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8. Arbeitsprogramm

8.4 Auswahl der Interviews

8.4.3 Die Zusammenstellung der Interviews

Aus den Interviews wurden zwei Settings gebildet. Ein Setting besteht aus Inter-views, die ausschließlich an Gymnasien geführt wurden (GY-Setting), das andere Setting wurde zusammengestellt aus Interviews, die an Gesamtschulen geführt wur-den (GS-Setting). Diese Aufteilung in zwei Settings wird im letzten Teil dieses Kapi-tels näher erläutert. Zunächst geht es hier um die Zusammensetzung beider Settings.

Dabei ist zu beachten, dass eine innere Kohärenz zwischen der Zusammensetzung der Interviews und den Fragestellungen der Studie gegeben ist (siehe die Fragestel-lungen in Kapitel 8). Um dies zu gewährleisten, müssen folgende Kriterien beachtet werden:

(a) Die thematische Rahmung der Schulprogrammstudie bezieht sich auf die drei Kategorien des Kerngeschäfts von Schule: Unterricht, Erziehung, Bildung. Auf diese drei Kategorien beziehen sich ebenfalls die Interviews. Um innerhalb dieser themati-schen Rahmung ein möglichst umfassendes Bild der pädagogithemati-schen Deutungsmuster zu erhalten, ist es erforderlich, die jeweiligen Settings so zusammenzustellen, dass die Interviews annähernd gleichmäßig auf alle drei Untersuchungskategorien verteilt werden. So bestehen beide Settings aus jeweils zwei Unterrichts-, zwei Erziehungs- und zwei Bildungsinterviews.

(b) Diese Verteilung ist auch deshalb sinnvoll, weil sie weitere Einblicke in die inne-re Handlungslogik der Schulprogrammarbeit bzw. der für diese Arbeit verantwortli-chen Autoren ermöglicht. Der Entscheidung, Interviews aus allen drei Kategorien auszuwählen, liegt die Annahme zugrunde, dass die Probanden über ihre Deutungs-muster reformerische Spezialisierungen deutlich machen könnten, weil sie bspw. in Abhängigkeit von ihrem professionellen Selbstverständnis eine bestimmte Verant-wortung für bestimmte Aufgaben pädagogischer Praxis definieren, während sie die Zuständigkeit für andere Aufgaben von sich weisen könnten. Diese Differenzierung zwischen den Deutungsmustern eröffnet eine Perspektive, mit der die Art und Weise der Reformaspiration genauer bestimmt werden kann (vgl. die Ausführungen zu den Fragestellungen in Kapitel 7).

82 (c) Außerdem könnte es sein, dass nicht nur innerhalb eines Settings, sondern auch zwischen ihnen unterschiedliche Spezialisierungen erkennbar werden, dass also – um ein gängiges Bild zu bedienen – der Gymnasiallehrer sich für die Bildung zuständig sieht, der Gesamtschullehrer meint, stärker für die Erziehung der Schüler zuständig zu sein. Dieser Aspekt verweist auf die Frage nach schulformspezifischen Verarbei-tungsmustern der Kriseninduktion, die – ausgehend von den Fragestellungen der Studie – bei der Zusammenstellung der Interviews ebenfalls beachtet werden muss.

Wie bereits oben dargestellt wurde, sind es vor allem Spannungsfelder der schuli-schen Praxis, die einer Kriseninduktion durch administrativ verordnete Schulpro-grammarbeit zuwiderlaufen. Diese sind auf das gesamte Schulsystem zu beziehen und damit unabhängig von der jeweiligen Schulform. Zugleich gilt die administrativ verordnete Schulprogrammarbeit für alle Schulen gleichermaßen. Die Induktionsho-mologie – so die implizite Annahme der Kultusadministration – trifft also auf eine Strukturhomologie. Geht man von dieser Annahme aus, so sind keine schulformspe-zifischen Forschungsergebnisse zu erwarten. Insofern könnte man für die Zusam-menstellung der Interviews auf jede Schulform zurückgreifen bzw. die Interviews der verschiedenen Schulformen innerhalb eines Settings mischen. Tatsächlich aber legen einzelne Untersuchungen die Schlussfolgerung nahe, dass durchaus von schulform-spezifischen Verarbeitungsmustern auszugehen ist. Mit der Zusammenstellung bei-der Settings aus Interviews jeweils einer Schulform ist also gewährleistet, dass die Forschungsergebnisse nicht durch etwaige schulformspezifische Unterschiede „irri-tiert“ werden (homogene Stichprobe).

(d) Des Weiteren ist zu beachten, dass die Interviews auf verschiedene Schulen ver-teilt werden, damit die Forschungsergebnisse nicht von Spezifika einer einzelnen Schule überformt werden. Deshalb wurden die Interviews des GY-Settings auf fünf Schulen verteilt, diejenigen des GS-Settings auf sechs Schulen. Mit 12 Interviews aus elf Schulen ist hinreichend gewährleistet, dass sich in den Befunden keine Spezi-fika einer Schule einzelnen Schule durchsetzen.

