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5.2 Die Analyse des SMT -Gens

38,1 Centimorgan (cM) zwischen den Markern m216 (33,1 cM) und m265 (39,3 cM) auf dem langen Arm des Chromosoms 2 von Arabidopsis (Prof. C. Chapple, pers. Mitt.). Das stimmt in etwa überein mit der Position des ERECTA-Lokus, der sich bei 50,1 cM befindet. Das Cosmid 1 wurde als der Klon pCC300 auf der Karte nach Lister und Dean eingetragen (s. Arabidopsis thaliana-Database, Abschn. 2.11). Für den BAC Klon F21P24, auf dem sich das Cosmid 1 mit dem SNG1-Gen befindet (s. Abschn. 4.3.6), wurde durch das Arabidopsis-Genomprojekt als nächstliegender Marker mi238 bei 39,9 cM auf Chromosom 2 bestimmt. Die Übereinstimmung dieser Kartierungen im Zuge der Klonierung des SNG1-Gens war ein zusätzlicher, wichtiger Hinweis darauf, dass die richtige genomische DNA isoliert worden war. Da die positionelle Klonierung ein aufwendiger Weg zur Isolation eines Gens ist (s. z.B. Meyer 1994 u. Meyer et al. 1994), hätte auch die Möglichkeit bestanden, bei einem Fehlschlagen der inversen PCR von der T-DNA-Mutante sng1-4 eine genomische Bibliothek herzustellen. Mit den Fragmenten der T-DNA-Seiten als Sonden hätte daraus in gleicher Weise ein Fragment genomischer DNA aus dem SNG1-Gen oder dessen Umgebung isoliert werden können. Eine weitere Methode zu diesem Zweck wäre außerdem die Thermal Assymetric Interlaced (TAIL)-PCR gewesen (Feld-mann und Dilkes 1998). Auf einem dieser Wege wäre es wahrscheinlich möglich gewesen, das SNG1-Gen von Arabidopsis dennoch zu klonieren.

Die biologische Funktion von Serincarboxypeptidasen besteht in der Prozessierung und im Abbau von Proteinen und Peptiden. Sie katalysieren in diesen Substraten die hydrolytische Spaltung der C-terminalen Peptidbindung, wodurch die endständige Aminosäure freigesetzt wird. Der in Serinpeptidasen wirkende katalytische Mechanismus wurde eingehend analysiert, vor allem in Enzymen, die zu der Familie animalischer Endopeptidasen gehören, wie z.B. Chy-motrypsin (Ferry et al. 1994; Dodson und Wlodawer 1998; Voet und Voet 1998), aber auch in Enzymen aus der Familie der Serincarboxypeptidasen, wie z.B. der Carboxypeptidase Y aus Saccharomyces cerevisiae (Breddam 1986; Remington 1993; Breddam und Remington 1994;

Breddam et al. 1998). Der katalytische Mechanismus dieser Enzyme kann kurzgefasst wie folgt beschrieben werden. Nach Bildung des Enzym-Peptid-Komplexes wird im ersten Schritt der Katalyse die α-Carbonylgruppe der vorletzten Aminosäure des Peptids durch ein freies Elektronenpaar nukleophil angegriffen. Dieses stammt aus der Hydroxylgruppe des Serins, das sich im aktiven Zentrum befindet. In der Folge wird die Peptidbindung zur C-terminalen Ami-nosäure gelöst und diese freigesetzt. Es entsteht ein Zwischenprodukt, in dem das restliche Peptid kovalent an das Enzym gebunden ist, der Acyl-Enzym-Komplex. Zugleich wird das Proton der Serin-Hydroxylgruppe auf die α-Aminogruppe der abgespaltenen Aminosäure über-tragen, woran wesentlich das Histidin und die Asparaginsäure der katalytischen Triade beteiligt sind. Die Deprotonierung aktiviert dabei den Hydroxyl-Sauerstoff für den nukleophilen An-griff. Im Verlauf des gesamten Prozesses wird am C-Atom der α-Carbonylgruppe ein Über-gangszustand mit tetraedischer Konfiguration durchlaufen, dessen Stabilisation durch Effekte unterschiedlicher Art ein weiterer, sehr wichtiger Beitrag zur Katalyse ist. Im zweiten Schritt der Katalyse wird der Acyl-Enzym-Komplex hydrolytisch gespalten und das um eine Amino-säure verkürzte Peptid wieder freigesetzt. Dabei wird das erwähnte C-Atom durch ein freies Elektronenpaar aus einem Wassermolekül, welches in das aktive Zentrum eintritt, nukleophil attackiert. In Umkehrung des ersten Schrittes wird ein Proton des Wassers auf ein N-Atom des Imidazolsystems im katalytisch aktiven Histidin und von dort auf das aus der Bindung mit dem Peptid austretende Sauerstoffatom des Serins übertragen, wodurch die Hydroxylgruppe des Serinrests zurückgebildet wird.

