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3. Experimenteller Aufbau

3.5. Messtechnik

3.5.1. Detektoren

Da sich die für die Messung der Reaktionsprodukte in der HCl- und der Ne2-Messung verwende-ten Delayline-Detektoren nur in technischen Details, nicht aber im grundlegenden Funktions-prinzip, von denen im H2O-Experiment verwendeten unterscheiden, wurde dieses Unterkapitel aus Referenz [Sann09] übernommen. An einigen Stellen wurde zusätzlich etwas eingefügt, um auf die kleinen Unterschiede zwischen den in beiden Messungen verwendeten Detektoren hin-zuweisen.

3.5.1.1. MCP

Da das Signal, welches von einem einzelnen Teilchen erzeugt wird, viel zu klein ist, um regis-triert zu werden, wird ein Teilchenvervielfacher benötigt. Diese Aufgabe übernimmt in einem typischen COLTRIMS-Setup das MCP, bei dem es sich um eine kreisförmige Platte mit ungefähr einem Millimeter Dicke handelt, die von vielen kleinen Kanälen durchzogen ist, welche einen Durchmesser von ca. 25 µm haben. Der Durchmesser, der benutzten MCPs beträgt 80 mm.

MCPs werden in einem sehr aufwendigen Verfahren aus einem Halbleitermaterial hergestellt.

Ionen-detektor

Elektronen-detektor

(a)

(b)

3. Experimenteller Aufbau

Abbildung 3.16 Schematische Darstellung eines MCP-Stacks in Chevron-Anordnung (zwei MCPs übereinander) [Bulr11]. Die einfallenden Ionen oder Elektronen „schlagen“ Elektronen aus der Oberfläche des vorderen MCPs heraus. Diese werden mittels einer angelegten Hochspannung zur Rückseite des Stacks beschleunigt. Treffen sol-che schnellen Elektronen auf die Wände der MCP Kanäle, erzeugen sie ihrerseits weitere freie Elektronen. Auf diese Weise entsteht eine Elektronenlawine.

Wenn nun ein Teilchen mit genügend hoher Energie auf dem MCP auftrifft, schlägt es Sekundä-relektronen aus dem Oberflächenmaterial. Diese Elektronen werden dann über eine zwischen Vorder- und Rückseite des MCPs anliegende Spannung im keV-Bereich in die Kanäle hinein be-schleunigt. Wenn die beschleunigten Elektronen gegen die Kanalwände stoßen, schlagen sie weitere Elektronen heraus, die dann ebenfalls beschleunigt werden und beim Auftreffen auf die Wände ihrerseits auch wieder Elektronen herausschlagen. Dieser Prozess wiederholt sich dann noch mehrmals, bis man am Ende eine Elektronenwolke von der Größenordnung 10³ Teilchen erhält. Da das aber immer noch deutlich zu wenige Elektronen sind, um ein genügend großes Signal zu erzeugen, werden in der Praxis zwei MCPs übereinandergelegt (Chevron-Anordnung) und es wird eine Spannung über beide angelegt. Somit wird ein Verstärkungsfaktor in der Grö-ßenordnung von 10³ · 10³ = 106 erreicht. Teilweise werden auch drei aufeinander gelegte MCPs verwendet (Z-Stack-Anordnung).

Um zu gewährleisten, dass die Elektronen wirklich gegen die Wände stoßen, sind die Kanäle um 7° gegenüber der Oberflächennormalen geneigt. Zusätzlich werden die MCPs so übereinander gelegt, dass sie zueinander um 180° verdreht sind.

Ein bekanntes Problem bei der Benutzung von MCPs ist die so genannte Ionenrückkopplung.

Damit ist der Effekt gemeint, dass Restgasatome in die Kanäle gelangen können und dort von den beschleunigten Elektronen ionisiert werden. Diese Ionen werden dann ebenfalls in dem elektrischen Feld beschleunigt und können, wenn sie auf die Kanalwände treffen, eine weitere Elektronenlawine auslösen. Man erhält also ein zweites Signal, welches mit kurzer zeitlicher Verzögerung auf das eigentliche Signal folgt. Dieser Effekt lässt sich durch ein besseres Vakuum verringern.

Die Austrittsarbeit eines MCPs liegt im Bereich einiger eV. Würde man mit Photonen auf die MCPs schießen, würden also bereits Photonenenergien von einigen eV (nahes UV) ausreichen, um Signale zu erzeugen. Bei massebehafteten Teilchen hat man es mit Stoßprozessen zu tun, auf welche hier nicht genauer eingegangen werden soll. Es sei nur gesagt, dass Elektronen auf ca. 200 eV beschleunigt werden müssen, um ein Signal zu erzeugen und Ionen sogar auf 1-2 keV [Merg96].

