4 Fallstudien
4.5 Fallstudie Stadt Worms
4.5.2 Format: Infoveranstaltung „Starkregen in Worms“
4.5.2.1 Konzeption
Die im Jahr 2017 im Auftrag des ebwo durch das Ingenieurbüro BGS IT&E GmbH erstellten Starkregenkarten für die Stadt Worms zeigen die Regenabflüsse an der Erdoberfläche bei einem definierten Regenereignis. Die Karten sind so detailliert, dass sie den Hausbesitzer und –
besitzerinnen einen Anhaltspunkt liefern, an welchen Stellen sich Wasser in größerem Ausmaß ansammeln kann. Die Karten wurden der Öffentlichkeit präsentiert, um den Bürgerinnen und Bürger eine Einschätzung des Überflutungsrisikos für ihre Gebäude zu ermöglichen. Die
12 Wormser Zeitung vom 20.06.2018 „Die Siedlung säuft ab": Anwohner "In den Lüssen" in Worms fordern Bürgerversammlung“, https://www.wormser-zeitung.de/lokales/worms/nachrichten-worms/die-siedlung-sauft-ab-anwohner-in-den-lussen-in-worms-fordern-burgerversammlung_18860966#, Abruf 15.11.2019
Veröffentlichung derart detaillierter Karten wird in vielen Kommunen durchaus sehr kontrovers diskutiert (Umweltbundesamt 2019a, S. 62). Da zum Teil negative Reaktionen aus der
Bevölkerung befürchtet werden, war es wichtig, die Veröffentlichung der
Starkregengefahrenkarten mit einem geeigneten Veranstaltungsformat zu begleiten. Als Ziele für die geplante öffentliche Veranstaltung wurden definiert:
► die Bewohnerinnen und Bewohner sowie Wohneigentümerinnen und –eigentümer über die eigene Betroffenheit und mögliche Auswirkungen von Starkregenereignissen zu informieren,
► den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Wohneigentümerinnen und –eigentümer anhand von Beispielen und Beratungsangeboten Möglichkeiten zur Eigenvorsorge vorzustellen,
► Möglichkeiten für die Starkregenvorsorge von Einzelpersonen aber auch Gemeinschaften und Nachbarschaften (Nachbarschaftsvorsorge) aufzuzeigen,
► das Zusammenwirken kommunaler und privater Starkregenvorsorge aufzuzeigen.
Ansatzpunkte zur Aktivierung:
☒ Schadenserfahrungen und Emotionen vermitteln
☒ persönliche Risikowahrnehmung stärken
☒ Selbstwirksamkeitsüberzeugungen erhöhen
☒ gemeinsame Vorsorgeverantwortung von Staat und Bevölkerung aufbauen
☐ kollektive Wirksamkeitsüberzeugungen fördern
☒ Lokale Identität und soziale Eingebundenheit ausbauen
Im Vorfeld wurden zentrale Botschaften definiert, die durch eine öffentliche Veranstaltung transportiert werden sollten:
1. Starkregen ist ein wichtiges Thema für die Stadt Worms. Die Gefährdung durch Starkregen wird zunehmen. Um besondere Gefährdungslagen in der Stadt zu erkennen, hat der
Entsorgungs- und Baubetrieb (ebwo) Starkregengefahrenkarten erstellen lassen, die die überfluteten Bereiche in Form von Wasserständen bei einem fiktiven, extremen
Niederschlagsereignis aufzeigen.
2. Um die Bürger und Bürgerinnen zu schützen, hat die Stadt bereits eine Vielzahl technischer Maßnahmen umgesetzt. Weitere Maßnahmen sind aufgrund von bestimmten
Gefährdungslagen und auf Grundlage der Starkregengefahrenkarten geplant.
3. Eigenvorsorge als sinnvolle und teilweise auch notwendige Ergänzung der kommunalen Maßnahmen: Eigenvorsorge erhöht das Schutzniveau („2. Deichlinie“). Bestimmte wirksame Maßnahmen können nur durch Wohneigentümer und Wohneigentümerinnen umgesetzt werden, beispielsweise der Objektschutz durch die Sicherung des Hauses gegen Einlauf von Oberflächenwasser oder die durch gestalterische Maßnahmen auf dem Grundstück
(z. B.Versickerungsmulden). Eigenvorsorge ist möglich, machbar und hilft.
Konzipiert wurde eine ganztägige, öffentliche Veranstaltung, die aus zwei Teilen bestand. Im ersten Teil sollten die Starkregenkarten im Rahmen eines plenaren Vortragsprogramms offiziell vorstellt werden (vgl. Tabelle 25). Der zweite Teil sollte messeähnlichen Charakter haben, wobei es die Möglichkeit geben sollte, sich im Detail zu den Karten sowie zu möglichen
Vorsorgemaßnahmen durch anwesende Fachfirmen beraten zu lassen.
