Explorativ wird außerdem der Frage nachgegangen, ob die genannten Prädiktor- und Moderatorvariablen auch mit dem sprachgebundenen Anteil des kognitiven Entwicklungs-scores (30 Monate) signifikant assoziiert sind.
Im Folgenden werden die aus der empirischen Befundlage ableitbaren Fragestellungen und Hypothesen dargestellt:
Fragestellung 1: Gibt es zwischen den im Säuglings- und Kleinkindalter erhobenen Mutter-Kind-Interaktionsmerkmalen und dem kognitiven Entwicklungsstand im Klein-kindalter einen Zusammenhang?
Wie im Theorieteil dargestellt wurde (vgl. Kap. 3.3), zeigt sich der Zusammenhang zwischen mütterlicher Sensitivität / Reaktivität und der weiteren kognitiven Entwicklung des Kindes auch empirisch. Die wenigen Studien, welche die Stimulationsvarianz der Mutter in der Interaktion mit ihrem Kind untersuchten, konnten ebenfalls Zusammenhänge mit der kognitiven Entwicklung feststellen. Und auch die kindlichen Interaktionsmerkmale negativer Affektausdruck und Reaktivität zeigten sich mit dem späteren kognitiven Entwicklungsstand assoziiert. Hieraus ist folgende Hypothese abzuleiten: Auch in der vorliegenden Studie sind die im 4., 8., 12. und 30. Lebensmonat erhobenen Mutter-Kind-Interaktionsmerkmale (Reaktivität / Sensitivität und Variabilität der Mutter, negativer Affektausdruck und Reaktivität des Kindes) signifikant mit dem kognitiven Entwicklungsstand des Kleinkindes im Alter von 30 Monaten assoziiert.
Fragestellung 2: Lässt sich die Veränderung des kognitiven Entwicklungsstandes vom Säuglings- zum Kleinkindalter aus der frühen Mutter-Kind-Interaktion vorhersagen?
Studien, die den Varianzaufklärungsbeitrag der im ersten Lebensjahr erfassten Mutter-Kind-Interaktionsmerkmale über den Beitrag, den der kognitive Entwicklungsstand im ersten Lebensjahr zur Aufklärung der kognitiven Entwicklungsunterschiede im Kleinkindalter leistet, hinaus untersuchten, sind sehr selten. Sie weisen jedoch auf die Prognostik der frühen Mutter-Kind-Interaktion für den Verlauf der kognitiven Entwicklung über das erste Lebensjahr hinaus hin. Es wird deshalb die Hypothese aufgestellt, dass die mit dem kognitiven Entwicklungsstand des Kindes im Alter von 30 Monaten assoziierten Interaktionsmerkmale auch noch unter Kontrolle der kognitiven Entwicklungsparameter im ersten Lebensjahr signifikant zur Varianzaufklärung des kognitiven Entwicklungsstandes im Alter von 30 Monaten beitragen.
Fragestellung 3: Trägt das Geschlecht des Kindes zur Vorhersage der kognitiven Entwicklung bei?
In der Literatur wurde immer wieder über geschlechtsspezifische Unterschiede in der Mutter-Kind-Interaktion berichtet. Weiterhin ist gut belegt, dass Mädchen signifikant höhere kognitive Entwicklungsscores erreichen als Jungen (vgl. Kap. 4.1). Deshalb wird angenommen, dass das Geschlecht des Kindes auch in der vorliegenden Stichprobe einen signifikanten Prädiktor der kognitiven Entwicklung (im Sinne eines Haupteffektes) darstellt und dass Interaktionseffekte zwischen Geschlecht und mütterlichen Interaktionsvariablen ebenfalls einen Beitrag zur Varianzaufklärung der kognitiven Entwicklungsunterschiede im Alter von 30 Monaten leisten. Weiterhin soll überprüft werden, ob die identifizierten Haupt- und Interaktionseffekte auch zur Vorhersage des Verlaufs der kognitiven Entwicklung vom Säuglings- zum Kleinkindalter bedeutsam sind.
Fragestellung 4: Trägt das Temperament des Kindes zur Vorhersage der kognitiven Entwicklung bei?
Wie aus dem Theorieteil (vgl. Kap. 4.2) hervorgeht, liegen zur Frage des Zusammenhangs von frühkindlichen Temperamentsmerkmalen mit kognitiven Entwicklungs-scores im Säuglings- und Kleinkindalter je nach Erhebungsmethode und Studiendesign sehr unterschiedliche Befunde vor. In der vorliegenden Studie soll deshalb die Hypothese untersucht werden, dass die im Alter des Kindes von vier Monaten erhobenen frühkindlichen Temperamentsmerkmale „positive Emotionalität“ und „negative Emotionalität / Irritierbar-keit“ signifikant mit dem kognitiven Entwicklungsstand im Alter von 30 Monaten assoziiert sind. Darüber hinaus soll der Frage nachgegangen werden, ob Interaktionseffekte zwischen kindlichem Temperament und den mütterlichen Interaktionsmerkmalen signifikant zur Varianzaufklärung der kognitiven Entwicklungsunterschiede im Alter von 30 Monaten beitragen und ob die identifizierten Interaktionseffekte auch den Verlauf der kognitiven Entwicklung vom Säuglings- zum Kleinkindalter vorhersagen können.
