(z.B. Ich bin (der) Paul; (Der) Paul ist ein kluger Junge).145 Zur Personenreferenz ist zu bemerken, dass man die Variation im Eigennamen (voller Name mit Titel, Nachname, Vorname, Spitzname usw.) gezielt benutzen kann, um bestimmte Effekte zu erzeugen.146 Beispiele für Spielarten der Verwendung von Eigennamen als Referenzmittel im Kriminalroman werden wir später anführen.
3.2.2 Kennzeichnungen
Im Hinblick auf den Artikelgebrauch und die Bestimmtheit lassen sich Kennzeichnungen in definite und indefinite Kennzeichnungen einteilen. Definite Kennzeichnungen sind Ausdrücke wie der/mein/dieser/jener/derjenige Baum, die aus der Menge der benennbaren Dinge ein bestimmtes bezeichnen. Hierbei dient ein Artikelwort (auch Determinator oder Determinans genannt) zur Mar-kierung der Definitheit (vgl. Albert 2001, 86). Dagegen signalisieren indefinite Kennzeichnungen wie ein Baum Nicht-Definitheit. Bei Ein Baum wurde gefällt und Der Baum wurde gefällt ist zwar in beiden Fällen von einem Baum die Rede, der Bedeutungsunterschied besteht jedoch darin, dass der Sprecher mit dem Gebrauch der indefiniten Kennzeichnung ein Baum irgendeinen Baum meint, mit dem Gebrauch der definiten Kennzeichnung der Baum jedoch einen bestimmten Baum, wobei er unterstellt, dass sein Hörer das erforderliche Identifikationswissen besitzt und somit problemlos verstehen kann, auf welchen Baum er sich bezieht. Im Folgenden betrachten wir definite und inde-finite Kennzeichnungen eingehender, um noch weitere Unterschiede zwischen ihren konventionali-sierten Verwendungsweisen festzuhalten.
Die philosophisch-logische Referenzforschung befasst sich schon längere Zeit mit definiten Kennzeichnungen (vgl. z.B. Russell 1905; Strawson 1950, 1964; Donnellan 1966; Searle 1969). Im Vergleich zu Eigennamen, die lediglich der Bezeichnung bzw. Identifikation eines Gegenstandes dienen, ohne ihm bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben, kann man einen bestimmten Gegenstand mit dem Gebrauch von definiten Kennzeichnungen sowohl identifizieren als auch durch die zusätz-lichen Angaben seiner Eigenschaften charakterisieren. Das heißt, wenn man definite Kennzeich-nungen verwendet, um auf einen bestimmten Gegenstand Bezug zu nehmen, wird dadurch angege-ben, um welchen Gegenstand und welche Art von Gegenstand es sich handelt. Mit dem Artikelge-brauch signalisiert der Sprecher/Schreiber, dass er einen bestimmten Gegenstand meint und an die-ser Stelle der Kommunikation diesbezügliches Identifikationswissen beim Hörer/Ledie-ser voraussetzt.
Also geht er davon aus, dass dem Hörer/Leser durch den Kontext, den indexikalischen bzw. deikti-schen Zusammenhang, gemeinsames Wissen usw. klar wird, wovon die Rede ist. Da definite Kenn-zeichnungen einen charakterisierenden Anteil haben, funktioniert eine erfolgreiche Referenz fol-gendermaßen: Durch die Zuordnung der angegebenen Eigenschaften gelingt es dem Hörer/Leser,
145 Weitere Sonderfälle sind etwa die Lehmanns als Bezeichnung mehrerer Familienmitglieder sowie Ausdrücke wie die Kirchmeierin, die Dannerin, die für Frau Kirchmeier, Frau Danner stehen (Beispiele aus Andrea Maria Schenkels Krimi Tannöd) – eine regional geläufige Verwendungsweise, bei der Eigennamen ähnlich wie weibliche Berufsbe-zeichnungen (z.B. die Lehrerin) mit dem bestimmten Artikel die und dem Suffix -in als Femininum markiert werden.
Mehr zum Artikelgebrauch bei Eigennamen vgl. Duden-Grammatik 2009, 299ff.