Tabelle 24: Ablauf des Vortragsteils
Uhrzeit Thema Format
11.00 Uhr Begrüßung Grußworte von Oberbürgermeister und
Bürgermeister
11.10 Uhr Präsentation der Starkregenkarten Worms Vortrag von BGS IT&E GmbH 11.45 Uhr Was verbindet mich mit dem Thema
Starkregen? Warum bin ich heute hier?
Kurze Aktivierung des Publikums durch e-fect
11.50 Uhr Was haben wir in Worms bereits umgesetzt?
Was ist noch geplant?
Kurzinterview mit ebwo und Stadtverwaltung Worms 12.05 Uhr Vorstellung von Maßnahmenmöglichkeiten zur
Eigenvorsorge und Nachbarschaftsvorsorge
Vortrag von ecolo
12.20 Uhr Wie geht es weiter? Vorstellung der geplanten Maßnahmen durch Stadtverwaltung Worms und ebwo
12.30 Eröffnung der Messe Durch Bürgermeister
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich an den aushängenden Starkregenkarten über ihre Starkregengefährdung zu informieren und sich durch Vertreter und Vertreterinnen der Stadtverwaltung und des ebwo beraten zu lassen. Weiterhin sollten Fachfirmen über Produkte und Dienstleistungen zur Überflutungsvorsorge an
Messeständen und durch Vorträge informieren.
4.5.2.2 Umsetzung
Die Infoveranstaltung fand unter dem Titel „Starkregen in Worms“ am Samstag, den 2.
Dezember 2017 von 11.00 bis 17.00 Uhr im Veranstaltungszentrum DAS WORMSER statt.
Die Veranstaltung wurde von Stefan Löchtefeld und Sophie Scholz von e-fect dialog evaluation consulting eG moderiert. Im ersten Teil von 11.00 bis 12.30 Uhr wurden nach Grußworten des Oberbürgermeisters Michael Kissel und des Bürgermeisters Hans-Joachim Kosubek die Starkregenkarten in einem Vortrag von Aron Roland vom Ingenieurbüro BGS IT&E GmbH vorgestellt. In einem Interview berichteten der technische Werkleiter des ebwo Hans Gugumus und Reinhold Lieser von der Abteilung 3.05 – Umweltschutz und Landwirtschaft der
Stadtverwaltung Worms, welche Maßnahmen zum Schutz vor Starkregen bereits umgesetzt wurden und welche noch geplant sind. Manfred Born von ecolo – Agentur für Ökologie und Kommunikation präsentierte in einem weiteren Kurzvortrag Maßnahmen zur Eigenvorsorge und zur Nachbarschaftsvorsorge.
Im zweiten Teil der Veranstaltung von 12.30 bis 17.00 Uhr gab es zum einen die Möglichkeit, die ausgestellten Starkregenkarten im Detail anzuschauen und sich zur eigenen Betroffenheit sowie zu möglichen Maßnahmen beraten zu lassen. Zum anderen standen Mitarbeitende ausgewählter Firmen mit Infoständen zur Beratung zu konkreten Produkten bereit und hielten Kurzvorträge (vgl. Tabelle 25 und 27).
Tabelle 25: Ausstellende Firmen auf der Informationsveranstaltung „Starkregen in Worms“
Firma Produkt
Allianzhauptvertretung Mareike Edelmann Elementarversicherung
BEAVER Schutzsysteme AG Mobiler Hochwasserschutz
HOCHWASSERSCHUTZ Südwest Hochwasserschutzsysteme für Neu- und Bestandbauten
Josef Hain GmbH & Co KG System-Bauteile Wasserdichte Lichtschächte und Kellerfenster
PREFA GmbH Hochwasserschutz für Objekt und Landschaft
Torbau Schwaben GmbH Wasserschutztore und Wasserschutztüren
Es wurde ein begleitendes Vortragsprogramm angeboten, in dem nicht nur die Aussteller ihre Produkte präsentierten konnten, sondern auch die Starkregenkarten in Form eines Kurzvortrags wiederholt präsentiert wurden (siehe Tabelle 26).
Während der gesamten Zeit hingen die Starkregenkarten aus, um eingehend studiert zu werden.
Die Besucher und Besucherinnen nutzten die Möglichkeit ausgiebig und suchten eigene Grundstücke und Immobilien auf den Karten, um mögliche eigene Betroffenheit zu
identifizieren. Für Rückfragen standen Ansprechpartner vom ebwo, dem Ingenieurbüro BGS IT&E und BGS Wasser sowie der Stadtverwaltung bereit. Die Informationsbroschüre „Haus und Grund vor Starkregen schützen“ lag aus und konnte mitgenommen werden.
