• Keine Ergebnisse gefunden

3 Die Produktpolitik - die gastbezogenen Leistungsfaktoren .1 Die Definition des Begriffs Produkt in der Gastronomie .1 Die Definition des Begriffs Produkt in der Gastronomie

4.1 Die Problematik der Standortbestimmung

„Für den Erfolg eines gastronomischen Unternehmens ist die Wahl des richtigen Standortes von eminent großer Bedeutung. Gute Konzepte und Ideen können am falschen Standort verloren sein, sie brauchen dem Sortiment adäquate Lagen.“ (Reisen, 1984, S. 50)

Denn mit der Standortwahl entscheidet man sich neben den strukturellen Gegebenheiten, der Verkehrslage und anderen Faktoren in erster Linie auch für das betriebliche Umfeld und somit für die Konkurrenten und potentiellen Nachfrager (vgl. Reisen, 1984, S. 50). Diese und eine Vielzahl anderer Aspekte haben auch zur Folge, daß fast alle Unternehmen diverser Gastronomiesegmente, unabhängig davon, ob es sich um Fast Food, Handels-, Getränkegeprägte, Verkehrs- und Messegastronomie oder Servicegastronomie mit Schwerpunkt Sortiment und Service, wie sie bei den hier zu untersuchenden Betrieben vorliegt, handelt, verschiedenste Standortprobleme zu bewältigen haben.

Die wesentliche Schwierigkeit und die meist größte Restriktion bei der Umsetzung eines gastronomischen Betriebstyps ist in der hohen Preisstruktur guter Standorte zu sehen. So kommen unter ertragsorientierten Gesichtspunkten für traditionelle Individualbetriebe in der Regel nur mehr sehr wenige gute Standorte in Frage. Die Preise der Standorte werden durch den in den letzten vier bis fünf Jahren zwar etwas geschwächten, aber immer noch äußerst zahlungskräftigen Einzelhandel bestimmt, der sich durch einen hohen Umsatz pro Quadratmeter gepaart mit relativ niedrigen Personalkosten auszeichnet (Interviews mit Gastronomen). Die Problematik ist darin zu sehen, daß in der Immobilienbranche anhand von 1a-Lagen und Einzelhandelsnutzung verglichen wird und sich daraus wiederum die Preise für die gastronomischen Gewerbeflächen und andere, schlechtere Lagen ableiten (vgl. food service, 1992, S. 55ff.).

Wie aus den folgenden Graphiken aus Kemper’s Index (1993/94, S. 197) über Entwicklungstendenzen deutscher Immobilien in 1a-Citylagen in den 120 wichtigsten bundesdeutschen Städten ersichtlich wird, ist in den Jahren 1983 bis 1993 ein enormer Wertzuwachs der Immobilien in der Innenstadt Münchens von 89,1% gegenüber einer

Der Standort 86

Lebenshaltungskostensteigerung von 24,7% zu verzeichnen (vgl. Abb. 4.1) und eine Mietpreissteigerung von 60% gegenüber einer Einzelhandelspreissteigerung von 16,8% (vgl.

Abb. 4.2). Für 1994 prognostizierte Kemper’s (1993/94, S. 196) bei einer Neuvermietung einen Preis von 340,- DM für die 1a-Lage und für 1995 einen Quadratmeter-Preis von 350,- DM (Kemper’s Frequenz Analyse, 1995/96, S. 182), was im Blumenauer Marktbericht für München (1996, S. 2) in etwa bestätigt wurde. Anzumerken ist jedoch, daß die Vergleiche folgender Prozentzahlen nur beispielhaft heranzuziehen sind, da sich sowohl die Wert- als auch die Mietpreisentwicklung lediglich auf die 1a-Lagen beziehen und somit nicht, wie es beim Index für Lebenshaltungskosten oder dem Einzelhandelspreisindex der Fall ist, übergreifend gültig sind.

