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4. Wahrnehmung der „Risikoanalysen im Bevölkerungsschutz“: Vorgehen und Ergebnisse einer

4.2 Ergebnisse: Einflussfaktoren auf die politische Wahrnehmung von Entscheider:innen .89

4.2.9 Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als kommunizierende

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Erkenntnisgewinn in dem Know-how der Praxisakteure, welches politischen Entscheider:innen dabei helfe, Situationen zum Thema Bevölkerungsschutz einzuschätzen und Maßnahmen auf ihre Umsetzbarkeit hin zu prüfen. Bilateralen Gesprächen wird ein besonderer Erkenntniswert beigemessen. Das THW wird zudem als Ort der Netzwerke beschrieben. Die Befragten sehen Veranstaltungen der Praxisakteure entsprechend als konkrete Anlässe, bedarfsgerechte Informationen aus diesen Quellen zu erlangen, sich mit Themen des Bevölkerungsschutzes zu beschäftigen und mit den Praxisakteuren abzustimmen sowie Kontakte zu knüpfen.

Als bedeutsam wahrgenommen werden weiterhin wissenschaftliche und zivil-gesellschaftliche Akteure wie politische Stiftungen, Thinktanks, NGOs und Foren wie das FOES und das ZOES. Der Mehrwert von Gremien wie dem FOES und dem ZOES werden in deren neutraler Bearbeitung von Themen gesehen; sie würden auf Themen aufmerksam machen und zur Auseinandersetzung mit diesen anregen. Das FOES, politische Stiftungen, Thinktanks und NGOs seien zudem wichtige Quellen bei Fragen des Bevölkerungsschutzes. Schließlich werden das FOES und ZOES angesichts ihrer Vernetzungsfunktion von Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Praxis als wertvoll betrachtet. In der aktuellen Situation der Covid-19-Pandemie wird eine Chance für das ZOES gesehen, die Auseinandersetzung mit Themen des Bevölkerungsschutzes zu fördern, wenngleich ein Bewusstsein über die Schwierigkeiten des ZOES besteht, Abgeordnete zu erreichen.

4.2.9 Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als

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Rolle des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Das BBK wird von den Interviewten als Behörde wahrgenommen, die für länderübergreifende Phänomene zuständig ist beziehungsweise auf (Hilfs-)Anfragen der Länder reagieren muss (1_25, 14; 1_33, 16–18). Damit einher geht in der Wahrnehmung einiger Befragter eine übergeordnete und vor allem vernetzende Funktion, welche auch die Chance berge, eine koordinierende Aufgabe wie die Organisation des Informationsflusses zu ergreifen (1_5, 22, 50; 1_15, 18, 64). Diese Funktion trage maßgeblich zur Relevanz des BBK bei, sei jedoch bisher noch nicht besonders ausgeprägt (1_5, 22, 50; 1_33, 12). Ein:e Interviewpartner:in weist zudem darauf hin, dass das BBK als Bundesbehörde auch eine internationale Perspektive auf weltweite Krisensituationen und Handlungen internationaler Akteure in diesem Bereich biete und hier Vernetzungen herstellen könne (1_15, 64, 66).

Als Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, welches unter anderem mit dem Verfassen von bundesweiten Risikoanalysen beauftragt ist, wird dem BBK ferner eine Expertenrolle zugeschrieben (1_7, 76; 1_10, 36; 1_13, 32; 1_14, 55–58; 2_1, 11). Informationen und Erkenntnisse für die Bundespolitik bereitzustellen und

„nutzbar“ zu machen, wird als eine Hauptaufgabe des BBK gesehen (1_15, 66). Ein:e Gesprächspartner:in betrachtet das BBK im Interview mit seiner Aufgabe der Analysenerstellung und Informationsaufbereitung als „eine Art Dienstleister“ (1_33, 30). Eine zentrale Aufgabe des BBK wird darin gesehen, Menschen und Gesellschaft weiterzubilden und aufzuklären (2_1, 11). Der Fakt, dass das BBK eine Bundesbehörde ist, führt jedoch dazu, dass seine Relevanz als Quelle von Teilnehmenden der Gruppendiskussion unter dem Vorbehalt gesehen wird, dass es keine primär wissenschaftliche Institution sei (2_2, 54).

Die Interviewten vermuten, dass das BBK vor allem in Fachkreisen präsent sei und darüber hinaus einen geringen Bekanntheitsgrad aufweise (1_13, 20; 1_22, 70; 1_26, 146–149), wenngleich es angesichts der Qualität seiner Arbeit mehr Aufmerksamkeit verdiene (1_13, 20). In den Interviews wird deutlich, dass das BBK als ein Akteur unter vielen gesehen und so mit der Sichtbarkeit anderer Akteure verglichen wird (1_4, 26;

1_13, 14, 32; 1_15, 24; 1_25, 32–42; 1_26, 116, 146–149; 1_33, 10; 2_2, 16). In diesem Vergleich wird das BBK als weniger präsent wahrgenommen, was auch auf die geringe Wahrnehmung des Themas Bevölkerungsschutz im Allgemeinen zurückgeführt wird.

