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6.4 Diskussion

6.4.2 Diskussion der Einzelinterviews und Bewertung des Projekts

Die Einzelinterviews sollten klären, welche Gründe für den für die Autorin nicht zufriedenstellenden Fort-schritt der Qualitätsarbeit verantwortlich sein könnten. Damit bewerten sie auch das Vorgehen im Projekt, weswegen diese beiden Punkte hier gemeinsam diskutiert werden.

6.4.2.1 Motivation der Beteiligten

Die erste Frage nach dem Aufkommen der Idee für Qualitätsarbeit offenbart bereits, dass nur zwei von vier der Befragten im Vorfeld des Projekts von sich aus oder im gemeinsamen Gespräch (dies war im Nachhinein nicht mehr zu klären) über echte Qualitätsarbeit nachgedacht hatten. Drei von vier Personen bescheinigten sich aber zumindest ein hohes Interesse daran, während eine Person, die zum Thema Qualität eher an eine Bewertung zum Zwecke des Vergleichs mit anderen Anbietern dachte, ein eher mittleres Interesse gehabt hatte. Damit war keine besonders ungünstige Ausgangsposition gegeben, was sich auch im Verlauf des Pro-jekts nicht wesentlich änderte. Dass in drei von vier Fällen keine Steigerung der Motivation erfolgte, kann aber eventuell die Beobachtung miterklären, dass die Betroffenen das Projekt zurückhaltender angingen als erhofft (vgl. Greif u. a. [42, S. 305]).

Zwar bestand gerade bei einer Frage wie dieser eine hohe Gefahr, dass die Befragten im Zweifel ihr Interesse eher höher bewerten (soziale Erwünschtheit). Eine Motivation zur Weiterführung der Qualitätsarbeit zeigte sich aber auch zum Beispiel an konkreten Vorstellungen, wie es in bestimmten Projekten der Qualitätsarbeit (z. B. Evaluationsfragebogen, Referentenbogen) über das Forschungsprojekt hinaus weitergehen könnte.

6.4.2.2 Ziele und Befürchtungen

Alle Befragten wünschten sich Verbesserungen im Inneren, also im Organisationsbereich, drei explizit eine Verbesserung der Fortbildungen, also der „Produkte“ der Fortbildungsarbeit.

Während sich der allgemeine Organisationsbereich wie oben beschrieben auf den Scorecards wiederfindet, wurden im Verlaufe des Projektes keine praktischen Maßnahmen zur Verbesserung konkreter Fortbildungen beschlossen. Diese Arbeit hätte zeitlichen Raum benötigt, bereitgestellt durch genügend Personal, das in den Augen der Befragten gerade nicht vorhanden war, wie viele Antworten zu den anderen Fragen offenbaren.

Allerdings gab es auch keine Bereitschaft, an den bestehenden Projekten zu kürzen, um bei gleich bleiben-dem Personalschlüssel diesen zeitlichen Raum zu schaffen. Es klang auch durch, dass die Anerkennung z. B.

durch Geldgeber – zumindest subjektiv empfunden – nicht von Qualitätsarbeit abhängt. Klassischerweise orientiert sich die Erfolgsdefinition eher am Output. Es darf somit aber auch angezweifelt werden, ob bei besserem Personalschlüssel wirklich Raum für Qualitätsarbeit geschaffen würde oder nicht doch eher für noch mehr Projekte. Eine der befragten Personen dachte auch bei der Frage nach den Befürchtungen in ge-nau diese Richtung („Also ich denke fast, dass auch in der Arbeitsgruppe die Leute beispielsweise die Ent-wicklung einer neuen Fortbildung als wichtiger ansehen als ... zu sagen "Wir haben eine Fortbildung, und die müssen wir verbessern"...“). Dieses Phänomen zeigte sich auch bei Befragten der Telefonumfrage dieser Ar-beit (siehe unter dem Kapitel Telefonumfrage: Die verschiedenen Fortbildungsanbieter und Möglichkeiten des Qualitätsmanagements) und – über das universitäre Umfeld hinaus – auch in ganz anderen Institutionen:

Wie Meyer im Jahr 1985 in seiner Dissertation herausgearbeitet hat, war die Evaluationspraxis des Nieder-sächsischen Landesinstitutes für Lehrerfortbildung, Lehrerweiterbildung und Unterrichtforschung damals un-ter anderem durch die Faktoren erschwert, dass die Prioritäten auf Programmplanung und -durchführung la-gen und die Dezernenten mit den Aufgaben Planung und Durchführung so ausgelastet waren, dass für Aufga-ben wie Evaluation oder „Didaktikdiskussion“ kaum Zeit bleib [56, S. 441f]. Dieser Aspekt ist also nicht ty-pisch für die Universitäten, zumal auch und gerade bei den gewerblichen Anbietern, die auf das Einkommen aus ihren Bildungsmaßnahmen angewiesen sind, eine ähnliche Tendenz zumindest unterstellt werden kann.

