5 Diskussion
5.2 Darstellung des Antifoulingpotenzials
5.2.3 Funktionalisiertes Tetraetherlipid - Gewässermonitoring
Einen ersten Überblick über die unterschiedlichen Effekte der jeweiligen Lipidfunktionalisierung gewährt das Ergebnis der statischen Messung der Bioadhäsion über 24 h in Flusswasser. Die Modifizierungen TL PEG und TL negativ führen nicht zu einer Reduzierung der Zellzahl. Die Probe TL Kombi, welche beide Modifizierungen verbindet, zeigt andererseits etwa 30 % weniger Bioadhäsion. Die viel-versprechendste Funktionalisierung stellt die zwitterionische Modifizierung der Probe TL PC dar.
total
0,0E+00 2,0E+06 4,0E+06 6,0E+06 8,0E+06
TL PEG B33 TL CF TL
negativ TL positiv
TL TL
Kombi TL PC
Zellzahl [/cm2]
Abb. 55: Zellzahl in Flusswasser, statisch nach 24 h, Substrat: B33
Die Abbildung 56 stellt die Ergebnisse der dynamischen Bioadhäsionsmessungen nach 24 h in den Applikationswässern: Fluss-, Ab- und Trinkwasser gegenüber. Sie erlaubt zunächst den Vergleich der einzelnen Tetraetherlipidmodifizierungen untereinander bezüglich ihres Antifoulingverhaltens, sowie zusätzlich die direkte Gegenüberstellung der unterschiedlichen biologischen Systeme.
a)
FW 24h
0,0E+00 5,0E+05 1,0E+06 1,5E+06 2,0E+06 2,5E+06 3,0E+06 3,5E+06
B33 TL CF TL PC TL Kombi
TL TL
negativ
TL PEG TL positiv
Zellzahl [/cm2]
b)
AW 24h
0,0E+00 1,0E+06 2,0E+06 3,0E+06 4,0E+06 5,0E+06 6,0E+06 7,0E+06
B33 TL CF TL PEG TL Kombi
TL negativ
TL PC TL positiv
TL
Zellzahl [/cm2]
c)
TW 24h
0,0E+00 5,0E+05 1,0E+06 1,5E+06 2,0E+06 2,5E+06 3,0E+06
TL CF B33 TL PC TL
Kombi
TL PEG TL negativ
TL positiv
TL
Zellzahl [/cm2]
Abb. 56: Zellzahl in Modellwässern, dynamisch nach 24 h, Substrat: B33 a) Flusswasser, b) Abwasser, c) Trinkwasser
Der Vergleich der eingesetzten Applikationswässer weist auf signifikante Unterschiede:
- Im Fluss- und Trinkwasser werden drastischere Differenzen zwischen den Modifizierungen ermittelt. Hier führen einzelne Modifizierungen zur Reduzierung der Zellzahl um bis 40%, während im Abwasser nur eine Verringerung der Adhäsion um 20 - 25% erreicht wurde.
- Nach 24 h Inkubation werden im Abwasser für alle Schichten höhere Zellzahlen (bis zu 6 x 106/cm2) ermittelt, in Trink- und Flusswasser dagegen nur Zellzahlen von ca. 3 x 106/cm2. Dies wird auf die verstärkte Proliferation der Organismen im Abwasser zurück geführt.
- Die unterschiedlichen Funktionalisierungen führen in den drei Wässern zu einer variierenden Rangfolge in ihrem Antifoulingpotenzial. So nehmen die Proben TL CF, TL Kombi und TL positiv eine stets wiederkehrende Position in der Gegenüberstellung ein, während andere Modifizierungen z.B. TL PC und TL PEG erkennbar medienabhängige Ergebnisse zeigen. Die Diskussion dieses Einflusses der entstehenden Wasserbarriere wird in Kap. 5.3 geführt.
Die Beurteilung des erreichten Antifoulings funktionalisierter Tetraetherlipide in wässrigen Medien zeigt:
- Für die Proben TL PEG, TL negativ, TL positiv sowie das unmodifizierte TL lässt sich insgesamt in allen wässrigen Medien eine positive Bilanz der reduzierten Bioadhäsion ziehen.
- Der Probe TL CF ist kein signifikantes Antifoulingpotenzial zuzuschreiben.
- Für die Proben TL PC und TL Kombi wurde im Durchschnitt nur eine mittelmäßige Reduzierung der bakteriellen Adhäsion ermittelt.
