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5 Diskussion

5.2 Darstellung des Antifoulingpotenzials

5.2.4 Funktionalisiertes Tetraetherlipid – medizinische Applikation

0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 120,0

Feld TW 24h FW 24h

Zellzahl bezogen auf B33 [%]

B33 TL PC TL Kombi TL TL negativ TL PEG

Abb. 57: Zellzahl, bezogen auf Referenzglas B33 im Feld und im in vitro-Versuch, Substrat: B33

Haque et al. [240] untersuchten in einer aktuellen Studie die Effizienz des zellzerstörenden Moleküls Natriumbenzoat, gebunden an Silikonoberflächen. Sie inkubierten die modifizierten Oberflächen in einer Flusswasserbatchkultur der Isolate des Erie-Sees und erreichten eine Reduzierung der Biofilmbildung um 50% in den ersten 4 Wochen. Wird das Verfahren jedoch direkt im Fluss verwendet, messen die Autoren keine signifikante Reduktion mehr und führen dies auf die harscheren realen Umgebungsbedingungen zurück. Das vorliegende Ergebnis des eigenen Feldtests liefert hier dagegen eine verbesserte Situation im Vergleich zu den in vitro-Testungen im Labor.

Es ist festzustellen, dass die Größenordnungen (Zahl adhärierter Bakterien je Fläche) den allgemeinen Literaturwerten entsprechen z.B. für eine Adhäsion nach 2 - 5h [241, 242] sowie für eine Adhäsion über 24h [243]. Gleiches gilt für die in Kap. 4 angegebenen Standardabweichungen. In Monokulturen werden Abweichungen bis zu 30 - 40% publiziert, welche zudem von dem untersuchten Mikroorganismus abhängt [91]. Dies vervielfältigt sich teilweise bei Mischkulturen und Feldtests [240, 243-245].

Desgleichen bestätigt sich der Gebrauch von 3 Wiederholungen und 5 – 10 mikroskopischen Aufnahmen zum Erreichen einer statistisch verlässlichen Bewertung [101, 112, 243, 246].

Die vergleichende Betrachtung der Ergebnisse der Laboranalysen und des Feldtests lassen die Annahme zu, dass die gewählte Methodik der in vitro-Bioadhäsionsmessungen eine im Feld nicht existente Härteprüfung darstellt.

SaSe statisch

0,0E+00 2,0E+06 4,0E+06 6,0E+06 8,0E+06 1,0E+07

B33 TL PC TL CF TL negativ

TL PEG TL TL

positiv TL Kombi

Zellzahl [/cm2]

Abb. 58: Zahl adhärierter Mikroorganismen der Staphylokokken-Mischkultur, statische Messung, nach 24 h, Substrat: B33

0,0E+00 2,0E+06 4,0E+06 6,0E+06 8,0E+06 1,0E+07 1,2E+07

B33 TL positiv

TL Kombi

TL negativ

TL TL PC TL CF TL PEG

Zellzahl [/cm2]

BL120 SaSe 1200min

Abb.59: Zellzahl der Staphylokokken-Mischkultur nach 2 und 20 h, Substrat: B33

0,0E+00 2,0E+06 4,0E+06 6,0E+06 8,0E+06 1,0E+07

SIK SIK TL negativ

SIK TL positiv

SIK TL PEG

SIK TL SIK TL CF

SIK TL Kombi

Zellzahl [/cm2]

SaSe 120 SaSe 1200min

Abb. 60: Zellzahl der Staphylokokken-Mischkultur nach 2 und 20 h, Substrat: Silikon

Die Analyse des Antifoulingverhaltens führt zu folgender Zusammenfassung:

- Auf dem Referenzsubstrat, der unbeschichteten Glasoberfläche B33, werden nach 24 h gegenüber dem unmodifiziertem Polymer geringfügig höhere Zellzahlen erreicht. Zugleich führt die Lipidierung der Glasoberflächen und deren Funktionalisierung zu deutlicheren Effekten hinsichtlich einer reduzierten Zellzahl im Vergleich zu den beschichteten Silikonproben.

- Am Ende der Seedphase zeigt sich auf den beiden Substraten ein abweichendes Resultat. Auf der Glasoberfläche ist nach 120minütiger Inkubation keine Reduzierung der bakteriellen Adhäsion detektierbar. Im Gegenteil, das unbeschichtete Glas weist nach der Probe TL PEG die geringste Zellzahl auf. Die Proben TL PC und TL Kombi zeigen eine mehr als vierfach erhöhte Adhäsion.

Die unbeschichtete Silikonoberfläche dagegen weist schon nach der Seedphase die erwartete höchste Zellzahl auf. Parallel dazu wird hier für die Modifizierung TL Kombi das beste antiadhäsive Ergebnis erzielt.

