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4. Digital Divide

4.4. Die Diskussion über die Digital Divide

4.4.1. Die internationale Diskussion

Die internationale Diskussion erreichte ihren ersten Höhepunkt anlässlich des G8-Gipfeltreffens165 im Jahre 2000 auf der japanischen Insel Okinawa. Dort wurde das Thema auf derselben Ebene behandelt wie Hunger und Armut.166 Aber schon auf dem UNO-Gipfel von Rio 1992 war das Thema in der internationalen Öffentlichkeit in Ansätzen diskutiert worden. Das Ergebnis war ein Beschluss der Staats- und Regierungschefs, dass „everyone, everywhere should be enabled to participate in and no one should be excluded from the benefits of the global information socie-ty.‖167 Als Ergebnis dieses G8-Gipfels wurde die „G8-Charta on Global Information Society" veröffentlicht und die sogenannte DOT Force (Digital Opportunity Task Force) eingesetzt. Diese sollte Schritte für eine Überbrückung der internationalen Digital Divide erarbeiten.168 Die Charta beinhaltet unter Punkt 12 die folgende doch sehr optimistische Aussage zur Informations- und Kommunikationstechnolo-gie:

"Die IT stellt für die Volkswirtschaften der Länder im Übergang und der Entwick-lungsländer eine enorme Chance dar. Länder, denen es gelingt, das Potenzial der IT zu nutzen, können damit rechnen, konventionelle Hindernisse, die der Infra-strukturentwicklung entgegenstehen, zu überwinden, ihre zentralen

163 Vgl. Marr 2004, a.a.O. (Anm. 161), S. 84.

164 Vgl. Langer 2007, a.a.O. (Anm. 19), S. 21.

165 Die G8 ist ein Zusammenschluss der sieben größten Industrieländer und Russlands.

166 Vgl. Arnhold 2003, a.a.O. (Anm. 114), S. 9.

167 Zitiert nach Thoms 2008, Maike, a.a.O. (Anm. 98), S. 19

168 Zu den Aufgaben der DOT Force siehe: http://www.g7.utoronto.ca/dot_force/summary-nov-00.html (20.12.2009)

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ziele, darunter Armutsverminderung, Gesundheit, Hygiene und Bildung, besser zu realisieren und vom raschen Wachstum des weltweiten elektronischen Geschäfts-verkehrs zu profitieren. Einige Entwicklungsländer haben in diesen Bereichen be-reits ähnliche Fortschritte erzielt.―169

Dieses sehr optimistische Ziel sollte durch finanzielle Mittel der G8-Länder erreicht werden und es wurde beschlossen den Prozess auf weiteren Gipfeln fortzusetzen.

Warum dieses Thema auch international an Bedeutung gewonnen hatte, lässt sich an den folgenden die Ungleichheit abbildenden Beispielen170 deutlich machen:

 Im New Yorker Stadtteil Manhattan existieren mehr Telefonanschlüsse als in allen Staaten Afrikas zusammen.

 Der gesamte afrikanische Kontinent hat weniger Internetzugänge als Lon-don oder Tokio.

 75 Prozent aller Telefone befinden sich in den neun reichsten Ländern.

 Alle Entwicklungsländer zusammen besitzen nur vier Prozent der weltweit vorhandenen Computer.

Dies waren die Gründe, sich vertieft auf weiteren Gipfeln mit dem Problem zu be-schäftigen. Der bedeutendste Gipfel geht auf den Beschluss des Rats der Interna-tionalen Fernmelde-Union (ITU) aus dem Jahr 2001 zurück. Die ITU mit Sitz in Genf ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Sie beschäftigt sich überwiegend mit den technischen Aspekten der Telekommunikation. Von der ITU wurde beschlossen, innerhalb der nächsten fünf Jahre einen zweiteiligen Gipfel mit der Bezeichnung "World Summit On The Information Society" (WSIS) abzuhal-ten. Als Termine wurden festgelegt, dass vom 10. bis 12. Dezember 2003 in Genf der erste Teil und vom 16. bis 18. November 2005 in Tunis der zweite Teil stattfin-den sollte. Grundlage der Diskussion war die Prognose, dass die neuen Informati-ons- und Kommunikationstechnologien aufgrund ihrer ungleichen Nutzung zu ei-ner Verschärfung der Ungleichheit zwischen Industriestaaten und Entwicklungs-ländern, aber auch der sozialen Ungleichheit innerhalb von Gesellschaften führen.

Es wurde darauf verwiesen, dass die Übernahme von neuen Informations- und

169 Zitiert nach Afemann, Uwe 2001: Anschluss gesucht - Der größte Teil der Weltbevölkerung muss ohne neue Medien auskommen. In: E+Z - Entwicklung und Zusammenarbeit (Nr. 4, April 2001), S. 108

170 Weil, Felix, Digital Divide und digitale Dynamik. Über den tatsächlichen ethischen Handlungs-bedarf. In: Capurro, Rafael /Thomas Hausmanninger/Rupert M. Scheule (Hrsg.) 2004: Vernetzt gespalten. Der Digital Divide in ethischer Perspektive. — München, Wilhelm Fink Verlag (= Schrif-tenreihe des International Center for Information Ethics; Bd. 3), S. 180; Chopra, Anand 2005:

Bridging India's Digital Divide, Tönning, Der Andere Verlag, S. 1.; Krcmar, Helmut / Petra Wolf, Ansätze zur Überwindung der digitalen Spaltung, in: Welker/Winchenbach 2002, a.a.O. (Anm.

153), S. 29.

