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von Bane geblendet, kann aber nun, im gnostischen Sinne79, als wahrhaft Sehender noch besser sehen als zuvor und tötet Bane.80 Nach bestandenem Kampf überfliegen Neo und Trinity die Felder, auf denen die Menschen gezüchtet werden und die schon in Teil 1 zu sehen waren. Neo steuert die Logos zunächst in den Himmel, um den squiddies zu entkommen und beide (Neo mehr oder weniger) sehen das erste Mal die ‚echte’ Sonne und einen blauen Himmel. Im Anflug auf die Maschinenstadt setzt Neo zum Senkflug an, wobei das Schiff sogleich wieder von den Maschinendrohnen attackiert und Trinity tödlich verletzt wird. Nach einem letzten Kuß verläßt Neo Trinity und tritt vor den Maschinengott, dem Deus ex Machina und macht ihm das Angebot, Agent Smith, der anscheinend für die Maschinen zum unlösbaren Problem geworden ist, zu beseitigen. Der Maschinengott willigt ein und Neo wird für den letzten Kampf noch einmal in die Matrix eingeloggt. In der Matrix, in strömendem Regen, bestreitet Neo den Kampf Mann gegen Mann gegen Agent Smith, während Smiths Tausende von Kopien zuschauen und er besiegt Agent Smith. Agent Smith ist vernichtet, Neo stirbt ebenfalls und der Maschinengott beendet den Angriff auf Zion.

interessanterweise besonders den ersten Teil angeht, am 10.05.2003 in der FAZ abfeuerte.84 So verwundert er sich zunächst über die scheinbare Unlogik, daß ein Mensch als Batterie fungieren kann, also mehr Energie produziert als man hineinstecken muß (der 1.Hauptsatz der Thermodynamik würde seinem Widerspruch da zustimmen!), ganz zu schweigen von der Tatsache, daß die Sonne als – notwendiger – Energielieferant für den Menschen wegen der Verdunkelung des Himmels nicht mehr in Frage kommt. Ebenso wird über die unklare Doppelrolle des Orakels referiert, das zwar zur Matrix und auch zu den Maschinen gehört, aber ständig gegen das System intrigiert, indem es ihm mit aufsässigen Auserwählten auf den Leib rückt (es sei denn, der Architekt braucht die Auserwählten als Störfaktor zur Neujustierung seines Programms wirklich). Ebenfalls wird von Dath bemängelt, daß Agent Smith die Menschheit als „Virus“ bezeichnet, „[...] ein Virus ist kein „Organismus“, auch wenn das anscheinend komplett verblödete KI-Programm (gemeint ist Agent Smith, VME), das Morpheus foltert, solches glaubt [...].“85 Dath urteilt allerdings meiner Ansicht nach zu streng, denn Matrix ist in erster Linie keine wissenschaftliche Dokumentation, sondern ein Actionfilm, der unterhalten soll. Eine interessante Anmerkung eröffnet Dath allerdings mit der Feststellung, daß Hippie-Kultur und totalitäre Ästhetik im Hollywood Kino der 80er und 90er Jahre immer stärker korrelieren:

Dieses Moment – daß ein Film mit der grellen Evidenzpolitik seiner Sicht- und Hörbarkeiten seine betuliche Moral aufweicht – ist ja ohnehin zentrales Merkmal von Großproduktionen [...]

[...] Auch Steven Spielbergs drei „Jurassic Park“-Filme behaupten auf der deontischen Ebene, es sei böse, Gott ins Handwerk zu pfuschen und Saurier zu klonen, zeigen dann aber die ganze Zeit, wie toll es aussieht, wenn die Viecher alles verschlingen und kaputt trampeln. Genauso zertrümmern die letzten beiden „Star Wars“-Episoden von George Lucas ihre explizite „Das Gefühl allein zählt“- Hippie-Ideologie rückstandslos, indem die jeweiligen Roboter- und Klonkrieger-Armeen des Bösen alles an autoritärer imperialer Ästhetik in den Schatten stellen, was seit Rom aufgefahren wurde, und damit schnell zum eigentlichen Grund werden, warum man sich das anschaut, warum es gefällt.86

Daß in Matrix 3 nun gerade die letzten „realen“ Menschen von Zion in ihrem „Triumph des Willens“ Aufmarsch87 mitsamt Kampfrobotern sogar den Maschinenkriegern hinsichtlich faschistoider Anordnung etwas vormachen, läßt erkennen, daß Zusammengehörigkeitsgefühl und Einheit im Hollywood Film gerne mittels imperialer Ästhetik inszeniert wird (Abb.

