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1. Einleitung

1.3 Antimikrobielle Peptide

Als Peptide bezeichnet man Proteine , die aus - in etwa - nur 100 Aminosäure-Einheiten aufgebaut sind47. Im Menschen synthetisierte Peptide bestehen aus den 20

proteinogenen Aminosäuren. Sie erfüllen dort verschiedene Funktionen und kommen als Neurotransmitter48, Hormone49 oder auch in der Immunabwehr50 vor. Die zur Selbstverteidigung gebildeten antimikrobiellen Peptide (AMP) kommen nicht nur im Menschen, sondern in vielen Spezies51 wie Insekten, Pflanzen, Pilzen und Bakterien vor.

Dies zeigt, welch großes Reservoir an neuen Leitstrukturen diese Substanzklasse bietet. In der Regel sind die AMP mehrfach positiv geladen und besitzen einen hohen Anteil (> 30 %) hydrophober Seitenketten52.

1.3.1 Wirkmechanismus der AMP

Der Wirkmechanismus der AMP ist nicht vollständig aufgeklärt. Stand der aktuellen Diskussion ist, dass sich mehrfach kationische Peptide zuerst an die äußere Zellmembran der Bakterien anlagern, indem sie entweder die Ladungen der anionischen Lipide an der Membran durch ihre kationischen Seitenketten neutralisieren oder sie Bindungsstellen für zweiwertige Metallionen an der Membranoberfläche besetzen. Für menschliche Zellmembranen besteht eine geringere Affinität, da die Membran durch den Einbau zwitterionischer Lipide wie Phosphatidylcholin deutlich weniger negative Ladungen besitzt53. In Folge der Anlagerung wird die Membran gestreckt und ausgedünnt54. Ab einer kritischen Konzentration sind die Peptide in der Lage, durch Selbstorganisation Poren innerhalb der Membran zu bilden (barrel-stave-Modell) oder sogar Teile der Membran vollständig zu umschließen und von der restlichen Membran zu separieren (carpet-Modell)55. Hier zeigt sich die Bedeutung der Amphiphilie der AMP. Der hydrophobe Teil wird in Richtung der hydrophoben Membran ausgerichtet und der hydrophile Teil bildet im barrel-stave-Modell das Innere der Pore oder zeigt ins umliegende Medium im Falle des carpet-Modells. Durch die Aufhebung der Barrierefunktion der äußeren Membran gelangen vermehrt AMP an die innere Zellmembran. Dort agglomerieren sie nach dem gleichen Prinzip. Wird nun auch das Potential der inneren Membran gestört, kommt es zum Zusammenbruch von pH- und Ionengradienten und schlussendlich zum Zelltod. Dies kann allerdings nicht der einzige Grund für ihre Aktivität sein, da einige AMP bei bakteriziden Konzentrationen keine Depolarisation der Membran hervorrufen.56-58 Es konnte gezeigt werden, dass neben der Interaktion mit der Zellmembran auch intrazelluläre Targets adressiert werden und beispielsweise die Synthese von DNA59 oder Proteinen60 inhibiert werden.

1.3.2 Potential und Probleme der AMP

Die AMP füllen als Substanzklasse ein Vakuum zwischen den niedermolekularen Wirkstoffen (SM), die Lipinskis Ro5 erfüllen, und Makromolekülen wie Biologicals. Das Potential, das sich daraus ergibt, und die Hürden, die es zu überwinden gilt, sollen im Folgenden erläutert werden.