- Demgegenüber führen im Vergleich zu den Ergebnissen in wässriger Umgebung z.B. die Proben TL PC und TL CF nach 24 h zu einem erfolgreichen Antifoulingverhalten, während die Probe TL positiv deutlich schlechter abschneidet. Das unmodifizierte TL und die peggylierte Probe TL PEG weisen erneut vielversprechende Ergebnisse auf.

- Die funktionalisierten Silikonoberflächen bestätigen das Ergebnis weitestgehend. Die Proben SIK TL PEG, SIK TL und SIK TL CF zeigen die stärkste Reduzierung der Zellzahl nach 24 h.

Allein die Probe SIK TL Kombi führt im Gegensatz zu den Messungen auf Glas zu dem besten Antifoulingverhalten als Modifizierung des Silikons.

Die ermittelten Zellzahlen auf Glas und Silikon liegen in vergleichbaren Größenordnungen. Ein essentieller Effekt durch die rauere Polymeroberfläche wurde nicht detektiert. Unter Bezugnahme auf die in Kap. 4 präsentierten AFM-Analysen an beiden Substraten kann die Oberfläche als glatt eingeschätzt werden unter Beachtung der durchschnittlichen Bakteriengröße im Mikrometerbereich. Dies entspricht einer Aussage von Bos et al.[29] dahingehend, dass die Rauigkeit nur bedingten Einfluss auf die bakterielle Adhäsion zeigt.

Vacheethasanee et al.[247] verglichen glatte Graphit- und Polyethylenoberflächen, welche sie mit PEG in unterschiedlichen Konzentrationen modifizierten. Die Autoren diskutierten den Einfluss des Substratmaterials, da ein verbessertes Antifouling (S. epidermidis) durch die Behandlung des glattem Graphits detektiert werden konnte im Vergleich zum modifiziertem Polymer. Zurückgeführt wurde dies auf die Risse und Oberflächendefekte des Polymers und die damit verbundene geringere Oberflächendichte der Schicht - ein Effekt, der mit der hier vorliegenden Lipidierung des Silikon vergleichbar ist.

Dementsprechend ist ein analoges Resultat der eigenen Ergebnisse erkennbar. Die Funktionalisierung der Oberflächen mit Tetraetherlipid in Kopplung mit Polyethylenglykol führte auf der Glasoberfläche zu einer Reduzierung der Bioadhäsion auf ca. 10% (Probe TL PEG) während auf dem Silikon maximal eine Verminderung auf 30% (Probe TL Kombi) abgeleitet werden konnte. Die inhomogene Beschichtung des Silikons aufgrund der Oberflächentopografie (siehe Kap. 5.1) kann die Ursache dessen darstellen.

Harris et al.[112] untersuchten auf mit PEG modifiziertem Titan das Adhäsionsverhalten von S. aureus.

Nach 1h wurde eine Reduzierung der Adhäsion um mehr als 90 % ermittelt. Nach 24 h konnte jedoch nur noch eine Reduzierung von 30 – 50% nachgewiesen werden. Auch dieser Effekt lässt sich in den eigenen Ergebnissen insbesondere auf dem Referenzglas wiederfinden. Des weiteren stellten die Autoren eine zunehmende Clusterbildung der Bakterien auf der peggylierten Oberfläche fest aufgrund stärkerer Wechselwirkungen zwischen den Organismen als zum Material. Die Analyse der eigenen Untersuchungen zeigt nun auf den einzelnen Modifizierungen ebenfalls unterschiedliche Arrangements der adhärierten Organismen (Abbildung 61 – 62).

Sowohl auf dem unmodifizierten Lipid als auch auf der Probe TL PEG ist eine Agglomeration der Bakterien nach der Feedphase festzustellen, während die Organismen auf den Proben TL negativ und TL Kombi eine homogene Verteilung aus Einzelorganismen oder Gruppen bis zu 5 Zellen aufweisen. Auf der unbeschichteten Glasoberfläche zeigt sich im Vergleich ein dichter bakterieller Rasen. Aufnahmen auf dem beschichteten Silikon bestätigen diese Aussagen: (i) ein geschlossener Rasen auf der unbehandelten Polymeroberfläche, (ii) Clusterbildung nach der Lipidierung und (iii) homgene kleinere Gruppen auf der Probe SIK TL negativ. Umfassendere und vergleichbare Aussagen zur räumlichen Verteilung der adhärierten Bakterien präsentierte die Arbeitsgruppe um Busscher et al [29, 248] und aktuell bei Allion et al.[92]

B33 B33 TL B33 TL negativ

Abb. 61: CLSM-Aufnahmen, Struktur adhärierte Mikroorganismen, Ausschnitt: 100 x 100 µm

SIK SIK TL SIK TL negativ

Abb. 62: CLSM-Aufnahmen, Struktur adhärierte Mikroorganismen, Ausschnitt: 100 x 100 µm

Die Arbeiten an monomolekularen Tetraetherlipidschichten mit dem Ziel des Antifoulings sind inhaltlich gut vergleichbar mit der Entwicklung an Phospholipidbilayern, was die nachfolgende Diskussion verdeutlicht. Sie beruhen auf verwandten Wirkprinzipien und bilden analoge Schichtstrukturen aus.