Abb. 4.1: München: Wertentwicklung in der „1a-Lage“ (kumulativ) Quelle: Kemper’s Index (1993/94, S. 197)

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200

83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93

Jahr

%

Index des Immobilienwertes (1983 = 100) Steigerung 1983-1993: 89,1%

Index der Lebenshaltungskosten (1983 = 100) Steigerung 1983-1993: 24,7%

Der Standort 87

0 50 100 150 200 250 300 350

83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 Jahr

DM/qm

Abb. 4.2: München: Mietpreisentwicklung in der „1a-Lage“

Quelle: Kemper’s Index (1993/94, S. 197)

Wie aus Abb. 4.2 hervorgeht, laufen die Standortkosten den erzielbaren Erträgen bzw. Preisen mit großem Vorsprung davon, bedingt durch Wertsteigerungen von Immobilien in Top-Lagen von beinahe 90% in den Jahren von 1983-1993 (Kemper’s Index, 1993/94, S. 197).

Zu erwarten ist jedoch, daß insbesondere in 1a-Lagen der Ertragswert, d.h. der Kapitalwert künftiger Erträge aus Investitionsobjekten, die als Zahlungsüberschüsse zu verstehen sind, über die der Eigner des Investitionsobjektes verfügen kann (Experteninterviews), den Substanzwert oder evtl. die Baukosten in Zukunft übertreffen wird (vgl. food service, 1992, S. 56). Der Substanzwert bzw. Reproduktionswert ist als der Wert eines Unternehmens zu sehen, der sich aus der Summe der einzelnen bilanzierungsfähigen Vermögensteile nach Abzug der Schulden ergibt (Experteninterviews).

Mietpreise in DM/qm Steigerung 1983-1993: 60,0%

Einzelhandelspreisindex zur Basis der Mietpreise 1993 Steigerung 1983-1993: 16,8%

Der Standort 88

Als weiteres Problem kommt hinzu, daß Top-Lagen nicht ohne weiteres reproduzierbar sind und infolgedessen die Übernahme bereits bestehender Betriebe i.d.R. einen erheblichen Erfolgsfaktor ausmacht (Interviews mit Gastronomen).

Hat man sich für eine Betriebsübernahme oder die Erschließung eines völlig neuen Standortes entschieden, ist der erste Schritt zur Realisierung der unternehmerischen betriebstypenspezifischen Ideen getan. Zudem kann ein Restaurant mit der Erschließung eines bestimmten Standortes, den Kaub (1996, S. 56) als „ den lokalen Ort bezeichnet, an dem die Leistungen des Betriebes im wesentlichen erbracht werden“, oftmals einen Lagevorteil nutzen, dessen positive Wirkungsfaktoren die Mitbewerber häufig nicht in der Lage sind, auszuschalten, da der einmal gewählte Unternehmensstandort von keinem der Konkurrenten besetzt werden kann. Im Gegensatz zu Maßnahmen, beispielsweise hinsichtlich der Sortiments-, der Preis- oder auch der Kommunikationspolitik, die meist ohne aufwendige Schritte von der Konkurrenz nachgeahmt und somit relativiert werden können, kann dieser Wettbewerbsvorteil ohne größere Anstrengung über eine lange Periode hinweg bestehen bleiben.

Mit der Entscheidung für einen speziellen Standort muß man diesen als räumliche Grundlage für den Einsatz der betriebstypenspezifischen Marketinginstrumente sehen, der in irgendeiner Form stets von diversen Faktoren bzw. Faktorkombinationen des Marktes und der jeweiligen Marktsituation beeinflußt wird. D.h. man muß auf Veränderungen in der Standortqualität achten und sie erkennen, um darauf reagieren zu können. So kann sich z.B. aufgrund verschiedener Veränderungen im Umfeld eines Betriebes das Nachfrageverhalten der Verbraucher innerhalb der Tageszeiten ändern, was wiederum eine Vielzahl an Anpassungen erfordert, da infolgedessen mit einer Modifikation der durchschnittlichen Verweildauer, der höchstbelasteten Stunde, der Mitarbeiterkapazität, der Mitarbeiterauslastung, dem Sitzplatzumschlag etc. zu rechnen ist (vgl. hierzu Kaub, 1996, S. 192ff.).

Aufgrund dieser kurz dargestellten Tatbestände wird die Tragweite der Wahl eines gewissen Standortes für die verschiedensten Verkaufsstätten deutlich und der mögliche Umfang einer eventuellen Fehlentscheidung, die aus einer Priorisierung emotionaler Komponenten und Vernachlässigung einer betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise hervorgehen kann.

