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7. Diskussion und Ausblick

7.1. Ist Rel S.cellulosum eine (p)ppGpp Synthetase III?

7.1.5. Charakterisierung der relint-Mutante

Unterschiedliche Modifikationen des rel-Gens in verschiedenen Bakterien zeigten unterschiedliche Phänotypen im Bezug auf die morphologische und physiologische Differenzierung. Charakteristika einiger Mutanten sind in Tabelle 7.2. zusammen gefasst.

S. coelicolor ist in der Lage, mit Eintreten in die späte exponentielle bzw. frühe stationäre Phase, die Sekundärmetabolite Undecylprodigiosin (Red) und Actinorhodin (Act) zu produzieren.

Chakraburtty et al. zeigten 1997 in der S. coelicolor rel- Mutante M570 einen Defekt der Sekundärmetabolit-Produktion. Die rel-Deletionsmutante (18J) aus S. coelicolor von Martínez-Costa, war ebenfalls nicht mehr in der Lage, Act zu produzieren (Martínez-Costa et al., 1996). In B. subtilis konnte jedoch keine reduzierte Produktion des Peptidantibiotikums Surfestin nach der Deletion von rel festgestellt werden (Wendrich, 1999).

Tabelle 7.2.: Auflistung unterschiedlicher rel-Mutationen und ihrer Unterschiede in morphologischer und physiologischer Differenzierung

Stämme Mutation ppGpp Wachstum im Ver-gleich zum Wildtyp

morphologische

Differenzierung physiologische Differenzierung

∆rel ppGpp0 Stark

reduziert Keine

Differenzierung S.

clavuligerus

(Jin et al.,

2004) ∆rsh ppGpp reduziert

Schwach

reduziert Differenzierung

Reduzierte Produktion von Cephamycin und Clavulansäure S.

coelicolor

(Chakraburtty et al., 1997) N-terminal 500 nt

∆rel (M570)

ppGpp0 identisch Keine

Differenzierung

Stickstofflimitierung:

Act- und Red-,

Phosphatlimitierung:

Act+ und Red+ S.

coelicolor

(Martínez-Costa et al., 1996) C-terminal 491 nt

∆rel (18J)

ppGpp0 reduziert späte

Differenzierung

Act- Red

+/-B. subtilis

(Wendrich, 1999)

∆rel (TW30)

ppGpp0 nicht untersucht

sporuliert schlechter

Surfestin Produktion M. xanthus

(Harris et al., 1998)

Punkt-mutation (MS10)

ppGpp Produktion in den ersten 15 Minuten bei Aminosäure-limitierung

nicht untersucht

Keine

Differenzierung

nicht untersucht

Des Weiteren konnte in S. coelicolor ein zweites rel-Gen entdeckt werden. Der Name ist rsh (Sun et al., 2001). Im Vergleich zu S. coelicolor, wo die Sekundärmetabolit-Produktion erst mit Eintritt in die stationäre Phase einsetzt, konnte in So ce56 schon zu Beginn des Wachstums eine leichte Sekundärmetabolit-Produktion analysiert werden. Mit Beginn der exponentiellen Phase konnte ein kontinuierlicher Anstieg der Sekundärmetabolite in So ce56 verzeichnet werden. Den maximalen Level der Sekundärmetabolit-Produktion erreicht So ce56 in stationärer Phase. Die rel-Mutation in So ce56 zeigte wie auch in S.

coelicolor einen Einbruch in der Sekundärmetabolit Produktion.

Die ppGpp Synthese ist durch den Abfall der intrazellularen GTP Konzentration in der Zelle gekennzeichnet (Ochi et al., 1986, Ochi et al., 1987). Verantwortlich für die Sekundärmetabolit-Produktion ist somit eher die Konzentration von GTP als die Akkumulierung von ppGpp in der Zelle (Ochi et al., 1987). Die Zugabe des GMP-Synthetase-Inhibitors Decoyinin initiiert die Sporulation in verschiedenen Streptomyceten Arten, sowie in B. subtilis (Lopez. et al., 1981). Sie ist jedoch nicht in der Lage, die