Die große Ähnlichkeit der Aminosäuresequenzen von Serincarboxypeptidasen und SMT legt die Vermutung nahe, dass die Katalyse durch die SMT unter Beteiligung identischer Reste auf dem gleichen Mechanismus beruht, der für Serinpeptidasen ermittelt wurde. Diese wird dadurch gestützt, dass die SMT-Aktivität in Proteinextrakten aus Arabidopsis durch Phenyl-methylsulfonylfluorid (PMSF) signifikant gehemmt wird (Lehfeldt et al. 2000). PMSF ist ein klassischer Inhibitor der Aktivität zahlreicher Serinpeptidasen und reagiert spezifisch mit dem Serinrest im aktiven Zentrum dieser Enzyme (Barrett 1994). Ein Serinrest ist daher sehr wahr-scheinlich auch in der SMT an der Katalyse beteiligt, und damit auch die andere Aminosäuren, die zur katalytischen Triade gehören. Weiterhin sind zwischen der Peptidhydrolyse und einer Transacylierung gewisse Ähnlichkeiten vorhanden, die es erlauben, in erster Annäherung den folgenden katalytischen Mechanismus für die SMT zu formulieren. Anstatt einer Peptidbindung

wird durch die SMT die energiereiche Esterbindung in der 1-O-Sinapoyl-ß-D-glucose gespal-ten. Das Proton der Serin-Hydroxylgruppe wird dabei auf die aus der Esterbindung austretende Glucose übertragen, der Sinapoylrest zugleich durch den Serin-Sauerstoff kovalent an das En-zym gebunden. Dieses Zwischenprodukt unterliegt aber offenbar nicht, wie in den Peptidasen, einer Hydrolyse. Vielmehr wird die Carbonylfunktion der Sinapinsäure durch ein Elektronen-paar aus der Hydroxylgruppe von L-Malat nukleophil attackiert, das unter Ausbildung eines zweiten Enzym-Substrat-Komplexes in das aktive Zentrum eintritt. Dadurch wird die Bindung im Komplex gelöst und der Ester 2-O-Sinapoyl-L-malat gebildet. Dieses Modell bietet einen ersten Anhaltspunkt, um zu verstehen, wie aus einer Serincarboxypeptidase im Verlauf der Evolution ein Enzym wie die SMT entstanden sein könnte, das eine Transacylierung anstatt einer Peptidhydrolyse katalysiert. Dabei dürfte von großer Bedeutung sein, dass in diesem Fall hauptsächlich L-Malat und nicht Wasser mit dem Acyl-Enzym-Komplex reagieren kann, was im Vergleich zu Serincarboxypeptidasen auf strukturelle Veränderungen im aktiven Zentrum der SMT hinweist. Für die aus Raphanus sativus (Gräwe et al. 1992) und Brassica rapa (M.

Lorenzen, pers. Mitt.) aufgereinigten Formen der SMT wurde für 1-O-Sinapoyl-ß-D-glucose jedenfalls in Enzymtests keine hydrolytische Aktivität festgestellt. Zumindest bei der SMT aus B. rapa dürfte es sich, ausgehend von dem bekannten N-terminalen Peptid (s. Abschn. 1.2.1 u.

8.2), ebenfalls um ein Protein handeln, dass aus einer Serincarboxypeptidase hervorgegangen ist. Strukturelle Veränderungen betreffen darüber hinaus womöglich die Bindungsstellen der Substrate 1-O-Sinapoyl-ß-D-glucose und L-Malat. Zwischen diesen Verbindungen und einem Peptidsubstrat besteht jedenfalls eine gewisse strukturelle Differenz.

