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5.1. Funktionen und Spezifitäten eukaryotischer MB-Typ Ferredoxine

5.1.2. Fdx1 und Fdx2 sind trotz struktureller Ähnlichkeit hochspezifische

Die beiden humanen Ferredoxine Fdx1 und Fdx2 weisen eine verblüffend hohe Funktionsspezifität auf (Sheftel et al, 2010). Um dies besser zu verstehen, wurde in dieser Arbeit die Struktur des humanem Ferredoxins Fdx2 bestimmt und mit der bekannten Struktur des zweiten humanen Ferredoxins Fdx1 verglichen. Beide Proteine sind [2Fe-2S] Ferredoxine vom MB-Typ, weisen die für diese Proteine typische β-grasp Faltung auf und sind ähnlich gefaltet wie andere MB-Typ Ferredoxine. Ein struktureller Unterschied zwischen Fdx1 und Fdx2 besteht in der Orientierung von α-Helix C, bedingt durch das Fehlen einer Schlaufe unmittelbar nach α-Helix C in Fdx2. Da die strukturelle Ähnlichkeit zwischen monomeren Fdx1 und Fdx2 groß ist, wurde untersucht, ob Unterschiede im Oligomerisierungszustand eine Erklärung für die Funktionsspezifitäten liefern könnten. Für den Mechanismus des Elektronentransfers von Fdx1 auf CYP wurde ein Modell vorgeschlagen, in dem das Ferredoxin im oxidierten Zustand als Dimer vorliegt und nach Reduktion in Monomere zerfällt, die dann für die Elektronenübertragung auf CYP sorgen (Beilke et al, 2002). Es wurde beobachtet, dass Fdx1 und Fdx2 sowohl im reduzierten als auch im oxidierten Zustand als Dimer vorliegen. Die Dimerisierung war nicht abhängig vom C-Terminus der Proteine. Außerdem konnte gezeigt werden, dass auch Yah1 aus Hefe immer als Dimer vorliegt. Es folgt, dass Unterschiede im Oligomerisierungszustand nicht für die funktionellen Unterschiede verantwortlich sein können. In diesem Zusammenhang wurde der von Beilke und Kollegen vorgeschlagene Mechanismus der Elektronenübertragung von Fdx1 (Adx) auf CYP (Beilke et al, 2002) untersucht und festgestellt, dass er durch keine der bislang bekannten Strukturen von MB-Typ Ferredoxinen unterstützt wird.

Die für die ISC-Funktion von Fdx2 relevanten Reste wurden zunächst durch Aminosäureaustausche in Fdx2 analysiert. Es konnte gezeigt werden, dass die ISC-Funktion von Fdx2 strikt abhängig ist vom C-Terminus des Proteins, was die hohe Konservierung dieses Bereiches im Fdx2 erklärt. Eine Deletion der letzten 12 Aminosäuren führt zum völligen Verlust der ISC-Funktion von Fdx2. Im Gegensatz dazu ist der C-Terminus von Fdx1 nicht wichtig für dessen Funktion. Für Adx, das Fdx1-Typ Ferredoxin aus Rind, ist schon lange bekannt, dass eine C-terminale Verkürzung zu einer leichten Erhöhung der Elektronentransferaktivität in vitro führt (Cupp & Vickery, 1989). Wichtig für die Funktion von Fdx2 sind außerdem Bereiche, die für die strukturelle Integrität bedeutsam sind und deren Mutation zu einer Destabilisierung des [2Fe-2S] Clusters führt (β-Strang D). Ebenfalls von funktioneller Bedeutung ist der Rest A48, der eine Wasserstoffbrücke zum Fe/S-Cluster ausbildet und einen Einfluss auf den Elektronentransfer haben könnte. Letztlich konnte gezeigt werden, dass auch die Proteinregionen,

Diskussion 125 die strukturelle Unterschiede zu Fdx1 aufwiesen, für die ISC-Funktion bedeutend sind. Dies betrifft die α-Helix C sowie die Reste in der Schlaufe unmittelbar danach, welche in der Interaktion mit dem Zielprotein involviert sein könnten. In Abb. 5.1 sind die wichtigen Oberflächenreste von Fdx2 gezeigt, wobei der C-Terminus fehlt, da nur das verkürzte Protein aufgrund der Flexibilität des C-Terminus kristallisierte.

