• Keine Ergebnisse gefunden

Empfehlungen für Akteur/innen in der praktischen Arbeit Jugendarbeit mit allen Jugendlichen

Im Dokument Ideologien der Ungleichwertigkeit (Seite 158-161)

3 Handlungsempfehlungen

3.1 Empfehlungen für Akteur/innen in der praktischen Arbeit Jugendarbeit mit allen Jugendlichen

Jugendliche haben das Recht auf Schutz vor Diskriminierungen und sollten sich mit Ausgrenzung, Diskriminierung, Gewalt, Rassismus und menschenverachtenden Hal-tungen auseinandersetzen. Hierdurch können sie kritische Sichtweisen entwickeln und diesen Phänomenen entgegenwirken. Aus der Perspektive eines emanzipatori-schen Ansatzes zur Jugendarbeit lässt sich aus dem KJHG §1 ableiten, dass es eine zentrale Aufgabe von Jugendarbeit ist, Jugendliche hierbei zu unterstützen.

Die Professionellen in der Jugendarbeit müssen selbst eine klare Haltung haben, sich in Situationen, in denen Menschen diskriminiert, bedroht und beleidigt werden, eindeutig verhalten und eine professionell-demokratische Grundhaltung17 zeigen.

16 Scherr (2012): 117f

17 Vgl. Reimer et al. (2009): Entwicklung von Standards und Empfehlungen, deutsche jugend, 2009, H.1: 25.

Jugendarbeit in der Auseinandersetzung mit Ideologien der Ungleichwertigkeit

Sind die pädagogischen Fachkräfte gleichgültig gegenüber einem Verhalten, das andere herabwürdigt, ist dies ein Statement gegen die Menschenrechte. Beobachter/

innen von Situationen und von rassistischen Beleidigungen Betroffene, registrieren bei einem Nicht-Eingreifen, dass menschenverachtende Haltungen unkommentiert bleiben (dürfen) und sie eventuell auch bei einem physischen Angriff keine Unter-stützung erhalten würden. Die Verantwortung allen Beteiligten gegenüber macht es für Jugendarbeiter/innen unerlässlich, Kindern und Jugendlichen ein Vorbild zu sein, das für die eigene Interpretation und Einstellungsbildung hilfreich ist, eine demo-kratische Kultur umzusetzen. Mit einem solchen Verständnis ist Jugendarbeit immer auch politisch und kann sich politischen Fragen nicht entziehen. Neutralität ist als politische Haltung gegenüber Ungleichwertigkeitsvorstellungen in der Jugendarbeit nicht möglich.

Ein qualitativer Demokratiebegriff18 orientiert sich an den Grund- und Men-schenrechten und muss in der Jugendarbeit politischer Minimalkonsens sein. Dazu gehört die Ablehnung des Nationalsozialismus mit allen seinen Ausprägungen, die Anerkennung der Würde jeder einzelnen Person, ein Verständnis von der Gleichwer-tigkeit aller Menschen, eine positive Haltung zur Gewaltfreiheit und zur Möglichkeit, jeder Person die Möglichkeit zu geben, sich frei zu entfalten. Grenzen der freien Ent-faltung treten da auf, wo andere, zum Beispiel durch Bedrohung oder Angriffe, in ihrer freien Entfaltung eingeschränkt werden. Sie findet ihre Grenze in den Persönlichkeits-rechten anderer Personen, ihrer Ehre und Würde. Grundsätzlich ist es eine Hilfe, sich vor Augen zu führen, dass eine Ablehnung von menschenverachtenden Haltungen zulässig ist und nicht bedeutet, dass damit auch die Person abgelehnt wird.

Weiterhin sollte gelten, dass mit allen Jugendlichen zusammengearbeitet wird.

Emanzipatorische Ansätze in der Jugendarbeit, beispielsweise geschlechterreflektie-rende Strategien, bieten Räume für verschiedene Identitäten und sollten für alle Inte-ressierten offen sein. Die Thematisierung von Geschlechteridentitäten, die kritische Betrachtung von zugeschriebenen Geschlechterrollen und die Möglichkeit, Räume zu schaffen, in denen diese Rollen verlassen und verändert werden, kann bereits der Prävention gegen Rechtsextremismus dienen, da hierdurch normative Vorstellungen der rechtsextremen Ideologie in Frage gestellt werden.19

Auch eine diversitätsbewusste Jugendarbeit trägt zu einer diskriminierungskri-tischen Atmosphäre bei. Ein solcher Ansatz versucht, sich einer vielfältigen Gesell-schaft zu nähern und dabei unterschiedliche Lebensentwürfe, Vorstellungen und Möglichkeiten anzuerkennen. Damit verbunden ist, Jugendliche zu stärken, die von Diskriminierungen betroffen sind («Empowerment») und die Jugendlichen dabei zu unterstützen, empathische Haltungen auszubilden, die es ihnen ermöglichen, sich mit eigenen Vorurteilen und Privilegien auseinanderzusetzen und sich von men-schenverachtenden Haltungen zu distanzieren.

Fortbildungen für die in der Jugendarbeit Tätigen müssen gezielt Methoden, Refle-xionsmöglichkeiten und Unterstützung anbieten. Hierfür bedarf es ausreichender

18 Vgl. ebd.: 25.

19 Vgl. Lehnert (2012): 70ff.

Ideologien der Ungleichwertigkeit

finanzieller Mittel und personeller Ressourcen. Die Teamarbeit sollte regelmäßig durch Supervision und kollegiale Beratung unterstützt werden.

