5 Rechtliche Untersuchung Status quo
7.4 Empfehlungen für die Fortentwicklung des Rechtsrahmens
7.4.1 Überlegungen zu konkreten Fortentwicklungsmöglichkeiten
7.4.1.2 Erleichterung der Umsetzung von Bündelungsvorhaben
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durchaus möglich ist. In den zuletzt vom Gesetzgeber geschaffenen Regelungen zur Beschleuni-gung des Stromnetzausbaus wurde jedoch gleichwohl allein eine Möglichkeit zur MitverleBeschleuni-gung von Leerrohren geschaffen, nicht aber auch eine § 77i Abs. 7 TKG entsprechende Pflicht.
Will ein Vorhabenträger durch eine anfängliche Überdimensionierung einer Infrastruktur oder allein bestimmter passiver Trägerstrukturen Vorsorge für künftige Bedarfsänderungen tragen, so hat die Analyse des geltenden planungs- und zulassungsrechtlichen Rechtsrahmens gezeigt, dass dem immer dann Grenzen gezogen sind, wenn hierfür das Eigentum privater Dritter in An-spruch genommen werden soll. Dies gilt selbst dort, wo die Möglichkeit einer Enteignung gesetz-lich vorgesehen ist, sind hier doch die aus Art. 14 GG folgenden Grenzen einer ausreichenden Be-darfsprognose sowie einer hinreichend zeitnahen Vorhabenrealisierung einzuhalten. Diese Maß-gaben begrenzen die Möglichkeit Entwicklungen im hier und jetzt durch bauliche Vorsorge zu antizipieren doppelt: Selbst, wenn es möglich sein sollte, Bedarfe in einer ferneren Zukunft vor-herzusagen, ist einem Eigentümer ein weit vorgreifender Zugriff auf seine Rechte nur in be-grenztem Maß zumutbar. Da es sich bei den dargestellten Begrenzungen um verfassungsrechtli-che Maßgaben handelt, können diese jedenfalls vom einfaverfassungsrechtli-chen Gesetzgeber auch nicht überwun-den werüberwun-den. Insoweit stellt sich allein die Frage, ob etwa die weit in die Zukunft ausgreifenüberwun-den Möglichkeiten des Übertragungsnetzausbaus auch auf andere Infrastrukturen übertragbar sind.
Hierbei dürfte es insbesondere auf das Vorhandensein eines entsprechend hohen öffentlichen Interesses ankommen, das in der Lage ist, die damit einhergehenden Beschränkungen privater Rechte zu rechtfertigen. Bauliche Vorsorge für Entwicklungen auch in fernerer Zukunft wird da-mit nicht ausgeschlossen. Sie ist aber ggf. nicht gegen den Willen der privaten Eigentümer durchführbar.
7.4.1.2 Erleichterung der Umsetzung von Bündelungsvorhaben
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Vorhabenbegriffen, fachrechtlicher Bezug für die Umsetzung314 etc.). Unter Beachtung europa-rechtlicher Vorgaben, insbesondere dem UVP-Recht, steht dem Gesetzgeber im Allgemeinen je-denfalls ein weitreichender Gestaltungsspielraum in diesem Zusammenhang zu315.
7.4.1.2.2 Übertragung von Informations- und Zugriffsrechten des DigiNetzG auf andere leitungs-gebundene Infrastrukturen
Gesetzliche Instrumente wie die Regelungen des §§ 77a TKG weisen eine hohe Kontextabhängig-keit auf. Ihre Ausgestaltung im Detail ist in hohem Maße von den spezifischen Voraussetzungen des Breitbandausbaus abhängig, auf dessen Förderung sie ausgerichtet sind. Insoweit kann sich die Frage nach der Übertragbarkeit der Regelungen des DigiNetzG von vorneherein nur auf de-ren instrumentelle Kernelemente beziehen und muss die im Falle einer Übertragung zu beant-wortenden Detailfragen ausblenden. Selbst bei einer Fokussierung auf die Übertragbarkeit allein der instrumentellen Kernelemente der §§ 77a TKG ff. – der Schaffung eines Infrastrukturatlas sowie von Informations- und Zugriffsrechten – darf nicht übersehen werden, dass selbst diese in erheblichem Maße kontextgebunden sind und dieser Kontext, soweit er rechtlich von Bedeutung ist, näher zu betrachten ist.
