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4 BERECHNUNG REALISIERBARER ERTRÄGE

4.2 Konzepte der Berechnung realisierbarer Erträge

4.2.2 Ertragsmodelle

Für die Ertragssimulation und -schätzung wurden eine Reihe unterschiedlicher Modelle er-stellt, welche operative Entscheidungen in der Bestandesführung von Pflanzen oder die Simulation des Pflanzenwachstums unterstützen. Anhand einiger Beispiele entwickelter Er-tragsmodelle wird der Entwicklungsstand von ErEr-tragsmodellen aufgezeigt.

Eine große Anzahl an Modellen verfolgt das Ziel, das Pflanzenwachstum während der ge-samten Vegetationsperiode zu simulieren. Die Abbildung der einzelnen Wachstumsstadien soll alle ertragswirksamen Effekte während des Anbaujahres erfassen und quantifizieren.

Die detaillierte Darstellung von Erträgen erfordert es, die Wechselwirkungen zwischen Fruchtart, Sorte, Standort und Bestandesführung im Modell abzubilden; Werkzeug hierfür sind die Wachstumsmodelle (WERNER et al 2002, S.19).

Sich am Wachstumsprozess orientierende Modelle müssen die Wirkungen der Pflanzenge-netik, der Bestandesführung, des Wetters und unterschiedlicher Stressfaktoren auf die Pflanzenentwicklung und den Ertrag simulieren (BATCHELOR et al 2002, S.142). Die Model-le der CERES–Familie simulieren die tägliche Pflanzenentwicklung anhand von Wasser-, Temperatur-, Stickstoff-, und Kaliumbilanzen. Die tägliche Simulation der Faktorversorgung ermöglicht die Abbildung zeitlicher Effekte. Die Problematik der Modelle liegt darin, dass sie für homogene Flächen formuliert werden, während räumliche Standortunterschiede unbe-rücksichtigt bleiben (ebenda).

Ein weiteres Modell der Ertragsschätzung ist das Modell WOFOST, welches das Pflanzen-wachstum in Abhängigkeit der Fruchtart, der Bodenart, den Wasserbedingungen und der Witterung beschreibt. Das Pflanzenwachstum wird vom Auflaufen der Pflanzen bis zur Ern-te abgebildet, wobei die Pflanzenentwicklung in TagesschritErn-ten und die Nährstoffaufnahme für die gesamte Vegetationsperiode simuliert werden. Der Anwender hat in WOFOST die zu untersuchenden Fruchtarten, die klimatischen Bedingungen sowie die Bodenart aus Standarddaten auszuwählen, um die Erträge berechnen zu können (VAN DIEPEN ET AL

1989, S.16 ff). Das Ergebnis der Simulation sind Kennzahlen der Pflanzenentwicklung (Blattindex, Durchwurzelungstiefe, Transpirations- und Assimilationsrate, Biomasse etc.), die jedoch nicht für weitergehende ökonomische Analysen vorgesehen sind.

Ähnliche Ergebnisse generiert das Pflanzenwachstumsmodell CropSyst (STÖCKLE 1994).

Das Modell simuliert den Wasser- und Nährstoffhaushalt des Bodens, das Pflanzenwachs-tum u. a. anhand der Biomasseproduktion, des WurzelwachsPflanzenwachs-tums und des Ertrages. Ferner werden Umweltwirkungen der Pflanzenproduktion anhand Wassererosion und des Eintra-ges von Pflanzenschutzmitteln in die Umwelt simuliert. Ziel des Modells ist, Auswirkungen der Bestandesführung auf die Produktivität des Pflanzenwachstums und die damit verbun-denen Umweltwirkungen zu simulieren. Als limitierende Faktoren des Pflanzenwachstums gelten Wasser- und Stickstoffversorgung sowie das Licht- und Temperaturangebot. Öko-nomische Bewertungen der Produktionsprogramme sind nicht Gegenstand der Modellfor-mulierung.

Anwendungsgebiet der Wachstumsmodelle ist neben der Erklärung von Ertragseffekten die Entscheidungsunterstützung in Precision farming, wobei operative Entscheidungen unter-stützt werden (BASSO 2003, S.181). Im Mittelpunkt steht die Entscheidung über die Höhe der ausgebrachten Inputmengen kontrollierbarer Ertragsfaktoren je Teilfläche. Um Ent-scheidungen bezüglich der Einsatzmengen und Zeitpunkte von kontrollierbaren Ertragsfak-toren treffen zu können, müssen die Modelle eine hohe zeitliche Disaggregation aufweisen.

