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5.4.1 Inhaltliche Diskussion der Kategorien: Woran Qualität bemessen wird

Die Indikatoren für Qualität in der (naturwissenschaftlichen) Lehrerfortbildung fallen in dieser Expertenstu-die sehr spezifisch für Expertenstu-die (naturwissenschaftliche) Lehrerfortbildung aus und beschreiben fast gar keine

„klassischen“ Qualitätsfelder der üblichen QM-Modelle (vgl. Kapitel Theoretische Grundlagen). Ausnahmen stellen die Komplexe „Kundenkommunikation“ und „Infrastruktur“ dar, die z. B. auch Bestandteil des in die-ser Arbeit genauer betrachteten Modells LQW sind (siehe Fallstudie). Aber diese Bereiche fallen deutlich weniger detailliert aus als viele andere der 14 identifizierten Bereiche, hier absteigend sortiert nach Zahl der Kategorien:

• eine gute Fortbildungsgestaltung,

• der Referent, Kursleiter

• die Zielgruppenorientierung (Schulbezug),

• gute Vorbereitung,

• hochwertiges Begleitmaterial,

• eine gute Atmosphäre,

• gute Infrastruktur und

• gute Kundenkommunikation etc.

Die gefundenen Kriterien und Indikatoren verteilen sich sehr ungleichmäßig auf die vierzehn Qualitätsberei-che. Es werden ungefähr zwei Drittel aller Kriterien und Indikatoren unter nur drei Bereiche subsumiert:

• der Referent, Kursleiter

• die Fortbildungsgestaltung und die

• Zielgruppenorientierung (Schulbezug).

Die Auflistung der für notwendig oder für wünschenswert gehaltenen Merkmale zeigt, dass schon früh im In-terviewverlauf, nämlich bei der Erstellung und Diskussion der Maps, dieses „Übergewicht“ entstanden ist (45 von 67 der als notwendig und 35 von 61 der als wünschenswert erachteten Merkmale). Der Umfang die-ser Bereiche zeigt zielgruppenübergreifend eine starke Fokussierung der Befragten auf die „Qualität“ bzw.

Kompetenz des konzipierenden und des betreuenden Personals. Dies wird noch unterstrichen dadurch, dass noch Kategorien aus dem Bereich Vorbereitung/Planung hinzu gezählt werden könnten. Eine Stärkung vor allem oder nur dieser Bereiche würde nach Rolf Arnold [17] in eine von drei Hauptströmungen in der Quali-tätsdebatte im Bildungsbereich passen, nämlich die „Professionalisierung des Personals“ (vgl. Kapitel Theo-retische Grundlagen).

Die aus der Expertenumfrage generierten Kategorien beschreiben also überwiegend den Bereich der „Profes-sion“. Außerdem offenbaren die identifizierten Qualitätsfelder und ihre Kriterien und Indikatoren hauptsäch-lich eine anwenderbezogene Sichtweise auf Qualität, teils auch eine produktbezogene Sichtweise (letzteres etwa bei den Materialien, bzw. bei Definition der Fortbildung selbst als „Produkt“ z. B. auch die Kategorien der Fortbildungsgestaltung)(vgl. [12, S. 2]).

Die erste Frage nach den anzustrebenden Qualitätszielen beantwortet sich also zumindest nach außen haupt-sächlich durch die Anforderungen an die Professionalität und Kompetenz von Menschen, die vom „Anwen-der“, hier dem Teilnehmer, ausgehen.

Der Bereich „Referent, Kursleiter“ ist, gemessen an der Zahl der Kategorien, zweitstärkster Bereich kurz nach der „Fortbildungsgestaltung“ und knapp vor der Zielgruppenorientierung. Das Thema Fortbildungsge-staltung lässt aber naturgemäß schon aufgrund seiner vielen Aspekte viel Raum für unterschiedliche Indika-toren, so dass sich der Bereich „Referent, Kursleiter“ als besonders differenziert heraushebt. Er dürfte der

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Was ist „Qualität“ – die Experteninterviews und die Sekundäranalyse

Kategorie „kompetenter Referent“ in der Studie von Schmidt und Neu entsprechen ([26], vgl. Kapitel Theo-retische Grundlagen). Setzt man voraus, dass die hohe Anzahl an Unterpunkten auf den Stellenwert des The-mas für die Befragten schließen lässt, spiegelt die hohe Ausdifferenzierung in allein 53 Kategorien (also in von den Befragten direkt genannten Unterpunkte, ohne der Übersichtlichkeit wegen im System ergänzte Überschriften) eine enorme Bedeutung der Wirkung allein des oder der Referenten für die Beurteilung einer Fortbildung wider.

