verwendeten quantitativen Auswertungsstrategien im Folgenden ausfuhrlich erlautert werden.
2.4.2.3 Bestimmung der Latenzen und Amplituden einzelner CSD-Komponenten
Die Bestimmung der Latenzen und Amplituden einzelner Senken und Quellen wurde zunachst fur jeden einzelnen Ableitkanal uber automatisierte Algorithmen in Mat-lab vollzogen und gegebenenfalls per Hand korrigiert. Die Extremwerte der Senken und Quellen wurden als Peak-Amplitude bestimmt (Kaur et al., 2004). Gleichzeitig wurde auch die Latenz der Extremwerte bestimmt (Peak-Latenz). Die Bestimmung von Onset-Latenzen wurde ebenfalls uber einen automatisierten Prozess vollzogen.
Dabei ist die einfache Bestimmung des Schnittpunktes mit einem Schwellenkrite-rium, z.B. der dreifachen Standardabweichung der Grundlinie (3-SD-Kriterium), kein Amplituden-unabhangiges Ma (siehe Kaur et al., 2004). Um die tatsachlichen Onset-Latenzen genauer zu bestimmen, wurde daher in der vorliegenden Arbeit ei-ne liei-neare Regressionsgerade durch den Schnittpunkt mit der 3-SD-Schwelle gezogen und deren Schnittpunkt mit der Grundlinie als Onset-Latenz deniert. So werden unterschiedlich steile Anstiege der Deektion ausgeglichen und der tatsachliche Be-ginn der Deektion unabhangig von der Amplitude bestimmt. Das Fenster fur die Berechnung der Regressionsgeraden betrug 2 ms. Die folgende Deektion musste dabei mindestens 5 ms uberschwellig sein.
Fur die Bestimmung der Bestfrequenzen (BF) anhand von Strom-Quellen-Dichten konnen verschiedene Kriterien angewendet werden. So lassen sich Abstimmkurven anhand von Peak-Amplituden und Peak-Latenzen bestimmen, genauso wie anhand von Onset-Latenzen. Alle Kriterien lieferten ubereinstimmende Daten, so dass die BF letztlich als die Frequenz der Reinton-Stimulation deniert wurde, welche die hochste Peak-Amplitude der granularen Senke evozierte.
2.4.2.4 Analyse der gleichgerichteten CSD und der relativen Residuen
Summiert man die gemittelten Absolutbetrage der Stromquellen und -senken, so ergibt sich ein Ma des transmembranalen Gesamtladungsusses uber die cortica-len Schichten hinweg. Da nur die Absolutbetrage der Strom-Quelcortica-len-Dichte beruck-sichtigt werden, spricht man von der gemittelten, gleichgerichteten
Strom-Quellen-Dichte. Diese Form der Berechnung wird im Folgenden konform der englischsprachi-gen Literatur mit AVREC (averaged rectied CSD) bezeichnet (Givre et al., 1994;
Schroeder et al., 1998). Die AVREC wurde zunachst wie folgt auf Einzeltrial-Basis berechnet und schlielich uber die Trials gemittelt:
AV REC(t) = Pn
i=1jCSDnj(t)
n (2.3)
n sei hierbei und in der folgenden Gleichung 2.4 die Anzahl der Kanale entlang der Ableitachse. Die Reizfrequenzen, welche die hochste Peak-Amplitude der AVREC(t) evozierten, waren in den meisten Fallen identisch mit der BF nach zuvor beschrie-bener Denition oder wichen wenn, nur um eine Oktave von der BF ab.
Nach den Gesetzen der Elektrostatik ist es eine physikalische Notwendigkeit, dass sich Senken und Quellen zu Null aufsummieren und eine Ladungsausgeglichenheit herrscht. Die CSD-Transformation laminarer Feldpotential-Ableitungen reektiert dabei weitgehend die lokalen Stromquellen und -senken, welche innerhalb eines Zy-linders um die Ableitachse herum auftreten, in welchem die extrazellularen Strome mageblich das LFP bestimmen (siehe Katzner et al., 2009). Demnach sollte eine La-dungsausgeglichenheit nur dann erwartet werden, wenn die ihnen zugrunde liegenden neuronalen Quellen innerhalb dieses Zylinders entlang der Ableitachse liegen. Diese Art der ausgeglichenen Ladungsverteilung der lokalen Feldpotentiale entlang der Ab-leitachse kann mit einer Analyse der relativen Residuen der CSD untersucht werden.
Die relativen Residuen der CSD berechnen sich aus der Summierung der vorzeichen-behafteten Amplitudenwerte der einzelnen Quellen und Senken uber alle Kanale hinweg, welche anschlieend durch die Summe aller Absolut-Amplitudenwerte zu gegebenem Zeitpunkt t dividiert werden (Harding, 1992). Dadurch sind die relati-ven Residuen ein dimensionsloses Ma, der durch den lokalen Poisson-Ansatz nicht aufgeklarten Strom-Quellen-Dichte. Auch hier wurde die Berechnung zunachst auf Einzeltrial-Ebene durchgefuhrt und anschlieend uber alle Trials gemittelt:
RelResid(t) = Pn
i=1CSDn(t) Pn
i=1jCSDnj(t) (2.4)
Fur die quantitative Auswertung der AVREC und der relativen Residuen wurden die Einzeltrial-CSD-Wellenformen ohne raumliche Filterung verwendet. Zur Bestim-mung der Onset-Latenzen der AVREC und relativen Residuen wurden die Zeitpunk-te bestimmt, an welchen die Wellenformen einen Schwellenwert drei Standardabwei-chungen uber der Grundlinie fur mindestens 5 ms uberschritten haben.