Nur so kann eine Bestandsentwicklung simuliert werden. Die „klassischen“ Ertragsmodelle beziehen sich auf homogene Flächen. Neben der zeitlichen Varianz ist jedoch auch die räumliche Varianz zu berücksichtigen, um den hiermit verbundenen Ertragsvariationen ge-recht zu werden bzw. angemessen zu berücksichtigen.

BATCHELOR et al (2002, S.141 ff) stellt drei Konzepte vor, die räumliche Varianzen in der Ertragsschätzung berücksichtigen. Im ersten Ansatz werden die Ertragspotenziale auf der Ebene von Einzelrastern mit punkt–basierten Ertragsmodellen berechnet. Die Ertrags-schätzung erfolgt anhand des Wasserhaltevermögens, der Wasserleitfähigkeit, der Fließei-genschaften des Bodenwassers, der Durchwurzelungstiefe, der Wasser- und Nährstoffver-sorgung des Standortes, des Aussaatdatum, der Reihenweite und der genetischen Eigen-schaften der Fruchtarten. Über die genannten Ertragsfaktoren hinaus beeinflussen Un-kraut- und Krankheitsdruck die Ertragsentwicklung. Die hierdurch verursachten Ertragsver-luste fließen anhand Koeffizienten in die Ertragsschätzung ein. Die Rasterergebnisse wer-den zu einem Gesamtergebnis auf Schlagebene aggregiert, um eine Ertragsschätzung für den gesamten Schlag zu erhalten. Der Ansatz ist datenintensiv, da eine Vielzahl von Er-tragsparametern auf Rasterbasis berücksichtigt werden. Die Simulationsergebnisse zeigten

auf ertragsschwächeren Standorten Überschätzungen der Ertragshöhe (BATCHELOR 2002, S.143).

Das zweite Konzept leitet Managementzonen auf der Basis des Entwicklungszustandes der Pflanzen ab. Der Pflanzenzustand wird mit Hilfe von Luftbildern ermittelt und anhand eines Index beschrieben. Auf Grundlage der Zonen werden die Standorteigenschaften ermittelt und schließlich die Ertragshöhe simuliert. Der Vorteil von Managementzonen im Vergleich zur Rasterbetrachtung besteht in der effektiveren und kostengünstigeren Datenerhebung, da die Anzahl der zu untersuchenden Zonen im Vergleich zum Verfahren der Einzelraster-betrachtung stark schrumpft.

Für die genauere Abbildung der Wasserverfügbarkeit eines Standortes wird das Ertrags-modell im dritten Konzept mit einem WasserbilanzErtrags-modell gekoppelt. Dem Wasserbilanz-modell kommt die Aufgabe zu, das unterschiedliche Wasserangebot innerhalb eines Schla-ges im Modell abzubilden. Der teilschlagspezifische Wasserhaushalt ist die Grundlage der Simulation von Ertragsunterschieden innerhalb des Schlages.

Neben den unterschiedlichen Konzepten der Ertragsschätzung werden ökonomische Kon-sequenzen diskutiert. Das Ziel der ökonomischen Analyse ist die Optimierung der ausge-brachten Düngermenge je Teilfläche. Die Analyse erfolgt auf Rasterebene mit Hilfe von Er-tragsfunktionen, mit denen Erträge in Abhängigkeit unterschiedlicher Bewirtschaftungskon-zepte berechnet werden. Simuliert werden Szenarien mit unterschiedlichem Informations-stand des Landnutzers in Bezug auf die Witterung und dem damit verbundenen Angebot nicht kontrollierbarer Ertragsfaktoren (BATCHELOR 2002, S.151ff).

Ein weiteres Modell, das Eigenschaften der Teilschläge und die damit verbundenen Er-tragsvariationen berücksichtigt, ist das in Abbildung 4.1 S.51 dargestellte Konzept der ho-mogenen Landeinheiten (BOUMAN 1997, S.391 ff). Ziel des Modells ist, das Pflanzenwachs-tum zu simulieren, in dem Unsicherheit und räumliche Standortunterschiede berücksichtigt werden. Der Unsicherheit bezüglich des Pflanzenwachstums wird mit Fernerkundung be-gegnet, mit der die Lichteinstrahlung erfasst und auf deren Grundlage das Wachstum der Pflanzen simuliert wird. Der untersuchte Standort wird in Einheiten aufgeteilt und auf dieser Grundlage die räumlichen Standortunterschiede in das Modell integriert. Für die Standort-einheiten gelten gleiche Bodeneigenschaften, Wetterbedingungen und ein identisches Be-standsmanagement. Datenbasis der Ertragsschätzung sind Wetterdaten, Fruchtartenpara-meter, Bodeneigenschaften und Managementmaßnahmen (BOUMAN 1997, S.391 f).