Für die Zielgruppenorientierung bietet das Kategoriensystem fast genau so viele Hinweise. Einen hohen An-teil haben dabei Kategorien, die den Nutzen für die Schülerinnen und Schüler thematisieren. Dies unter-streicht stark die Zielrichtung „Wirkung im Unterricht“, die aufgrund der Fragestellung der Studie aber be-reits impliziert wurde: Die Fragestellung fokussierte ja nicht so sehr die Lehrerfortbildung allgemein, son-dern hauptsächlich die naturwissenschaftliche und damit unterrichtliche Aspekte.

Weitere Bereiche folgen erst mit hohem Abstand: Konnten für die Bereiche Zielgruppenorientierung, Refe-renten und Fortbildungsgestaltung noch jeweils über 50 Kategorien generiert werden, folgen die Bereiche Material und Vorbereitung mit je 21 Kategorien, danach die gute Atmosphäre mit elf. Andere Bereiche haben eine Kategorienzahl im einstelligen Bereich. Dies unterstreicht nochmals die zentrale Stellung der ersten drei Bereiche für die Befragten der Expertenstudie.

Die Bereiche „Zielgruppenorientierung – Multiplikatoren“ und „Modulcharakter“ stammen nur von einer der befragten Personen aus der Gruppe der „Aufsicht“ und sollten daher nicht allgemein interpretiert werden.

Gleiches gilt für den Bereich „Rückwirkungen auf die Hochschule“ aus der Reihe der Kontextexperten.

Die Interviewten wurden um eine genauere Definition der wirklich wichtigen Qualitätsmerkmale gebeten, und sollten ihre Kriterien in wünschenswerte und notwendige unterteilen. Dies hätte die Prioritätensetzung erleichtern können. Das sich ergebende Bild war aber sehr uneinheitlich, so dass keine Schwerpunktbildung erkennbar ist. Die Unterscheidung in notwendige und wünschenswerte Merkmale spiegelt wohl eher persön-liche Präferenzen wider. Für aussagekräftigere Ergebnisse wäre eine repräsentative, quantitative Studie nötig.

5.4.2 Verwendbarkeit der Kategorien für die Qualitätsarbeit

Die gefundenen Kategorien können als Orientierung in der Qualitätsarbeit dienen, da sie zum großen Teil die Anforderungen so detailliert beschreiben, dass sie operationalisiert bzw. operationalisierbar sind. Damit stellt das Ergebnis eine Ressource dar, die es - insbesondere neu auftretenden - Akteuren in der universitären na-turwissenschaftlichen Lehrerfortbildung, zum Teil auch darüber hinaus, ermöglicht, ihre Fortbildung nach diesen Anforderungen auszurichten und zu evaluieren.

Widersprüche wären allerdings vor der Verwendung der Kategorien zur Orientierung bei der Qualitätsarbeit zu klären. Zwischen einzelnen befragten Gruppen traten keine konflikthaltigen Widersprüche auf, auch wenn bei einigen Kategorien deutlich zu erkennen ist, dass sie (hauptsächlich) bestimmten Zielgruppen entsprin-gen, z. B. die Kategorie „Kommunikation der Institution mit Aufsichtsbehörden“.

Unterschiedliche Anforderungen wurden nur in einem Bereich sichtbar, und zwar in der Gruppe der Lehr-kräfte beim Thema Fortbildungsgestaltung. Die Fortbildungen sollen

• regional – überregional sein,

• nicht in den Ferien – in den Ferien stattfinden,

• ein fertiges Unterrichtskonzept bieten – kein fertiges Unterrichtskonzept bieten,

• mindestens ganztägig sein, besser noch länger – nachmittags oder abends stattfinden (ohne Unter-richtsausfall).