Auf ähnliche Weise wie für die SMT lässt sich auch ein Vergleich der Enzyme SCT und SCE aus dem Stoffwechsel der Sinapinsäureester (s. Abschn. 1.1) mit derartigen Peptidasen durchführen. Wie bei der SMT wird durch die SCT ein Sinapoylrest übertragen, im Falle der SCT allerdings auf die Hydroxylgruppe von Cholin und nicht auf diejenige von L-Malat. Die zur Bildung des Acyl-Enzym-Komplexes erforderliche Aktivierung des Acylrestes erfolgt jedes Mal in Form des energiereichen Esters 1-O-Sinapoyl-ß-D-glucose. In der durch die Esterase SCE katalysierten Reaktion wird der Acylrest hingegen auf Wasser übertragen, das umgesetzte Substrat ist O-Sinapoylcholin. Gemeinsam ist aber den Reaktionen, dass ausgehend von einem Sinapinsäureester als Donor ein Sinapoylrest auf die Hydroxylgruppe eines anderen Moleküls als Akzeptor übertragen wird. Mit Bezug auf die SCE ist zudem schon länger bekannt, dass Serincarboxypeptidasen in vitro zu einer effizienten Esterhydrolyse in der Lage sind (Breddam 1986; Remington 1993, 1998; Remington und Breddam 1994; Breddam et al. 1998). Darüber hinaus sind Esterasen isoliert worden, an deren Katalyse eine aus den gleichen Aminosäuren wie in der SMT bestehende katalytische Triade beteiligt ist (Dodson und Wlodawer 1998).

Diese Beobachtungen führten deshalb zu der Frage, ob sich nicht nur die SMT, sondern auch die Acyltransferase SCT und die Esterase SCE evolutionär aus Serincarboxypeptidasen ent-wickelt haben. Die Gene dieser Enzyme könnten dann zu der Gruppe gehören, in welcher das SMT-Gen gefunden wurde (s. Abschn. 4.3.6). In diesem Fall haben womöglich mehrere

Gen-duplikationen das genetische Material geliefert, das dem Stoffwechsel der Sinapinsäureester in der Familie der Brassicaceen zugrunde liegt.

Die Analyse der sng1-Mutanten, die durch Bestrahlung mit schnellen Neutronen erzeugt worden waren (s. Abschn. 5.1), bestätigte diese Annahme allerdings nicht. So fehlen in der Mutante sng1-6 das 10 kb- und 3,8 kb- Fragment von Cosmid 1 sowie das 4,5 kb-Fragment von Cosmid 2 (Lehfeldt et al. 2000). Die Deletion hat damit in dieser Mutante eine Größe von 25 kb, von der das SMT-Gen als auch die umliegenden vier Gene mit großer Ähnlichkeit zu Se-rincarboxypeptidasen betroffen sind (s. Abb. 13, Gen Nr. 6-10). Daraus ergaben sich über den sng1-Phänotyp hinaus aber keine Veränderungen im Stoffwechsel der Sinapinsäureester (Leh-feldt et al. 2000). Ein Defekt im SCT-Gen hätte dazu geführt, dass freies Cholin anstelle von O-Sinapoylcholin in den Samen akkumuliert. Ein Defekt im SCE-Gen hätte sich dadurch ge-zeigt, dass das gespeicherte O-Sinapoylcholin in der frühen Entwicklung des Keimlings nicht abgebaut wird. Es ist damit sehr unwahrscheinlich, dass die Enzyme SCT oder SCE von einem der Gene in direkter Nachbarschaft zum SMT-Gen kodiert werden. Dieses Ergebnis wird auch durch eine Northern-Analyse unterstützt, die mit Fragmenten der betroffenen fünf Gene durch-geführt wurde (s.o.). Danach wird offensichtlich nur das SMT-Gen in der frühen Entwicklung des Arabidopsis-Keimlings exprimiert (Prof. C. Chapple, pers. Mitt.). Diese Phase der Ent-wicklung betrifft zwar nicht die SCT, das Ergebnis spricht aber zumindest nicht dafür, dass eines dieser Gene die SCE kodiert. Es ist allerdings möglich, dass es sich bei der SCT oder SCE um redundante Gene handelt. In diesem Fall wären Gene mit gleicher Funktion an anderer Stelle im Genom vorhanden, was zu einer Kompensation eines Deletionseffekts geführt hätte.