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Kommunikationstechnologien dazu führt, dass allgemein mehr Medienangebote über alle Schichten hinweg genutzt werden, 171 jedoch von einer wachsenden Kluft zwischen "Informationsreichen" und "Informationsarmen" Ländern auszugehen ist.

Aus diesem Grund ist auch davon auszugehen, dass diese Kluft zumindest mittel-fristig Bestand hat172 und die These, dass sich positive Entwicklungen im Internet-bereich grundsätzlich nach einem zeitlichen Abstand auch in anderen Ländern so vollziehen, in Zweifel zu ziehen ist.173 Selbst die eigentlich im Hinblick auf die digi-tale Spaltung optimistische Studie der National Telecommunications and Informa-tion AdministraInforma-tion (NTIA) von Oktober 2000 mit dem Titel "Toward Digital Inclusion" stellt die Existenz der Digitalen Spaltung nicht in Frage:

―(...) Nonetheless, a digital divide remains or has expanded slightly in some cases, even while Internet access and computer ownership are rising rapidly for almost all groups. For example, the August 2000 data show that noticeable divides still exist between those with different levels of income and education, different racial and ethnic groups, old and young, single and dual-parent families, and those with and without disabilities."174

Der Gipfel beschäftigte sich neben der Suche nach Wegen zur Verringerung der Digitalen Spaltung, vor allem zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, aber auch zwischen Arm und Reich, zwischen Geschlechtern sowie zwischen Genera-tionen, auch mit weiteren Punkten175:

 Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der Informationsgesell-schaft

 Aufbau technischer Infrastruktur

 Universeller und gleicher Zugang

 Sicherung sprachlicher Vielfalt und kultureller Diversität

 Bildung

 Intellectual Property vs Global Commons

 Informationsfreiheiten

 Sicherheit des Informationsnetzes

 Partizipation, E-Demokratie, E-Government, Communities

171 Bonfadelli 1994, a.a.O. (Anm. 93), S.153.

172 Vgl. Jung, Joo-Young; Qui, Jack Linchuan; Kim, Young-Chan, Internet Connectedness and Inequality. Beyond the ―Devide‖, in: Communication Research, Vol 28., No. 4/2001, S.508.

173 So aber Hutter, Michael, Der Digital Divide -ein vorübergehender Zustand?, in: Kubicek, Her-bert, Klumpp, Dieter, Fuchs, Gerhard, Roßnagel, Alexander (Hrsg.) 2001: Inter-net@Future. Jahr-buch Telekommunikation und Gesellschaft 2001, Bd. 9/2001, Heidelberg, Hüthig, S. 362.

174 Entnommen der Zusammenfassung der Studie:

http://www.ntia.doc.gov/ntiahome/digitaldivide/execsumfttn00.htm (15.10.2008)

175 http://www.worldsummit2003.de/de/web/44.htm (11.1.2010)

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 Regulativer Rahmen der Informationsgesellschaft

Geplant war, aus diesen weiten Themenbereichen eine Erklärung zu erarbeiten sowie einen Aktionsplan mit gemeinsam beschlossenen Entwicklungsmaßnahmen anzunehmen, die beide zu einer Teilhabe aller Menschen an der Informationsge-sellschaft führen sollten. Eingeladen waren die Staats- und Regierungschefs, die Generaldirektoren der UN-Organisationen, nationale Delegierte und Vertreter nichtstaatlicher Organisationen (NGOs), Vertreter der Wirtschaft, der Medien und der Zivilgesellschaft. In der Summe waren rund 14.000 Teilnehmer aus mehr als 150 Staaten an der Konferenz beteiligt.176 Konkrete Ergebnisse wurden nicht er-zielt, aber zumindest gelang es, durch die intensive Vorarbeit in drei Vorkonferen-zen die Verabschiedung von zwei wesentlichen Dokumenten zu erreichen:

 Geneva Declaration of Principles (Genfer Prinzipienerklärung)

 Geneva Plan of Action (Genfer Aktionsplan)

Die zweite Konferenz fand dann wie geplant zwei Jahre später im Jahr 2005 in Tunis statt. Die Beschlüsse der ersten Konferenz wurden dort bestätigt und mit der Tunis-Verpflichtungserklärung (Tunis Commitment) und der Tunis Agenda für die Informationsgesellschaft wurden zwei weitere Erklärungen verabschiedet. Im Hin-blick auf die digitale Spaltung wurde in der Verpflichtungserklärung von Tunis fol-gendes beschlossen:

„Wir werden daher unablässig bestrebt sein, den allgemeinen, ortsunabhängigen, gleichen und erschwinglichen Zugang zu den IuK-Technologien für alle, insbesondere für Menschen mit Behinderungen, und überall zu fördern, so auch durch "Design für alle" und technische Hilfsmittel, um zu gewährleisten, dass die Vorteile gleichmäßiger zwischen den Gesellschaften und innerhalb der Gesellschaften verteilt sind, und um die digitale Spaltung zu überwinden, damit digitale Chancen für alle geschaffen und das entwicklungsfördernde Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnolo-gien genutzt werden können.―177

Die weitere internationale Diskussion verlief im Sand, weil man sich nicht auf eine verbindliche Finanzierung von Maßnahmen zur Überwindung der digitalen Spal-tung einigen konnte. Die internationale Diskussion hat aber zumindest die Diskus-sion innerhalb der Nationalstaaten und damit auch in Deutschland befördert.

176 Vgl. Thoms 2008, a.a.O. (Anm. 98), S. 60.

177 Vgl. Weltgipfel über die Informationgesellschaft (WSIS), Verpflichtungserklärung von Tunis vom 18.11.2005, http://www.un.org/depts/german/conf/wsis-05-tunis-doc7.pdf [5.6.2009]

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