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Ergebnisse eines Gutachtens zur Überlebensfähigkeit von Handwerksbetrieben

5 Über das Für und Wider des Großen Befähigungsnachweises

5.1 Insolvenzquote

5.1.1 Ergebnisse eines Gutachtens zur Überlebensfähigkeit von Handwerksbetrieben

Nach Auffassung von Kucera/ Stratenwerth erhöhen Ausbildung und Prüfungen die Über-lebensfähigkeit von neu gegründeten Handwerksbetrieben erheblich (Kucera/ Stratenwerth 1990: 104). Diese Behauptung wurde durch die Studie von Schmidt/ Kraus einer Prüfung unterzogen. Um einen eventuellen Zusammenhang zwischen niedriger Insolvenzquote und Großem Befähigungsnachweis nachzuweisen, erstellten Schmidt/ Kraus im Auftrag der Handwerkskammer Trier und des Instituts für Technik der Betriebsführung81 ein Gutachten.

Dieses Gutachten ist die einzige ausführliche Untersuchung zu diesem Sachverhalt. Dem-entsprechend ist sie von besonderem Interesse und wird im Folgenden ausführlicher dargestellt. Die Gutachter waren zu dem Ergebnis gekommen, dass in den Meisterkursen eine unternehmenssichernde Wissensgrundlage vermittelt wird, weshalb sie den Zusammenhang zwischen der Ausbildung zum Meister und der hohen Unternehmenskontinuität im Handwerk als erhärtet ansehen (Schmidt/Kraus 2001: 221).

Aus dem, in einen quantitativen, qualitativen und empirischen Teil gegliederten Gutachten konnte aus den quantitativen Erhebungen kein Zusammenhang zwischen niedriger Insol-venzquote im Handwerk und Großem Befähigungsnachweis ermittelt werden82. Die quan-titativen Erhebungen bezogen sich auf das Unternehmensalter, die Unternehmensgröße sowie

80 Auch bei steigender Zahl der Insolvenzen im Handwerk bleibt der Abstand zur Gesamtwirtschaft etwa gleich.

Der Anteil der Insolvenzen im Handwerk im Vergleich zur Gesamtzahl der Insolvenzen hat sich auch durch die Rezessionen von 1975 und 1982 nicht wesentlich verändert; er liegt nach wie vor bei einem Sechstel, obwohl sich die Anzahl der jährlichen Insolvenzen im Handwerk seit 1970 bis 1986 fast verfünffacht hat (Kucera/

Stratenwerth 1990: 104).

81 Instituts für Technik der Betriebsführung (ITB) in Karlsruhe.

82 Teilweise reichte das statistische Datenmaterial nicht aus, um eine exakte Analyse zu ermöglichen.

die Rechtsform. Bei der Betrachtung der Insolvenzquoten des Vollhandwerks und der handwerksähnlichen Betriebe kamen die Gutachter zu dem Ergebnis, dass das Vollhandwerk eine höhere Überlebensquote aufweist. Im Handwerkskammerbezirk Düsseldorf zeige sich allerdings in der Bemessungszeit 1992 bis 1997 eine deutlich niedrigere Insolvenzquote der handwerksähnlichen Betriebe. Diese Gegebenheit wird von den Autoren als Ausnahmeer-scheinung verstanden, die nicht auf das gesamte Bundesgebiet übertragbar sei (vgl.

Schmidt/Kraus 2001: 48f).

Das Bauhandwerk ist von dem Sachverhalt einer niedrigen Insolvenzquote im Handwerk ausgenommen. Der Baugewerbesektor ist in besonderem Maße konjunkturabhängig, wovon auch das Bauhandwerk betroffen ist. Die Insolvenzquote des Bauhandwerks reicht an die der Gesamtwirtschaft heran, übertrifft demzufolge die Quote des Gesamthandwerks erheblich (vgl. Tab. 1; Schmidt/ Kraus 2001: 15f).

In Bezug auf die Wettbewerbsintensität thematisierten die Gutachter zwei Faktoren: zum einen die Einbindung in den Internationalisierungsprozess und zum anderen eventuelle wett-bewerbsverzerrende Auswirkungen der Meisterkurse aufgrund finanzieller und zeitlicher Belastung. Der Wettbewerbsdruck aufgrund des Internationalisierungsprozesses wird für das Handwerk auf einem niedrigeren Niveau (im Vergleich zur Industrie und dem verarbeitenden Gewerbe) angesiedelt. Das Handwerk sei zwar, infolge des Substitutionswettbewerbs und als Zulieferer, nicht unerheblich von der Industrie abhängig, dies führe jedoch nicht zu einem ähnlich hohen Niveau des Wettbewerbsdrucks wie in der Industrie. In diesem Zusammenhang konnte also kein unmittelbarer Zusammenhang zur niedrigeren Insolvenzquote festgestellt werden. In Anbetracht der überwiegend lokalen und regionalen Orientierung des Handwerks wurden zum Vergleich räumlich entsprechend agierende Wirtschaftsteilnehmer, wie der Einzel- und Großhandel, herangezogen. Auch bei diesem Vergleich wurde eine deutlich niedrigere Insolvenzquote des Handwerks festgestellt (Schmidt/Kraus 2001: 60). Der geringe Internationalisierungsgrad – aufgrund überwiegend lokaler und regionaler Orientierung – reiche demzufolge zur Erklärung der niedrigeren Insolvenzquote im Handwerk nicht aus.

