II. Studiendesign und Methoden
II.2. d Transplantationsrelevante Parameter Empfänger/Spender
HLA, Crossmatch
In vivo spielen die HLA-Moleküle eine zentrale Rolle in der Antigenpräsentation gegenüber T-Lymphozyten, wodurch die Immunantwort auf das Spenderorgan initiiert wird. Weiterhin ist eine direkte Erkennung der fremden HLA-Moleküle durch die T-Zellen des Empfängers mög-lich116. Mit einer so klaren Vorstellung über die Rolle des HLA-Systems ist es nicht verwun-derlich, dass sich durch eine Reduzierung der HLA-Mismatches die Organüberlebenszeiten drastisch verbessert haben. Studien haben gezeigt, dass auch bei anderen transplantierten Organen die Zahl der HLA-Mismatches deutlich über die Organ- und Patientenüberlebens-zeit117 bzw. über das Auftreten von Organabstoßungsreaktionen118 mitentscheidet. Dieser direkte Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der HLA-Übereinstimmung und dem Auftre-ten von Abstossungsreaktionen führt dazu, dass im Bemühen um eine möglichst geringe Immunreaktion auf das Spendergewebe versucht wird, jedem Organempfänger einen Spen-der mit möglichst guter HLA-Übereinstimmung zuzuordnen.
Anders als bei anderen Transplantatorganen (z.B. bei Herztransplantationen) wird heute in fast allen Zentren bei der Organvergabe im Rahmen einer Nierentransplantation versucht, eine möglichst gute, im besten Fall 100%-ige Übereinstimmung der HLA-Typisierung zwi-schen Organempfänger und -spender zu erreichen. Bei der Organvergabe der großen Or-ganaustauschprogramme weltweit ist die Minimierung der HLA-Mismatches oberstes Gebot
119.
Bestimmt werden bei der Gewebetypisierung zu diesem Zwecke HLAA, B, C, DR und -DQ-Antigene. Die Vorteile, die diese Gewebetypisierungen mit sich bringen, sind in Studien, die das Organüberleben in Zusammenhang mit der HLA-Übereinstimmung untersucht ha-ben, deutlich gezeigt worden120,121.
Häufig ist es dennoch nicht möglich, ein zur Verfügung stehendes Organ einem zu 100%
HLA-identischen Empfänger zuzuordnen, woraus eine Anzahl sogenannter HLA-Mismatches resultiert.
Groß angelegte Untersuchungen des Instituts für Transplantationsimmunologie in Heidel-berg unter der Leitung von Prof. G. Opelz haben bei Ersttransplantierten mit steigender Zahl der HLA-Mismatches eine deutliche Verschlechterung der Organüberlebenszeit gezeigt.
Ausgewertet wurden im Rahmen der Collaborative Transplant Study (CTS) die Daten von 69745 Patientinnen und Patienten, die in insgesamt 301 Zentren zwischen 1986 und 1996 erstmalig nierentransplantiert wurden. Bei den Organempfängern und -spendern wurden Typisierungen für HLA-A, -B und -DR durchgeführt und die Organempfänger in Gruppen nach der Anzahl der Mismatches eingeteilt. Bei den Patientinnen und Patienten, die HLA-identische Spenderorgane erhalten hatten (n=4281), fand sich nach 5 Jahren eine mittlere Organüberlebensrate von 72 %. Dem stand eine mittlere Organüberlebenszeit bei solchen Transplantierten, bei denen 6 HLA-Mismatches vorlagen (n=2345) von nur 57% gegenüber.
Bei Patientinnen und Patienten mit einem HLA-Mismatch konnte eine 5-Jahres-Organüberlebenszeit von 67% (n= 6740), für Patienten mit zwei (n=14136), drei (n=19828), vier (n=14922) und fünf (n=7493) Mismatches jeweils 5-Jahres-Organüberlebensraten von 66, 65, 61 bzw. 58% erzielt werden. Die aus den gewonnenen Daten errechnete Prognose für eine Organüberlebenszeit nach 20 Jahren ergab bei Patienten ohne HLA-Mismatches 33%, für Patientinnen und Patienten mit sechs HLA-Mismatches 17%. Zusätzlich zu diesen Beobachtungen haben die Untersuchungen von Opelz et al. gezeigt, dass auch die Patien-tenüberlebenszeit signifikant durch eine möglichst gute HLA-Kompatibilität positiv beeinflusst wird117.
Hyperakute Abstossungsreaktionen können durch den Crossmatch-Test (Kissmeyer-Nielsen) verhindert werden. In diesem Test werden Spenderzellen und Empfängerserum zusammengebracht, um zu überprüfen, ob beim Organempfänger präformierte Antikörper
gegen das Spendergewebe vorliegen. Fällt der Test positiv aus, darf die geplante Transplantation nicht durchgeführt werden.
In dieser Studie wurden die Anzahl der HLA-Mismatches in die Auswertung miteinbezogen und die Werte der beiden Gruppen einander gegenübergestellt.
Blutgruppen
Als weiterer Parameter, der zwecks Erreichen einer möglichst guten Organkompatibilität eingesetzt wird, werden die Blutgruppen (ABO, Rhesus) von Empfänger und Spender be-stimmt. Bereits in der frühen Bostoner Ära der Nierentransplantation war man bemüht, eine Inkompatibilität von Spender und Empfänger in Bezug auf die ABO-Blutgruppen zu vermei-den, nachdem angenommen wurde, dass diese Inkompatibilität der Auslöser für den schnel-len Verlust eines Transplantats gewesen sein könnte. Dennoch wurden einige weitere Blut-gruppen-inkompatible Transplantationen vorgenommen. Bei der Zusammenfassung der Er-gebnisse aller Transplantationen in diesem Zeitraum kam man zu dem Schluss, dass die Annahme in Bezug auf die Rolle der Blutgruppen richtig gewesen sein musste, da man fest-stellte, dass Blutgruppen-inkompatible Spendernieren längerfristig ihre Funktion nicht auf-recht erhalten hatten.