In einem zweiten Schritt wurden Reste im Fdx1 Protein ausgetauscht, um zu klären welche Bereiche des Fdx2 für die Spezifität der ISC-Funktionalität verantwortlich sind. Dies gelang durch Austausch der 27 C-terminalen Reste von Fdx1 gegen die entsprechenden Aminosäuren aus Fdx2 in Kombination mit weiteren Mutationen. Einen positiven Effekt hatten der Austausch von β-Strang D sowie der Austausch von α-Helix C und der Reste 48/ 49. Der β-Strang D liegt im Proteininneren, ist etwa 10 Å vom Fe/S-Cluster entfernt und hat keine direkten Kontakte zu ihm. Es scheint daher zunächst unwahrscheinlich, dass der Austausch einen direkten Effekt haben kann. Andererseits ist in einer aktuellen Studie mit einem Ferredoxin aus einem thermophilen Cyanobakterium gezeigt worden, dass der Austausch einer Schlaufe in 20 Å Entfernung vom Fe/S-Cluster das Redoxpotential um 57 mV veränderte, ohne dabei strukturelle Änderungen hervorzurufen (Nechushtai et al, 2011).

Ein Einfluss auf den Fe/S-Cluster kann aus diesem Grund nicht ausgeschlossen werden. Der Rest A48 bildet in Fdx2 eine Wasserstoffbrücke zum Fe/S-Cluster, analog dazu bildet G48 in Fdx1 eine ähnliche Wasserstoffbrücke. Beide Reste könnten daher ein Teil des Elektronentransferweges sein oder diesen direkt beeinflussen. Der Austausch der geladenen α-Helix C wiederum könnte unmittelbar eine Protein-Protein-Interaktion beeinflussen. Die genaue Funktion des C-Terminus von Fdx2 bleibt unklar. Es kann allerdings spekuliert werden, dass er aufgrund seiner hohen Konservierung für die Bindung eines Proteinpartners wichtig ist.

Abbildung 5.1: Darstellung der für die Funktion von Fdx2 wichtigen Oberflächenreste. Die Struktur von Fdx2 (2Y5C) ist in leicht transparenter Oberflächendarstellung abgebildet. Die primäre FdxR-Bindungsstelle ist blau und das C-terminale Arg109 gelb markiert. Die letzten 12 Aminosäuren fehlen in der Struktur, über ihre Orientierung ist nichts bekannt. Orange gefärbt sind die für die Funktion von Fdx2 wichtigen Bereiche in und um α-Heilx C.

Diskussion 126

Die erfolgreiche Einführung einer ISC-Funktion in Fdx1 konnte neben der Komplementation von Gal-YAH1 Zellen unter fermentativen Depletionsbedingungen auch biochemisch verifiziert werden.

Die Enzymaktivitäten des Fe/S-Enzyms Aconitase sowie des Häm-abhängigen Enzyms Katalase werden durch die mutierten Fdx1 Proteine wie der Wachstumsphänotyp partiell komplementiert.

Die gezeigte Funktionseinführung war umso bemerkenswerter, als dass die funktionellen Unterschiede zwischen Fdx1 und Fdx2 generell kompliziert in der Aminosäuresequenz kodiert sind.

Veranschaulicht wird dieses Phänomen dadurch, dass der Austausch von β-Strang D in Fdx1 ohne Einfluss auf den Fe/S-Cluster ist, wohingegen ein solcher Austausch in Fdx2 den Fe/S-Cluster destabilisiert. Mit den Resten F43-G44 verhält es sich genau umgekehrt: die Deletion dieser Reste in Fdx1 destabilisiert den Fe/S-Cluster, Einführung der Reste in Fdx2 beeinflusst zwar die Eigenschaften des Fe/S-Cluster, wirkt aber nicht destabilisierend. Außerdem werden die hoch komplizierten Unterschiede auch dadurch verdeutlicht, dass in Yah1 weder der C-Terminus noch β-Strang D oder F43-G44 eine kritische Rolle für die ISC-Funktion erfüllen. Verblüffenderweise haben diese Regionen aber einen Einfluss auf die Funktion von Yah1 unter respiratorischen Depletionsbedingungen und sind daher wahrscheinlich wichtig für die Koenzym Q6 Biosynthese.

