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Effiziente Arbeitsteilung

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 82-85)

über administrative Grenzen

Interview mit Peggy Hertner, Leiterin Straßenreinigung der Berliner Stadtreinigung (BSR) und Andreas Thürmer, Leiter des Vorstandsbüros

B

erlin gehört zu den grünsten Metropolen in Europa, ja sogar weltweit. Das sind die beeindruckenden Zahlen: 2.750 Grün-, Park- und Erholungsanlagen, darunter 650 solitäre Spielplätze, insgesamt rund 6.000 Hektar Grünflächen. Hinzu kommen 16.000 Hektar Wald in und am Rande der Stadt. Diese grüne „Infrastruktur“ als Grundlage für Erholung, Gesundheit, Sport und Spiel, aber auch für gute Luft, wird von immer mehr Menschen genutzt und damit auch deutlich stärker beansprucht. Allein von 2015 bis Mitte 2017 wuchs die Einwohnerzahl von 3,52 Millionen auf 3,69 Millionen. Tendenz weiter deutlich steigend. Hinzu kommen jährlich rund 12,5 Millionen Touristen. Im Tagesdurchschnitt wird Berlin von mehr als vier Millionen Menschen „bevölkert“.

Dass mit dem Wachsen der Stadt auch die Ressourcen für die Daseinsvorsorge ausgebaut werden müssen, liegt auf der Hand. Dieser Prozess hat auf den ersten Blick vor allem eine quantitative Dimension. Mehr Menschen, mehr Bedarf. Auch an Leistungen der Entsorgung und Stadtreinigung. Für die Stadtreinigung ist in Berlin die BSR zuständig. Für die Grünflächenpflege hingegen sind es die Bezirke und die dortigen Straßen- und Grünflächenämter. Diese sind inzwischen auch sehr stark mit der Reinigung befasst. Deshalb gab es in Berlin die Idee, der BSR die Zuständigkeit für die Reinigung der Grünflächen zu übertragen.

In Berlin wurden dazu 2015 bzw. 2016 zwei Pilotprojekte auf den Weg gebracht. Gegenstand: die BSR reinigt eine stark frequentierte Waldfläche in einem Forstrevier des Landesforstamtes und zwölf Parks, verteilt in ganz Berlin. Dieser „Großversuch“ läuft bis Ende 2017.

Im Koalitionsvertrag des nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Herbst 2016 neugebildeten rot-rot-grünen Senats ist außerdem Folgendes festgeschrieben: „Unter Berücksichtigung der Erfahrungen des laufenden Pilotprojekts will die Koalition die professionelle Reinigung stark genutzter Grün- und Waldflächen sowie Parkanlagen durch die BSR schrittweise ausweiten. Die Verantwortung für eine qualitativ hochwertige Pflege verbleibt bei den Bezirken“. Über beide Pilotprojekte sprachen wir mit Peggy Hertner, Leiterin der Straßenreinigung und Andreas Thürmer, Leiter des Vorstandsbüros.

Peggy Hertner

Andreas Thürmer

UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 02 / NOVEMBER 2017 83

KOMMUNALWIRTSCHAFT AKTUELL

– die Grünflächenreinigung zukunftsorientiert gestalten.

Im Übrigen ist diese Entwicklung nicht Berlin-exklusiv. Auch in anderen Regionen werden die Zuständigkeiten neu sortiert. So hat z.B. die Stadt Hamburg die Reinigung von Grünflächen mittlerweile auf die dortige Stadtreinigung Hamburg (SRH) übertragen, die dafür 400 neue Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter eingestellt hat.

Sauberkeitszufriedenheit wuchs von 50 auf 90 Prozent

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Das Pilotprojekt läuft noch bis Ende 2017. Bis dahin gibt es Doppelzuständigkeiten. In zwölf Parks reinigt die BSR. Für alle weiteren Grün-flächen sind die Straßen- und GrünGrün-flächen- Grünflächen-ämter verantwortlich. Für die Evaluierung des Piloten ist doch sicher ein zentrales Kriterium zu prüfen, wer es besser erledigt. Welche Fragen sind im Detail Gegenstand einer ver-gleichenden Betrachtung und wie ist der Ver-gleich bis dato ausgegangen?