Sekundärmetabolit-Produktion zu aktivieren. Da die ppGpp Synthese die Sekundärmetabolit-Produktion in der Zelle aktiviert, vermuteten Ochi et al. (Ochi et al., 1987), dass im Gegensatz dazu die morphologische Differenzierung der Zellen durch den fallenden GTP-Level initiiert wird. Die Inkubation von M570 (∆rel-S. coelicolor) mit Decoyinin bestätigte die Hypothese von Ochi et al.. Mit Hilfe von Decoyinin war die Mutante in der Lage, zu differenzieren (Sun et al., 2001). Die Inkubation von So ce56 und Soce:relint mit Decoyinin zeigte keine Anzeichen der Differenzierung (Abb. 7.5.).

So ce56 Soce:relint

Abb. 7.5.: Stereoskopische Aufnahmen von So ce56 und Soce:relint nach 9 Tagen Inkubation auf P-Diff-Agar mit Decoyinin (10 mg/ml). Die Kulturen wurden zuvor 2 Stunden mit Decoyinin inkubiert, anschließend auf OD 25 hochkonzentriert und es wurden 50 µl getropft. Bei der Struktur in der Abb. von Soce:relint handelt es sich um eine Luftblase.

In Myxococcus xanthus bewirkt Decoyinin keine Fruchtkörperbildung (Singer et al., 1995) und die Bildung von ppGpp konnte eindeutig mit der Aktivierung differenzierungsspezifischer Gene assoziiert werden. Die Synthese von ppGpp hat in M.

xanthus keine signifikante Erniedrigung des GTP-Levels zur Folge. Nach den bisherigen Kenntnissen erscheint es für So ce56 auch eher unwahrscheinlich, dass eine Erniedrigung des GTP-Levels die morphologische Differenzierung initiiert.

1. In der Soce:relint-Mutante konnte ein erniedrigter GTP-Level beobachtet werden, trotz allem kam es nie zur Fruchtkörperbildung

2. die Decoyinin-Zugabe bewirkte keine Fruchtkörperbildung

Allerdings muss hier kritisch angemerkt werden, dass ein GTP-senkender Effekt von Decoyinin experimentell weder für M. xanthus noch für So ce56 nachgewiesen wurde.

Eventuell wirkt Decoyinin auch effizienter auf Gram-positive Bakterien. Bei So ce56 handelt es sich um einen negativen Organismus. Der Zellwandaufbau von Gram-positiven und Gram-negativen Bakterien unterscheidet sich im Wesentlichen durch die

Anzahl der Membranen. Gram-positive Bakterien besitzen eine Membran, auf die eine Peptidoglykanschicht aufgelagert ist. Gram-negative Bakterien besitzen eine innere und eine äußere Membran und dazwischen eine Peptidoglykanschicht (Mikrobiologie, 2001).

Dadurch kann es zur unterschiedlich guten Aufnahme von Decoyinin kommen. Somit könnte sich die ausreichende Inkubationszeit von 5 Tagen bei Streptomyceten (Sun et al., 2001) bei So ce56 verlängern. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die benötigte Menge von Decoyinin zur Initiierung der morphologischen Differenzierung, von Spezies zu Spezies variiert. Sie beträgt bei S. coelicolor 10 mg/ml (Sun et al., 2001) und bei B. subtilis 500 ng/ml (Lopez et al., 1981). In unserem Versuch wurden nur eine Konzentration von 10 mg/ml Decoyinin eingesetzt.

Grossman konnte 1995 die Hypothese von Ochi et al. verfestigen. Auch er konnte in B.

subtilis zeigen, dass bestimmte Regulationskaskaden rel-unabhängig ablaufen. Die Endosporenbildung der relaxierten B. subtilis -Mutante BR17 wird eingeleitet, wenn der intrazelluläre GTP-Spiegel abgesenkt wird. Da die Endosporenbildung von B. subtilis wahrscheinlich durch den intrazellulären GTP-Spiegel ausgelöst wird, konnte in der TW30

∆rel-Mutante nur ein leichter aber kein vollständiger Sporulationsdefekt, festgestellt werden (Wendrich, 1999).

