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4. Die Szenische Interpretation von Musiktheater im Modell

4.2. Die Institution Junge Oper der Staatsoper Stuttgart

Im folgenden wird die spezifische Ausformung der drei grundlegenden Arbeitshal-tungen und die Arbeit mit der Szenischen Interpretation von Musiktheater in den zwei Bereichen – Projekt und Produktion - des Modells im Kontext der Institution

„Junge Oper der Staatsoper Stuttgart“ beschrieben.

Aufgrund globaler Mindereinnahmen im Haushalt des Landes Baden-Württemberg flossen auch der Staatsoper Stuttgart 1996 weniger Mittel zu. Es drohte die Gefahr für die Opernsparte, das Kammertheater nicht mehr bespielen zu können. Offiziell war das Kammertheater 1991 durch den damaligen Generalintendanten Wolfgang Gönnenwein geschlossen worden. Diese Schließung war faktisch durch die Intendan-ten Klaus Zehelein und die zwei anderen InIntendan-tendanIntendan-ten (Ballett und Schauspiel) aufge-hoben worden, weil der Spielbetrieb mit kleinerem technischen Personal

aufrechterhalten wurde. Es drohte nun zum zweiten Mal die Stilllegung des Spielbe-triebs. In dieser Krise entwickelten der Intendant Klaus Zehelein und die

Co-Intendantin Pamela Rosenberg im November 1996 die Idee, das Kammertheater zum Zentrum der Jugendarbeit zu machen, nachdem das Projekt „Erlebnisraum Oper“ von Lehrern und Schülern gleichermaßen erfolgreich angenommen wurde. Im November 1996 wurde Markus Kosuch damit beauftragt eine Konzeption zu entwickeln. Diese Konzeption wurde dann gemeinsam mit Mathias Behrends ausformuliert, der die künstlerische Leitung (1997 – 1999) des neuen Projekts übernahm.

Das Modell „Junge Oper der Staatsoper Stuttgart“ ist in zahlreichen Presseartikeln, Opernjournalen und Spielzeitheften dokumentiert, die im zweiten Band unter 2.2.

zusammengestellt sind. Im Opernjournal 60 der Staatsoper Stuttgart (September 1997) wird die Kernidee komprimiert darstellt und die Institution beschrieben1:

1 Strukturplan und Übersicht über Ergebnisse und Projekte der Junge Oper der Staatsoper Stuttgart sind insbesondere aufgeführt im zweiten Band 2.2.5.

Junge Oper Stuttgart im Kammertheater

Kinder- und Jugendopern, Erlebnisraum Oper, Schulprojekte

Ab Beginn der Spielzeit 1997/98 faßt die Staatsoper Stuttgart die bisherige Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Projekt Junge Oper Stuttgart zusammen und stellt sie gleichzeitig auf eine neue Ebene. Opernintendant Klaus Zehelein und Co-Intendantin Pamela Rosenberg, auf deren Initiative dieses Projekt zurückgeht, öffnen mit der Jun-gen Oper Stuttgart das Kammertheater (in der neuen Staatsgalerie) für eine weitere Intensivierung der musiktheaterpädagogischen Arbeit.

Kinder und Jugendliche im Alter von 6 –21 Jahren können sich gemeinsam mit Künst-lerinnen und Künstlern in unterschiedlicher Weise auf professioneller Grundlage aktiv an Produktionen beteiligen:

• Als Chorsänger und Musiker auf der Bühne

• Als Praktikanten im Produktionsbereich (Dramaturgie, Technik, Beleuchtung etc.)

Bei der Auseinandersetzung mit dem Werk im Rahmen einer szenischen Interpretati-on

• In Form von Probenbesuchen und Gesprächen.

Dabei fließen die vielfältigen Erfahrungen aus dem Bereich „Erlebnisraum Oper“, der Schulprojektarbeit, der professionellen Opernarbeit und dem künstlerischen Aus-bildungssektor zusammen.

Junge Oper Stuttgart heißt:

Das Kammertheater wird zum Zentrum der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen an der Staatsoper Stuttgart

Zur bisherigen Arbeit im Rahmen der Schulprojekte und „Erlebnisraum Oper“

kommen jetzt Neuproduktionen hinzu (jeweils zwei pro Spielzeit mit insgesamt ca.