Solche Gegensätze in den Wünschen zu Fortbildung sind natürlich und durch ein flexibles Angebot zu über-winden. Die Dauer und der Zeitpunkt einer Fortbildung müssen sich außerdem auch nach dem Thema und der Verfügbarkeit der Referenten richten.

Die Kategorien bieten in ihrer thematischen Breite Anregungen für die verschiedenen Phasen einer Fortbil-dungsplanung und -durchführung (vgl. Haenisch [55], siehe Kapitel Theoretische Grundlagen). Kategorien

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Was ist „Qualität“ – die Experteninterviews und die Sekundäranalyse

wie „Profit für Studierende“, „Kommunikation der Institution mit Aufsichtsbehörden“ oder „bei zentralen Themen phasenübergreifend“ zum Beispiel können bereits in ganz frühen Phasen der Planung einer Fortbil-dung berücksichtigt werden. Für die Inputevaluation finden sich zahlreiche Kategorien etwa die Materialien, die Auswahl der Referenten oder die Fortbildungsgestaltung betreffend. Für die Prozessevaluation finden sich als Kategorien zum Beispiel solche, die die Kommunikation und die Atmosphäre innerhalb der Fortbil-dung, aber auch den Ablauf und das Vorankommen thematisieren. Sehr viele Kategorien eignen sich außer-dem für die (abschließende) „Produktevaluation“ am Ende der Veranstaltung.

Wie oben bereits ausgeführt, beschreiben die Kategorien überwiegend den Bereich der Profession, dem für die Außenwirkung also eine besondere Bedeutung zukommt. Dieser Bereich sollte fokussiert, aber nicht al-lein betrachtet werden: In der aktuellen Qualitätsdebatte gälte dies als einseitiger Bezugsrahmen. Beispielhaft sei Stefanie Hartz [28, S. 244] zitiert, die die Wichtigkeit von zwei Handlungslogiken der Qualitätsentwick-lung in der Weiterbildung reklamiert, nämlich neben der Profession („professionelles Handeln […] zeichnet sich durch situative Kompetenz vor dem Hintergrund theoretischen Wissens aus“) auch die der Organisation, also die „Qualität von Verfahren“. Die organisatorischen Prozesse bereiten den Lehr-Lernprozess vor und nach, das professionelle Handeln findet in der Kurssituation statt. Auch wenn sich die Ziele beider Bereiche im Einzelfall sogar widersprechen könnten, zum Beispiel können Fehlzeiten durch die Fortbildung des Per-sonals (Profession) die betrieblichen Abläufe (Organisation) stören, bleibt die Qualitätsentwicklung im Bil-dungswesen durch die Konzentration auf nur einen Bereich unvollständig. Es darf aber nicht verwundern, dass bei dieser Studie die Profession trotzdem stark im Mittelpunkt stand, da es sich um den Bereich handelt, der einer Bewertung durch alle Gruppen und insbesondere der Teilnehmer besonders offen steht.

Vor dem Hintergrund der Frage nach Ansätzen des Qualitätsmanagements in der naturwissenschaftlichen Lehrerfortbildung wird durch die vorliegende Studie eine abweichende Schwerpunktsetzung deutlich: Das

„klassische“ Qualitätsmanagement bzw. die Qualitätsmanagementmodelle stärken erfahrungsgemäß eher den Bereich der Organisation, während sie für den pädagogischen Bereich (also Bereiche der Profession) oft noch nicht genügend nutzbar gemacht werden konnten [63], [64]. In neuerer Zeit wendet man sich aber nun dieser Lücke verstärkt zu. Anstöße, wie Qualitätsmanagement für die pädagogische Qualitätsentwicklung ge-nutzt werden kann, gibt etwa Bender [64]. Hilfreich können bis zum Vorliegen entsprechender Modelle auch Publikationen sein, die von Praktikern erarbeitet wurden, wie etwa die PAS 1064:2006-05, eine Mitte 2006 erschienene öffentlich verfügbare Spezifikation mit Qualitätsanforderungen für die Lehrerfortbildung23. Hier werden auch konkrete didaktische Aspekte neben klassischen Bereichen wie Verwaltung, Leitung oder Eva-luation behandelt.