Es wurde aber mittlerweile eine durch EMS erzeugte Mutante von Arabidopsis isoliert, in der sehr wahrscheinlich ein Defekt im SCT-Gen vorhanden ist (Prof. C. Chapple, pers. Mitt.). An-statt von O-Sinapoylcholin wie im Wildtyp werden in den Samen der Mutante freies Cholin und 1-O-Sinapoyl-ß-D-glucose akkumuliert, die Edukte der Reaktion, die durch die SCT kata-lysiert wird (s. Abschn. 1.1 u. Abb. 1). Diese Mutante wurde deshalb als sinapoylglucose accu-mulator 2 (sng2) bezeichnet (s. Abschn. 1.2.2). Aus der genetischen Analyse der Mutante ging zudem hervor, dass das betroffene Gen nicht, wie das SNG1-Gen, auf Chromosom 2 von Ara-bidopsis lokalisiert ist. Wenn es sich dabei tatsächlich um das SCT-Gen handelt (s. Abschn.

5.3), bestätigt das Ergebnis die Analyse der Mutante sng1-6 (s.o.).

Die Analyse dieser Mutante hatte zwar gezeigt, dass die Gene in der Nachbarschaft zum SMT-Gen keine weiteren Enzyme aus dem Stoffwechsel der Sinapinsäureester kodieren. Das lässt aber die Frage offen, ob sich unter diesen nicht möglicherweise redundante SMT-Gene befinden. Das würde allerdings bedeuten, dass in allen acht isolierten sng1-Mutanten (s.o.), die durch verschiedene Methoden hergestellt worden waren, in mehr als einem der Gene aus dieser Gruppe gleichzeitig Defekte vorhanden sind, die zu einem vollständigen Ausfall der Funktion führen, was sehr unwahrscheinlich ist. Für das Gen, das sich auf dem 10 kb-Fragment des Cosmids 1 befindet (s.o.), zeigte außerdem eine Northern-Analyse, dass es in Keimlingen von Arabidopsis nicht exprimiert wird (s. Abschn. 4.3.4). Das müsste aber für ein SMT-Gen der

Fall sein, da das Enzym an Umwandlungen der Sinapinsäureester beteiligt ist, die zu diesem Zeitpunkt ablaufen (s. Abschn. 1.1). In den Mutanten sng1-5, sng1-7 und sng1-8, die mit schnellen Neutronen hergestellt worden waren (s.o.), ist zudem das 10 kb-Fragment von einer Deletion betroffen (Lehfeldt et al. 2000). Würde das Gen, das auf diesem Fragment lokalisiert ist, ein zusätzliches SMT-Gen sein, sollten diese Mutanten nicht den sng1-Phänotyp aufweisen.

Durch das Arabidopsis-Genomprojekt wurden aus den Genen der Gruppe, zu der auch das SMT-Gen gehört, die Aminosäuresequenzen der potenziell kodierten Proteine abgeleitet (s.

Abschn. 4.3.6). Diese sind soweit voneinander verschieden, dass sich daraus unterschiedliche isoelektrische Punkte (pI) ergeben sollten. Mit der Lasergene Biocomputing Software ließen sich Werte errechnen, die um 0,1-0,8 pH-Einheiten voneinander abwichen. Es müsste deshalb möglich sein, potenzielle Isoenzyme der SMT (s. Abschn. 1.1; Gräwe et al. 1992), die durch diese Gene kodiert werden, mittels isoelektrischer Fokussierung aufzutrennen. Zu verschiede-nen Zeitpunkten in der Entwicklung von Arabidopsis wurde aber nur eine Form der SMT gefunden (s. Abschn. 1.2.2). Es ist daher unwahrscheinlich, dass die sehr ähnlichen Gene in direkter Nachbarschaft zum SMT-Gen ebenfalls dieses Enzym kodieren. Dass an anderer Stelle im Genom von Arabidopsis keine redundanten SMT-Gene vorhanden sind, war eine essentielle Voraussetzung für die Klonierung dieses Gens aus einer T-DNA-Mutante. Das ergab sich in erster Linie aus der Existenz und der genetischen Analyse der verschiedenen sng1-Mutanten (s.