146 Nennen Journalisten in Pressetexten z.B. Boris Becker Boris und Michael Schumacher Schumi, so beabsichtigen sie damit, die außertextlich vorhandene Bekanntheit dieser männlichen Prominenten anzuzeigen und eine Art fiktive Nähe zwischen diesen und den Lesern herzustellen.
den betreffenden Gegenstand abgesondert von anderen Gegenständen der Welt herauszugreifen und als den vom Sprecher/Schreiber gemeinten Gegenstand zu identifizieren.147 Im Allgemeinen gelten definite Kennzeichnungen als Mittel der Genauigkeit. Sie werden häufig zur Referenzklärung be-nutzt, denn damit kann man die Art des Gegenstands präzisieren bzw. weitere Informationen über den gemeinten Gegenstand vermitteln (A: Gestern habe ich Wolf Haas gesehen. B: Wer ist das? A:
Was? Den kennst Du nicht? Das ist mein Lieblings-Krimiautor, der Autor der Brenner-Serie!).
Darüber hinaus können definite Kennzeichnungen mit bestimmten Artikeln (z.B. der Mensch, das Tier, der Fisch) generisch gebraucht werden und als Gattungsbezeichnungen dienen (z.B. Der Elefant ist ein Säugetier). Zudem werden sie zur Bezeichnung nur einmalig vorkommender außer-sprachlicher Objekte (z.B. der Papst und sog. Unika wie die Sonne, der Mond, der Himmel usw.) verwendet, die von sich aus bestimmt sind und folglich das Merkmal „definit“ tragen, was auch für bestimmte Stoffbezeichnungen wie das Blut, die Milch, das Wasser gilt.148 Im Grunde können alle möglichen sprachlichen Ausdrücke durch eine Substantivierung, z.B. in Form einer metasprachli-chen Thematisierung, zu definiten Kennzeichnungen gemacht werden, wie etwa bei Das Ewi-ge-zu-spät-Kommen-von-Peter nervt mich; Dein Oder nervt mich. Kannst du dich nicht einmal ent-scheiden? (vgl. Ziem 2008, 295).
Indefinite Kennzeichnungen der Form ‚ein N‘ (z.B. ein Mann, eine Katze),149 die im Gegen-satz zu definiten Kennzeichnungen Nicht-Definitheit signalisieren, weisen vielseitige Gebrauchs-möglichkeiten auf (vgl. Fritz 1982, 189ff.). Zwar besteht ihre grundlegende Funktion darin, die Art von Gegenstand zu bezeichnen, über den etwas ausgesagt wird („kind-identifying“, „specifying what kind of substance“, vgl. Strawson 1974, 103ff.), doch kann man solche Ausdrücke in unter-schiedlichen Verwendungszusammenhängen verschieden gebrauchen. Beim generischen Gebrauch, z.B. bei der Äußerung Eine Kuh frisst kein Fleisch, ist von einer Gattung, also Kühen im Allgemei-nen, die Rede. Mit der Äußerung Ich brauche ein Taschentuch verlangt der Sprecher kein bestimm-tes, sondern ein beliebiges Taschentuch. Sagt jemand Mich hat eine Mücke gestochen, meint er ir-gendeine Mücke, weil er normalerweise nicht in der Lage ist, eine bestimmte Mücke als Übeltäter zu identifizieren. Darüber hinaus kommt es bei der Neueinführung eines Gegenstands häufig vor, dass ‚ein N‘ als „Einführungs-Operator“ fungiert. Diese Verwendungsweise dient oft als Eröff-nungszug eines Märchens (Es war einmal ein Müller, der hatte eine schöne Tochter) oder eines Rätsels (Ein Männlein steht im Walde... vgl. Fritz 1982, Anm. 76, 325).
Allerdings können indefinite Kennzeichnungen auch im engeren Sinne referenziell verwendet werden.150 Wenn man zwar weiß, von wem man spricht, es aber nicht für nötig, sinnvoll oder
147 Aus diesem Grund ist im Gegensatz zu Eigennamen für das Identifizieren des Redegegenstandes kein Taufakt er-forderlich.