152-84 Dath, Dietmar, „Sein Gehirn käst“, in FAZ, Frankfurt am Main, 10.05.2003, 39

85 Ebd., in den Teilen 2 und 3 verhält sich der sich ständig duplizierende Agent Smith allerdings selbst wie ein Virus.

86 Ebd., die Inszenierung cooler, alternativer Realitäten innerhalb der Matrix ist ebenso eine Doppeldeutigkeit, denn was visuell gefällt, ist schwer als durchweg schlecht zu vermitteln, auch wenn es in der Matrix ist.

87 Vgl. Riefenstahl, Triumph des Willens, Deutschland, 1934

154). Was Matrix Revolutions angeht, lassen die ATATs aus Star Wars grüßen (Abb. 36 und 37). „Alles in allem: ein Ausbund an Blödsinn“88, endet Daths vernichtende Kritik.

Der bereits erwähnte Christian Jürgens erweist sich dann in Die Zeit als wohlmeinenderer Kritiker von Matrix 1. „Matrix ist ein Hit aus dem Nichts“, lobt er, „während alle Welt auf das Phantom Star Wars wartete, liefert Matrix die tatsächlichen Bilder und Visionen der Zukunft“.89 Anke Sterneborg sieht Matrix als eine Krönung in einer Reihe ähnlicher Science Fiction Filme, die allesamt Wirklichkeit und Illusion innerhalb des menschlichen Dasein thematisieren:

Immer häufiger und aggressiver rütteln die Filmregisseure des ausgehenden Jahrtausends an den Gewißheiten der menschlichen Existenz. In Filmen wie „Total Recall“, „Twelve Monkeys“, „The Game“, „Fletchers Visionen“, „Truman Show“ oder „Existenz“ ziehen sie ihren Helden mit unterschiedlichen Methoden den Boden unter den Füßen weg und schüren die Paranoia, die mit den Unsicherheiten des fin de siècle korrespondiert.90

Götz Hamann sieht in Matrix eine perfekte Tarnung des Totalitarismus. Während in 198491 noch Menschen Menschen beherrschten, tun es jetzt Roboter.92 Selbst für die Rolle der Unterdrücker haben die Menschen abgedankt. Hamann liest den Film mit Baudrillard93 und hält es in seinen Ausführungen für möglich, daß es in naher oder ferner Zukunft die technischen Voraussetzungen geben könnte, sich wünschenswerte Szenarien oder Kenntnisse auf sein Gehirn zu „laden“:

Es ist die Umkehr der Ästhetisierung, die in der Welt der Kinobesucher stattfindet. Wer heutzutage das Fliegen schick findet, aber keine Chance auf die Ausbildung zum Airforce-Piloten hat, der tröstet sich vielleicht mit einer Bomberjacke. Mit schwarzen Rollkragenpullovern statt Sartre gelänge das auch. In beiden Fällen steht das Zeichen für das Eigentliche. Wenn das Gehirn aber zur Festplatte wird, lädt der Mensch heute den Bomberpiloten, morgen den Literaten und am Sonntag den Arzt: ein jeder sein eigener kleiner Supermann.94

88 Ebd.

89 Jürgens, Christian, „Keanu im Wunderland“, in Die Zeit, Hamburg, 17.06.1999, 36

90 Sterneborg, Anke, „In der Welt der saftig roten Steaks“, Süddeutsche Zeitung, München, 18.06.2001, 21, vgl.

dazu Hoffmann, Detlef, „Der so in die Authentizität Gerettete erweist sich schließlich als der Erlöser. Filme dieser Art gibt es seit einigen Jahren häufiger: Der Held erkennt, daß die ihn umgebende Welt Schein ist, Peter Weirs „Truman Show“ sei als weiteres Beispiel zitiert“, in „Authentische Erinnerungsorte oder: Von der Sehnsucht nach Echtheit und Erlebnis“ in Meier; Wohlleben (eds.), Bauten und Orte als Träger von Erinnerungen, Zürich, 2000, 31

91 Orwell, George, 1984, London, 1989

92 Hamann, Götz, „Hilfe, die Festplatte“, in FAZ, Frankfurt am Main, 17.06.1999, 35

93 z.B. „Der Virtuelle Mensch, reglos vor seinem Computer, macht Liebe via Bildschirm und seine Kurse per Fernstudium. Er wird zum motorisch und zweifellos auch geistig Behinderten.“, Transparenz des Bösen, Berlin, 1992, 60