Peggy Hertner:

Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir komplexe Sauberkeitsdienstleistungen im öffentlichen Raum in hoher Qualität erbringen können. Das zeigen wir auch in den laufenden Pilotprojekten in den Parks und Forstflächen. Wir verstehen die Projekte jedoch nicht als Wettbewerb mit den Grünflächenämtern. Wir wollen damit vielmehr eine sinnvolle Aufgabenteilung testen und arbeiten deshalb auch eng zusammen.

Die Qualität unserer Arbeit wird in den Pilot-projekten auf mehrere unterschiedliche Arten dokumentiert. Zunächst messen wir die subjektive Sauberkeit durch regelmäßige Befragungen der Park-nutzer. Von diesen waren vor Beginn der Pilotprojekte lediglich 50 Prozent der Befragten zufrieden. Mittler-weile sind es stabil über 90 Prozent.

Für eine objektive Beurteilung der Qualität setzen wir ein standardisiertes Messverfahren ein, dass wir in ähnlicher Form auch in der Straßen-reinigung verwenden. Die Bewertung erfolgt extern durch das unabhängige INFA-Institut. Auch hier haben sich die Werte deutlich verbessert und ent-sprechen jetzt einem guten Sauberkeitszustand.

Darüber hinaus gibt es regelmäßige Qualitäts-rundgänge in den Parks mit unseren Partnern, den Bezirksämtern. Auch hier wird uns eine hohe Qualität der Leistung attestiert. Das Projekt wird eng begleitet durch eine Evaluationsgruppe, besetzt mit Vertretern aus den zuständigen Senats-verwaltungen und den Bezirken. Dort werden auch die anfallenden Kosten betrachtet. Wir liegen leicht unter den Planansätzen, die wir vor Beginn der Projekte ermittelt hatten.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Was spricht dafür, die Reinigung der Grün-flächen in Berlin in Zukunft komplett bei der BSR zu konzentrieren?

Hertner:

Der bisherige Verlauf der Pilotprojekte zeigt, dass mit der Übernahme der Reinigung durch die BSR eine deutliche Verbesserung des Sauber-keitszustandes eingetreten ist. Selten haben wir für unsere Dienstleistung so viele positive Stimmen von der Bevölkerung erhalten. Dabei wird nicht nur die stark gestiegene Aufenthaltsqualität gelobt, sondern auch ein deutlich verbessertes Sicherheits-gefühl. Der öffentliche Raum hat eine sehr hohe Bedeutung für die Berlinerinnen und Berliner.

Die Übernahme der Reinigung von Grün-flächen durch die BSR bietet einige Synergien zu unserem Kerngeschäft. Sie lässt sich teilweise in die bedarfsorientierte Arbeitsorganisation der Reinigung integrieren und schafft einen verbesserten Ausgleich zwischen den Kapazi-tätsspitzen im Winterdienst und den hohen Aufwendungen für Grünflächenreinigung im Sommer. Dadurch lässt sich auch die vorhandene Fahrzeugtechnik über das Jahr hinweg besser auslasten.

Darüber hinaus hätte die zusätzliche Auf-gabe natürlich eine Beschäftigungswirkung: es würden zusätzliche Arbeitsplätze im niedrig qualifizierten Arbeitsmarktsektor unter den sehr guten Rahmenbedingungen eines öffentlichen Unternehmens geschaffen.

Der neue Ansatz der Aufgabenteilung wird nach teilweise anfänglicher Skepsis durch die beteiligten Bezirke jetzt positiv eingeschätzt.

Vor allem, weil die Grünflächenämter ihre Ressourcen auf die Gestaltung und Pflege der Parks konzentrieren können. Mit dem Effekt einer höheren Aufenthaltsqualität.

Konzentration auf

Kernkompetenz Reinigung ist sinnvoll

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Reinigung bei der BSR, Pflege bei den Bezirken. Der Übergang zwischen beiden Leistungen ist fließend. Befürchten Sie nicht einen erheblichen Koordinierungsaufwand?