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Einführung von Maßnahmen aus dem Qualitätsmanagement – die Fallstudie

Nichtsdestotrotz muss festgestellt werden, dass ein wesentliches Ziel der Befragten, nämlich an den beste-henden Fortbildungen zu arbeiten, nicht verfolgt wurde, was zumindest teilweise eine gewisse Zurückhal-tung gegenüber dem damals gegenwärtigen Qualitätsmanagement erklären könnte.

Die genannten Ziele waren auch eher allgemein gehalten (z. B. „Verbesserung der Zusammenarbeit“). Hier explizit zu hinterfragen, wie dies aussehen müsste, bzw. auch im Nachhinein einen Bezug zu konkreten Be-schlüssen herzustellen und bewusst zu machen, hätte das subjektive Erfolgsempfinden vermutlich gesteigert, zumal in der Literatur gerade eine verbesserte Zusammenarbeit als wichtiges Merkmal von Erfolg gilt (vgl.

Greif u. a. [42, S. 305]).

Neben der genannten Befürchtung, dass andere sich nicht mitgezogen fühlen würden, sowie die Befürchtung einer zu starken Standardisierung wurden die Befürchtungen geäußert, es käme zu Mehrarbeit und viel Büro-kratie (deren Folge ja auch Mehrarbeit ist). Aufgrund der an verschiedenen Stellen genannten Überlastung mit vielen Projekten oder zu viel Arbeit an der Fortbildung könnte unterstellt werden, dass es auch unter dem Stichwort „Bürokratie“ vor allem der Aspekt der Mehrbelastung ist, der gefürchtet wurde. Eine offene Dis-kussion mit verbindlichem Ergebnis darüber, wie man grundsätzlich zeitlichen Raum für die Qualitätsarbeit schaffen könnte, also welche Aktivitäten man zugunsten der Qualitätsarbeit jeweils reduziert, wäre auch hier eventuell hilfreich gewesen. Zwei Personen hatten diese Befürchtung nach einiger Zeit, obwohl das Sit-zungsteam außer bei den Sitzungen selbst kaum Arbeit damit hatte bzw. sich gemacht hat (wie sich die Be-fragten durch ihre Antworten zu den Fragen 5 bis 8 selbst bescheinigten). Hier kann nur vermutet werden, dass die Befürchtung vielleicht gerade deshalb neu auftrat, weil mit fortschreitender Qualitätsarbeit auch mehr konkrete Maßnahmen besprochen und umgesetzt werden sollten. Dies widerspricht sich zwar mit der ersten Wahrnehmung der Befragten, die zunächst eher diffus nur eine Verbesserung durch die Qualitätsarbeit, nämlich im „Bewusstsein“ für Qualität und Qualitätsarbeit, wahrgenommen hatten. Es zeigte sich aber im Verlauf der Interviews, dass den Befragten doch noch konkretere Ergebnisse der Qualitätsarbeit eingefallen waren. Dass diese den Befragten während der Interviews nicht sofort präsent waren, könnte auf die geringe Beschäftigung mit dem Thema außerhalb der Sitzungen zurückgehen (s. u.).

Die mangelnde Präsenz der konkreten Ergebnisse und Fortschritte im Bewusstsein der Befragten könnte auch den Eindruck einer schlechten Kosten-Nutzen-Relation und damit eine geringere Motivation für die Qualitätsarbeit, zum Beispiel auch für die Teilnahme an den Sitzungen, (mit-)bedingt haben. Diese Gefahr war bekannt (vgl. Coyle-Shapiro [44], siehe Kapitel Theoretische Grundlagen). Ein Fehler der Verantwortli-chen (Autorin) war es also, darauf zu vertrauen, dass die in den BSCs dokumentierten Maßnahmen und Fort-schritte für sich sprechen würden; sie hätten viel stärker kommuniziert und verdeutlicht werden müssen, zu-mal erledigte Aufgaben (und damit Probleme) natürlich von den Cards gestrichen wurden. Kurzfristig, manchmal direkt nach Ansprache des Themas in der Sitzung gelöste Probleme erschienen gar nicht erst auf den Cards. Als Beispiel für die Veränderungen sei jeweils die Spalte „Aktionen“ der ersten und der letzten Score-Card zum Thema „Evaluation der Bildungsprozesse“ zum Vergleich dargestellt:

„Aktionen“ auf der Score-Card vom 20.05.2005 „Aktionen“ auf der Score-Card vom 12.04.2006 - Neue Evaluationsbögen (Person 1, Anfang Juni)

- Erprobung des Bogens im Juni/Juli )(Eingaben?) - Einsatz ab September

- Erstellung Bogen für Selbstevaluation (Referentenbogen;

Person 1 Anfang Sommerferien)

- Erprobung Referentenbogen nach Sommerferien (alle Kursleiter):

- Einführung Selbstevaluation bei Externen: Anschreiben und Bogen verteilen, August/September

- Einführung bei Internen: interne Sitzung Anfang Sep-tember (Eingaben?)

