5. Diskussion
5.3. Diskussion der Ergebnisse
5.3.10. Fragebogen
Die Pferde wurden über einen Zeitraum von 3 Monaten persönlich betreut. Der Heilungsprozess und die Trainingsmaßnahmen sind allerdings nach diesem Zeitraum noch nicht abgeschlossen. Da einige Pferdebesitzer aber weite Strecken und mit ihren Pferden zum Teil Entfernungen von 404 km mit Auto und Pferdeanhänger zurückzulegen hatten, war eine längere direkte Beobachtung nicht vertretbar. Aus diesem Grund wurde 6 Monate nach der ersten Untersuchung zur Evaluierung des Heilungsverlaufes an jeden Pferdebesitzer ein Fragebogen verschickt. Von den 30 verschickten Fragebögen kamen 26 Stück ausgefüllt zurück.
Obwohl die Pferdebesitzer während der Studie sehr viel Engagement zeigten und die Zusammenarbeit insgesamt sehr gut verlief, war es jedoch nicht möglich alle Fragebögen zurückzubekommen. Hingegen gab es auch einige Pferdebesitzer, die selbst nach 12 Monaten noch über den weiteren Verlauf ihres Pferdes berichteten.
153 Im Vorfeld bestanden von einigen Seiten Zweifel, dass die Pferdebesitzer ihr wertvolles Pferd für Studienzwecke zur Verfügung stellen, in der es unter Umständen in eine Kontrollgruppe mit Placebobehandlung eingetragen werden könnte. Die Auswertung der Fragebögen zeigte aber, dass die Pferdehalter ihre Teilnahme an der Studie in 96% als sehr gut bzw. gut bewerteten. Auch die größere Anzahl an Nachfragen als es Studienplätze gab, zeigte die gute Resonanz bei den Pferdebesitzern. Diese Studie zeigt also, dass die Durchführbarkeit solch konzipierter Studien sehr gut möglich ist.
Die Verlaufsinformationen der Besitzer ergaben, dass 80% der Pferde mit einer Läsion des M. interosseus medius lahmfrei waren, unabhängig von der angewandten Therapie. 39% der Pferde befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits wieder auf dem gleichen Leistungsstand wie vor der Erkrankung. Weitere 39% zeigten noch eine etwas schlechtere Leistung im Vergleich.
In der verfolgten Pferdegruppe traten insgesamt lediglich 2 Rezidive auf. So war es jeweils zu einem Rezidiv in der Behandlungsgruppe A und C gekommen. Das Pferd der Gruppe A zeigte bei der letzen Untersuchung nach 3 Monaten noch eine undeutlich geringgradige Lahmheit. 9 Monate nach Behandlungsbeginn war das Pferd lahmfrei und wieder völlig einsatzfähig. Dieser Zustand hielt 3 Monate an. Nach insgesamt 12 Monaten war es wieder in einer Pferdeklinik mit derselben Problematik vorstellig. Bei dieser 15-jährigen Stute bestand bei Studieneintritt eine Problematik des Fesselträgerursprunges bereits seit etwas über 12 Monaten. Es war das rechte Hinterbein betroffen. Solche Erkrankungen an der Hintergliedmaße gehen mit einer schlechteren Prognose als an der Vordergliedmaße einher (Lischer et al. 2006).
Zudem ist das Auftreten von Rezidiven grundsätzlich hoch (Rijkenhuizen et al. 2007).
Darüber hinaus war bei der betroffenen Gliedmaße eine deutliche Fehlstellung zu beobachten. Im Ultraschall stellte sich die Knochenhaut im Bereich der Läsion stark hyperechogen dar, was für eine sklerotische Veränderung dieser spricht und die Chronizität der vorliegenden Erkrankung widerspiegelt.