Abschn. 1.2.2). Dass keine Kopien des SMT-Gens im Arabidopsis-Genom vorhanden sind, zeigte auch eine mit der cDNA als Sonde durchgeführte Southern-Analyse (Prof. C. Chapple, pers. Mitt.). Die Sonde reagierte nur mit Fragmenten, die mit den verwendeten Restriktionsen-zymen aus dem Bereich des SMT-Gens freigesetzt werden sollten. Welche Funktion (wenn überhaupt eine) den erwähnten Genen in der Nähe des SMT-Gens zukommt (s.o.), lässt sich damit bisher nicht beantworten.

Das Analyse des SMT-Gens hat ergeben, dass die Acyltransferase SMT sich evolutionär aus einer Serincarboxypeptidase entwickelt hat. Aus dem Mechanismus, der für die Peptidhy-drolyse durch diese Enzyme formuliert wurde, konnte für die Katalyse durch die SMT ein möglicher Mechanismus abgeleitet werden. Proteine und Gene, die zu dieser Familie von Pepti-dasen gehören, wurden bereits aus verschiedenen pflanzlichen und anderen Organismen isoliert und zum Teil sehr genau charakterisiert (Zuber und Matile 1968; Breddam 1986; Remington 1993, 1998; Breddam und Remington 1994; Rawlings und Barrett 1994; Breddam et al. 1998;

Lehfeldt et al. 2000, und darin zitierte Literatur). Das zeigt z.B. auch die große Anzahl von Sequenzen aus diversen Spezies, die in GenBank deponiert worden sind (s. Abschn. 4.4.3).

Viele dieser Enzyme sind in Pflanzen offenbar in den Vakuolen lokalisiert. Es ist daher die An-nahme naheliegend, dass sich die SMT aus einer solchen vakuolären Serincarboxypeptidase entwickelt hat. Für die SMT wurde auf biochemischem Wege ja bereits die Lokalisation in der Vakuole festgestellt (s. Abschn. 1.1; Sharma und Strack 1985; Strack und Sharma 1985). Das pH-Optimum dieser Enzyme befindet sich außerdem bei einem Wert von ungefähr sechs (Bred-dam und Remington 1994; Rawlings und Barrett 1994), was sehr gut übereinstimmt mit dem

der SMT (s. Abschn. 1.1). Die Enzymaktivität von Peptidasen wird normalerweise mit Hilfe von synthetischen Peptidsubstraten bestimmt (Breddam 1986; Breddam und Remington 1994).

Daher sind trotz vielfältiger biochemischer Erkenntnisse die Substrate in vivo häufig nicht ge-nau bekannt. Es wird deshalb zumeist allgemein eine Funktion im Abbau und in der Prozessie-rung von Proteinen und Peptiden angenommen. Aus der KlonieProzessie-rung des SMT-Gens ergibt sich aber die Frage, ob sich unter diesen Enzymen nicht auch solche befinden, die in Analogie zur SMT andere Reaktionen katalysieren.

In den zur Zeit laufenden Genomprojekten wurden außerdem bereits viele Gene gefunden, die eine signifikante Ähnlichkeit zu Serincarboxypeptidasen besitzen. In Arabidopsis handelt es sich dabei um mehr als 30 derartige Gene (s. Abschn. 4.4.3). Bei Pflanzen stehen momentan die besten Daten über das Genom von Arabidopsis zur Verfügung, das zum großen Teil bereits sequenziert wurde. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass eine größere Anzahl von derartigen Genen auch in anderen Pflanzen vorhanden ist, eventuell darüber hinaus sogar in anderen Organismen. In den Projekten zur Sequenzierung von cDNAs wurden außerdem zahlreiche Expressed Sequence Tags (ESTs) von Serincarboxypeptidasen gefunden. So enthält der Arabi-dopsis Gene Index des Instituts for Genomic Research (TIGR; Rockville, Madison, USA) die Tags aus dieser Pflanze nach der Korrektur um die Redundanz, die sich durch die zufällige Auswahl der sequenzierten Klone ergibt. In einer am 20.09.2000 durchgeführten Analyse mit der cDNA des SMT-Gens (s. Abschn. 4.4.3) wurden aus diesem Index 28 nicht-redundante Tags von Serincarboxypeptidasen erhalten. Da jeder dieser Tags wahrscheinlich einem expri-mierten Gen entspricht, sind in Arabidopsis danach mindestens 28 Proteine vorhanden, die eine signifikante Ähnlichkeit zu Serincarboxypeptidasen besitzen. Diese Zahl kann sich noch weiter erhöhen, da die Projekte zur Sequenzierung von Arabidopsis-cDNAs noch nicht abgeschlossen sind. Am 20.09.2000 wurde außerdem mit der cDNA des SMT-Gens die im Abschnitt 4.4.3 dargestellte Analyse von GenBank wiederholt. In der zu diesem Zeitpunkt gültigen Ausgabe der Datenbank wurden 72 Arabidopsis-Gene gefunden, die als potenziell Serincarboxypepti-dasen kodierend klassifiziert wurden, wobei bislang mehr als 90 % der genomischen Sequenz dieser Pflanze in GenBank deponiert worden ist. Auch wenn ein Teil dieser Gene womöglich keine Funktion besitzt, wie zum Teil vielleicht diejenigen in der Umgebung des SMT-Gens (s.o.), ist auch hier erneut die Frage berechtigt, ob es sich bei diesen Genen und Proteinen nur um Peptidasen handelt. Das Beispiel der SMT macht deutlich, dass die in Genomprojekten durchgeführte Einordnung dieser Gene durch Sequenzvergleiche keinen sicheren Schluss auf die in vivo tatsächlich ausgeübte Funktion der kodierten Proteine zulässt.