Dieses sei häufig wenig greifbar und anlassbezogen und werde daher in der Politik weniger behandelt (1_13, 14; 1_15, 24; 1_33, 10). Das Themenfeld werde auch von der Bundesregierung „nicht so bearbeitet“ (1_15, 24). Ein:e Interviewpartner:in begründet die geringe Präsenz des BBK auch damit, dass dessen Zuständigkeitsbereich in der Bearbeitung bundesweiter Naturkatastrophen liege; bislang habe es schlicht wenig derartige Ereignisse gegeben, die in den Zuständigkeitsbereich des BBK gefallen wären (1_25, 14). Dieser Umstand wird auch insofern problematisiert, als dass hierdurch die

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Notwendigkeit entstehe, die Relevanz des BBK immer mit Bezug auf Anlässe zu verdeutlichen (2_2, 34). Als ein möglicher weiterer Grund für die geringe Wahrnehmung des BBK wird genannt, dass es noch eine relativ junge Behörde sei, da es erst 2004 gegründet wurde (1_15, 44–52). Die geringe Präsenz liege auch an der strukturellen Gegebenheit, dass nachgestellte Behörden keine Lobbytätigkeite n betreiben dürften und das BBK Lobbying nur über Vereine und Verbände mit ähnlichen Themen und einem Interesse am BBK betreiben könne; deren Interessen seien allerdings eher landes- als bundesorientiert (1_14, 55–58).

Die Interviewpartner:innen sehen die untergeordnete Rolle und den begrenzten Zuständigkeitsbereich des BBK auch in föderalen Strukturen und Kompetenzzuordnungen zwischen Bund und Ländern begründet (1_3, 24; 1_7, 76;

1_15, 24; 1_25, 14; 1_33, 16–18; 2_2, 14). Es fehle „eine klare Verantwortungs- oder Rollenzuweisung“, um die Relevanz und politische Wahrnehmung des BBK zu steigern (1_33, 10). Vereinzelt sind den Interviewten der Zuständigkeitsbereich und die Fachkompetenz des BBK selber unklar (1_25, 14; 1_26, 50, 56). Unklarheiten und Zuständigkeitsprobleme würden auch durch die mangelnde Präsenz und damit geringe Wahrnehmung des BBK während der Pandemie deutlich (1_25, 12, 14; 27–28; 1_26, 116; 1_33, 10). Die Interviewpartner:innen waren der Meinung, dass dem BBK in der Pandemie-Situation eine wichtigere Stellung hätte zukommen müssen und dass es in den Medien präsenter hätte sein sollen (1_25, 27–28; 1_26, 114–116; 1_33, 16). Ein:e Interviewpartner:in kritisierte, das BBK habe sich in der Pandemie auf seine formale Unzuständigkeit berufen (1_25, 27–28), ein:e andere:r sah das Problem eher bei der fehlenden Kompetenzzuweisung (1_33, 10).

Die Interviewten sind sich in großen Teilen einig, dass das BBK mehr Möglichkeite n bekommen müsse, um sich zu entfalten und seinen Mehrwert aufzuzeigen (1_5, 22; 1_7, 76; 1_13, 32–34; 1_26, 106–108). Die Wahrnehmung des BBK sei auch von seiner Berücksichtigung durch das Innenministerium abhängig. Dieses mindere aber die Präsenz des BBK, da insbesondere der Innenminister (zum Zeitpunkt des Interviews Horst Seehofer) die Behörde einigen Interviewpartner:innen zufolge zu wenig einbeziehe (1_4, 48; 1_5, 22; 1_26, 80, 106–108). Insgesamt bekomme das BBK zu wenig Aufmerksamkeit, obwohl es relevant sei (1_4, 48; 1_5, 22; 1_25, 22; 1_26, 106–

108). Eine deutlichere Kompetenzzuweisung und Einbindung durch den Bund beziehungsweise das Innenministerium könne dem BBK zu einem höheren Stellenwert in der Politik verhelfen (1_13, 32–34; 1_33, 10). Eine Klärung der Zuständigkeiten würde dem BBK mehr Handlungsspielraum eröffnen und somit sein Potenzial sowie seine Relevanz als übergreifende vernetzende Institution erhöhen (1_33, 16–18). Die aktuelle Pandemie-Situation wird teilweise als Chance gesehen, die Positionierung des BBK zu verbessern (1_26, 78).

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Aktivitäten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Die Interviewten nehmen das BBK nicht nur als erstellende Instanz der Risikoanalysen, sondern auch von Studien, aufklärenden Broschüren und Materialien wahr (1_3, 26;

1_5, 30; 2_1, 52). Somit sei die Behörde relevant für die Arbeit der Interview-partner:innen und werde als Informationsquelle genutzt (1_5, 30; 2_2, 16). Indem das BBK verstärkt Studien durchführe und einbinde sowie komplexe wissenschaftliche Sachverhalte in klare Handlungsempfehlungen herunterbreche, könne es Aufklärungs-arbeit leisten und im politischen Raum präsenter werden (1_14, 55–58).

