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Ansätze zur Identifizierung von humanen Genen für die Gewichts- Gewichts-regulation

1 Einleitung

1.3 Ansätze zur Identifizierung von humanen Genen für die Gewichts- Gewichts-regulation

1.3.1 Genom-Scan

Ein Genom-Scan erlaubt die Identifizierung chromosomaler Regionen, auf denen mutmaßlich Allele liegen, die den Phänotyp Adipositas mitbedingen. Hierfür werden multiallelische DNA-Marker, die in maximalen Abständen von etwa 5-10 cM über das ganze Genom verteilt sind, hinsichtlich ihrer Kopplung untersucht. Als multiallelische Marker können z. B. Mikro-satelliten typisiert werden, die aus Di-, Tri-, oder Tetranukleotid-Wiederholungen (z. B. CA-CA-CA-...n) bestehen (Hinney und Hebebrand 2001). Entgegen klassischen Kopplungs-analysen, die spezifische genetische Modellannahmen erfordern, verlangen neuere Verfahren, wie beispielsweise der extrem konkordante Geschwisterpaar-Ansatz (ECSP; Risch und Zhang 1995), keine Kenntnis des Erbgangs und sind somit ein systematisches und annahmefreies Verfahren (Lander und Kruglyak 1995; Risch und Zhang 1995; Übersicht Weeks und Lathrop 1995). In einem Genom-Scan werden chromosomale Regionen identifiziert, in denen beispielsweise zwei adipöse Geschwister überzufällig häufig in einzelnen Allelen der untersuchten Mikrosatelliten übereinstimmen, als es dem Erwartungswert von 50 % entsprechen würde. Es wird angenommen, dass die identifizierten Markerallele im Kopplungs-Ungleichgewicht mit einem „Adipositas“-Allel in einem benachbarten Gen stehen, das an der Ausprägung der Adipositas beteiligt ist. Mit diesem Ansatz können Kandidatengenregionen und nachfolgend darin liegende Kandidatengene identifiziert werden (Hinney und Hebebrand 2001).

Weltweit wurden bislang insgesamt über 40 Genom-Scans sowie weitere auf einzelne chromo-somale Regionen bzw. einzelne SNPs beschränkte Kopplungsstudien zu Adipositas und den damit verbundenen Phänotypen bei Erwachsenen bzw. Kindern und Jugendlichen durchge-führt (Borecki et al. 1994; Clément et al. 1996; Duggirala et al. 1996; Reed et al. 1996;

Chagnon et al. 1997; Comuzzie et al. 1997; Lapsys et al. 1997; Lembertas et al. 1997; Norman et al. 1997; Roth et al. 1997; Hager et al. 1998; Hanson et al. 1998; Norman et al. 1998; Onions et al. 1998; Chagnon et al. 1999; Lee et al. 1999; Rotimi et al. 1999; Hinney et al. 2000;

Kissebah et al. 2000; Öhman et al. 2000; Van der Kallen et al. 2000; Watanabe et al. 2000;

Hirschhorn et al. 2001; Hsueh et al. 2001; Hunt et al. 2001; Lindsay et al. 2001; Perola et al.

2001; Perusse et al. 2001; Price et al. 2001; Weyer et al. 2001; Atwood et al. 2002; Deng et al.

2002; Feitosa et al. 2002; Stone et al. 2002; Wu et al. 2002; Zhu et al. 2002; Dong et al. 2003;

Iwasaki et al. 2003; Palmer et al. 2003; Saar et al. 2003). Da Adipositas ein komplexer

E i n l e i t u n g : 1 . 3 I d e n t i f i z i e r u n g v o n G e n e n z u r G e w i c h t s r e g u l a t i o n 14 Phänotyp und eine polygen bedingte Erkrankung ist, hat die unabhängige Bestätigung einzelner Kopplungsregionen durch mehrere Arbeitsgruppen große Bedeutung. So konnten zahlreiche chromosomale Kopplungsregionen zu Adipositas assoziierten Phänotypen durch mindestens zwei Gruppen repliziert werden (s. Abb. 1-2).

Abb. 1-2: Chromosomale Regionen, für die Kopplungsstudien (s. u. 1.3.1) an Adipositas assoziierten Phänotypen vorgenommen wurden. Jeder senkrechte Balken steht für einen oder mehrere Kopplungsbefunde in ein und derselben Region für einen Phänotyp.