Hertner:

Die Synergien zwischen diesen beiden Tätigkeiten in den Parks sind geringer als man im ersten Augenblick vermutet. Die Aufgaben lassen sich im Gegenteil sehr gut abgrenzen. Die Parkpflege erfordert gärtnerisches Know-how. Darüber ver-fügen die Grünflächenämter. Die Reinigung von großen Grünflächen wiederum erfordert Kompetenzen für komplexe Reinigungsprozesse.

Das bringt die BSR mit.

Vor dem Start der Pilotprojekte haben wir uns sehr detailliert mit den für die Pilotparks zuständigen Grünflächenämtern über den Umfang der BSR-Leistungen abgestimmt und dazu konkrete Verein-barungen getroffen. Seit dem Start der Pilotprojekte Stadtreinigung

Grünflächenreinigung durch die BSR im Spreebogenpark am Kanzleramt

erbringen wir die Reinigungsleistungen weitest-gehend autark. Natürlich auf der Grundlage einer guten Kommunikation und der engen Zusammen-arbeit mit den Grünflächenämtern.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Es läge in der bisherigen Logik auf der Hand, zu überlegen, den Gesamtprozess, also Reinigung und Pflege, bei der BSR zu konzentrieren?

Hertner:

Wir halten eine Konzentration auf unsere Kernkompetenz Reinigung für sinnvoll. Das ist angesichts der Größe der Aufgabe mehr als anspruchsvoll. Die Pflege ist bei den Grün-flächenämtern in guten Händen und die Zusammenarbeit in den Pilotprojekten gelingt nahezu reibungslos.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die Berliner Bezirke klagen seit Jahren über den Abbau an Entscheidungskompetenzen und zunehmende Zentralisierung. Anzunehmen wäre, dass es Widerstand gegen die Zuordnung der Grünflächenreinigung zur BSR gibt. Oder waren die Bezirke im konkreten Fall sogar froh, dass ein Gegenstand ständiger Ärger-nisse – Stichwort Vermüllung – und damit ver-bundener heftiger Medien- und Bürgerschelte aus ihrem Portfolio verschwindet?

Thürmer:

Als die Pilotprojekte geplant wurden, gab es in der Tat bei den Bezirken ein gewisses Maß an Skepsis.

Erstens wegen der Abgabe von Kompetenzen, und zweitens auch wegen der Befürchtung, dass die entstehenden Kosten für die Grünflächen-reinigung bei den Budgets der Grünflächenämter eingespart werden sollten.

Nicht zuletzt weil diese negativen Projektionen nicht eingetreten sind, arbeiten wir mit den

Grünflächenämtern sehr gut zusammen und finden viel Unterstützung für den eingeschlagenen Kurs. Die Reinigung von Parks und Grün-flächen ist eine neue, der veränderten Nutzung öffentlicher Räume geschuldete, Aufgabe. Sie spielt daher in den vorhandenen Regelungen keine Rolle. Und sie bildet sich auch nicht in den Budgets der Bezirke ab. Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass es für diese neue Aufgabe auch einen extra Titel im Landeshaus-halt geben muss.

„Wir verstehen uns als Garant für Stadtsauberkeit und nachhaltige Entsorgung und Verwertung“

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die BSR optimiert seit vielen Jahren erfolg-reich ihr Kerngeschäft. Zugleich erschließt sie sich neue Geschäftsfelder auch im gewerb-lichen Bereich, wofür unter anderem die Tochter Berlin Recycling steht. Kam auch der Impuls zum Pilotprojekt Grünflächenpflege im Kontext mit Konzepten zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens von der BSR?