Die simulierten Erträge der Methodik stimmen jedoch nicht mit den tatsächlich von den Landnutzern erzielten Erträgen überein. Dies wird zum einen auf den einfachen Ansatz zu-rückgeführt, in dem lediglich einige Ertragsparameter berücksichtigt werden. Zum anderen verweist der Autor auf die Ertragswirkungen von biotischen und abiotischen Faktoren

wel-che die Ertragsentwicklung beeinflussen, jedoch nicht Teil der Ertragsschätzung sind. Eine mögliche Lösung ist, den Ertragseinfluss dieser Faktoren in Form von Regressionen in die Ertragsschätzung aufzunehmen, die auf historischen Ertragsdaten basieren. Trotz dieses Anpassungsschrittes bleiben die Abweichungen zwischen statistisch erfassten und simu-lierten Erträgen bestehen, was auf die nicht einheitlichen Ertragsstatistiken zurückzuführen ist (ebenda).

Abbildung 4.1: Erfassung kleinräumiger Standortunterschiede mit dem Konzept der homogenen Landeinheiten (BOUMAN 1997. S.391)

Alle Ertragsmodelle erfordern eine Kalibrierung, um die Erträge exakt schätzen zu können.

Für die Wachstumsmodelle bedeutet dies, dass deren Simulation des Pflanzenwachstums auf dem Standort zu kalibrieren ist. Die Kalibrierung ist datenintensiv; Daten über die Pflan-zenentwicklung stehen jedoch nicht flächendeckend zur Verfügung.

Bei der Ertragsmodellbildung ist das Problemfeld zu berücksichtigen, in dem die Ertrags-schätzung angewendet wird. Aus der Problemdefinition ist der Komplexitätsgrad des Mo-dells abzuleiten (BERG und KUHLMANN 1993, S.12). Der Nutzen von Entscheidungsmodel-len hängt in diesem Zusammenhang davon ab, das Entscheidungsproblem korrekt zu er-fassen (BERG et al 1988, S.207). Bei der Anwendung als Entscheidungsunterstützung in Precision farming werden Pflanzenwachstumsmodelle benötigt, um anhand detaillierter Abbildung des Pflanzenwachstums operative Entscheidungen unterstützen zu können. Die

Modelle zeichnen sich aufgrund der Simulation des täglichen Pflanzenwachstums durch hohe Komplexität und hohe zeitliche Disaggregation aus. Hiermit ist ein hoher Datenauf-wand verbunden, da u.a. tägliche Wetterdaten im Modell zu verarbeiten sind.

Trotz der Fülle an Ertragsmodellen ist die Frage nach deren Praxistauglichkeit zu stellen.

Skepsis besteht hinsichtlich der Übertragbarkeit und Repräsentanz der Modelle bei unter-schiedlichen Wachstumsbedingungen der Pflanzen. Darüber hinaus sind Modelle nur für die wichtigsten Kulturen wie Weizen, Mais und Reis vorhanden, während für andere Kultu-ren wie Zuckerrüben, Kartoffeln und Raps nur wenig bzw. keine Modelle vorliegen. Auf-grund dessen ist die Simulation von Fruchtfolgen problematisch und bislang auf Versuchs-ansätze beschränkt (CHRISTEN 2002, S.42).

Das Problemfeld der taktischen Entscheidung zur Anbauprogrammwahl bedarf keiner Si-mulation täglicher Wachstumsprozesse, da nicht über operative Maßnahmen entschieden wird. Entscheidungsgegenstand ist die Auswahl des auf dem Standort vorzüglichen Pro-duktionsprogramms. Insofern ist der Komplexitätsgrad der Wachstumsmodelle für die Ent-scheidung über ein Produktionsprogramm über mehrere Vegetationsperioden hinweg keine Voraussetzung für die Entscheidungsfindung. Um die Anbauentscheidung treffen zu kön-nen ist die grundlegende Ertragskraft des Standortes relevant, welche die Vorzüglichkeit bestimmter Fruchtartenkombinationen determiniert. In diesem Entscheidungsumfeld wird eine hohe zeitliche Aggregation der Wachstumsbedingungen vorgenommen, in dem das jährliche Faktorangebot nicht kontrollierbarer Ertragsfaktoren Modellparameter ist. Die star-ke zeitliche Aggregation ermöglicht bei Anbauentscheidungen die Kontrolle der ausgewähl-ten Anbaualternative (STEFFEN und BORN 1987, S.53). Daher kommt ein Modell zur An-wendung, welches die zu erwartenden Erträge anhand der wichtigsten Ertragsfaktoren be-rechnet. Im Ertragsmodell sind somit die wichtigsten Ertragsfaktoren zu erfassen, zudem muss sich das Ertragsmodell eng mit der ökonomischen Analyse verbinden lassen.