40 Vorstellungen).

Professionelle künstlerische Arbeit und die Perspektiven von Jugendlichen auf das Werk durchdringen sich.

Die Leitung der Jungen Oper Stuttgart liegt bei Markus Kosuch, der bereits seit der Spielzeit 1995/96 das Projekt „Erlebnisraum Oper“ als Musiktheaterpädagoge und Dramaturg entwickelt hat, und bei Mathias Behrends, der für das Projekt als Regis-seur an die Staatsoper kommt.

Das Projekt Junge Oper Stuttgart ist eingebunden in ein Projekt der Europäischen Union zur Förderung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Die zu diesem Zweck geplante Gründung eines Netzwerks europäischer Opernhäuser2 findet im November diesen Jahres3 in Stuttgart statt. Maßgeblich unterstützt wird die erste Produktion der Jungen Oper Stuttgart von der Firma Rohbachzement. Gerd Rohbach, Geschäftsfüh-render Gesellschafter, will damit auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein Zei-chen dafür setzen, dass die Förderung von JugendliZei-chen im künstlerisZei-chen Bereich eine wesentliche Grundlage unserer Gesellschaft ist. Der Förderkreis der Gesellschaft der Freunde der Württembergischen Staatstheater e.V. übernimmt auch weiterhin maßgeblich die Finanzierung der Stelle des Musiktheaterpädagogen an der Staats-oper.“ (Opernjournal 60 Staatsoper Stuttgart)

Damit sind die wesentlichen Eckpfeiler der Arbeit abgesteckt, die nochmals im Fo-kus festhalten und durch weitere Aspekte ergänzt werden, bevor die Rolle der Szeni-schen Interpretation von Musiktheater im Kontext des Modells „Junge Oper“

beschrieben wird:

2 gemeint ist hier das Netzwerk RESEO www.reseo.org

3 November 1997

• Professionelle künstlerische Arbeit und die Perspektiven von Jugendlichen auf das Werk durchdringen sich

• Auseinandersetzung mit dem „Fremden“ im kommunikativen Prozess

• Partizipation von Kindern und Jugendlichen im künstlerischen Prozess

• Praktika für Real- und Hauptschüler in Maske und Technik im Rahmen von direkten Kooperationen mit Schulen

• Mit Vorhandenem umgehen (low-budget Produktion)

• Einbettung des Projekts in einen europäischen Kontext

• Fester Etat bietet Planungssicherheit

• Finanzierung durch Sponsoren erwünscht, aber für die Arbeit nicht zwingend notwendig

Wichtig für die inhaltliche Arbeit war, dass der "Jungen Oper der Staatsoper Stutt-gart" von der Intendanz einen gesicherten Etat zur Verfügung gestellte wurde, der unabhängig davon war, ob Sponsoren die Arbeit unterstützen würden und in welcher Höhe eine etwaige Förderung ausfallen sollte. Dies gab Planungssicherheit, die wich-tig für eine nachhalwich-tige pädagogische und künstlerische Arbeit ist.

In den Produktionen wurden die beteiligten Kinder und Jugendlichen nicht bezahlt.

Sie bekamen lediglich Fahrtkosten erstattet, Getränke zu den Proben und eine große Premieren- und Dernierenfeier wurde zu jeder Produktion für die Kinder und Jugend-lichen ausgerichtet. Diese Entscheidung, Kinder und Jugendliche nicht zu bezahlen, hatte einen wesentlichen Grund: Es ging um die Haltung, dass Kinder und Jugendli-che nicht aufgrund der Bezahlung mitwirken sollten, sondern dass ihre Mitwirkung auf dem Interesse basieren sollte, sich inhaltlich und gestalterisch einzubringen und

„sich in den Produktionen wiederzufinden“. Damit wurde auch das Produktionsteam und die jungen Solisten in die Pflicht genommen, Kinder und Jugendliche als künst-lerische Partner ernst zu nehmen und sie nicht als Erfüllungsgehilfen der Produktion zu instrumentalisieren. Die Motivation für die Mitwirkung an einer Produktion sollte sein, dass Kinder und Jugendliche gefragt waren, gefragt wurden und sich „gefragt“

fühlten.