Vergleichbare Reaktionen wie die Transacylierung, die von der SMT im Stoffwechsel der Sinapinsäureester einiger Brassicaceen katalysiert wird, sind auch aus anderen Bereichen des phenolischen Stoffwechsels bekannt. Wie bei der SMT stellt auch in diesen Fällen ein 1-O-Glu-coseester die aktivierte Form des zu übertragenden Acylrestes dar. So kann die Biosynthese der Chlorogensäure, einer weit verbreiteten phenolischen Verbindung, über den Thioester der Kaffeesäure mit Coenzym A, aber auch über 1-O-Kaffeoyl-ß-D-glucose erfolgen. Ein Transfer,

der vom 1-O-Glucoseester ausgeht, wurde z.B. für eine Transferase in Ipomoea batatas (Süß-kartoffel) gefunden (Villegas und Kojima 1986). Entsprechend wird in der Biosynthese von Gallotanninen die Gallussäure in der Form des 1-O-Glucoseesters (ß-Glucogallin) aktiviert (Gross 1983). An dieser Biosynthese sind mehrere regiospezifische Acyltransferasen beteiligt.

Neben der SMT und SCT wurde im Stoffwechsel der Sinapinsäureester von Raphanus sativus eine weitere Acyltransferase gefunden. Dieses Enzym katalysiert die Bildung von 1,2-O-di-Si-napoyl-ß-D-glucose unter Disproportionierung der 1-O-Si1,2-O-di-Si-napoyl-ß-D-glucose (Strack et al.

1984; Dahlbender und Strack 1986). Eines der beiden Moleküle wirkt dabei als die aktivierte Form des zu übertragenden Sinapoylrestes. Wie von Strack und Mock (1993), Lehfeldt et al.

(2000) und Steffens (2000) ausgeführt, sind zudem diverse weitere Transacylierungen von Hy-droxyzimtsäuren mit einem 1-O-Glucoseester als Substrat aus dem phenolischen und anderen Bereichen des pflanzlichen Sekundärstoffwechsels bekannt. Eine analoge Reaktion wurde auch im Stoffwechsel des Hormons Indol-3-yl-essigsäure (IES) in Zea mays (Mais) gefunden. Die Bildung des Konjugats IES-myo-Inositol erfolgt dabei durch eine Transferase, die als Substrat IES-ß-D-glucose verwendet (Michalczuk und Bandurski 1982). Es ist daher nicht auszuschlie-ßen, dass sich auch unter diesen Acyltransferasen solche befinden, die in Analogie zur SMT aus Serincarboxypeptidasen entstanden sind. Die für diese Reaktionen erforderlichen 1-O-Glu-coseester der Acylreste werden dabei vermutlich durch spezifische Glucosyltransferasen wie z.B. der SGT synthetisiert (s. Abschn. 1.1), die von Uridin-5’-diphosphat (UDP)-Glucose ab-hängig sind.