In M. xanthus (Harris et al., 1998) wird ein Signal (A-Faktor) in das Medium sezerniert, und so ab einer bestimmten Konzentration die Zelldifferenzierung induziert. Die konstruierte Soce:relint Mutante ist, wie erwartet, nicht in der Lage, zu differenzieren. Es konnte jedoch nicht geklärt werden, ob Soce:relint neben dem Defekt der Fruchtkörperbildung auch einen Sporulationsdefekt wie B. subtilis aufweist.

Unterschiedliche Versuche zur künstlichen Aktivierung der Sporulation scheiterten. Das Auskeimen von Sporen ist in S. cellulosum im Vergleich zu M. xanthus unterschiedlich. In M. xanthus kann eine einzige Spore bei guten Nährstoffbedingungen wieder auskeimen. S.

cellulosum hingegen benötigt möglicherweise eine Gruppe von Sporen um auszukeimen.

So ce56 ist nicht in der Lage, als einzelne Zelle zu überleben. Aus diesem Grund bildet So ce56 als Schutzmechanismus während der nährstoffarmen Periode Sporangiolen. Diese enthalten mehrere Sporen. Somit ist die Auskeimung in einer Gruppe von Zellen gesichert.

Die Analyse von Sporen und der daraus resultierenden auskeimenden Zellen war somit ein Problem.

Viele rel-Mutanten zeigen gleichzeitig auch Wachstumsdefekte (Sarubbi et al., 1989; Jin et al., 2004). All diesen Mutanten ist gemeinsam, dass sie einen messbaren Basallevel von ppGpp produzieren wobei ppGpp einen negativen Einfluss auf das Wachstum besitzt. Eine

spoT-Mutante hingegen ist lethal für E. coli, da dann zu hohe Mengen an ppGpp akkumuliert werden (Sarubbi, et al., 1989). In S. cellulosum konnte hingegen kein Wachstumsdefekt der konstruierten Soce:relint Mutante festgestellt werden. Dies lässt sich unterschiedlich erklären:

1. Durch den Verbleib der kompletten RelA_SpoT Domäne der Soce:relint Mutante kommt es sowohl zur Synthese als auch zur Hydrolyse von ppGpp. Wenn überhaupt, sind die ppGpp-Level in der Mutante extrem niedrig

2. durch die zuvor beobachteten reduzierten GTP-Level wird in der Mutante nicht viel ppGpp akkumuliert.

Die rel-Mutante von Mycobacterium tuberculosis zeigte im Vergleich zum Wildtyp ein langsameres Wachstum und unter stationären Bedingungen sowie unter Aminosäurelimitierung eine reduzierte Überlebensfähigkeit. Soce:relint zeigt kein langsameres Wachstum im Vergleich zum Wildtyp. Es konnte aber eine reduzierte Überlebensfähigkeit der Zellen unter stationären Bedingungen festgestellt werden. Mäder et al., (2002) zeigten in B. subtilis, dass die Überlebensfähigkeit von Zellen in der exponentiellen Phase und die daraus resultierenden Sporen abhängig von der Aminosäurelimitierung sind. Bei Aminosäure- und Kohlenstoffmangel kommt das Nettowachstum an Zellmasse schnell zum Erliegen.

In einer ersten Phase werden die DNA-Synthese und die Zellteilung noch fortgesetzt. Die RNA-Synthese und die Proteinbiosynthese werden jedoch relativ schnell eingestellt. Es folgt eine Inhibierung der Biosynthese von Kohlenhydraten, Phospholipiden und Zellwandbestandteilen. Dagegen werden selektive Gene für die Aminosäuresynthese und katabole Wege aktiviert, um der Mangelsituation entgegenzuwirken. Diesen Gesamtprozess der physiologischen Anpassung bezeichnet man als stringente Kontrolle.

Durch die Konstruktion der Soce:relint Mutante wurde das rel-Gen in So ce56 unterbrochen. Durch die Unterbrechung des rel-Gens ist der Ablauf der stringenten Kontrolle unterbrochen. Es ist somit möglich, dass eine Detektion der Aminosäurelimitierung in der Zelle unter diesen Umständen nicht mehr möglich ist.