Auch der finanzielle und zeitliche Einsatz durch die Meisterkurse wird nicht als wett-bewerbsverzerrend eingeschätzt. Nach Ansicht der Autoren drängen immer noch genügend Handwerker, welche die Zulassungsvoraussetzung erfüllen, auf den Markt, um eine aus-reichende Wettbewerbsstruktur zu gewährleisten. Der Große Befähigungsnachweis bedinge

mithin keine eingeschränkte Wettbewerbsintensität im Handwerk. Das Handwerk unterliege also – wie andere Sektoren auch – in ausreichendem Maße dem Wettbewerb. Schmidt/ Kraus schließen hieraus, dass die niedrigere Insolvenzquote nicht im Zusammenhang mit der Wettbewerbsintensität steht.

In der qualitativen Untersuchung werden Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren83 selbständiger Unternehmen betrachtet und mit den in den Meisterkursen vermittelten Inhalten verglichen.

Die Gutachter stellten hierbei fest, dass sich die Inhalte der Meisterkurse weitestgehend mit den ermittelten Erfolgsfaktoren für selbständige Unternehmen decken. Hierzu gehörten so-wohl der kaufmännische, rechtliche und betriebswirtschaftliche als auch der fachlich-techni-sche Teil der Meisterausbildung84. Insofern könne zunächst einmal davon ausgegangen werden, dass die Meisterqualifikation die niedrige Insolvenzquote im Handwerk positiv beeinflusse. Die in den Meisterkursen vermittelten Kenntnisse seien allerdings nicht hin-reichend, da in der Ausbildung zum Meister die wichtigsten Faktoren wohl thematisiert würden, infolge der zeitlichen Begrenzung aber nicht ausführlich behandelt werden könnten.

Hinsichtlich der Ausbildungsziele führen Schmidt/Kraus außerdem aus:

„Ob die Ausbildungsziele tatsächlich in einem Maß erreicht werden, dass ein messbarer Einfluss auf die Unternehmenskontinuität ausgeübt wird, hängt von einer Vielzahl von Variablen ab, insbesondere wohl von der Tiefe, Praxisnähe und Umsetzbarkeit des vermittelten Lehrstoffes wie auch der didaktischen Qualifikation der Lehrenden.“

(Schmidt/Kraus 2001: 154).

Durch die empirische Studie wird die Bedeutung des Großen Befähigungsnachweises sowohl von angehenden als auch selbständigen Handwerksmeistern bestätigt. Eine eindeutige Korre-lation zwischen niedriger Insolvenzquote und Großem Befähigungsnachweis ist dem Gut-achten indes nicht zu entnehmen.

83 Bei den Erfolgsfaktoren wird insbesondere eine große Bedeutung kaufmännischer Kenntnisse

herausgearbeitet. Dem Stellenwert dieser Kenntnisse liegen vor allem Kriterien der Kreditvergabe zugrunde. Er erhält aber auch in der Literatur ein starkes Gewicht. Die Organisation und Führung eines Unternehmens, die den persönlichen Eigenschaften des Selbständigen zuzuordnen ist, wird bei der Kreditvergabe gleichfalls ein hoher Stellenwert eingeräumt. Den kaufmännischen Kenntnissen kommt in der Beurteilung zwischen großer und höchster Bedeutung indes ein erheblich stärkeres Gewicht zu (Schmidt/Kraus 2001: 113 und Abb. 24: 114).

84 Der berufs- und arbeitspädagogische Teil bezieht sich insbesondere auf die Ausbildung im Handwerk, fällt hinsichtlich der Erfolgs- bzw. Misserfolgskriterien demzufolge allenfalls mittelbar – in Bezug auf qualifizierte Mitarbeiter – ins Gewicht.

Von Befürwortern einer Deregulierung wird die fachliche und betriebswirtschaftliche Quali-fikation jedoch als nachrangig eingestuft. Ihre Argumentation bezieht sich vielmehr auf die eingeschränkte Wettbewerbsintensität infolge des Großen Befähigungsnachweises. Hand-werksbetrieben werde die Möglichkeit gegeben, bei knappem Angebot hohe Preise zu verlangen. Außerdem sei die wirtschaftliche Solidität eines gesamten Sektors nicht als Wert an sich zu betrachten. Denn zum Wettbewerb als Selektions- und Anreizmechanismus gehöre, dass sich die Besseren am Markt durchsetzten. Diese unterschieden sich von den weniger Leistungsfähigen durch das Qualitätsmerkmal, das heißt durch das Angebot hochwertiger Leistungen. Entsprechend hätten die weniger Leistungsfähigen Einbußen hinzunehmen bzw.

aus dem Markt auszuscheiden. Das Insolvenzrisiko sei in diesem Zusammenhang als kon-stitutives Element dieses Mechanismus zu verstehen. Im Handwerk sei dieses Element jedoch aufgrund des Großen Befähigungsnachweises praktisch ausgeschaltet. Das führe dazu, dass wichtige Anreize zur Sicherung der Qualität handwerklicher Leistungen fehlten (Monopolkommission 2001: 28).

Der Bundesverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker (BUH) kritisiert zudem, dass Insolvenzen nicht auf die einzelnen Geschäftsbereiche bezogen werden. Er weist auf besonders hohe Insolvenzquoten in solchen Bereichen hin, die ohne jegliche Vorbildung betrieben werden dürfen, u.a. Kioskbetreiber und Videotheken. Der Vergleich von Insolvenzquoten in ausbildungspflichtigen mit freien Bereichen ist seiner Ansicht nach unlauter (BUH 2001: 5).