Abschließend sollen die (in diesem Kapitel eingangs angekündigten) Gründe erläutert werden, die zur Aufteilung in zwei Settings geführt haben. Stellt man For-schungsergebnisse in Rechnung, nach denen zwar von kaum verallgemeinerbaren, aber doch empirisch nachgewiesenen und daher auch grundsätzlich beachtenswerten

83 Differenzen der Verarbeitungsmuster zwischen den Schulformen auszugehen ist, so wird die Notwendigkeit erkennbar, mit dem Sample mindestens zwei Schulformen einzubeziehen. Denn es wäre ja durchaus denkbar, dass – sehr holzschnittartig ge-sprochen – sich das Instrument der Schulprogrammarbeit an den Gymnasien als un-tauglich erweist, diese Unun-tauglichkeit aber nicht mit einer generellen Unzulänglich-keit des Instruments zu erklären wäre, sondern mit spezifischen Deutungsmustern gymnasialer Lehrkräfte. Diese Frage nach schulformspezifischen Verarbeitungsmus-tern kann man aber nur dann überzeugend beurteilen, wenn ein weiteres schulform-spezifisches Setting erstellt wird. Aus diesem Grund soll also untersucht werden, ob und gegebenenfalls in welcher Weise schulformspezifische Deutungsmuster nach-weisbar sind.

Als Vergleichsfälle dienen die an den Gesamtschulen geführten Interviews.

Historisch und bildungspolitisch gesehen kann allenfalls die Gesamtschule für sich den Anspruch erheben, eine Alternative zum Gymnasium darzustellen. Denn die Gesamtschule ist die einzige Schulform, die nicht dem kontrovers diskutierten drei-gliedrigen Schulsystem angehört, sondern – zumindest tendenziell – auf dessen Auf-lösung gerichtet ist. Damit ist die Gesamtschule auch die einzige Konkurrenz zum Gymnasium, die sich auch dadurch nochmals verschärft hat, dass mit dem Besuch der Gesamtschule der G8-Bildungsgang an den Gymnasien vermieden werden kann (meist trifft dies nur auf die Integrierten Gesamtschulen zu). Eingedenk der schul-formspezifischen Forschungsergebnisse zur Schulprogrammarbeit ist anzunehmen, dass wenn Differenzen im institutionellen Selbstverständnis einzelner Schulformen festgestellt werden können, dann vor allem zwischen Gymnasien und Gesamtschu-len. Sollte diese Annahme zutreffen, dann müsste davon auch das lehrende Personal in seinem professionellen Selbstverständnis betroffen sein und daher in schulform-spezifischer Weise auf die verordnete Schulprogrammarbeit reagieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es zweckmäßig, das Vergleichssetting aus GS-Interviews zu-sammenzustellen.

Das Material dieser Vergleichsgruppe wird also der Sampling-Methode der analytischen Induktion folgend nach dem Kriterien „Kontrast“ ausgewählt. Die Kon-trastierung dient einer Verallgemeinerungsfähigkeit oder einer Differenzierung der Forschungsergebnisse (vgl. Flick 1995: 166). Ergeben sich aus den Deutungsmustern

84 und den daraus zu generierenden Typisierungen der GY-Interviews im Vergleich zu den GS-Interviews vergleichbare Ergebnisse, so wäre die These schulformspezifi-scher Verarbeitungsmuster der Kriseninduktion zu verwerfen. In diesem Fall würden beide Settings zu einem Ergebnis zusammengefasst werden und gemeinsam als em-pirischer Beleg für eine theoretische Modellierung dienen. Im kehrseitigen Fall wäre die These eines schulformspezifischen Verarbeitungsmodus’ zu untermauern und anhand der Feinanalyse gegebenenfalls zu differenzieren.

Grundsätzlich ist bei der Zusammenstellung des GS-Settings nach den glei-chen Kriterien verfahren worden wie oben bereits bei dem GY-Setting: Aus prakti-schen Gründen konnten aber an manchen Schulen nicht mehrere Interviews zu einer Kategorie geführt werden, so dass für jede Kategorie jeweils drei Schulen in das Set-ting aufgenommen wurden, um eine relevante Anzahl an Interviews zusammenzu-stellen. Daher können auch mit diesem Setting alle oben aufgeführten Fragestellun-gen bearbeitet werden, um über die Spezifik einer Schulform hinaus ebenso indivi-duelle Reformansprüche einzelner Probanden sowie reformerische Schwerpunktset-zungen in Bezug auf die einzelnen Kategorien Unterricht, Bildung und Erziehung festzustellen.

85 8.4.4 Das Sampling: Tabellarischer Überblick

Auswahl des Materials (schulformspezifisches Setting: Gymnasien)

Kategorie Anzahl Datensatz Schule Fallstudie

Erziehung 1 1353 Gymnasium (1), HH 5

1 1361 Gymnasium (2), HH 7

Unterricht 1 1421 Gymnasium (1), Ffm 10

1 1422 Gymnasium (3), Ffm 12

Bildung 1 1282 Gymnasium, Offenbach 2

1 1343 Gymnasium, Hessen 4

Auswahl des Materials (schulformspezifisches Setting: Gesamtschulen)

Kategorie Anzahl Datensatz Name der Schule Fallstudie

Unterricht 1 1410 Offene Schule, Hessen 9

1 1419 Koop. GS, Hessen 11

Erziehung 1 1370 IGS, Ffm 6

1 1376 GS, HH 8

Bildung 1 1279 IGS Offenbach 1

1 1281 IGS/Offene Schule Hessen 3

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