Bei der H2O-Messung lag am Spektrometer insgesamt eine Spannung von 50 V an. Die Ionen und freien Elektronen werden in der Mitte des Beschleunigungsbereiches des Spektrometers erzeugt, beim Auftreffen auf die MCPs haben sie also jeweils eine kinetische Energie von 20 bis

30 eV (abhängig von der Anfangsenergie, welche sie bei dem Zerfallsprozess erhalten und die bei diesem Experiment im Bereich von einigen eV liegt). Das ist natürlich viel zu wenig um Se-kundärelektronen aus den MCPs auszulösen. Deshalb werden in den Bereichen zwischen dem Spektrometer und den MCPs, die bei diesem experimentellen Aufbau 4 mm (Elektronenseite) und 6 mm (Ionenseite) lang waren, zusätzlich hohe Felder zur Nachbeschleunigung angelegt.

Um auch hier wieder Felddurchgriffe zu minimieren, befinden sich an den Enden des Spektro-meters ebenfalls Gitter zur Abschirmung.

3.5.1.2. Delayline-Anode

Die Reaktionsprodukte, welche bei der Doppelionisation von Wassermolekülen entstehen, sind zwei Ionen und zwei freie Elektronen. Es werden daher Detektoren benötigt, mit denen es mög-lich ist, mehrere, in kurzen Zeitabständen aufeinander folgende, Teilchen zu registrieren (Multi-hit-Fähigkeit). Moderne CCD (Charge-coupled Device)-Kameras sind zwar in der Lage den jewei-ligen Auftreffort jedes einzelnen Teilchens auf dem Detektor in einem solchen Multihit-Event festzustellen, allerdings ist es nicht mehr möglich, die relativen Flugzeiten der Teilchen zueinan-der zu bestimmen. Es kann also nachher nicht mehr festgestellt werden, welches zueinan-der Teilchen zuerst kam, dafür ist die Auslesefrequenz von CCD-Kameras zu niedrig. Möglich wird dies aber bei der Verwendung von Delayline-Anoden [JCCD02].

Die Delayline-Anode ist aufgebaut aus einer Halterung (Holder), um welche zwei bzw. drei La-gen Draht (Layer) übereinander gewickelt sind. Wichtig dabei ist, dass die einzelnen Layer un-tereinander und gegenüber dem Holder elektrisch isoliert sind.

Trifft nun eine der im MCP erzeugten Elektronenwolken auf die Anode, so werden an dem Auf-treffort in den einzelnen Drähten elektrische Impulse erzeugt. Diese breiten sich in beide Rich-tungen der Drähte aus und werden von der an den Drahtenden angeschlossenen Elektronik zur Datenaufnahme erfasst. Aus den Laufzeiten dieser Signale auf den Drähten kann dann der Auf-treffort des Teilchens bestimmt werden [Czas04]. Um die Elektronen auf die Layer zu "saugen", werden diese gegenüber dem MCP auf ein höheres elektrisches Potential gelegt.

Abbildung 3.17 Funktionsprinzip einer Delayline-Anode [Meck06]. Gemessen wird die Zeitdifferenz zwischen den beiden Drahtenden.

3. Experimenteller Aufbau

Um zu verhindern, dass die Signale aufgrund von Dispersion auseinander laufen, ist es üblich für jeden Layer zwei Drähte zu verwenden, die in geringem Abstand zueinander parallel um den Holder gewickelt werden. Trifft auf dem ersten Draht eine Elektronenwolke auf, so induziert das dabei entstehende Signal auf dem zweiten Draht ein inverses Signal, das sich gleichermaßen in beide Drahtrichtungen ausbreitet. Diese beiden Drähte stellen somit eine Lecher-Leitung dar, welche deutlich dispersionsärmer ist als eine normale Leitung. Der Effekt der Lecher-Leitung wurde bereits 1900 von Gustav Mie in einer Ausgabe der Annalen der Physik theoretisch be-schrieben [Mie00]. Diese Doppelleitung kann zusätzlich auch noch dazu genutzt werden, Hin-tergrundrauschen zu unterdrücken. Dazu wird einer der beiden Drähte (Signal) auf ein etwas höheres elektrisches Potential gelegt als der zweite Draht (Referenz). Somit werden die Elektro-nen bevorzugt auf den ersten Draht gezogen. Eine Potentialdifferenz von 30 - 40 eV ist bereits ausreichend dafür, dass fast immer das eigentliche Signal auf dem Signal-Draht und das inverse Signal auf dem Referenz-Draht erzeugt wird. Da aber das Hintergrundrauschen bei beiden Dräh-ten gleichermaßen auftritt, kann es eliminiert werden, indem das Referenz-Signal von dem ur-sprünglichen Signal abgezogen wird. Es ist hier natürlich auch wieder darauf zu achten, dass die beiden Drähte untereinander elektrisch isoliert sind.

Wie weiter oben erwähnt gibt es Delayline-Anoden mit zwei oder drei Drahtlagen, ein Vorteil der dreilagigen Anoden (Hexanoden) ist dabei, dass die Effizienz mit der zwei schnell aufeinan-der folgende Teilchen detektiert werden, nochmal verbessert wird [Jahn05]. Bei aufeinan-der Messung an Wassermolekülen wurde eine solche Hexanode auf der Elektronenseite verwendet. Auf der Ionenseite war dies nicht nötig, da sich die Flugzeiten der Protonen und der OH+-Ionen um eini-ge µs voneinander unterscheiden, was auch mit einer zweilagieini-gen Anode aufeini-gelöst werden kann.