Fragestellung 5: Gibt es zwischen der depressiv-ängstlichen Verstimmung der Mutter im frühen Säuglingsalter und dem kognitiven Entwicklungsstand im Kleinkindalter einen Zusammenhang?
Ausgehend von empirischen Studien, die zeigen konnten, dass zwischen mütterlicher Depressivität und der kognitiven Entwicklung im Säuglings- und Kleinkindalter negative Zusammenhänge bestehen (vgl. Kap. 5.2), wird folgende Hypothese abgeleitet: Die im Alter des Kindes von 4, 8, 12 und 30 Monaten erfasste depressiv-ängstliche Verstimmung der
Mutter korreliert signifikant negativ mit dem kognitiven Entwicklungsstand im Alter von 30 Monaten.
Fragestellung 6: Vermittelt die frühe Mutter-Kind-Interaktion den Zusammenhang zwischen depressiv-ängstlicher Verstimmung der Mutter und der späteren kognitiven Entwicklung des Kindes?
In der Forschungsliteratur gibt es Hinweise darauf, dass die Mutter-Kind-Interaktion den Zusammenhang zwischen pränataler mütterlicher Depression und der weiteren kognitiven Entwicklung vermittelt (vgl. Kap. 5.2). In der vorliegenden Studie soll deshalb geprüft werden, ob der Zusammenhang zwischen depressiv-ängstlicher Stimmung der Mutter im Alter des Kindes von 4, 8, 12 und 30 Monaten und dem kognitiven Entwicklungsstand des Kindes im Alter von 30 Monaten von den mütterlichen Interaktionsparametern moderiert oder mediiert wird.
Fragestellung 7: Gibt es zwischen den im Säuglings- und Kleinkindalter erhobenen Mutter-Kind-Interaktionsmerkmalen und dem sprachgebundenen kognitiven Entwick-lungsstand im Kleinkindalter signifikante Zusammenhänge?
Empirisch zeigen sich immer wieder Zusammenhänge zwischen Mutter-Kind-Interaktion und sprachlichen Entwicklungsmaßen (vgl. Kap. 3.3). Deshalb soll explorativ geprüft werden, ob auch in der vorliegenden Stichprobe signifikante Zusammenhänge zwischen den im Säuglings- und Kleinkindalter erhobenen Mutter-Kind-Interaktions-merkmalen und dem sprachgebundenen kognitiven Entwicklungsstand im Alter von 30 Monaten bestehen.
Fragestellung 8: Gibt es zwischen dem Geschlecht bzw. Temperament des Kindes im frühen Säuglingsalter und dem sprachgebundenen kognitiven Entwicklungsstand im Kleinkindalter einen Zusammenhang?
Auch für die sprachliche Entwicklung ist gut belegt, dass Mädchen signifikant höhere Entwicklungsscores erreichen als Jungen (vgl. Kap. 4.1). Hinweise gibt es außerdem darauf, dass auch frühkindliche Temperamentsmerkmale mit der sprachgebundenen kognitiven Entwicklung assoziiert sind (vgl. Kap. 4.2). Deshalb soll geprüft werden, ob auch in der vorliegenden Studie das kindliche Geschlecht bzw. die frühkindlichen Temperaments-merkmale „positive Emotionalität“ und „negative Emotionalität“ signifikante Zusammen-hänge mit dem sprachgebundenen kognitiven Entwicklungsstand im Alter von 30 Monaten aufweisen.
Fragestellung 9: Gibt es zwischen der depressiv-ängstlichen Verstimmung der Mutter im frühen Säuglingsalter und dem sprachgebundenen kognitiven Entwicklungsstand im Kleinkindalter einen Zusammenhang?
Wie im Theorieteil dargestellt wurde (vgl. Kap. 5.2), gibt es Hinweise darauf, dass Kleinkinder depressiver Mütter über signifikant geringere sprachlich-kognitive Entwicklungs-scores verfügen als die Kinder nicht depressiver Mütter. Somit soll auch in dieser Arbeit der Hypothese nachgegangen werden, dass die im Alter des Kindes von 4, 8, 12 und 30 Monaten erfasste depressiv-ängstliche Verstimmung der Mutter signifikant negativ mit dem sprach-gebundenen kognitiven Entwicklungsstand im Alter von 30 Monaten assoziiert ist.
Bevor die Ergebnisse zu den aufgestellten Hypothesen dargestellt werden, soll im nun folgenden Kapitel die Stichprobe beschrieben und der Untersuchungsablauf sowie die verwendeten Methoden dargestellt werden.