94 Ebd.

Abgesehen von der Furcht, die Matrix schürt, nämlich nicht „real“ zu sein, ist der oben genannte Aspekt einer der wichtigsten Faszinationselemente des Films: Der Wunsch, in einer anderen Welt jemand anderer sein zu können. Ein etwas doppelzüngiges Kompliment hält Hamann noch für Keanu Reeves als Neo bereit, dessen – seiner Ansicht nach dürftige – Schauspielkunst perfekt zum synthetischen Ambiente von Matrix paßt:

Der von ihm dargestellte Neo wirkt allein in den Sequenzen dynamisch, in denen Reeves von den Technikern in der digitalen Nachbearbeitung beschleunigt und mit übernatürlichen Kräften ausgestattet wurde. Die Verschmelzung der Genres Realfilm und Zeichentrickfilm werden von der Hauptfigur geradezu idealtypisch verkörpert. Für diesen Film ist Keanu Reeves die ideale Besetzung und schadet

„Matrix“ in keiner Weise.95

Bernd Graff erkennt in der Süddeutschen Zeitung Filme wie 23,96 aber auch Comics wie Hard Boiled von Geof Darrow (Abb. 13) als Wegbereiter für Matrix. Zudem ist er fasziniert davon, wie es Matrix gelingen konnte, Teil eines ernstzunehmenden, philosophischen Diskurses sowie Themenschwerpunkt einer Tagung am ZKM in Karlsruhe mit Teilnehmern wie Peter Sloterdjik, Boris Groys und Slavoj Zizek zu werden, deren Standpunkte in dem besagten Artikel dargestellt werden. Interessant ist die Feststellung von Boris Groys, „[...] daß die akademische Philosophie als Instanz zur Erklärung der Wirklichkeit abgedankt habe. Man liest nun aus den Filmen heraus, was einstmals Philosophie war. So habe die Kulturindustrie Hollywoods mit Matrix die Medienkritik Adornos übernommen, und die Filmkunst sei damit in ein Stadium der Selbstphilosophierung eingetreten.“97 Indem die Kulturindustrie medial die Kulturindustrie inszeniert und die Reflexion dieser Tat ebenfalls durch die Kulturindustrie erfolgt, haben wir tatsächlich einen in sich geschlossenen Kreislauf, ähnlich einem Simulacrum Baudrillards, das sich nur auf sich selbst bezieht.98

„Vermutlich gibt es keinen Film, dessen Spezialeffekte, Vermarktung und Wirkung in den Köpfen so sehr mit seinem Plot zusammenfallen“, schreibt Peter Körte in der FAZ über Matrix Reloaded.99 Zudem sieht er Parallelen zu Terminator 3,100 der ja mit dem Untertitel Rise of the Machines ebenfalls im Sommer 2003 in die Kinos kam. Er dokumentiert die Verkaufsstrategie der Matrix-Inhalte, was z.B. das Computerspiel Enter the Matrix (im

95 Ebd.

96 Deutschland, 1998

97 Ebd., die Essays zu dieser Tagung finden sich zum Herunterladen unter www.zkm.de bzw. werden im Verlauf der Arbeit noch näher untersucht.

98 Siehe Kap. 4.7

99 Körte, Peter, „Matrix Reloaded“, in FAZ, Frankfurt am Main, 13.04.2003, 31

100 USA, 2003

Handel seit 03.06.2003) sowie die vier Animatrix Filme angeht und attestiert dem gesamten Matrix-Machwerk eine große Portion an pädagogischer Paranoia, „Je mehr man an die Macht der Matrix glaubt, desto weniger darf man all dem glauben, was durch die Medien summt“.101 Dies ist sicherlich richtig, trifft aber, wie bereits erwähnt, nicht nur auf Matrix zu. Michael Althen erkennt in der FAZ in Matrix Reloaded durch die Vermarktungsstrategie bedingt den aristotelischen „Schauder des Wiederekennens“:102

Im Internet konnte man den Trailer herunterladen und die besten Szenen Bild für Bild studieren. Diese neue Verfügbarkeit des Bildmaterials führt merkwürdigerweise nicht zu einem Verlust der Aura, sondern eher zu jenem Schauer des Wiedererkennens, der einen in Museen vor bekannten Gemälden befällt. Zumindest erfüllt die Werbestrategie ihren Zweck, weil man danach giert, endlich mehr zu sehen.