Tabelle 26: Vortragsprogramm
Uhrzeit Vortrag
13.30 BEAVER Schutzsysteme AG Wassergefahren
14.00 Torbau Schwaben GmbH Objektschutz für Haus und Garage 14.30 Präsentation der Wormser Starkregenkarten Kurzvortrag
15.00 Allianzhauptvertretung Mareike Edelmann Informationen zur Elementarversicherung
15.30 PREFA GmbH Schutz bei extremem Wetter: Das PREFA
Hochwasserschutzsystem 16.00 Präsentation der Wormser Starkregenkarten Kurzvortrag
Abbildung 14: Eindrücke von der Veranstaltung
Im Vorfeld der Veranstaltung wurde eine intensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit betrieben, um Bürgerinnen und Bürger zum Besuch der Infoveranstaltung zu motivieren und für die Starkregenvorsorge zu sensibilisieren. Im Fokus standen Wohneigentümerinnen und
-eigentümer in der Stadt Worms. Am Tag der Veranstaltung fand zwischen 10.00 und 11.00 Uhr ein Pressegespräch statt. Die Veranstaltung wurde über folgende Kanäle angekündigt:
► Veranstaltungsankündigungen in den lokalen Zeitungen: Insbesondere die Wormser Zeitung hat eine intensive Vor- und Nachberichterstattung gebracht (vier Artikel zwischen dem 25.November und 4.Dezember 2017). Weitere Ankündigungen erfolgten über das Wochenblatt und den Nibelungenkurier.
► Aushang von Veranstaltungsplakaten und Auslage von Faltblättern an ca. 40 öffentlichen Stellen in Worms
► Ankündigung über die Webseite starkregen-worms.de sowie über die Facebook-Seite der Stadt Worms
► E-Mail-Einladung durch die Stadtverwaltung an ausgewählte Akteurinnen und Akteure, wie z. B. die Teilnehmenden des Akteursworkshops und die Ortsvorsteher.
Die Veranstaltung wurde von insgesamt ca. 120 Gästen besucht. Etwa 80 von diesen Gästen waren am Vormittag während des Vortragsteils anwesend, weitere 40 Besucher verteilten sich auf den Nachmittag.
4.5.2.3 Lessons Learned
Durch die erstmalige Veröffentlichung der Starkregenkarten konnte eine sehr gute öffentliche Resonanz auf die Veranstaltung erreicht werden. Die Karten hatten einen hohen Neuigkeitswert und stießen auf großes öffentliches Interesse. Starkregenkarten stellen damit eine sehr gut geeignete Möglichkeit dar, um einen Prozess zur Aktivierung von Bürgerinnen und Bürgern zur Starkregenvorsorge zu beginnen.
Die Veranstaltung sowie die Starkregenkarten wurden von den Teilnehmenden überwiegend positiv aufgenommen und als hilfreich erachtet. Ein großes Interesse herrschte vor, sein eigenes Haus auf den Karten zu finden und die Gefährdungslage einzusehen. Die Genauigkeit der Karten wurde dabei durchaus in ihrer Zweischneidigkeit zur Kenntnis genommen: zum einen wurde der hohe Informationsgehalt gelobt, durch den eine gute Risikoeinschätzung für das eigene Haus möglich ist. Zum anderen wurde dies auch als Eingriff in die Privatsphäre zur Kenntnis
genommen. In der Summe überwog jedoch die positive Wahrnehmung, dass die Stadtverwaltung und der ebwo den Bürgerinnen und Bürger die Starkregenkarten so transparent zur Verfügung stellten.
Auch das begleitende Beratungsangebot der Aussteller wurde durch die Teilnehmenden gut angenommen. Durch das umfangreiche Angebot durch Expertinnen und Experten der Wormser Stadtverwaltung und des ebwo sowie den anwesenden Fachfirmen konnten die Teilnehmenden sich direkt zur Interpretation der Karten und zu Maßnahmen der Eigenvorsorge informieren.
Auf diese Weise konnte die Botschaft vermittelt werden, dass Eigenvorsorge machbar ist und die Stadt die Bevölkerung dabei unterstützt.
Der Aufwand für die Erstellung der Starkregenkarten als auch für das Veranstaltungsformat ist als hoch einzuschätzen. Das Format birgt aber große Potenziale, um die
4.5.3 Format: Stadtteilworkshop „Leiselheim bereitet sich vor – Damit die Häuser