Auf der regionalpolitischen Ebene ist es für Einrichtungen der Jugendarbeit uner-lässlich, sich am Austausch mit anderen Praktiker/innen sowie Vertreter/innen von Politik und Verwaltung zu beteiligen und Unterstützung einzufordern. In Netzwerken von Trägern und Anbietern von Jugendarbeit ist ein fachlicher Diskurs zu verschie-denen Ansätzen, Methoden und Erfahrungen möglich. In Kooperationen mit ande-ren Einrichtungen oder verschiedenen Ebenen der Bildungsarbeit (z.B. Schulen oder außerschulische Jugendbildungsstätten) lassen sich übergreifende Erfahrungen sam-meln, die vielfältige Austauschmöglichkeiten und Ideen für neue Ansätze bieten.

Arbeit mit rechtsextrem Orientierten

Wie bereits oben dargestellt, bedeutet es für Teams in der offenen Jugendarbeit eine besondere Herausforderung, mit rechtsextrem-orientierten Jugendlichen zu arbeiten.

Eine solche Entscheidung sollte bewusst und deutlich von allen Beteiligten befürwor-tet werden.

Außerdem muss bekannt sein, dass es sich bei den fraglichen Jugendlichen nicht um organisierte Rechtsextreme oder gar Kader handelt, denn deren strategisches Ziel ist es, Jugendliche für die rechtsextreme Szene zu rekrutieren, und sie haben kein Interesse daran, sich mit ihren eigenen Haltungen auseinanderzusetzen.20 Zur Ana-lyse und Einschätzung rechtsextremer Organisationen und Strukturen sowie dazu, was rechtsextreme Zeichen, Symbole und Ideologien bedeuten, können Fachprojekte aus der Region hinzugezogen werden.

Zum Umgang mit rechtsextrem-orientierten Jugendlichen in Jugendeinrichtun-gen empfehlen sich die folJugendeinrichtun-genden Schritte:21

Das Team muss sich einig sein, den rechtsextrem-orientierten Jugendlichen mit pädagogisch-fachlicher Haltung zu begegnen, und die Mitglieder des Teams müssen eine professionelle demokratische Grundhaltung haben. Bei der Arbeit mit Jugend-lichen mit menschenverachtenden Einstellungen müssen klare Grenzen aufgezeigt werden, sollte es zu Diskriminierungen kommen. Wichtig sind eine gemeinsame Ver-ständigung zur Ablehnung von Rechtsextremismus und ein politischer Standpunkt, welcher demokratische Prinzipien und die Menschenrechte anerkennt.

Das Team muss außerdem einheitliche Handlungsstrategien haben, und für eine erfolgreiche Beziehungsarbeit müssen die personellen Zuständigkeiten klar geregelt sein. Schritte, Maßnahmen und Entwicklungen müssen dokumentiert und bewer-tet werden. Sollten sich die Jugendlichen tatsächlich von der rechtsextremen Szene lösen, muss dieser Prozess weiter begleitet werden.

Von Fachprojekten können sich Teams eine professionelle und kritische Ein-schätzung von außen holen und gegebenenfalls gemeinsam entscheiden, ob eine

20 Vgl. Modell zu Ausdrucksweisen, Organisierungsgrad und Ideologiedichte rechtsextremer Ori-entierung. In: VDK/MBR (2006): Integrierte Handlungsstrategien zur Rechtsextremismusprä-vention und -interRechtsextremismusprä-vention bei Jugendlichen: 84, bzw. hier in dieser Publikation.

21 Ebd.: 76ff.

Jugendarbeit in der Auseinandersetzung mit Ideologien der Ungleichwertigkeit

Begleitung durch andere Stellen (Polizei, Jugendamt, Aussteiger/innenhilfe, Opferbe-ratungen) notwendig ist.

In der Einrichtung muss sichergestellt sein, dass durch die Arbeit mit rechtsex-trem Orientierten andere Personen nicht bedroht und ausgegrenzt werden. Bei dis-kriminierenden, rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen müssen sich die Mitarbeiter/innen eindeutig für die Betroffenen einsetzen. Ein Leitbild für die Einrichtung, das im besten Fall von allen Mitarbeiter/innen gemeinsam entwickelt wurde, sowie eine Hausordnung, die Betroffene schützt, sind bei der Umsetzung sehr hilfreich.22

Jugendarbeit stößt an ihre Grenzen, wenn Diskriminierungen nicht verhindert werden können und Menschen bedroht oder angegriffen werden. In solchen Fällen sind spezielle Einrichtungen oder Behörden einzuschalten (Gewaltpräventionspro-jekte, Jugendamt, Polizei).

Für die Arbeit mit rechtsextrem Orientierten sollten Jugendarbeiter/innen sich durch spezielle Fortbildungen vorbereiten. Wichtig ist, dass solche Fortbildungen sowohl die Auseinandersetzung mit eigenen Vorurteilen und Privilegien fördern wie auch fachliche Unterstützung für die Praxis bieten.

Im Dokument Ideologien der Ungleichwertigkeit (Seite 158-161)