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Einordnung des Verfahrens

Fertigkeiten respektiert, die eingesetzt werden, um in Projekt-Teams auf Konsensfindung hin zu wirken.“ (DATech 2007, S.202).

Abbildung 27: Phasen und Dokumente der Softwareentwicklung

Alternativ zu Vorgehensmodellen mit festgelegten Schritten und aufwändiger Dokumentation existieren sogenannte agile Ansätze der Softwareentwicklung, die das Ziel haben, den Software-Entwicklungsprozess effektiver zu gestalten (vgl. Beck 2000, Hruschka/Rupp et al. 2003). Dabei wird versucht, die reine Entwurfsphase auf ein Mindestmaß zu reduzieren und im Entwicklungsprozess so früh wie möglich zu ausführbarer Software zu gelangen, die dann in regelmäßigen, kurzen Abständen dem Kunden zur gemeinsamen Abstimmung vorgelegt werden kann. Das hier dargestellte Verfahren ist für diese agilen Methoden weniger geeignet, da Nutzungsanforderungen und Informationsarchi-tektur vorab ermittelt werden und Konsequenzen für die funktionale Gestaltung des Systems haben können (vgl. Bass/John et al. 2001).

User-Interface-Gestaltung ist immer eng mit der Softwarearchitektur verknüpft. Struktur (Architek-tur), Interaktion oder das Verhalten der Daten, statische und dynamische Aspekte hängen zusammen.

Dies bedeutet auch, dass sprachliche Bezeichnungen im Interface natürlich ihre passenden Ent-sprechungen in den tieferen Schichten der Softwarearchitektur haben. Anders ausgedrückt: Diskussio-nen zur Begriffsklärung und BeDiskussio-nennungsfindung, wie sie im Verfahren vorgeschlagen sind, könDiskussio-nen Auswirkungen für tiefere Modellierungsebenen haben (so kann eine zusätzliche Klasse erforderlich werden). Usability Engineering ist neben der Nutzungsqualität auch an den software-technischen Entwurfszielen Portierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Änderbarkeit orientiert. Aus Sicht des

Usability Engineering müssen viele Entwurfsentscheidungen, die einen engen Bezug zu den Nutzungsanforderungen haben, wie das Fensterkonzept oder die Tastaturbelegung, sehr früh im Entwicklungsprozess getroffen werden.

Im Folgenden sind zwei Besonderheiten skizziert, die für das Verständnis des Verfahrens von Bedeutung sind. Zum einen die Betrachtung der User-Interface-Gestaltung aus Sicht des Software- und des Usability Engineering sowie die unterschiedlichen Vorgehensmodelle für herkömmliche lokale Anwendungen und für Web-Applikationen.

Ein Web-Interface ist aus Sicht des Software Engineering die Konfiguration eines Interface über Browser-Seiten, einem HTML-Dokument also, das Befehle in einer Script-Sprache enthält, die vor dem Senden der Seite ausgeführt werden. Im Rahmen des ISO-7-Schichtenmodells sind nur die bei-den oberen Layer, die Anwendungs- und die Darstellungsschicht, hierfür relevant. Durch Software-architekturen wie Model-View-Controller45 ist es möglich, für das User Interface sowohl herkömm-liche Desktop-Oberflächen als auch Browser als Anwendungsschicht zu installieren (Abb.28).

Abbildung 28: Systemarchitektur für Web-Anwendungen (Beispiel) (Kreidenweis 2005, S. 45)

Webseiten, die nur mit HTML realisiert sind, gleichen rein menübasierten, mehr noch zeichen-orientierten Interfaces, da lediglich eine Navigation über Links von Seite zu Seite erfolgt. Webseiten, auf denen Java/Script oder Flash verwandt wird, gleichen schon eher den eigentlichen grafischen Interfaces, deren grundlegendes Prinzip die direkte Manipulation von Elementen im Interface ist. Die ursprünglichen Einschränkungen hinsichtlich der Interaktivität von Web-Interfaces sind inzwischen mit Hilfe von Technologien wie AJAX aufgehoben; es sind die gleichen Interaktionen wie auf lokalen Systemen möglich.

Aus Sicht des Usability Engineering versteht man unter einer Web-Benutzungsschnittstelle

„sämtliche Aspekte einer World-Wide-Web-Anwendung, wie Inhalt, Funktionalität, Navigation,

45 Mit Hilfe des MVC-Modells werden die anzuzeigenden Daten in einem Modellobjekt (Model) gekapselt, das über eine Anzahl getrennter, ihm zugeordneter Ansichtsobjekte (Views) verfügt. Jede Ansicht ist eine andere Bildschirmdarstellung des Modells und besitzt ein zuge-ordnetes Steuerobjekt (Controller), das Benutzereingaben und die Geräteinteraktion abwickelt.

Interaktion und Darstellung, die im Hinblick auf ihre Nutzung relevant sind“ (DIN EN ISO 9241-151, Entwurf 2006), wie in Abbildung 29 dargestellt. In der Praxis spricht man in Bezug auf die Gestal-tung lokaler User Interfaces vom „Look and Feel“ einer Applikation, und meint damit die Infor-mationspräsentation (Look) und die Dialoggestaltung (Feel). Letztere ist verbunden mit der Menü-struktur und dem damit zusammenhängenden Fensterkonzept. Neu für Web-User-Interfaces ist, dass dort explizit die Basis für die Präsentation und die Navigation benannt wird: Das „konzeptuelle Modell der Inhalte.“

Abbildung 29: Modell für ein Web-User-Interface (DIN EN ISO 9241-151, Entwurf 2006)

Diese neue Perspektive auf den Inhalt einer Anwendung zeigt sich auch in einer Änderung des Entwicklungsprozesses und hat Implikationen für die Benennungsfindung.