Kim et al.[249] untersuchten monomolekulare Phospholipid-Beschichtungen, welche (i) physikalisch adsorbiert und (ii) auf silanisierten Oberflächen kovalent gekoppelt vorlagen. Sie zeigten erwartungsgemäß eine geringe Stabilität der adsorbierten Filme in Waschprozessen und bei der Sterilisation. Die beiden Bindungstypen führten zu unterschiedlichen biologischen Reaktionen.

Park et al.[143] modifizierten Polyurethanoberflächen mit PEG unterschiedlicher Kettenlänge sowie durch kurze Moleküle: Hydroxyl-, Amino- und Sulfonatgruppen bzw. Heparin. Sie zeigten in mit S. epidermidis und E. coli eine starke Abhängigkeit des Antifoulingverhaltens von der zunehmenden Kettenlänge des PEG. Demgegenüber führten die zusätzlich gekoppelten Moleküle zu signifikanten aber geringeren Effekten, wobei die Amino- und die Sulfonatgruppe eine weitere Reduzierung der Adhäsion bewirkten. Im Vergleich zu den eigenen Messungen speziell der medizinischen Applikation, welche ebenfalls die Adhäsion von Infektionskeimen behandelte, erscheint ein vergleichbares Bild: die Modifizierung mit PEG 3000 führte zu einer signifikanten Reduktion der Adhäsion, und es wurde durch die Kopplung von Sulton bei der Probe TL negativ und der Probe TL Kombi ein Antifouling erreicht.

Die dargestellte Analyse des Antifoulingpotenzials der Tetraetherlipidschichten und ihrer Funktionalisierungen lässt sich insgesamt in einer positiven Bilanz zusammenfassen. Die erreichte Reduzierung der bakteriellen Adhäsion im in vitro-Laborversuch ist grundsätzlich mit den Darstellungen anderer Arbeitsgruppen vergleichbar. Insbesondere im Feldtest wurde ein deutlich messbares Antifoulingverhalten erreicht.

Die Beschichtung der Materialien mit dem Tetraetherlipid allein zeigt bereits durchgehend einen die Bioadhäsion reduzierenden Effekt.

In den Applikationswässern werden im Labor Adhäsionsminderungen um bis zu 40% in Fluss- und Trinkwasser erreicht, während im Abwasser nur eine Verringerung der Adhäsion um 20 - 25%

ermittelt wurde. Die unterschiedlichen Funktionalisierungen führen in den drei Wässern zu einer variierenden Rangfolge in ihrem Antifoulingpotenzial. Für die Proben TL PEG, TL negativ, TL positiv sowie für das unmodifizierte TL lässt sich insgesamt in allen wässrigen Medien eine positive Bilanz ziehen. Demgegenüber führen die Proben TL PC und TL CF nach 24 h zu einem erfolgreichen Antifoulingverhalten im Infektionsmodell. Das unmodifizierte TL und die peggylierte Probe TL PEG weisen erneut vielversprechende Ergebnisse auf. Die funktionalisierten Silikonoberflächen bestätigen das Ergebnis weitestgehend. Allein die Probe SIK TL Kombi führt im Gegensatz zu den Messungen auf Glas zu dem besten Antifoulingverhalten als Modifizierung des Silikons.

Die Analyse der Adhäsionsmessung mit Einzelorganismen an einer lipidierten Glasoberfläche weist auf eine konkurrierende Adhäsion mehrerer Organismen in der Mischkultur hin. Das Adhäsionspotenzial der einzelnen Mikroorganismen variiert drastisch.

Die bildliche Darstellung der adhärierten Staphylokokken deutet zudem auf den Effekt der funktionalisierten Lipidschichten bezüglich der Biofilmstruktur: mit der Beschichtung werden unterschiedliche Clusterbildungen erreicht.

Der Aufbau des Bioadhäsionsmessplatzes auf der Basis von Laborbioreaktoren, gekoppelt an die Anwendung applikationsspezifischer mikrobiologischer Mischkulturen weist die erwarteten Möglichkeiten in der in vitro-Laborprüfung auf. Als zentrale Basis des gewählten Methoden-spektrums unter Einbeziehung von Modellanalysen mit Einzelorganismen zum Einen und der Realisierung von praxisrelevanten Feldtest zum Zweiten ergibt sich ein umfassendes Bild des erreichten Antifoulingpotenzials. Letztendlich ist auf dieser Grundlage eine Optimierung der Testmethodik bezüglich der labortechnische Umsetzbarkeit einer praxisrelevanter Biofilmprüfung ermöglicht.