Allerdings weisen diese Genom-Scans verschiedener Arbeitsgruppen nur eine eingeschränkte Vergleichbarkeit auf, da sie einerseits an z.T. unterschiedlichen ethnischen Studiengruppen durchgeführt wurden und außerdem als Bezugsgröße z.T. unterschiedliche Phänotypen wie BMI, prozentualer Körperfettanteil verwendet wurden. Ebenso muss darauf verwiesen werden, dass mit solchen Genom-Scans nur Hauptgenloci identifiziert werden können. Allele mit schwachem Effekt bleiben ebenso wie seltene relevante Allele unentdeckt. Bisher wurde von zwei Genen berichtet, die Kopplungsbefunde zu erklären scheinen: 1.) SLC6A14 - ein Aminosäuretransporter, der die Tryptophan-Verfügbarkeit für die Serotonin-Synthese reguliert und somit wahrscheinlich den Appetit beeinflusst – auf Chromosom Xq24 (Suviolahti et al. 2003) und 2.) GAD2 – ein Gen, das für das Glutaminsäure Decarboxylase Enzym GAD65 kodiert und in pankreatischen β-Zellen exprimiert wird - auf Chromosom

1 4 7 8 10

Y X

22 21 20

19 18 17 16 15 14 13

BMI (LOD >1)

% Körperfett (LOD >1)

Statur (LOD >1) BMI (LOD > 0.5) Klinische Forschergruppe

Marburg, J. Hebebrand

9 12

Abdominales subkutanes Fett (LOD >1)

11

2 3 5 6

replizierte Peaks

1 4 7 8 10

Y X

22 21 20

19 18 17 16 15 14 13

BMI (LOD >1)

% Körperfett (LOD >1)

Statur (LOD >1) BMI (LOD > 0.5) Klinische Forschergruppe

Marburg, J. Hebebrand

9 12

Abdominales subkutanes Fett (LOD >1)

11

2 3 5 6

replizierte Peaks

E i n l e i t u n g : 1 . 3 I d e n t i f i z i e r u n g v o n G e n e n z u r G e w i c h t s r e g u l a t i o n 15 10p11-12 (Boutin et al. 2003). Es wird vermutet, dass einige der erhaltenen Peaks auf die Beteiligung mehrerer Gene in den jeweiligen Regionen zurückzuführen sind. In den nächsten Jahren wird vermutlich aufgeklärt, in welchem Maß einzelne Mutationen, SNPs, Haplotypen oder kombinierte Effekte von SNPs bzw. Haplotypen am Zustandekommen dieser Peaks beteiligt sind (Übersicht Hebebrand et al. 2003).

1.3.2 Kandidatengenansatz

Beim Kandidatengenansatz werden solche Gene für eine detaillierte Untersuchung ausgewählt, die aufgrund der Befunde bei Tieren (s. u. 1.2.2) und beim Menschen (s. u. 1.2.3) sowie auf-grund von Überlegungen und Befunden zu physiologischen Funktionen, Expressionsmustern, pharmakologischen Tierbefunden, zu Knockout- oder transgenen Tiermodellen oder zu chromosomalen Störungen als Kandidatengene für die Gewichtsregulation am ehesten plausibel sind.

Diese Kandidatengene können u. a. mit Hilfe der single-stranded conformation polymorphism analysis (SSCP; s. u. 3.3.1) oder der denaturing high-performance liquid chromatography (dHPLC; s. u. 3.3.2) und der Sequenzierung (s. u. 3.3.3) systematisch auf genetische Varianten untersucht werden, welche möglicherweise funktionsrelevante Allele aufweisen können. Die Wahrscheinlichkeit einer Identifizierung der eher selten Varianten wird durch eine Erweiterung des Stichprobenumfangs erhöht.

1.3.2.1 Assoziationstests

Die bei den Mutationsscreenings detektierten häufigeren Sequenzvarianten (Frequenz > 1 %), die so genannten Single Nukleotid Polymorphisms (SNPs) bzw. auch schon in dem Gen bekannten SNPs können zu Assoziationsstudien herangezogen werden. In Assoziations-studien wird die statistische Assoziation zwischen Phänotyp und einem Allel des SNPs bei Fällen und Kontrollpersonen geprüft. Dabei wird untersucht, ob Unterschiede in der Häufig-keit eines SNP-Allels in Studiengruppen mit unterschiedlichen Phänotypen z. B. bei adipösen Probanden und bei normalgewichtigen Kontroll-Personen existieren.