5.4.3 Kompetenzzuweisung für die Beurteilung von „Qualität“

Da es im Rahmen dieser qualitativen Studie keine Widersprüche zwischen den verschiedenen Gruppen gab, birgt die Frage nach der Definitionsmacht von „Qualität“ hier keine Brisanz. Die Antworten auf die Frage, wer die Qualität definieren und feststellen soll, weisen ebenfalls in die Richtung eines breiten Konsenses: Sie zeigen, dass sich die meisten Befragten eine breite Beteiligung mehrerer relevanter Gruppen an der Quali-tätsdefinition und -bewertung wünschen, auch die Lehrkräfte. Es sind eher andere Gruppen als die Lehrkräfte selbst, wie die Sponsoren oder die Aufsicht/Arbeitgeber, die (größtenteils) die Lehrkraft im Vordergrund se-hen, aber auch hier nicht ausschließlich, sondern neben anderen Gruppen.

Dies sind aufgrund der sehr kleinen Zahl der Befragten keine repräsentativen Aussagen, sie deuten aber zu-mindest in die Richtung, dass ein ernsthaftes Interesse an einer möglichst „objektiven“ Bewertung bei allen befragten Gruppen besteht und dass die diesbezügliche Kompetenz anderer gesellschaftlicher Gruppen als der eigenen anerkannt wird. Dieses Ergebnis weist (potenzielle) universitäre Fortbilder auf mögliche Partner bei der Konzeption der eigenen Fortbildung hin; auch könnte ihr Einbezug an sich bereits als Qualitätskriteri-um gelten. Ebenso kann es als Hinweis für die politischen Gestalter angesehen werden, das Feld „Qualität der Lehrerfortbildung“ im Diskurs verschiedener betroffener gesellschaftlicher Gruppen zu bearbeiten.

Es kann aufgrund nicht vorhandener Differenzen zwischen den Gruppen davon ausgegangen werden, dass die Bewertung einer konkreten Fortbildung durch die teilnehmenden Lehrkräfte in der Regel aussagekräftig 23 Becker u. a.: Qualitätsmanagement in der Lehrerfortbildung – Musterqualitätshandbuch. Beuth Verlag, Berlin, 2006

(Ref. Nr. PAS 1064:2006-05)]

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Was ist „Qualität“ – die Experteninterviews und die Sekundäranalyse

für die Beurteilung der Güte einer konkreten Fortbildung sein sollte, zum Beispiel im Rahmen einer schriftli-chen Evaluation. Die auch bei den Kategorien festgestellte anwenderbezogene Sichtweise unterstützt diese Einschätzung.

5.4.4 Beitrag der Sekundäranalyse

Durch die Sekundäranalyse wurden 18 Ergänzungen notwendig, wobei sich allerdings allein neun davon auf den Zeitpunkt der Fortbildung (im Bereich „Fortbildungsgestaltung“) beziehen. Dass diese Thematik zu ei-ner solch umfangreichen inhaltlichen Ergänzung des ursprünglichen Kategoriensystems führen konnte, kann damit zusammenhängen, dass in der Studie von Schmidt und Neu nach der Einstellung gegenüber dem Un-terrichtsausfall durch Fortbildungen gefragt worden war, während die Experteninterviews keine spezifischen Themen vorgaben. Zumindest für die in dieser Arbeit befragte Stichprobe scheint die Frage nach dem besten Zeitpunkt hingegen nicht allzu sehr im Mittelpunkt gestanden zu haben. Insgesamt kann dieses Ergebnis da-hingehend gedeutet werden, dass das System durch weitere Befragungen nur noch marginal gewachsen wäre.

Es fanden sich 73 Kategorien des ursprünglichen Kategoriensystems, also des Systems nach der Auswertung der Experteninterviews, im Material von Schmidt und Neu wieder. Da die Antworten der Befragten von Schmidt und Neu bezüglich der interessierenden Fragen deutlich weniger ausführlich ausfielen als die der Experten, kann dies als hoher Wert angesehen werden.

Die Kategorien beschreiben also recht gut auch die Vorstellungen der Befragten von Schmidt und Neu und eignen somit auch zur Analyse „fremden“ Materials, was eine gewisse Generalisierbarkeit impliziert.

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Einführung von Maßnahmen aus dem Qualitätsmanagement – die Fallstudie

6 Einführung von Maßnahmen aus dem Qualitätsmanagement

– die Fallstudie