Als Aktivitäten des BBK werden ferner Schulungen und die Ausbildung von Entscheider:innen auf der Ebene der Länder erwähnt, welche im weiteren Sinne die Schwerpunktsetzung auf Landesebene prägen würden, wenngleich dies nicht die eigent-liche Aufgabe des BBK sei (1_14, 42). Zudem habe das BBK die Aufmerksamkeit der Interviewpartner:innen durch seine App und den Warntag erlangt (1_4, 34; 1_13, 32;

1_22, 55–56; 1_25, 18; 2_2, 14). Ein:e andere:r Befragte:r erinnert sich, dass eine Zeit lang Stammtische vom BBK veranstaltet wurden, räumt aber ein, dass diese Termine als Abendveranstaltungen zeitlich schwer wahrnehmbar gewesen seien (1_8, 14).

Das BBK wird von den Interviewten als inhaltlich stark, jedoch kommunikativ verbesserungswürdig eingeschätzt (1_15, 44–52; 1_25, 22). Die Gesprächs-partner:innen sehen noch Ausbaupotenzial in der Außenwirkung des BBK und seiner Präsenz auf gesellschaftlicher und politischer Ebene; erforderlich sei eine stärkere kommunikative Aktivität (1_4, 26; 1_12, 38–39; 1_13, 34; 1_22, 70–72; 1_25, 22, 32–

34; 1_26, 54, 146–149; 2_1, 11). Ein:e Interviewpartner:in empfahl Kampagnen, die mehr Aufmerksamkeit auf die Themen des BBK lenken (1_22, 70–72). Die Befragten betrachten einen bilateralen direkten Austausch zwischen dem BBK und einzelnen Mitgliedern des Bundestags als erforderlich, damit die Bundesbehörde und ihre Themen wahrgenommen würden. Dieser Austausch wird jedoch weitestgehend vermisst (1_25, 32–34; 1_33, 30). Persönlichen Austausch erachten viele der Befragten als sehr wichtig, um dem BBK und dessen Themen mehr Relevanz zu verleihen. Diejenigen unter den Befragten, die einmal im BBK zu Besuch waren oder den Präsidenten kennen gelernt haben, können sich daran gut erinnern (1_7, 17–18, 20; 1_12, 17, 38–39; 1_25, 32–24).

Vor allem der bei einem Besuch vor Ort gegebene Praxisbezug sei wertvoll (1_12, 17).

Da die direkte persönliche Kontaktaufnahme als besonders relevant eingestuft wird, um das BBK sichtbar zu machen, rät eine der interviewten Personen dem BBK, möglichst direkt bei den Abgeordneten auf sich aufmerksam zu machen, diese zu Besuchen im BBK einzuladen oder ihnen ein direktes Gespräch mit dem Präsidenten zu ermöglichen (1_25, 32–34). Die Besetzung des Präsidentenamtes und der persönliche Kontakt beeinflussen offenbar auch, wie das BBK durch die Interviewpartner:inne n wahrgenommen wird (1_22, 55; 1_25, 18). Mit der Neubesetzung des Präsidentenamtes

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geht auch die Vorstellung einer veränderten Außenwahrnehmung des BBK einher (2_1, 31; 2_2, 41).

Zusammenfassung: Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als kommunizierende Instanz

Die Interviewten stufen das BBK als Bundesbehörde vornehmlich aufgrund seiner übergeordneten, vernetzenden Funktion als relevant ein. Sie schreiben ihm ferner eine Experten- und Aufklärungsrolle zu. Wenngleich das BBK als relevant gilt, wird die allgemeine Wahrnehmung der Behörde, auch im Vergleich zu anderen Akteuren des Bevölkerungsschutzes als gering eingestuft. Die Befragten begründen diese geringe Präsenz des BBK unter anderem mit der schwierigen Zugänglichkeit und einem geringen Stellenwert des Bevölkerungsschutzthemas, unklaren Kompetenz-zuweisungen und wenig Einbeziehung der Behörde durch das Innenministerium.

Die Befragten nehmen die Informationsangebote des BBK wahr und sind teilweise mit weiteren Aktivitäten und Angeboten, wie Schulungen, Veranstaltungen und der Warn-App, vertraut. Einigkeit besteht darüber, dass das BBK noch großes Potenzial habe, seine Präsenz auf bundespolitischer Ebene und in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Zwar würden gewisse oben genannte Rahmenbedingungen zunächst die Wahrnehmung auf politischer Ebene erschweren, dennoch sehen die Gesprächspartner:innen das Problem auch bei der geringen Kommunikation und fehlenden direkten Austauschformaten des BBK. Chancen, dessen politische Wirksamkeit zu erhöhen, liegen den Befragten zufolge darin, öffentlichkeitswirksame sowie direkte politische, adressatenbezogene Handlungen zu erhöhen, an denen es dem BBK bisher noch fehle. Zudem könne eine erhöhte Präsenz der leitenden Personen aus dem BBK zu einer gesteigerten Wahrnehmung verhelfen.