1.3.2.2 Transmission-Disequilibrium-Tests (TDT)

Assoziationsuntersuchungen ergeben nicht selten falsch positive Ergebnisse. Ursachen hierfür können u. a. Stratifikationseffekte sein (s.u. 3.8.2). Entscheidend für den Erfolg der statisti-schen Aussage solcher Fall-Kontroll-Studien ist die Wahl der Kontrollgruppen. Fälle und Kontroll-Personen sollten sich möglichst nur in der zu untersuchenden Größe, z. B. dem

E i n l e i t u n g : 1 . 3 I d e n t i f i z i e r u n g v o n G e n e n z u r G e w i c h t s r e g u l a t i o n 16 BMI, unterscheiden. Alle weiteren Merkmale sollten identisch sein. Diese schwer zu erfüllende Voraussetzung kann mit internen Kontrollen umgangen werden, z. B. mit dem Test auf Transmissions-Ungleichgewicht (TDT, Spielman et al. 1993), der auf den transmittierten und nicht-transmittierten Allelen heterozygoter Eltern beruht.

Weltweit wurden verschiedene zentral im Gehirn oder peripher im Organismus exprimierte Kandidatengene mit Hilfe von Assoziationsstudien auf ihre Beteiligung an der Entwicklung einer Adipositas untersucht (Übersicht Chagnon et al. 2003). Aufgrund von Stratifikations-problemen oder nicht erfolgter Korrektur von multiplem Testen konnte eine sehr große Anzahl veröffentlichter Assoziationen durch andere Arbeitsgruppen nicht bestätigt werden.

Aus diesem Grund ist es sinnvoll, nach der Detektierung einer Assoziation eines Markerallels mit z. B. Adipositas, diesen positiven Befund mittels eines TDTs unter Heranziehung eines Triodesigns (adipöses Kind und beide Eltern) zu bestätigen. Der TDT ist ein stabiler Test, der nicht diesen Stratifikationseffekten unterliegt.

1.3.2.3 Bestätigung der Assoziation in anderen Populationen

Aufgrund der o. g. Anfälligkeit der Assoziationsuntersuchungen für falsch positive Ergebnisse wird auch angeraten, positive Assoziationsergebnisse in unabhängigen Stichproben zu bestätigen (Übersicht Campbell und Rudan 2002; Dahlman et al. 2002; Übersicht Hirschhorn and Altshuler 2002). Hierfür können u. a. rekrutierte Indexpatienten und Kontroll-Personen anderer Forschergruppen genutzt werden. Die Bestätigung kann sowohl in Studiengruppen derselben Ethnie oder/und anderer ethnischer Angehörigkeit erfolgen.

1.3.2.4 Funktionelle Studien

Nach Erhalt positiver Befunde für die Assoziation sind weitere Untersuchungen (in vitro; in vivo beim Tier) zum Nachweis der funktionellen Relevanz des SNP oder mehrerer zu einem Haplotyp gehörigen SNPs notwendig.

Ebenso können die detektierten seltenen Varianten (Frequenz < 1 %), insbesondere die nicht-synonymen Varianten, die zu einem Aminosäureaustausch führen, mittels verschiedener pharmakologischer Assays (z. B. cAMP-, IP-Assay; s. u. 3.5.2) auf ihre funktionelle Relevanz hin überprüft werden.

Wenn in einer Stichprobe verschiedene, plausible Mutationen (z. B. Nonsense-Mutationen, Deletionen, Missense-Mutationen) mit ableitbaren funktionellen Konsequenzen gefunden werden, diese in den Kontrollguppen jedoch nicht auftreten, ist ein Einfluss dieser Mutation auf die Ausprägung des Phänotyps wahrscheinlich. Falls der Unterschied statistisch signifikant ist, impliziert dies, dass die gefundenen Sequenzvarianten mit dem Phänotyp assoziiert sind.

E i n l e i t u n g : 1 . 4 G e w i c h t s r e g u l a t i o n d u r c h z e n t r a l e x p r i m i e r t e S i g n a l s t o f f e 17