Mit der Entwicklung von Web-Anwendungen haben sich neue Vorgehensmodelle etabliert. Diese z. B. von Web-Agenturen praktizierten Modelle resultieren aus immer kürzeren Entwicklungszyklen, dem dort verbreiteten iterativen Vorgehen und der Notwendigkeit, schnell Prototypen zur Verfügung stellen zu müssen. Zusätzlich ist neben der Funktionalität eine neue Dimension zu gestalten, der hypertextuelle Informationsraum. In Abb.30 ist ein theoretisches und ein praktisches Beispiel für bisherige Vorgehensmodelle dargestellt.

Abbildung 30: Vorgehensmodelle für lokale Anwendungen (Beispiele) (Links: In Anlehnung an Royce 1970

Rechts: In Anlehnung an Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung 2005)

Diesen Modellen steht inhaltlich das Modell zur Gestaltung von Web-Applikationen in Abb.31 gegenüber, auch als Content-Interaction-Media-Design bezeichnet (vgl. DIN EN ISO 14915, 2003).

Dabei ist die Reihenfolge der Schritte bemerkenswert. Die Konzeption des Inhalts, hier Konzept-design genannt (was soll inhaltlich auf der Website, in der Anwendung zu finden sein), steht an erster Stelle, danach folgen parallel die Schritte Navigations- und Präsentationsdesign bzw. die Kombina-tion von eingesetzten Medien. Beide Aktivitäten werden dabei immer wieder zu gemeinsamen Ergeb-nissen, d.h. Prototypen zusammengeführt und erst nach erfolgter Abnahme durch den Auftraggeber folgt die Implementierung.

Abbildung 31: Vorgehensmodell für Web-Anwendungen (Beispiel) (In Anlehnung an DIN EN ISO 14915, 2003)

Die Nutzung von Anwendungen als Informationssystem und System zur Aufgabenbearbeitung bedingt diese Änderungen im Entwicklungsprozess. Das was in Abb.31 als Konzeptdesign be-zeichnet ist, definiert die DIN EN ISO 9241-151, Entwurf 2006 als abstraktes Modell. Dieses beschreibt die Konzepte innerhalb eines Anwendungsfeldes und die Beziehungen zwischen diesen Konzepten sowie die Operationen, die auf diese Konzepte bzw. Operationen angewandt werden. Der Inhalt selbst, auch Content genannt, wird dort als „Zusammenstellung von inhaltlichen Objekten einer Web-Benutzungsschnittstelle“ definiert. Dabei ist ein inhaltliches Objekt ein interaktives oder nicht-interaktives Informationsobjekt, das in Form von Text, Video, Ton oder anderer Medien dargestellt wird. Auf die Benennungsfindung für arbeitsorientierte User Interfaces heißt dies, dass zuerst die Inhalte geklärt sein müssen, bevor passende Benennungen gesucht werden. Dazu sind die im Verfahren vorgeschlagenen Workshops zur Begriffsklärung geeignet.

Die primäre Betrachtung der Inhalte einer Anwendung und deren nutzungsgerechte Benennung haben weitere Konsequenzen für das Feindesign des User Interface. Vorgehensmodelle werden auf den ein-zelnen Ebenen nochmals detaillierter aufgeschlüsselt, um eine ausreichend genaue Projektplanung machen zu können. In Abb.32 ist die User-Interface-Gestaltung für lokale Anwendung dargestellt, wie sie bislang gesehen wurde.

Abbildung 32: Modell für das User Interface einer lokalen Anwendungen

Zu dem dargestellten Vorgehen ist kritisch anzumerken: Die zu Beginn eines Projekts erfolgende konzeptionelle Gestaltung bildet bereits eine Basis für die später (in der Phase der Präsen-tationsgestaltung) zu findenden Benennungen, hier fälschlicherweise „Begriffe“ genannt. Oder anders ausgedrückt: Wenn man sich erst in der Phase der Präsentationsgestaltung mit den Benennungen befasst, sind Nutzungsprobleme und ggf. Probleme, die sogar die Funktionalität betreffen können,

vorhersehbar. In der ersten Phase der konzeptionellen Gestaltung werden bereits (im Zweifel technik-zentrierte) Begriffe geprägt, die sich in der späteren Phase, der Präsentationsgestaltung, als Bezeich-nungen wiederfinden. Die konzeptionelle Gestaltung von „Datenobjekte[n], Relationen, Operationen“

ohne vorherige Analyse des Wortschatzes und des Fachvokabulars der Nutzergruppen wird damit zu einer Ursache von Nutzungsproblemen.

Die Gestaltung von User Interfaces für Web-Anwendungen weicht von der Vorgehensweise, wie sie für lokale Applikationen dargestellt ist, ab. Hier folgt zuerst, wie der Abb.31 zu entnehmen ist, die Festlegung des Inhalts. Dokumentiert wird dies u.a. in einem Inhaltsmodell (Abb.33 rechts). Im nächsten Schritt erfolgt parallel das Design von Navigation und Präsentation. Ergebnis ist ein Navigationsmodell (Abb.33 links) und ein Prototyp für die Oberfläche.

Abbildung 33: Navigations- und Inhaltsmodell einer Web-Anwendung (Beispiel, CSC Ploenzke AG 2000)

Ein nutzungszentriertes Inhaltsmodell für eine arbeitsorientierte Applikation ist das im Verfahren vorgeschlagene Nutzer-Objekt-Modell.