Georg Seeßlen weist zudem darauf hin, daß es in Matrix Reloaded 29 Anschlußfehler gibt, er bezeichnet sie als „Risse in der Matrix“.103 So weist in der Verfolgungsszene ein Auto bereits Einschußlöcher auf, bevor es zur Schießerei kommt, der Schlüsselmacher verschwindet kurz vom Dach des Trucks, um kurz darauf genau dort wieder aufzutauchen, ein LKW fährt meterlang schnurgerade ohne Fahrer etc... Dies könnte selbstverständlich auch absichtlich inszeniert sein, um Kinobesucher zum Kauf der DVD anzuregen, damit sie zu Hause auf ‚Fehlersuche’ gehen. Immerhin gilt der DVD-Verkauf eines Films als größere Einnahmequelle als die Kinokassen. Zudem bietet die DVD-Technologie durch die Einteilung des Filmes in Kapitel, Sprachauswahl und die im Vergleich zur VHS komfortablere Benutzerführung einen großen Anreiz, den Film nahezu zu ‚sezieren’.

Andreas Kilbs ausgesprochen amüsante Kritik zu Matrix Revolutions beginnt zunächst mit einem Lob auf den ersten Teil:

„Matrix“ war ein Film, der alles zeigte und nichts erklärte – weder, wie man durch ein analoges Klingeltelefon aus einer digitalen Welt heraus – und wieder hineinkam, noch, wie man in diesem Digitalreich „sterben“ und dann auch draußen, in der „wirklichen“ Welt der Steinkavernen und Höhlenraumschiffe, richtig tot sein konnte. [...] Und das war gut so. So wie man auf barocken Deckengemälden die Engel fliegen und den Erlöser auf der Wolke leuchten sieht – und wenn es irgendwo Engel und einen Erlöser und eine Matrix und einen „Einen“ gibt, dann müssen sie genauso fliegen und leuchten wie bei Michelangelo, Tiepolo und Wachowski.104

101 Ebd.

102 Althen, Michael, „Neo Chist Superstar“, FAZ, Frankfurt am Main, 16.05.2003, 30, vgl.zum „Schauder des Wiedererkennens“ Fuhrmann (ed.), Aristoteles: Poetik, Stuttgart, 1996, 85 ff.

103 Seesslen, Georg, Die Matrix entschlüsselt, Berlin, 2003, 293

104 Kilb, Andreas, „Oktopusse in Gruftopia“, in FAZ, Frankfurt am Main, 05.11.2003, 23

Daß in Matrix 2 und 3 die im ersten Teil aufgebaute Faszination in Form einer nahezu mittelalterlich anmutenden Zeichendeutung zwanghaft erläutert wird, zerstört in der Tat einen großen Teil der Faszination, nimmt aber auch Filmzeit in Anspruch, die man ja sonst mit offensichtlich nicht mehr vorhandenen Ideen hätte füllen müssen. Die Ambivalenz des ersten Teils, der sich bei der Polarisierung zwischen Realität und Illusion stark zurückhielt, lobt auch Kilb:

Denn das war der schärfste Trick an „Matrix“ [...] die Tatsache, daß die erlogene Welt des Matrix-Programms beruhigend vertraut, die wahre und eigentliche Realität der Kavernen dagegen höchst elend aussah.105

Man darf schließlich nicht vergessen, daß es die Matrix selbst ist, die die Rebellen in die Lage versetzt, ihre übermenschlichen Fähigkeiten einzusetzen, die sie in der wirklichen Welt nicht haben (darauf, daß man sich in Matrix Revolutions nicht erblödet, Neo auch in der Wirklichkeit übernatürliche Fähigkeiten zu verleihen, möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen!). „So wie die Matrix die Simulation der Welt ist, wurde „Matrix“ Teil eins bis drei, die Simulation einer Filmserie“, fährt Kilb fort, um die Ankündigung der Wachowski-Brothers im Jahre 2000, sie hätten ihren Matrix-Film von 1999 von Anfang an als Eröffnung einer Trilogie konzipiert als „Notlüge des Filmjahrzehnts“ bzw. „seinen größten Irrtum“ zu bezeichnen.106 Schließlich sieht Kilb die Vertausendfachung von Agent Smith als natürliche Korrelation zur Verdreifachung des Matrix Mythos und sieht daher nicht ganz ein, warum der 1000fache Agent Smith, der ja zur neuen Matrix Vermarktungs-Doktrin gut paßt, überhaupt von Neo bekämpft wird:

Er hat sich selbst industrialisiert wie die Wachowskis selbst – auf „Matrix“ eins bis drei antwortet Smith eins bis tausend. Daß Keanu Reeves diesen Mann zur Strecke bringen muß, ist insofern nicht konsequent.107

Ebenso wenig konsequent ist es sicherlich, daß der Maschinengott, mit dem Neo ein Abkommen trifft, den Angriff auf Zion zu beenden sobald Agent Smith beseitigt ist, dies auch tatsächlich tut. Denn mit dem Tod des Störenfrieds Agent Smith, des Oberrebellen Neo und dem nahenden Fall Zions hätten die Maschinen doch eigentlich gesiegt. Oder war ihnen daran

105 Ebd.

106 Ebd.

107 Ebd.

gelegen, ihren eigenen Emmanuel Goldstein wie in 1984108 in Form von Zion als gesunden Gegenpol zum System zu erhalten?

Matrix Revolutions, der dritte und letzte Teil der Matrix-Filme, lebt nur noch in den Ruinen der ursprünglichen Idee. Das philosophische Konzept hat sich in Prügelszenen und Spezialeffekten aufgelöst, die genauso gut im Genre des Western, des Krimis oder Kriegsfilms aufgehoben wären. Der Kampf der Menschen gegen die Maschinen, wie er hier zu Ende erzählt wird, hat nicht mehr die unsichere Realität eines Computerspiels, sondern die höchst handgreifliche einer Materialschlacht, wie sie im Kino seit alters gegen die Indianer, Riesenspinnen oder Nazis geführt wird.109

Mit diesen Worten beginnt die Filmkritik zu Matrix Revolutions in Die Zeit wobei Jens Jessen den Wachowski Brüdern ebenfalls eine Zerstörung des ursprünglichen Matrix-Mythos vorwirft. „Der klassische Anti-Intellektualismus des klassischen Hollywoods setzt sich behaglich gegen die Erkenntnisskepsis durch“, fährt Jessen fort und erkennt in dem Machwerk, im Gegensatz zur Relativität von Teil 1, einen eindeutigen Hang zum binären Schwarz-Weiß Denken, das seiner Ansicht nach im Kielwasser der Bush-Administration schwimmt. „Er (der Film – Matrix Revolutions, VME) will erstens vor Franzosen warnen, denn ein solcher ist der Erzbösewicht Merowinger (Lambert Wilson).110 Der Film will zweitens zu Computerspielen anregen; denn damit kann man die Welt retten. Drittens aber soll man mit dem virtuellen Unfug auch wieder aufhören; denn gegen Gespenster hilft nur Gewalt. Der wahre Friede schließlich läßt sich nur durch Krieg gewinnen. Das heißt: Die Gebrüder Wachowski haben nach allerlei kulturkritischen Eskapaden zum guten Ende doch noch die patriotische Kurve genommen.“111

Letztendlich ist es Matrix 2 und 3 zwar gelungen, die Materialkosten und auch die Besucher- und sonstige Einnahmezahlen in ungeahnte Höhen zu treiben,112 doch zehren beide Teile letztendlich von der Faszination, die allein der erste Part aufgebaut hat. Was Matrix 1 jedoch angeht, kann ich niemandem mehr beipflichten als dem bereits zitierten Christian Jürgens:

Ob der Film Kunst ist? Keine Ahnung. Ob er moralisch wertvoll ist? Eher nicht.

108 Orwell, George, London, 1989

109 Jessen, Jens, „Prügelpriester“, in Die Zeit, Hamburg, 06.11.2003, 38

110 dies ist nicht ganz korrekt, der Merowinger ist nicht notwendigerweise ein Franzose. In Matrix Reloaded erklärt der Merowinger, er habe alle Sprachen durchprobiert und sich schließlich für Französisch entschieden, weil man darin so herrlich fluchen kann, „[...] it’s like wiping your ass with silk, I love it.“, 2003

111 Ebd.

112 Matrix Revolutions kam zur Premiere in 109 Ländern gleichzeitig in die Kinos und nahm in der ersten Woche 204,1 Millionen Dollar ein; schaffte also einen neuen finanziellen Rekord und stieß Der Herr der Ringe II – Die Zwei Türme vom Thron, in Handelsblatt, Düsseldorf, 11.11.2003, 15

Aber er ist verdammt cool.113

Warum Matrix als ‚cool’ galt und gilt hat selbstverständlich Gründe, die in den folgenden Kapiteln untersucht werden sollen.