Hierzu gehört es etwa, dass die Mitverlegung von Glasfaserkabeln zu anderweitigen Versor-gungsleitungen technisch relativ unproblematisch ist, dies weder einen erheblichen baulichen Aufwand bereitet, in besonders hohem Maße passive Netzinfrastrukturen in Anspruch genom-men werden müssen oder in erheblichem Maße Wechselwirkungen zwischen Glasfaserkabeln zu anderen Versorgungsinfrastrukturen zu erwarten sind. Vor diesem Hintergrund stellt die Mit-verlegung von Glasfaserkabeln unter technischen Gesichtspunkten einen Eingriff von eher gerin-ger Intensität in die Rechte der anspruchsverpflichteten Betreiber und Eigentümer von Versor-gungsinfrastrukturen dar. Eine hohe Eingriffsintensität kann hier vielmehr in solchen Fällen ent-stehen, in denen Mitverlegungsansprüche von unmittelbaren Konkurrenten der Anspruchsver-pflichteten ausgeübt werden und der Konkurrent durch die Rechteausübung nicht nur durch vergünstigte Ausbaukosten profitiert, sondern auch die Investitionen des Anspruchsverpflichte-ten jedenfalls teilweise entwertet und die Refinanzierung der Infrastruktur riskiert werden.316 Diese Umstände, die aus rechtlicher Sicht für die Bestimmung der Intensität von Grundrechts-eingriffen mitbestimmend sind, welche in Informations- und Zugriffsrechten liegen, können bei entsprechenden Rechten zugunsten anderer Infrastrukturen vollständig anders gelagert sein.
Dort können etwa wettbewerbsrechtliche Erwägungen keinerlei Rolle spielen, dafür aber in er-heblichem Maße Wechselwirkungen zwischen Infrastrukturen und Gefahren für den Betrieb ei-ner der Infrastrukturen zu befürchten sein. In diesem Fall würde sich die rechtliche Beurteilung von Informations- und Zugriffsrechten vollständig anders darstellen.
Während die technischen und wirtschaftlichen Spezifika einzelner Infrastrukturen für die Beur-teilung der Intensität von Eingriffen durch Informations- und Zugriffsrechte in die Grundrechts-positionen der verpflichteten Betreiber und Eigentümer von Bedeutung sind, ist der mit diesen Rechten verfolgte gesetzgeberische Zweck sowie die Eignung dieser Rechte, zur Erfüllung des Zwecks beizutragen, maßgeblich für die Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe. Auch insoweit sind die Besonderheiten der §§ 76 ff. TKG zu betonen. Zweck dieser Rechte ist es, zunächst die
314 Für eine Umsetzung käme z. B. das UVPG in Betracht; zur Kritik aber an dessen (fehlender) Eigenschaft als Fachplanungs-gesetz Enders/Krings, DVBl 2001, 1242, 1251; Gassner, UVPG, 2006, § 21 Rn. 3 f.; Beckmann, in: Hoppe/Beckmann/Kment, UVPG, 5. Aufl. 2018, § 65 Rn. 2, 7 m.w.N.; aus der Rechtsprechung dagegen VGH Mannheim, Beschl. v. 14.11.2011 – 8 S 1281/11, juris Rn. 19; OVG Münster, Beschl. v. 24.01.2008 – 20 B 1789/07, juris Rn. 16.
315 Vgl. eingehend Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht, 2016, S. 426 ff. und 499 ff.
316 Vgl. BT-Drs. 19/6336 S. 1
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Kosten des Netzausbaus für digitale Hochgeschwindigkeitsnetze zu senken.317 Die Kostensen-kung in erheblichem Ausmaß318 ist dabei Selbstzweck, soll aber gerade auch sicherstellen, dass eine flächendeckende Bereitstellung ausreichender Telekommunikationsdienste stattfindet und damit die Chancen der Digitalisierung für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftliche Parti-zipation allgemein gewährleistet werden.319 Die Bündelung von Leitungen ist hierfür Mittel zum Zweck, auch wenn die auf diese Weise gegenüber einer Einzelverlegung verringerten Umweltfol-gen durchaus vom europäischen Normgeber mit in seine Entscheidung über die Richtlinienvor-gaben einbezogen wurden.320 An der Erreichung des mit den §§ 76 ff. TKG verfolgten Zielbündels mit dem dominanten Ziel der Kostensenkung besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wel-ches die mit den verliehenen Rechten verbundenen Eingriffe grundsätzlich zu tragen in der Lage ist. Würde eine Übertragung solcher Rechte auf andere Infrastrukturbereiche allein mit dem Zweck beabsichtigt, dort die von einer Bündelung erwarteten ökologischen, aber auch wirt-schaftlichen Vorteile zu realisieren, so müssten diese Vorteile jedenfalls schätzweise ermittelt werden, um sie im Rahmen einer rechtlichen Prüfung den Einbußen auf der Eingriffsseite der Verpflichteten gegenüberstellen und konkret gewichten zu können.