- Manöverkritik an Selbstevaluationsinstrument ZEITPKT REGELMÄßIGER EINSATZ der Instrumente

- Eingabe beider Ev. in SPSS, Auswertung (Person 2?) - Manöverkritik in folgender lfbz-Sitzung

- Versand an Referenten (Person X)

REGELMÄßIGER EINSATZ der Instrumente

- Eingabe beider Evaluationen in SPSS, Referenten-Bo-gen: nur Kommentare oder wenn schlechte Bewertung, Auswertung (Person 4 mit Hiwi)

- Manöverkritik in folgender lfbz-Sitzung ( Person 4 be-richtet)

- Versand der Auswertung an Referenten (Person 4)

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Einführung von Maßnahmen aus dem Qualitätsmanagement – die Fallstudie

6.4.2.3 Beschäftigung mit Instrumenten

Die Antworten auf die Fragen 5 bis 8 zeigen, dass sich kaum jemand außerhalb der Sitzungen mit den abge-fragten Instrumenten oder Ergebnissen beschäftigt hatte. Die Gründe hierfür spiegeln z. T. Antworten wieder, die auch andere Anbieter in der Telefon-Umfrage dieser Arbeit (siehe dort) gegeben haben, wie

• Zeit- und Personalmangel,

• zu wenig Gestaltungsspielraum im Personalbereich,

• überblickbare Größe der Institution,

• keine klare Zuständigkeit,

• ausreichend gutes Feedback von außen.

Immerhin wurde aber besonders bei der Stärken-Schwächen-Analyse sowie bei den Scorecards auch Zustim-mung deutlich (zum Teil auch über die Frage 12.1). Diese beiden Instrumente sind überschaubar und direkt praktisch einsetzbar, was wahrscheinlich ihren (vergleichsweise) größeren Erfolg erklärt.

Das Leitbild kann wie die Stärken-Schwächen-Analyse zwar auch als Richtschnur für Qualitätsziele dienen, es hätte aber hierfür erst für die Cards in konkrete Ziele und Maßnahmen übersetzt werden müssen. Das Team war außerdem mit anderen praktischen Themen beschäftigt. Am Vergleich zwischen Leitbild und Stär-ken-Schwächen-Analyse zeigen sich somit die Prioritäten, vermutlich aufgrund der mangelnden Zeit: Das Team hat sich noch die Zeit genommen, konkret definierte Probleme im Rahmen der Qualitätsarbeit anzuge-hen (Stärken-Schwäcanzuge-hen-Analyse). Dabei halfen die Scorecards. Es kam aber nicht (mehr) dazu, dass auch Visionen oder langfristige (Entwicklungs-)Ziele operationalisiert und verfolgt wurden (Leitbild).

Wahrscheinlich hätte die Autorin, dann in der Rolle der Input-Geberin, auch konkretere Vorschläge zum stär-keren Einbezug von Leitbild und LQW 2 allgemein machen können. Das Team war aber mit der Lösung praktischer Herausforderungen in den Sitzungen bereits ausgelastet, so dass bezweifelt werden kann, dass es tatsächlich zu einer Erweiterung der Themen in den Sitzungen hätte kommen können.

6.4.2.4 Organisation des Qualitätsmanagements und Rollenzuschreibungen

Insbesondere der Zeitdruck könnte auch dafür verantwortlich sein, dass sich fast alle eine verantwortliche Person für das Qualitätsmanagement wünschten bzw. vorstellten, nicht das Sitzungsteam als verantwortliche Institution. Die Befragten mochten, um die Wortwahl eines der Befragten zu übernehmen, eher lieber selbst

„mitgezogen“ werden, als selbst zu „ziehen“. Hintergrund hierfür kann neben der Ansicht, dass dies effekti-ver sei als ein Team, und neben dem Zeitdruck aber auch die Tatsache sein, dass die Arbeit im Fortbildungs-bereich schon ganz allgemein zumindest für drei der vier Befragten zu viel Raum auf Kosten anderer Pflich-ten einnahm. Auch deswegen wären MöglichkeiPflich-ten zu Kürzung in anderen Bereichen, durchaus auch außer-halb des Fortbildungsbetriebes, schon am Anfang des Projektes ein wichtiges Thema für die Sitzungen gewe-sen.