Bei den Messungen an HCl und Ne2 wurde für beide Seiten des Spektrometers eine Hexanode verwendet. Zwar spielt bei den hier gemessenen Einfachionisationsprozessen die Effizienz bei Multihit-Events keine Rolle, aber man kann die mit dem dritten Layer gemessene redundante Information dazu verwenden Störungen in der Ortsmessung zu eliminieren und damit die Auflö-sung zu verbessern [Czas00].

3.5.1.3. Datenerfassung

Die am MCP und den Enden der Anodendrähte abgegriffenen Signale werden zuerst in einem Fast Amplifier (spezieller Verstärker für schnelle analoge Signale [Leo94]) verstärkt. Danach ha-ben sie Pulshöhen in der Größenordnung von 100 mV. Da die Signale nicht unendlich schmal sind, sondern eine Breite von einigen ns haben (die Anodensignale sind dabei etwas breiter als das MCP-Signal, da sie trotz Lecher-Leitung leicht auseinander laufen), ist es notwendig die Sig-nale zu digitalisieren, um eine exakte Zeitmessung zu gewährleisten. Dabei stellt sich die Frage, wann genau das digitale Signal erzeugt werden soll. Es ist nicht ausreichend, dieses einfach im-mer dann zu generieren, wenn ein bestimmter Schwellenwert überschritten wird, da die Aus-gangssignale unterschiedlich hoch sein können und bei einem höheren Signal auch der Schwel-lenwert schneller überschritten wird. Unter der Annahme, dass alle Signale, welche an einer Stelle abgegriffen werden, gleich breit sind, kann ein Constant Fraction Discriminator (CFD) zur Digitalisierung verwendet werden. Der CFD erzeugt zu dem Ausgangssignal ein invertiertes Sig-nal, welches dem ursprünglichen Signal nachgestellt wird. Beim Nulldurchgang zwischen den beiden Signalen wird dann das Digitalsignal erzeugt.7 Das erzeugte digitale Signal wird in einen

7 Zur genaueren Beschreibung der Funktionsweise eines CFD sei hier auf Referenz [Leo94] und www.roentdek.com verwiesen.

Abbildung 3.18 Funktionsprinzip eines Constant Fraction Discriminators. Wenn das Eingangssignal einen bestimm-ten Schwellwert (threshold) überschreitet, wird der CFD „scharf gestellt“, beim nächsbestimm-ten Nulldurchgang (Walk) wird ein Digitalsignal erzeugt.

Time-To-Digital-Converter (TDC) weitergeleitet. Dieser registriert die Zeitpunkte, zu denen ein Signal eintrifft. Dabei wird eines der Signale als Referenzsignal verwendet und die Eintreffzeiten der anderen Signale relativ zu diesem gemessen. Bei Messungen mit Synchrotronstrahlung ist das Referenzsignal für gewöhnlich das so genannte Bunchmarker-Signal, ein regelmäßiges Sig-nal, welches vom Speicherring bereitgestellt wird. Der Abstand zwischen den einzelnen Signalen entspricht der Zeit zwischen den Lichtblitzen.

Abbildung 3.19 Schaltplan der zur Datenaufnahme verwendeten Elektronik [Sann09].

Die für dieses Experiment verwendete TDC-Elektronik ist in einer PCI-Karte verbaut und befin-det sich direkt im für die Datenaufnahme verwenbefin-deten Computer. Die registrierten Zeiten wer-den in einer so genannten Listmode-Datei gespeichert. Hier handelt es sich um einen Dateityp, bei dem alle Informationen, sortiert nach Ereignissen, in eine Liste geschrieben werden. Dabei

Bunchmarker Signal

Electron Detector Hexagonal Delayline

MCP Back

Recoil Detector Rectangular Delayline

MCP Front MCP

Front

MCP Back

+

-Fast Amplifier

CFD

TDC

Coincidence-Trigger Gate

Generator

x1

+ - + - + - + - + - + - + - + - +

-y2

y1 x2 recMCP

x1 x2

y2

y1

z2

z1 e-MCP

NIM

+2,8 kV +2,0 kV -2,0 kV

+200 V -460 V

Trigger Channel

3. Experimenteller Aufbau

speichert der TDC aber nicht alle Ereignisse, sondern es muss ihm erst über ein Trigger-Signal gesagt werden, dass er ein Ereignis auf die Festplatte des Computers schreiben soll. Bei diesem Experiment wurde hierfür das Signal des Ionendetektor-MCPs verwendet. Wenn das Trigger-Signal registriert wird, öffnet der TDC ein Zeitfenster von einigen µs, in welchem alle Trigger-Signale gespeichert werden. Dabei kann der TDC "in die Vergangenheit schauen" und speichert auch Signale, die vor dem Trigger-Signal registriert wurden. Das ist wichtig, da die bei einer Reaktion entstehenden Elektronen den Detektor schneller erreichen als die schweren Ionen.