Thürmer:

Die BSR hat vor knapp drei Jahren in einem breit angelegten Prozess ihre Strategie unter Mitwirkung ihrer Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter überarbeitet. Unser Selbstverständnis als kommunales Vorzeigeunternehmen ist, dass wir uns für die wachsende Metropole Berlin als Garant für Stadtsauberkeit und nachhaltige Entsorgung und Verwertung sehen. Wir haben uns in den zurückliegenden Jahren eine hohe Reputation in der Stadt erworben und möchten uns aus dieser Position verstärkt in die Entwicklung der wachsenden Stadt einbringen. Vor diesem Hinter-grund passt die Übernahme der Grünflächen-reinigung sehr gut in unsere Strategie.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Das Suchen und Finden neuer Betätigungen ist unter der großen Überschrift „Unter-nehmensstrategie“ ein wesentlicher Aspekt, aber

natürlich nicht der einzige. Welche Konzepte hat das Unternehmen in Gänze um sich den Heraus-forderungen der am schnellsten wachsenden deutschen Großstadt zu stellen?

Thürmer:

Die aktuelle Strategie der BSR wurde Ende 2015 von unserem Aufsichtsrat, in dem seit Anfang 2017 die Wirtschaftssenatorin des Landes den Vorsitz führt, verabschiedet. Parallel dazu hat die BSR mit dem Land Berlin einen neuen Unternehmensver-trag unterzeichnet, mit dem die hoheitlichen Auf-gaben der BSR bis 2030 gesichert sind.

Unsere Strategie hat neben dem über-geordneten Selbstverständnis vier wesent-liche Elemente. Wir wollen die ökologische Ausrichtung des Unternehmens und der Abfallwirtschaft vorantreiben, dabei aber weiterhin niedrige und stetige Tarife für unsere Eigentümer, die Berlinerinnen und Berliner gewährleisten. Das erfordert kluges Kosten-/ Nutzenmanagement und die richtige Priorisierung von Maßnahmen.

Der im neuen Berliner Mobili-tätsgesetz postulierte Ausbau Berlins zur Fahrradstadt wird nicht funktionieren, wenn die

Belange der Entsorgung und der Reinigung nicht umfassend

berücksichtigt werden. Wir sehen uns hier, wie in vielen anderen Bereichen, als Stadt-gestalter und arbeiten deshalb

konzeptionell und bei der Umsetzung aktiv mit.

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Andreas Thürmer

UNSERE GESPRÄCHSPARTNER Andreas Thürmer wurde am 30. Mai 1966 in Marbach/Neckar geboren. Sein Stu-dium an der Universität Stuttgart beendete er 1996 als Diplom-Ingenieur Maschinenbau.

1996 startet er seine berufliche Laufbahn als Organisationsentwickler bei der Audi AG.

Seit 2001 ist er bei der Berliner Stadtreinigung beschäftigt. Bis 2006 war er Leiter der Organi-sationsentwicklung im Unternehmen. Seit 2007 ist er Prokurist und Leiter des Vorstandsbüros der BSR und verantwortet dort u.a. die Entwicklung der Unternehmensstrategie.

Seit 2011 ist er zusätzlich ehrenamtlich Vorstand der Entsorgergemeinschaft EdDE, die für eine hochwertige Zertifizierung von Unternehmen nach der Entsorgungsfachbetriebeverordnung steht. An-dreas Thürmer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Peggy Hertner, wurde am 10. Oktober 1978 in Halle an der Saale geboren. Die 39-jährige Diplomkauffrau und Mutter einer Tochter blickt auf 13 Jahre Berufserfahrung in Beratung sowie in Leitungsfunktionen in den Branchen Verkehr, Transport/Logistik, Maschi-nen-, Anlagenbau und in der Automobilzu-liefererindustrie zurück. Seit 2008 war sie im DB-Konzern beschäftigt, seit 2011 bei der DB Station und Service AG Berlin. Die Bahntochter mit ihren knapp 5.000 Mitarbeitern ist verant-wortlich für Betrieb, Instandhaltung, Reinigung und Winterdienst von rund 5.400 Verkehrssta-tionen und Bahnhöfen in ganz Deutschland.

Seit 2017 ist Peggy Hertner Prokuristin und Leiterin der Straßenreinigung der BSR.

Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir komplexe Sauberkeitsdienstleistungen im

öffentlichen Raum in hoher Qualität erbringen können und verstehen die Projekte nicht als Wettbewerb mit den

Grünflächenämtern.

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Peggy Hertner

UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 02 / NOVEMBER 2017 85

KOMMUNALWIRTSCHAFT AKTUELL

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