Diese Überlegungen machen deutlich, dass eine Übertragung jedenfalls des in § 77d TKG vorge-sehenen Zugriffsrechts eine genaue Untersuchung der bereichsspezifischen Umstände mit Be-deutung für die Eingriffsseite bei den Anspruchsverpflichteten genauso erforderte, wie auch die Untersuchung der in anderen Bereichen mit solchen Rechtspositionen verfolgten Ziele und de-ren Eignung zur Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe, aber auch objektiv-rechtlicher Fragen.
Unterstützenswert sind deshalb auch die Forderungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) aus dem Jahr 2013, die Rechtsfragen im Zusammenhang mit Zugriffsrech-ten bei der Bündelung von Hoch- und Höchstspannungsleitungen verschiedener Vorhabenträger auf einem Gestänge zu schaffen.321 Zudem ist auch die Forderung unterstützenswert, die Nut-zung von Bündelungstrassen für den Breitbandausbau oder allgemein Informations- und Tele-kommunikationstechniken zu ermöglichen.322 Zudem sollte ein genaueres Prüfprogramm for-muliert werden, wie eine Übertragung solcher Instrumente auch auf andere Infrastrukturberei-che untersucht wird. Hierbei könnte zunächst ein Fokus auf die im Vergleich zu Zugriffsrechten unproblematischere Etablierung von Informationsrechten sein, die überhaupt erst Vorhabenträ-gern die Möglichkeit verschaffen, Formen der anfänglichen oder auch additiven Bündelung ins Auge zu fassen.
7.4.1.2.3 Stärkere Integration der Vorhabenträger?
Die vorstehenden Überlegungen zielen insbesondere darauf ab, die unterschiedlichen Interessen einzelner Vorhabenträger mit Blick auf verschiedenste Bündelungskonstellationen durch die Zu-weisung von Rechtspositionen auszugleichen und so Hemmnisse für die Bündelung leitungsge-bundener Infrastrukturen zu beseitigen. Das im Rahmen von INTEGRIS betrachtete Beispiel der KNE hat gezeigt, dass eine integrierte Planung und Realisierung eines Bündelungsvorhabens je-denfalls dann funktionieren kann und in Angriff genommen wird, wenn ein einheitlicher Träger
317 BT-Drs. 18/8332, S. 1, 28 f.
318 Siehe BT-Drs. 18/8332, S. 32, wonach das Kostensenkungspotenzial auf bis zu 25 Prozent der Gesamtkosten des bundes-weiten Netzausbaus geschätzt wird. Dies entspräche in etwa 3-19 Mrd. Euro. Mindestens wird eine Kosteneinsparung zwischen 800 Millionen und 6,4 Mrd. Euro und somit ein substanzieller volkswirtschaftlicher Einspareffekt erwartet.
319 BT-Drs. 18/8332, S. 29.
320 Erwägungsgrund Nr. 13, Richtlinie 2014/61/EU, ABlEU, L 155/3.
321 Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), ARL-Empfehlungen zum Netzausbau für die Energiewende, Positionspapier aus der ARL 93, 2013, Empfehlung Nr. 10.
322 Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), ARL-Empfehlungen zum Netzausbau für die Energiewende, Positionspapier aus der ARL 93, 2013, Empfehlung Nr. 11.
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eines solchen Vorhabens vorhanden ist. Insoweit stellt sich die Frage, ob die vorhandenen Defi-zite des Rechtsrahmens nicht gerade auch dadurch ausgeglichen werden können, indem stärker organisatorisch integrierte Vorhabenträger die notwendige Koordinationsleistung intern erbrin-gen, mithin die Integrationsleistung des rechtlichen Rahmens in ihrer Bedeutung für die Reali-sierung von Bündelungsvorhaben zurücktritt. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Integration von Infrastrukturvorhaben ist allerdings keine, die bislang mit Blick auf die Nachhaltigkeitsvor-teile von Bündelungsvorhaben beantwortet wurde, da dies kaum der maßgebliche Gesichts-punkt sein dürfte. Ob eine stärkere Integration von Infrastrukturunternehmen wünschenswert ist und wie dies ggf. umgesetzt werden kann, ist vor allen Dingen auch mit Blick auf Gesichts-punkte des funktionierenden Wettbewerbs zu beantworten, was aber im Rahmen dieses Vorha-bens nicht geleistet werden kann.