Die Spezifität der Elektronenübertragung von humanem Fdx1 auf mitochondriale Cytochrom P450 Enzyme (CYP) im Vergleich zu Fdx2 ist ebenfalls erstaunlich hoch. Der Unterschied beträgt mindestens den Faktor 500. Pilz-Typ Ferredoxine wie Yah1 aus S. cerevisiae oder Etp1fd aus S. pombe (Schiffler et al, 2004) scheinen in diesem Zusammenhang eine Zwischenstellung einzunehmen, ihr Umsatz liegt zwischen dem von Fdx1 und Fdx2. Da beide Hefen jedoch keine mitochondrialen Cytochrom P450 Enzyme besitzen (Nelson, 2009) handelt es sich bei diesen Elektronentransferreaktionen um physiologisch nicht relevante Aktivitäten. Die Erzeugung einer Elektronentransferaktivität auf CYP gelang für Fdx2 nach Einführung der Schlüsselmutation R73E. Mit einem Glutamat an Position 73 in Fdx2 konnte ca. 7 % des Fdx1 Umsatzes erzielt werden. Dieser Umsatz entspricht einer Aktivitätssteigerung um den Faktor 35 im Vergleich zu Fdx2 ohne Mutation.

Die für den Elektronentransfer auf CYP wichtigen Reste konnten durch Mutagenese-Studien und chemische Modifikationsstudien identifiziert und analysiert worden (Ewen et al, 2011). Die primäre Interaktionsregion von Fdx1 (Adx) für CYP liegt auf α-Helix F und überlappt mit der FdxR-Bindestelle (Vickery, 1997). Die wichtigsten Reste sowohl für FdxR-Bindung als auch für CYP-Bindung sind D76 und D79 (Coghlan & Vickery, 1991). Die Mutation von D72 in Fdx1 zeigte erheblich schwächere Effekte hinsichtlich FdxR-Bindung und CYP-Bindung und die Punktmutanten E73A sowie E73Q zeigten nur einen Effekt auf die Bindung von CYP und nicht auf die Bindung von FdxR (Coghlan & Vickery, 1991). In Abb. 5.2 ist die primäre Interaktionsstelle der humanen Ferredoxine Fdx1 und Fdx2 mit jener der Pilz-Typ Ferredoxine Yah1 und Etp1fd verglichen.

Diskussion 127

Es ist deutlich zu erkennen, dass die für die Interaktion mit FdxR wichtigen Reste D(E)72, D76 und D79 in allen Ferredoxinen gleich sind. Aminosäure 73 ist in Fdx2 im Gegensatz zu allen anderen Ferredoxinen positiv geladen und eine Ladungsumkehr befähigt das entsprechend mutierte Fdx2 Protein zum Elektronentransfer auf CYP. Diese Beobachtungen lassen sich an Hand der Kristallstruktur des quervernetzten Adx-AdxR-Komplexes (Muller et al, 2001b) veranschaulichen (Abb. 5.3).

Abbildung 5.2: Vergleich der primären Interaktionsstelle von Fdx1, Fdx2, Yah1 und Etp1fd. Die Aminosäuresequenzen der Reste 68 bis 84 von Fdx1, Fdx2, Yah1 und Etp1fd sind abgebildet. Identische Reste sind hellgrau und ähnliche Reste dunkelgrau unterlegt. R73 in Fdx2 ist schwarz hervorgehoben.

Diskussion 128

Die Interaktion von Adx aus Rind (87 % identisch zu humanem Fdx1) mit der Ferredoxinoxidoreduktase AdxR werden primär durch Salzbrücken der sauren Reste D72, D76 und D79 mit den basischen Resten R211, R240 und R244 von AdxR ausgemacht. Die drei Argininreste sind konserviert und werden auch in der Ferredoxinoxidoreduktase aus Mensch oder Hefe gefunden.