Das andere Pferd, bei dem es zu einem Rezidiv gekommen war, gehörte der Behandlungsgruppe C an. Bei Studieneintritt bestand bei dem 9-jährigen Wallach bereits seit 2 Jahren eine Fesselträgerursprungsproblematik. Auch bei diesem Pferd war die rechte Hintergliedmaße betroffen. Bei der ersten Untersuchung zeigte das Pferd eine mittelgradige Lahmheit. Diese passte nicht zu dem Befund der folgenden
154 Ultraschalluntersuchung. Nach 3 Monaten zeigte das Pferd zwar klinisch eine Verbesserung, war aber mit einer geringgradigen Lahmheit nicht gut. 6 Monate nach Studieneintritt berichtete die Besitzerin, dass ihr Pferd aufgrund der Fesselträgererkrankung nicht mehr reitbar wäre und auf der Wiese steht.
In beiden aufgetretenen Rezidivfällen lag ein chronischer Erkrankungszustand mit einer langen Krankheitsgeschichte vor. Diese Fälle verdeutlichen wiederholt die beschriebene schlechte Prognose einer solchen Erkrankung. Hingegen bleibt fraglich, ob bei dem Warmblutwallach der Gruppe C die im Ultraschall vorliegende Verdickung und Auflockerung des M. interosseus medius im proximalen Bereich die einzige Problematik dieses Pferdes war. Da sich die Schwere der Lahmheit mit den Befunden im Ultraschall nicht abschließend erklären ließ, liegt die Vermutung nahe, dass noch eine andere Erkrankung Ursache für die bestehende Lahmheit war.
Weiterhin berichteten zwei Pferdebesitzer der Gruppe C, dass ihre Pferde nach der Behandlung richtig aufgelebt sind. Die Pferde, mit einem fortgeschrittenen Alter von 20 und 22 Jahren, seien wieder viel aktiver und drehten richtig auf. Die Besitzerin eines jüngeren Pferdes (6 Jahre alt) sagte aus, dass ihr Pferd im Rahmen dieser Studie viel leistungsfähiger und durchlässiger geworden sei. Da tritt die Überlegung auf, ob die lokale Injektion mit MSC womöglich auch einen systemischen Effekt hat.
Das Migrationspotential von MSC konnte in vitro bereits dargestellt werden (Goletz 2009). In den Untersuchungen von Schnabel et al. (2009) war der DNA - Gehalt in allen Sehnen gleich – unabhängig einer vorherigen MSC - Injektion. Dies lässt vermuten, dass die MSC entweder nicht an der Stelle bleiben oder den Entzündungszelleinstrom potentiell reduzieren. Guest et al. (2008) behaupten, dass die Zellen an der Stelle bleiben, wo sie injiziert wurden. Allerdings konnten in ihren Untersuchungen an der Injektionsstelle „nur“ 1000 Zellen gezählt werden, obwohl eine Million Zellen injiziert wurden. Es ist interessant zu klären, ob es zu einem Abbau oder einer möglichen Abwanderung der Zellen gekommen ist. Durgam et al.
(2009) berichtet im Rahmen einer Studie ebenfalls von einer Abwanderung der injizierten Zellen. So waren diese nach der Injektion in kollagenaseinduzierte OBS -Schäden alle in einem Gebiet, nach 2 Wochen waren sie verschwunden und abgewandert. Im Falle einer tatsächlichen Abwanderung der Zellen, bleibt die spannende Frage zu klären, was mit den Zellen im Folgenden passiert. Barry et al.
(2009) schildern die Wanderung von MSC nach Verabreichung in das geschädigte Gewebe bei Mäusen mit Myokardinfarkten. Signale in diesem Gewebe veranlassen
155 die Zellen dazu. Es handelt sich um eine Chemotaxis im Infarktgebiet.
Möglicherweise kam es im Falle der hier vorliegenden Studienpferde auch zu einer Abwanderung der Zellen und einer folgenden Wirkung an anderen Stellen.
Untersuchungen in diese Richtung und die Möglichkeit einer intravenösen Anwendung, wie es mit dem Wirkstoff Hyaluronat-Natrium zur Behandlung von Lahmheiten des Pferdes (verursacht durch nichtinfizierte Gelenksentzündungen) bereits durchgeführt wird, wären denkbar.