148 Mehr zu Formen und Gebrauch des definiten Artikels vgl. Duden-Grammatik 2009, 291ff.
149 Es gibt verschiedene Meinungen darüber, ob ein als indefiniter Artikel (vgl. z.B. Duden-Grammatik 2009) oder ein Quantor (vgl. z.B. Vater 2005, 106ff.) gilt. Mehr zu den Formen und Verwendungsweisen von ein vgl. Du-den-Grammatik 2009, 330ff.
150 Vgl. hierzu die folgenden Beispiele in Fritz 1982 (195f.): Während Sprecher A in einem Fahrradladen mit der Äu-ßerung Ich suche ein Fahrrad mit 10-Gang-Schaltung ein beliebiges Fahrrad mit 10-Gang-Schaltung meint, bezieht sich Sprecher B auf dem Fundamt mit derselben Äußerung auf ein bestimmtes Fahrrad, das er verloren hat. Außerdem kann man mit einer Äußerung wie Ich suche einen Kollegen mit einem roten Bart genauso gut einen bestimmten Kollegen meinen, wenn man den Namen des Kollegen nicht weiß und diesen nur durch die auffallende Eigenschaft, den roten
schenswert hält, den Redegegenstand für seinen Hörer identifizierbar zu machen, kann man auch indefinite Kennzeichnungen der Form ‚ein N‘ benutzen, um manches offen zu lassen (z.B. Ich war bei einem Freund; Eine Kollegin hat mich angerufen).151 Solche Ausdrücke kann man auch dann verwenden, wenn man zwar sicher ist, dass der Gesprächspartner durch gemeinsames Wissen den Redegegenstand problemlos identifizieren kann, sich aber nicht so klar ausdrücken will, dass ein Nicht-Eingeweihter ebenfalls versteht, wovon bzw. von wem die Rede ist. Beispielsweise kann Sprecher A mit der Äußerung Ich habe einen angeblich kranken Kollegen von dir ganz munter beim Fasching gesehen einen bestimmten Kollegen seines Hörers B verraten, und B kann mit der Äuße-rung Der Idiot! Das hat er letztes Jahr auch getan! zeigen, dass er weiß, wen A damit meint (vgl.
Fritz 1982, 192). Da kein Name genannt wird, kann sich A durch diese Formulierungsstrategie so-wohl mit B verständigen als auch vermeiden, dass möglicherweise ein Dritter ihn auf diese Aussage festlegt. In ähnlicher Weise sagt man im Alltag etwas Unangenehmes, Verleumderisches oder Sati-risches häufig auf diese Weise durch die Blume, um sich eine Rückzugsmöglichkeit offenzuhal-ten.152 Insgesamt lässt sich sagen, dass trotz der verschiedenartigen Verwendungsmöglichkeiten von indefiniten Kennzeichnungen normalerweise durch den Verwendungszusammenhang, den Kontext, gemeinsames Wissen der Kommunikationsteilnehmer usw. klar wird, wie man die jewei-lige Verwendung verstehen soll.
3.2.3 Quantoren und Quantorenphrasen
Zu den sogenannten Quantoren gehören Zahlwörter sowie Ausdrücke wie jeder, alle, beide, manche, viele, einige, keine usw. Sie haben eine quantifizierende Funktion, denn in Quantorenphrasen (z.B.
jedes/kein Buch, alle/beide/manche/viele/einige/mehrere/drei Bücher) zeigen Quantoren die Quan-tität des Substantivs an, um die Frage „Wieviel?“ zu beantworten (vgl. Albert 2001, 87; Vater 2005, 110ff.). Entsprechend der Zählbarkeit oder Nicht-Zählbarkeit des Substantivs werden jeweils dazu passende Quantoren gebraucht (z.B. Hier sind drei/viele/mehrere Eier; Hier ist etwas/viel Fleisch).
Syntaktisch gesehen werden Quantoren als eine Sondergruppe aufgefasst, da sie zwar eine gewisse Nähe zu den Artikelwörtern haben, andererseits aber auch eigene Besonderheiten aufweisen. So sind zum Beispiel manche Quantoren mit einem Artikel kombinierbar (z.B. Die vielen Menschen gingen nach Hause; All die Vögel füttere ich jeden Tag). Außerdem können Quantoren häufig in Distanzstellung zum betreffenden Substantiv auftreten (z.B. Brot ist keins da; Bücher habe ich viele gelesen).153
Bart, wiedererkennen kann.