Die SM besetzen in der Regel klar definierte Bindungstaschen von Proteinen oder blockieren aktive Zentren von Enzymen61. Durch geringe Veränderungen dieser Taschen, wie den Austausch einzelner Aminosäuren, können sich jedoch schnell Resistenzen entwickeln62. Die AMP besitzen komplexere Wirkmechanismen, da sie mit der Zellmembran und intrazellulären Targets interagieren, um ihre Wirkung zu entfalten. Die Ausbildung von Resistenzen wird auf diese Weise erschwert, wie das Beispiel Dermaseptin verdeutlicht. Nach zehnfacher Exposition einiger Bakterienarten mit subletalen Mengen von Dermaseptin und einiger klassischer Antibiotika, wie Ciprofloxacin und einem Penicillin, wurde die Veränderung der minimalen Hemmkonzentration (MHK) der Bakterien gegen diese Wirkstoffe überprüft. Während die relative MHK für alle klassischen Antibiotika deutlich gestiegen war, blieb sie für Dermaseptin unverändert63. Auch die überwältigende Geschwindigkeit, mit der Cathelicidine Zellen lysieren, lässt den Pathogenen wenig Chance sich anzupassen64. Über die von Zasloff65 entdeckten Magainine schrieb Boman 1995, dass die Zelllyse so schnell stattfindet, dass es technisch schwierig ist, die beteiligten Einzelschritte nachzuverfolgen66.

Ohne die Restriktion der Molekülgröße auf 500 Dalton (laut Ro5) sind die AMP in der Lage, neue Targets zu adressieren. Größere, planare Moleküle sind beispielsweise geeignet, sich an die Oberfläche von Proteinen anzulagern, um Protein-Protein-Interaktionen (PPI) zu unterbinden. Die Kontaktfläche, die es dabei zu blockieren gilt, ist mit 1500 – 3000 Quadrat-Angström zu groß für SM67. Weiterhin sind dort keine definierten Bindetaschen vorhanden. Stattdessen gilt es hydrophobe, ebene Flächen abzuschirmen.

Die pharmakokinetischen Parameter der AMP sind eine Baustelle, die in ihrer Weiterentwicklung angegangen werden muss. Aufgrund ihrer peptidischen Natur sind sie Substrate vieler Peptidasen. Vor allem die offenkettigen Vertreter leiden an einer geringen metabolischen Stabilität68. Während SM oftmals über passive Diffusion die

Zellmembran überqueren, ist diese Absorptionsroute für AMP aufgrund ihrer positiven Nettoladung69 und der hohen Desolvatisierungsenergie immens erschwert70. Bei hydrophoberen Peptiden ist die Permeabilität zwar erleichtert, allerdings kann die Löslichkeit zu einem Problem werden. Diese Faktoren resultieren in einer geringen oralen Bioverfügbarkeit, was die AMP zurzeit von einer peroralen Applikation ausschließt. Da körpereigene Peptide in der Regel in der Nähe ihres Wirkorts sekretiert werden und mit extrazellulären Rezeptoren interagieren, sind eine geringe Permeabilität und metabolische Labilität keine relevanten Schwachstellen. Im Gegenteil, durch den schnellen Abbau kann der Körper die Wirkspiegel schnell anpassen. Einige der AMP, wie Gramicidin S und Polymyxin B, sind wegen ihrer Toxizität nur zur topischen Anwendung geeignet71. Für Colistin (Polymyxin E) wurde ein weniger toxisches Prodrug hergestellt, welches zur systemischen Anwendung kommt72.

Neben diesen pharmakokinetischen Schwierigkeiten wurden auch einige Defensivstrategien in Bakterien beobachtet, die die Überlebensfähigkeit gegenüber AMP erhöhen. Um die Affinität der kationischen Peptide für Zellmembranen zu verringern, wurde durch Veresterung der Teichonsäuren mit D-Alanin die Anzahl negativer Ladungen in der Membran verringert73. Durch einen erhöhten Palmitat-Anteil in Lipid A wurde die Membranfluidität gesenkt und durch vermehrte hydrophobe Wechselwirkung in der Membran die Porenbildung der AMP unterdrückt74.

Es wurde auch eine extrazellulär aktive Metalloprotease in Enterobakterien entdeckt, die humanes β-Defensin und andere AMP abbaut75.