Betrachtet man die Ergebnisse der mikroskopischen Analyse nach 5 h Inkubation, dem frühestem Stadium der Biofilmbildung, so ergibt sich eine leicht geänderte Darstellung:
- Während die Probe TL negativ auch nach kurzer Testdauer in allen Medien ein gutes Antifoulingverhalten zeigt, weichen die Zellzahlen der Proben TL PEG und dem unmodifiziertem TL zu diesem Zeitpunkt teilweise drastisch von dem zuvor beschriebenem Endwert ab. Ein gegensätzliches Verhalten präsentiert die Probe TL CF. Nach kurzer Inkubationszeit ist für diese Modifizierung grundsätzlich eine Reduzierung der Adhäsion dargestellt, während ebenso prinzipiell die Probe TL CF nach 24 h die höchsten Zellzahlen zusammen mit dem unmodifiziertem Glas erreicht.
- Es wird infolgedessen davon ausgegangen, dass diese Funktionalisierungen erst nach mehreren Stunden eine Art Gleichgewichtszustand der Bioadhäsion erreichen. Die Ausbildung einer antiadhäsiv wirkenden Wasserbarriere aufgrund der Hydratation z.B. an Probe TL PEG wird unter Umständen erst nach einiger Zeit wirksam. Andererseits wird am Beispiel der Probe TL CF angedeutet, dass hydrophobe Effekte in fortwährendem Kontakt mit wässrigen Medien unter Strömungsbedingungen nur bedingt über längere Zeiträume stabil sein können.
Im Kapitel 4.3.3 werden die Ergebnisse des Feldversuches in der Talsperre Neustadt präsentiert. Es zeigt sich im Feld ein offensichtliches Antifouling an allen getesteten Tetraetherlipidmodifizierungen. Die nachfolgende Abbildung 57 verdeutlicht dies durch einen Vergleich der im Feld nach mehreren Wochen ermittelten Zellzahlen mit den Ergebnissen der in vitro-Labortestungen nach 24 h.
Es wird sowohl im Vergleich zum Trinkwasser als auch zum Flusswasser im Feld ein drastischerer Antifoulingeffekt durch die funktionalisierten Lipide offensichtlich. Diese deutliche Reduktion lässt sich partiell auf die geringere Anzahl von Mikroorganismen im Habitat der Trinkwassertalsperre und die geringere Umgebungstemperatur zurückführen. Dessen ungeachtet wurde der Feldversuch über einen ausreichend langen Zeitraum in einer biologisch aktiven Periode realisiert und präsentiert somit aussagekräftige Resultate für die mögliche Applikation der entwickelten Schichten auf technischen und sensorischen Funktionsflächen.
0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 120,0
Feld TW 24h FW 24h
Zellzahl bezogen auf B33 [%]
B33 TL PC TL Kombi TL TL negativ TL PEG
Abb. 57: Zellzahl, bezogen auf Referenzglas B33 im Feld und im in vitro-Versuch, Substrat: B33
Haque et al. [240] untersuchten in einer aktuellen Studie die Effizienz des zellzerstörenden Moleküls Natriumbenzoat, gebunden an Silikonoberflächen. Sie inkubierten die modifizierten Oberflächen in einer Flusswasserbatchkultur der Isolate des Erie-Sees und erreichten eine Reduzierung der Biofilmbildung um 50% in den ersten 4 Wochen. Wird das Verfahren jedoch direkt im Fluss verwendet, messen die Autoren keine signifikante Reduktion mehr und führen dies auf die harscheren realen Umgebungsbedingungen zurück. Das vorliegende Ergebnis des eigenen Feldtests liefert hier dagegen eine verbesserte Situation im Vergleich zu den in vitro-Testungen im Labor.
Es ist festzustellen, dass die Größenordnungen (Zahl adhärierter Bakterien je Fläche) den allgemeinen Literaturwerten entsprechen z.B. für eine Adhäsion nach 2 - 5h [241, 242] sowie für eine Adhäsion über 24h [243]. Gleiches gilt für die in Kap. 4 angegebenen Standardabweichungen. In Monokulturen werden Abweichungen bis zu 30 - 40% publiziert, welche zudem von dem untersuchten Mikroorganismus abhängt [91]. Dies vervielfältigt sich teilweise bei Mischkulturen und Feldtests [240, 243-245].
Desgleichen bestätigt sich der Gebrauch von 3 Wiederholungen und 5 – 10 mikroskopischen Aufnahmen zum Erreichen einer statistisch verlässlichen Bewertung [101, 112, 243, 246].
Die vergleichende Betrachtung der Ergebnisse der Laboranalysen und des Feldtests lassen die Annahme zu, dass die gewählte Methodik der in vitro-Bioadhäsionsmessungen eine im Feld nicht existente Härteprüfung darstellt.