151 Vgl. hierzu die folgende Erläuterung von Strawson: „We use ‘a’ [...] when, although a definite reference could be made, we wish to keep dark the identity of the individual to whom, or to which, we are referring. This is the arch use of such a phrase as ‘a certain person’ or ‘someone’; where it could be expanded [...] into ‘someone, but I’m not telling you who’“ (Strawson 1950, 25, Hervorhebungen im Original).
152 Im Kriminalroman kommt ein derartiger Gebrauch bei der Darstellung von Verhören ständig vor, wenn befragte Figuren Andeutungen machen und so den Verdacht auf eine bestimmte Person lenken wollen (vgl. Abschnitt 5.4.3).
153 Allerdings sind sich die Grammatiken nicht einig, ob es sich in diesen Fällen um Quantoren oder Indefinitpronomi-na handelt (vgl. Albert 2001, 98).
Zum Gebrauch einzelner Quantoren ist zu bemerken, dass der Quantor kein zur Verneinung dient (z.B. Kein Mensch war zu sehen). Darüber hinaus können die Quantoren alle und jeder in un-terschiedlicher Weise verwendet werden, um auf eine ganze Menge zuzugreifen bzw. generalisie-rende Aussagen zu machen. Bei Alle Menschen sind sterblich wird mit der Quantorenphrase alle Menschen die Totalität der Menge aufgegriffen und darüber eine Aussage der Allgemeinheit ge-macht. Mit Jede Katze ist ein Raubtier wird auf die Einzelelemente der Menge Bezug genommen, wodurch die distributiven Geltungskriterien klargemacht werden. So betont man beim generischen Gebrauch mit all, dass die Gattung als Ganzes gemeint ist, dagegen wird mit jeder angezeigt, dass jedes einzelne Mitglied der Gattung betroffen ist (vgl. Duden-Grammatik 2009, 296). So gesehen können sie auch identifizierend verwendet werden, denn Quantorenphrasen wie alle Jungen in der Schule und jeder Junge in der Schule haben, genauso wie die definite Kennzeichnung die Jungen in der Schule, gleichzeitig generalisierende und identifizierende Funktion (vgl. Fritz 1982, 199).154
3.2.4 Pronomina
Da „Pronomen“ wörtlich ‚statt eines Nomens‘ heißt, haben Pronomina tatsächlich eine besondere Beziehung zu Nomen: Sie stehen jeweils für eine Substantivgruppe und treten stellvertretend an ih-rer Stelle auf. Zu Pronomina gehören Personalpronomina (ich, du, er, sie, es usw.), Reflexivprono-mina (mich, mir, dich, dir, sich, uns, euch, einander usw.), Possessivpronomina (meiner, deiner, seiner, ihrer usw.), Demonstrativpronomina (der, die, das, dieser, jener, derjenige, derselbe usw.), Indefinitpronomina (beide, einige, manche, jeder, alle, keine, nichts, etwas, etliche, sämtliche, ein wenig, ein paar, man,155 jemand, irgendjemand, niemand usw.), Relativpronomina (der, die, das usw.) und Interrogativpronomina (wer, was, welcher usw.). Viele davon können sowohl als Arti-kelwort mit einem Substantiv vorkommen (z.B. der Mann, mein Buch, manche Studenten) als auch als Pronomina im engen Sinn (ohne Substantiv) gebraucht werden (z.B. der, meins, manche).156 Beim Pronomengebrauch müssen Genus (grammatisches Geschlecht), Kasus und Numerus des Substantivs, auf das mit dem Pronomen Bezug genommen wird, in den meisten Fällen durch die
154 Die Logiker beschäftigen sich schon längere Zeit mit dem logischen Quantoren-System (vor allem dem Allquantor) bzw. der Beschreibung durch die logische Standardnotation (vgl. Vater 2005, 27ff.). Ein interessantes Beispiel ist etwa Hintikkas „Language-Games for Quantifiers“ (1973, 53ff.): Er führt die Quantorenspiele nach der logischen Philoso-phie von Kant aus und fasst sie als „language-games of seeking and finding“ (66) auf. Vgl. hierzu auch die Erläuterung im dialogischen Zusammenhang von Fritz (1982, 197ff.). Allerdings ist der Gebrauch von Quantoren und Quantoren-phrasen in der Sprachpraxis noch komplexer. Bei der logischen Darstellung des Quantoren-Systems werden beispiels-weise Quantoren wie einige, manche, viele usw., die normalerbeispiels-weise nicht identifizierend verwendet werden können, und die nicht-zählbaren Substantive nicht mitbehandelt.