Enzyme, die sich wie die SMT im Stoffwechsel der Sinapinsäureester aus dem Gen einer Serincarboxypeptidase entwickelt haben, aber eine andere Reaktion als die Peptidhydrolyse katalysieren, sind bislang noch aus zwei weiteren Bereichen des pflanzlichen Sekundärstoff-wechsels isoliert worden. In einem Fall handelt es sich um eine Reihe von Acyltransferasen, die in den Trichomen verschiedener Arten an der Biosynthese von 2,3,4-tri-O-Acylglucoseestern beteiligt sind (Ghangas und Steffens 1993). Eines dieser Enzyme wurde aus Lycopersicon pen-nellii (Wildtomate) bis zur Homogenität aufgereinigt (Li et al. 1999), was die Klonierung der cDNA ermöglichte (GenBank Nr. AAF64227). Davon ausgehend wurden drei ähnliche cDNAs aus Solanum berthaultii isoliert (GenBank Nrn. AF006078, AF006079 u. AF006080). Bei den zu übertragenden Acylgruppen handelt es sich in diesem Fall um verschiedene Fettsäuren, und nicht um eine Hydroxyzimtsäure wie bei der SMT. Diese Ergebnisse zeigen, dass Serincarbo-xypeptidasen sich offenbar zu Acylransferasen mit ganz unterschiedlicher Substratspezifität weiterentwickeln konnten. Die gebildeten Polyester werden sekretiert und sind an der Abwehr gegen diverse Pathogene beteiligt. Die cDNA der Acyltransferase aus L. pennellii wurde mitt-lerweile in aktiver Form in Saccharomyces cerevisiae exprimiert (Li und Steffens 2000). Die heterolog exprimierte cDNA und das aus der Pflanze aufgereinigte Enzym katalysieren beide die Disproportionierung eines 1-O-ß-Acylglucoseesters, wobei in regiospezifischer Weise der 1,2-di-O-Acylglucoseester gebildet wird. Es ist interessant, dass im Stoffwechsel der Sinapin-säureester ein Enzym existiert, das eine vergleichbare Reaktion katalysiert (s.o.), dessen Gen

aber bisher nicht bekannt ist. Die aus L. pennellii aufgereinigte Acyltransferase wird weiterhin durch Diisopropylfluorophosphat (DFP) vollständig inhibiert, hat aber anscheinend die Aktivi-tät als Peptidase verloren. Das zeigten Enzymtests mit gängigen, synthetischen Peptidsubstra-ten (Li und Steffens 2000). DFP ist wie Phenylmethylsulfonylfluorid (PMSF) (s.o.) ein poPeptidsubstra-ten- poten-ter Inhibitor der Aktivität von zahlreichen Serinpeptidasen und reagiert in gleicher Weise nur mit dem Serin im aktiven Zentrum des Enzyms (Barrett 1994). Die Inhibition der Acyltransfe-rase aus L. pennellii durch DFP zeigt damit, dass wie im Falle der SMT (s.o.) offenbar ein Serinrest an der Katalyse beteiligt ist. Damit ging sehr wahrscheinlich auch bei dieser Acyl-transferase der katalytische Mechanismus aus dem der Serincarboxypeptidasen hervor. In den Enzymtests für diese Acyltransferase wurde als Substrat 1-O-Isobutyl-ß-D-glucose verwendet.

Versuche von Li und Steffens (2000) haben gezeigt, dass diese Verbindung von der Carboxy-peptidase Y aus S. cerevisiae und der SerincarboxyCarboxy-peptidase II aus Triticum aestivum nicht umgesetzt wird, so dass diese Enzyme, wie es scheint, keine Aktivität als Acyltransferase besit-zen. Die Acyltransferase aus L. pennellii hat damit vermutlich unter Verlust der ursprünglichen katalytischen Funktion eine neue ausgebildet, die in dem evolutionären Vorläufer noch nicht angelegt war (Steffens 2000).

In dem anderen Fall (s.o.) handelt es sich um eine Hydroxynitril-Lyase (EC 4.1.2) aus Sorghum bicolor (Wajant et al. 1994; GenBank Nr. P52708). Das Enzym ist am Abbau des von dieser Pflanze produzierten, cyanogenen Glukosids (Dhurrin) beteiligt. Durch die Lyase-Reaktion wird Blausäure (HCN) freigesetzt, welches eine wichtige Rolle spielt in der Abwehr von Pathogenen. Diese Reaktion besitzt eine geringere Ähnlichkeit zu der Peptidhydrolyse als ein Acyltransfer, dennoch sind in der Sequenz des Enzyms an äquivalenten Positionen diesel-ben, potenziell katalytisch aktiven Aminosäuren vorhanden wie in der SMT (Lehfeldt et al.