Tatsächlich sind die beiden den Resten 240 und 244 entsprechenden Arginine von humaner FdxR (R239 und R243) bereits vor der Veröffentlichung der Struktur des Adx-AdxR-Komplexes als wichtig für die Interaktion beschrieben worden (Brandt & Vickery, 1993). Die sekundäre Interaktionsstelle liegt um die kovalent verknüpften Reste K27 aus AdxR und D39 aus Adx und beinhaltet eine Wasserstoffbrücke zwischen H28 und D41. Außerdem existiert noch eine weitere Wasserstoffbrücke zwischen N60 aus AdxR und dem Carbonylsauerstoff von C46 aus Adx. Sowohl der basische Charakter der Reste 27 und 28 als auch N60 sind konserviert in den Ferredoxinoxidoreduktasen aus Mensch, Rind und Hefe. Ebenso sind die für die Interaktion wichtigen Reste in allen eukaryotischen MB-Typ Ferredoxinen konserviert. In Übereinstimmung damit zeigt das Modell des Komplexes aus Fdx2 und AdxR, dass alle für die Interaktionen wichtigen Reste auch in Fdx2 existieren und absolut kompatibel mit identischen Bindungswechselwirkungen sind. Rest 73 zeigt in beiden Fällen von der Interaktionsfläche weg und ist nicht an der Bindung beteiligt.

Die positive Ladung an Position 73 in Fdx2 blockiert offensichtlich den Elektronentransfer auf CYP.

Interessanterweise ist der entsprechende Rest in Adx aus Rind (E73) bereits gegen ein Alanin oder ein Glutamin ausgetauscht worden (Coghlan & Vickery, 1991). Dies führte zu einer Verringerung der Cholesterolseitenkettenspaltungsaktivität durch CYP11A1 um etwa 50 %. Dies veranschaulicht, dass Rest 73 nicht allein entscheidend ist für die Spezifität von Fdx1 (Adx) für CYP. Allerdings verhindert die positive Ladung an Position 73 den Elektronentransfer von Fdx2 auf CYP und eine negative Ladung an dieser Stelle scheint Grundvoraussetzung für den Elektronentransfer auf CYP zu sein. In gleicher Weise kann die Analyse der primären Interaktionsstelle (Abb. 5.2) nicht erklären, warum Etp1fd und Yah1 sich in ihrer Spezifität für CYP deutlich voneinander unterscheiden. Etp1fd ähnelt eher Fdx1, während Yah1 eher Fdx2 mit der Mutation R73E ähnelt. Der einzige mit dieser Unterscheidung konsistente Rest D68 (P68 in Fdx2 und Yah1) wurde bereits als nicht wichtig für den Elektronentransfer auf CYP11A1 beschrieben (Coghlan & Vickery, 1991). Umgekehrt wurde in dieser Arbeit gezeigt, dass die entsprechende Region nicht wichtig für die ISC-Funktion von Fdx2 ist.

Abbildung 5.3 (Seite 127): Die Interaktionen von Adx (Fdx1) oder Fdx2 mit der Ferredoxinoxidoreduktase sind identisch und unabhängig von Rest73. Jeweils links findet sich die Darstellung der experimentell bestimmten Kristallstruktur des Adx-AdxR Komplexes (1E6E, (Muller et al, 2001b)) und rechts das Modell des Komplexes von Adx-AdxR mit Fdx2. Das Modell wurde generiert durch Ersatz von Adx durch Fdx2 (2Y5C). (A) Oberflächendarstellung des Komplexes von AdxR (gelb) mit Adx (orange) oder mit Fdx2 (hellblau). Zur Visualisierung des FAD-Kofaktors und des Fe/S-Cluster wurde eine Oberflächentransparenz von 75 % gewählt. Der entscheidende Rest 73 ist rot in Adx (E73) und blau in Fdx2 (R73) dargestellt. (B) Detailansicht der Interaktionen zwischen AdxR und Adx bzw. Fdx2. In der experimentell bestimmten Struktur sind die Interaktionen durch gestrichelte Linien dargestellt. Die wichtigsten Reste sind beschriftet.

Diskussion 129

5.1.3. Der mögliche Einfluss des Dipolmoments der Ferredoxine auf ihre Funktionsspezifitäten