155 In Frauenzeitschriften und dergleichen wird häufig der Ausdruck frau, das „feminine Pendant“ zu man, verwendet, um speziell die Leserinnen anzusprechen. Dies ist ein Gegenbeispiel für die gängige Auffassung in den Grammatiken, dass Pronomina eine geschlossene Wortgruppe bilden, die keine Neubildungen zulässt (vgl. z.B. Duden-Grammatik 2009, 249). Es wird deutlich, dass der Sprachgebrauch in der Praxis und die Interessen der Sprachbenutzer in unter-schiedlichen Kommunikationssituationen viel komplexer und vielseitiger sind als durch die Darstellung von Regeln in den Grammatiken nahelegt wird.
156 Ein ausführlicher Überblick darüber findet sich in der Duden-Grammatik 2009, 249ff. Mit dem Terminus
„Pro-Formen“ werden neben Pronomina auch Pro-Adverbiale (z.B. da, dort, damals, deshalb, dabei, darin, davon, da-mit, hierda-mit, wobei usw.) und andere Pro-Elemente mit eingeschlossen (vgl. Braunmüller 1977; Brinker 2001, 33; Vater 2005, 99).
entsprechende Form (die sog. pronominale Flexion) markiert werden.
Pronomina besitzen einen minimalen Bedeutungsinhalt. Demnach setzt der Gebrauch von Pronomina in der Regel einen Kontext voraus, aus dem deutlich wird, auf welchen Gegenstand sich der Sprecher/Schreiber bezieht. Grundsätzlich können Pronomina entweder selbstständig oder pho-risch gebraucht werden (vgl. Albert 2001, 91ff.). Beim selbstständigen Gebrauch entspricht die Form des verwendeten Pronomens den ontologischen Eigenschaften des Bezeichneten, nicht den grammatischen Eigenschaften des vorangegangenen Referenzausdrucks (z.B. Karl hat das Mäd-chen gesehen, als sie das Haus verließ; A: Was für eine schöne Katze! B: Ja, er heißt Max). Ein Sonderfall des selbstständigen Gebrauchs ist der deiktische Gebrauch. Deiktika sind Ausdrücke, die so auf die Äußerungssituation bezogen sind, dass von dort aus auf etwas „gezeigt“ oder verwiesen wird. Die Deiktika hier, jetzt, ich gelten als zentrale Elemente der Äußerungssituation und bilden den Kern für die Raumdeixis, Zeitdeixis und Personaldeixis (vgl. Bühler 1965). Die Personaldeixis bestimmt die kommunikativen Rollen in der Äußerungssituation, sodass mit ich auf den Sprecher, mit du/Sie auf den Angesprochenen und mit er, sie, es auf etwas Besprochenes Bezug genommen wird. So können Personalpronomina wie ich, du, wir, ihr, Sie sowie die darauf bezogenen Reflexiv-pronomina und PossessivReflexiv-pronomina selbstständig gebraucht werden, denn der Sprecher und der Angesprochene sind in der Äußerungssituation anwesend, sodass durch den außersprachlichen Kontext klar wird, wovon die Rede ist. Zudem orientiert sich der Gebrauch von Demonstrativpro-nomina in hohem Maße an der Äußerungssituation (z.B. Der war es!). Beim deiktischen Gebrauch wird beispielsweise mit dieser auf einen Gegenstand im Nahbereich und mit jener auf einen Gegen-stand im Fernbereich referiert, während in der Umgangssprache eine derartige Nah-/Ferndeixis häu-fig mit der hier/der da, dieser hier/dieser da realisiert wird. Kurz: Bei einem solchen deiktischen Gebrauch können viele Pronomina selbstständig vorkommen, weil der betreffende Gegenstandsbe-zug durch die Raum-, Zeit- und Personaldeixis der Äußerungssituation deutlich wird.