6.4.2.5 Allgemeines

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es für eine größere Akzeptanz und auch für ein höheres Er-folgsbewusstsein der Beteiligten vermutlich vorteilhaft gewesen wäre, wenn am Beginn des Projekts nicht nur in der Gruppe diskutiert, sondern auch die Einzelwünsche und -befürchtungen adressiert und darauf auch Bezug genommen worden wäre. Möglicherweise ist dies zumindest zum Teil darauf zurückzuführen, dass in einer Institution wie dem lfbz-Chemie Frankfurt/Main aufgrund der erreichten Größe fortgeschrittene Ar-beitsteilung praktiziert wird. Somit könnte es sein, dass eine stärkere Fokussierung auf die Einzelpersonen und damit auf deren spezifische Arbeit mit Qualitätszielen und -maßnahmen im Sinne eines TQM erfolgver-sprechender gewesen wäre (vgl. Mehra u. a., [43, S. 75]: „total employee involvement“ und auch „empower-ment and ownership“, siehe Kapitel Literatur) - neben den gemeinsamen Sitzungen, die dann „nur“ den wirk-lich gemeinsamen Zielen und deren Weitertragen in die Breite gedient hätten. Die Autorin hatte die Instituti-on „lfbz-Chemie Frankfurt/Main“ grob in die Ebenen „organisatorische Leitung“ und „weitere Mitarbeiter“

(die meist auch eher mit relativ wenig Zeit im Fortbildungsbetrieb aktiv waren) eingeteilt, was nach den hier

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Einführung von Maßnahmen aus dem Qualitätsmanagement – die Fallstudie

gemachten Erfahrungen wohl schon zu undifferenziert war. Die andere Vorgehensweise im Sinne des TQM hätte zwar zu einer tatsächlichen Mehrbelastung für alle Mitglieder der Sitzungsgruppe geführt, dies wäre aber vielleicht aufgrund besserer und „fühlbarerer“ Ergebnisse nicht so negativ ins Gewicht gefallen (vgl.

Coyle-Shapiro: Erfolge müssen möglichst früh sichtbar sein [44]). Diese Vorgehensweise kann jedoch zu ei-ner erheblichen Arbeitsbelastung der Person führen, die für das Qualitätsmanagement verantwortlich ist, zu-mindest am Anfang, also der Phase der Implementation: Die Erfahrungen der Studie haben gezeigt, dass es unrealistisch wäre, gleich von mehreren Personen eines Institutes oder Arbeitskreises zu erwarten, sich in das Thema Qualitätsmanagement einzuarbeiten, so dass es Aufgabe einer verantwortlichen Person gewesen wäre, alle anderen Personen einzuweisen und individuell zu begleiten - zumal auch eine gewisse, dann je-weils individuelle Kontrolle notwendig gewesen wäre, ob Erfolge erreicht werden können und wo eventuell Schwierigkeiten liegen.

Wünschenswert wäre weiterhin gewesen, wenn nicht die Autorin als gleichzeitig forschende Doktorandin, sondern eine Person mit fester Stelle und Verantwortung für das lfbz-Chemie die Qualitätsarbeit von Anfang an übernommen hätte. Dies hätte diesem Arbeitsbereich mehr Gewicht und Zukunftsfähigkeit verliehen und dadurch vermutlich zu einem besseren Vorankommen geführt; es hätte auch den Wünschen der Befragten nach der Organisationsform bzw. der Verantwortlichkeit für das Qualitätsmanagement besser entsprochen.

Dies war aus dem bereits mehrfach genannten Grund, der Arbeitsbelastung, und auch durch tatsächlich im Projektzeitraum aktuell fehlendes Personal, jedoch nicht möglich gewesen.

Eine zumindest theoretisch mögliche Erklärung für das gering ausgefallene Erfolgsempfinden könnte auch der in der Literatur diskutierte Punkt sein, dass positive Folgen deutlich seltener der Grund für eine positive Bewertung ist, wenn die Veränderung eine Organisationsveränderung war, als wenn sie im Bereich der Per-sonalentwicklung stattgefunden hat [43]. Keine Veränderungen in diesem Projekt können der Personalent-wicklung der im Sitzungsteam befindlichen und somit im Interview befragten Personen zugeordnet werden.

6.4.3 Übertragbarkeit von Anforderungen und Instrumenten aus dem