2000). Die Lyase wird zudem, wie die Acyltransferase aus Lycopersicon pennellii (s.o.), durch Diisopropylfluorophopsphat (DFP) inhibiert. Ein Mechanismus für die von diesem Enzym ka-talysierte Reaktion mit Beteiligung eines Serinrestes wurde von Wajant und Pfizenmaier (1996) vorgeschlagen. Die deprotonierte Hydroxylgruppe des Serins wirkt demnach in dieser Katalyse als Base, welche die Hydroxylgruppe des α-Hydroxynitrils angreift, womit unter Abspaltung von HCN die Ausbildung der Carbonylgruppe begünstigt wird. Das Beispiel dieser Lyase zeigt, dass ausgehend von Serincarboxypeptidasen im Verlauf der Evolution sogar verschiedene neue katalytische Fähigkeiten entwickelt worden sind. Fast alle bisher analysierten Lyasen dieser Art werden zudem durch Substanzen gehemmt, die als spezifische Inhibitoren des aktiven Serins oder Histidins der katalytischen Triade bekannt sind (Wajant und Pfizenmaier 1996). Nicht alle diese Enzyme wurden bereits kloniert, so dass noch weitere Lyasen, die eine Gruppe von En-zymen mit sehr heterogener Abstammung darstellen, aus Serincarboxypeptidasen entstanden sein könnten. Die Existenz der beiden Enzyme aus L. pennellii und S. bicolor macht insgesamt deutlich, dass es sich bei der SMT offenbar nicht um einen Einzelfall im pflanzlichen Sekundär-stoffwechsel handelt. Vielmehr wurden Enzyme, die aus diesen Peptidasen entstanden sind, in

andere Bereiche dieses Stoffwechsels integriert, deren Produkte unterschiedliche biologische Funktionen erfüllen.

Die Klonierung und Analyse des Gens der SMT hatte gezeigt, dass diese Acyltransferase aus dem Stoffwechsel der Sinapinsäureester in Arabidopsis aus einer Serincarboxypeptidase entstanden ist. Dabei handelt es sich um eine sehr konservierte Familie von Enzymen, deren Vertreter vermutlich in allen Eukaryonten zu finden sind und die im primären Stoffwechsel essentielle biologische Funktionen erfüllen. Das Beispiel der SMT macht deutlich, dass diese Enzyme im Verlauf der Evolution die Fähigkeit zur Katalyse von Transacylierungen erworben haben. Damit verbunden war die Integration in den pflanzlichen Sekundärstoffwechsel, woraus sich auch eine neue biologische Funktion ergeben hat. Wie das Beispiel einer Lyase zeigt, ist das katalytische Spektrum dabei nicht nur in Richtung eines Acyltransfers erweitert worden.

Verschiedene Beobachtungen und Überlegungen führen zu dem Schluss, dass insbesondere im Sekundärstoffwechsel noch weitere Enzyme wie die SMT vorhanden sein können. Aufgrund der großen Anzahl unterschiedlicher Reaktionen muss besonders beim Sekundärstoffwechsel der Bedarf an Genen im Verlauf der Evolution groß gewesen sein, um das jetzt vorhandene katalytische Potential zu erzeugen. Es ist deshalb vermutlich nicht erstaunlich, dass sich gerade in diesem Bereich aktuelle Beispiele finden, in denen ausgehend von Serincarboxypeptidasen Enzyme mit neuen katalytischen Eigenschaften entstanden sind. Diese gewähren damit einen Einblick in den Ablauf der Evolution von Stoffwechselwegen und Enzymen. Eine solche Veränderung des katalytischen Spektrums könnte auch derartige Enzyme in nichtpflanzlichen Organismen, anderen Serinpeptidasen-Familien und die gesamte heterogene Gruppe von häufig hydrolytischen Enzymen betreffen, in denen ein analoges katalytisches System wie in Serinpep-tidasen wirksam ist (Dodson und Wlodawer 1998). Die Klonierung des Gens der SMT, einem Enzym, das bisher nur in vier Arten aus der Familie der Brassicaceen nachgewiesen wurde, hat zu diesen Erkenntnissen von allgemeiner Bedeutung einen wichtigen Beitrag geleistet.