Der Standort 89

Idealerweise sollte also der Entschluß in bezug auf einen Standort mit Blick auf die Rentabilität gefällt werden und somit ein Abwägen von möglichem Ertrag und erwartetem Aufwand im Mittelpunkt stehen (vgl. Kaub, 1996, S. 163ff.).

Hinzugefügt werden muß allerdings, daß eine genaue Standortkalkulation zwar mit den notwendigen Aufwendungen als exakte Größe, jedoch lediglich mit Hilfe einer subjektiven Einschätzung seitens der erzielbaren Erträge möglich ist (vgl. Kaub, 1996, S. 57). Trotzdem wird i.d.R. in jeder Branche der Standort als der beste und geeignetste angesehen, der eine maximale Rentabilität erwarten läßt. An dieser Stelle soll auf die in Kap. 8.4 an der Kennzahl der Rentabilität geübte Kritik hingewiesen werden und die damit einhergehende Schwierigkeit, sich bei der Standortentscheidung auf einige miteinander zum Vergleich heranzuziehende Zahlen zu konzentrieren.

Es kommt hinzu, daß einige der Vor- bzw. auch der Nachteile eines Standortes überhaupt nicht oder nur unter äußerst schwierigen Bedingungen in monetären Geldeinheiten erfaßt werden können. Demnach sollte auf eine subjektive Einschätzung der standortspezifischen Eigenschaften und deren Wirkungen auf den in Frage kommenden Niederlassungsort keinesfalls vollkommen verzichtet werden.

Des weiteren findet das Standortproblem im allgemeinen erst Niederschlag, nachdem sich der jeweilige Betrieb für seinen Betriebstyp und in diesem Zusammenhang für die Betriebsgröße, das anzubietende Sortiment, die mit diesem Angebot i.d.R. korrelierende Zielgruppe und vor allem den Modus des Vertriebs, sei es beispielsweise ein festes Ladenlokal oder etwa Lieferservice, entschieden hat.

In puncto dieser Aspekte also einen rein auf Rentabilitätsperspektiven basierenden Entschluß über die Eignung einer möglichen Niederlassungsstätte zu fällen, würde sich angesichts der erwähnten Problematik der Rentabilität und deren fehlender Allgemeingültigkeit, wie bereits angeführt, als Fehler erweisen. Es muß individuell, für jeden Betrieb zweckentsprechend und anforderungsgerecht, seinem Zielsystem angemessen und mit Blick auf eine langfristige Existenzsicherung und den strategischen Aufbau von Erfolgspotentialen, derjenige Standort gefunden werden, der das unternehmerische Vorhaben evtl. auch mit gewissen Marktgegebenheiten möglichst adäquat unterstreicht.

Der Standort 90

In den folgenden Ausführungen werden die vorliegenden Gastronomiebetriebe, die sich bereits aufgrund betriebsinterner Motive für ihren persönlichen Standort entschieden haben, im Hinblick auf ihre objektiven Standorteigenschaften untersucht. In einer Darlegung und Prüfung der Standorte der einzelnen Betriebe soll einerseits Aufschluß gegeben werden über die Unterschiede dieses Instrumentes bei den hier relevanten Betrieben, aber auch über das standortbezogene Konsumentenverhalten. Gleichzeitig können mit Hilfe der standortspezifischen Erläuterungen evtl. mögliche Ursachen für die in Kap. 7.4ff.

operationalisierte Zufriedenheit/Unzufriedenheit der Gäste hinsichtlich dieses Faktors dargelegt werden.

Ausgehend von der Kartierung der Betriebe wird zunächst das Untersuchungsgebiet der vorliegenden Restaurants dargestellt. Auf der Grundlage diverser Befragungen von Betriebsleitern und Gästen und mit Hilfe des zur Verfügung stehenden Datenmaterials werden in der Folge die an den einzelnen Standorten wirkenden und die für das jeweilige Lokal wesentlichen Faktoren offenlegt (vgl. Kap. 3.4.2ff.). Des weiteren wird versucht, die mit diesen Faktoren in Verbindung stehenden Einzelaspekte sowie mögliche Erklärungsansätze zu verzeichnender Besonderheiten zu verdeutlichen. Somit werden Stärken, aber auch Schwächen der verschiedenen Standorte in Kombination mit dem jeweiligen Betriebstyp, d.h.

die Einheit zwischen gastronomischem Konzept und Standort dargelegt.

Der Standort 91