Die durch die Endothelzellen des Spenderorgans präsentierten ABO-Antigene können bei Blutgruppeninkompatibilität durch die beim Empfänger vorhandenen Anti-ABO-Antikörper eine hyperakute Abstossungsreaktion hervorrufen122.
Detaillierte Untersuchungen des Rhesus- und des Lewis-Blutgruppensystems haben hinge-gen gezeigt, dass die Inkompatibilität dieser Blutgruppen in der Routinepraxis der Nieren-transplantation ignoriert werden kann109.
Spendernieren sollen nur an Empfänger vermittelt werden, die mindestens ABO-kompatibel mit den jeweiligen Spendern sind. Gegenüber den Bemühungen um Kompatibilität bei den ABO-Blutgruppen wird die Rhesus-Blutgruppe bei der Vergabe der Organe nicht berücksich-tigt.
In eher seltenen Fällen finden sich Abweichungen von dieser Regelung, die ggf. entspre-chend in dieser Arbeit dokumentiert sind und in der Auswertung in Bezug auf die Abstos-sungsreaktionen berücksichtigt werden.
Ischämiezeiten
Bei der 1. WIZ (erste warme Ischämiezeit) handelt es sich um die Zeitspanne, die im Rah-men der Organentnahme zwischen der Ausschaltung aus dem Blutkreislauf des Spenders/
der Spenderin und dem Beginn der Perfusion mit UW- oder Eurocollins- oder HTK-Flüssigkeit liegt. Aus der heutzutage angewandten Operationstechnik resultieren in der Re-gel Zeiten von weniger als einer Minute, weshalb mit Auswirkungen auf die Transplantatnie-re nicht zu Transplantatnie-rechnen ist.
Die KIZ (kalte Ischämiezeit) umfasst die Zeitspanne vom Beginn der Perfusion mit UW- oder HTK -Flüssigkeit bis zum ersten Kontakt des Transplantats mit dem Körper des Empfängers.
Diese Zeit umfasst den Zeitraum des gekühlten Organtransports und die Zeitspanne, in der die Niere im noch gekühlten Zustand vom Transplanteur präpariert wird. Der Präparation schließt sich eine weitere Perfusion der Niere mit UW-, HTK- oder EC -Flüssigkeit und eine erneute Lagerung auf Eis bis zum Zeitpunkt der Implantation an. In der Regel liegt die Kalt-ischämiezeit unter dreißig Stunden. Die extracorporale Organischämie (KaltKalt-ischämiezeit) wirkt sich insbesondere in den ersten Tagen nach Transplantation auf die Organfunktion aus51. Untersuchungen an großen Kollektiven von nierentransplantierten Patientinnen und Patienten im Rahmen der Collaborative Transplant Study von Opelz et al. haben gezeigt, dass die Organüberlebensraten von Transplantatnieren mit einer KIZ über 48 Stunden hinter denen mit kürzerer KIZ zurückbleiben117.
Die 2. WIZ (zweite warme Ischämiezeit) ergibt sich im Rahmen der Organimplantation und beginnt zu dem Zeitpunkt, wenn die Niere zwecks Anastomosierung in den Körper des/ der Empfängers/ Empfängerin verbracht wird, und dauert bis zum Beginn der Blutperfusion. Die-ser Zeitraum wird auch “Anastomosenzeit” genannt, da er mit der Zeit, die zum Vernähen der Anastomosen benötigt wird, identisch ist. Sie beträgt je nach Verlauf der Implantation in der Regel zwischen 20 und 50 Minuten.
Aufgeführt werden in dieser Auswertung die erste warme Ischämiezeit (1. WIZ), die kalte Ischämiezeit (KIZ) und die zweite warme Ischämiezeit (2. WIZ).
CMV-Status
Eine Infektion mit dem Cytomegalie-Virus (CMV) ist eine häufige Komplikation bei Organ-transplantierten und präsentiert ein breites Spektrum, das von einer asymptomatischen Vi-rämie bis zu lebensbedrohenden Erkrankungen reichen kann123.
Um die objektive Auswertbarkeit von Erkrankungen durch CMV im Verlauf nach Transplantation zu gewährleisten, wurde das Vorliegen von Antikörpern (IgG und IgM) gegen CMV beim Empfänger und Spender vor Transplantation überprüft.
Das Vorliegen eines Zustandes nach abgelaufener CMV-Infektion der Nierenspender wurde mittels Antikörper-Nachweis gegen CMV (IgG) vor Transplantation kontrolliert, um bei einer Erkrankung des Empfängers durch CMV eine primäre von einer sekundären Infektion unter-scheiden zu können.
Von einer primären Infektion wird gesprochen, wenn bei einem vor Transplantation CMV-negativen Empfänger nach der Transplantation erstmalig eine CMV-Infektion auftritt, woraus zu schließen ist, dass die Infektion im Zuge der Transplantation, z.B. durch Übertragung des Virus durch das Spendergewebe oder nach der Transplantation stattgefunden hat. Eine so-genannte sekundäre Infektion liegt hingegen dann vor, wenn bei einem zum Zeitpunkt der Transplantation bereits CMV-positiven Empfänger eine Virus-Reaktivierung stattfindet, die mittels PCR feststellbar ist.