Zum phorischen Gebrauch von Pronomina gehören einerseits der anaphorische Gebrauch und andererseits der kataphorische Gebrauch. In beiden Fällen dienen Pronomina einer kontextabhängi-gen Koreferenz (vgl. Vater 2005, 99f.; Duden-Grammatik 2009, 265). Beim anaphorischen (rück-weisenden) Gebrauch wird mit dem Pronomen auf den gleichen Gegenstand Bezug genommen, der bereits durch einen vorangegangenen Referenzausdruck (auch „Antezedens“ genannt) eingeführt wird (z.B. Ein Mann kam herein. Er sah müde aus). Dagegen folgt dem Pronomen ein Postzedens (das Gegenstück zum Antezedens) beim kataphorischen (vorausweisenden) Gebrauch, der ver-gleichsweise viel seltener vorkommt (z.B. Mir gefällt es. Dieses Buch ist einfach klasse). Eine sol-che kataphorissol-che Koreferenz mit Hilfe von Pronomina findet man sehr häufig bei der Einführung von Figuren im Roman, wie etwa im folgenden Beispiel aus Thea Dorns Krimi Die Hirnkönigin:
„Er wünschte, er wäre in Stalingrad. [...] Hauptkommissar Priesske wandte sich ab. Er wollte aus-spucken und wusste, er durfte nicht“ (180f.). Hierbei wird dem Leser nachträglich mitgeteilt, wer die zunächst nur mit dem Personalpronomen er eingeführte Figur ist.
Es wird deutlich, dass Pronomina zum abhängigen Gegenstandsbezug gebraucht werden, der einen Kontext voraussetzt. Für das Verstehen der Referenzidentität ist es unerlässlich, dass dem Hörer/Leser durch den Kontext bzw. den deiktischen Zusammenhang klar wird, auf welchen bereits
erwähnten oder ihm als bekannt vorausgesetzten Gegenstand der Sprecher/Schreiber Bezug nimmt.
Abschließend ist zu bemerken, dass all diese Ausdruckstypen zur syntaktischen Kategorie von Nominalphrasen (NP) gehören, deren Strukturelemente Nomen als Kern (Substantive, Pronomen) und Erweiterungsmöglichkeiten links und rechts vom Kernnomen umfassen (vgl. Heringer 1989, 193ff.): links durch Determinative wie Artikel, Numerale, Quantoren (z.B. der Mann, dieser Mann, ein Mann, zwei Männer, jeder Mann), Adjektivattribute (z.B. der große Mann, ein sehr großer Mann), Partizipialattribute (z.B. ein gestern Nacht in Hamburg gestohlenes Auto, das trotz des Lärms den ganzen Tag schlafende Baby), Genitivattribute (z.B. Chandlers Krimis, des Ministers neues Haus) und rechts durch Genitivattribute (z.B. das Auto des Präsidenten), Präpositionalphra-sen (z.B. die Spende an das Kinderheim), Appositionen (z.B. der Hauptkommissar, Herr Maier), sog. situative Attribute (z.B. der Mann dort), Infinitivkonstruktionen (z.B. der Versuch, die Leiche zu verstecken) und Relativsätze (z.B. das Auto, das gestern Nacht in Hamburg gestohlen wurde).
Dank solcher Erweiterungsmöglichkeiten kann man Nominalphrasen zur Referenz verwenden und dabei zusätzliche Informationen über den Bezugsgegenstand vermitteln, was besonders nützlich für den Wissensaufbau bei Gesprächen und in Texten ist. Demnach gehen wir im Folgenden auf die grundlegenden Verwendungsweisen von Nominalphrasen unterschiedlicher Art als Referenzmittel im Kriminalroman sowie ihren Beitrag zum krimispezifischen Wissensmanagement ein.